JudikaturJustiz7Ob9/13v

7Ob9/13v – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr.

Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR A***** P*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. November 2012, GZ 2 R 181/12b 26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 23. 7. 2010, eine aus einer fehlerhaften Anlageberatung durch die Beklagte resultierende Schadenersatzforderung zu erheben und damit gegen eine Darlehensforderung der Beklagten aufzurechnen. Zuletzt begehrte er daher die Feststellung, das näher bezeichnete Darlehen sei getilgt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt der Schaden bei fehlerhafter Anlageberatung bereits im Erwerb nicht gewünschter Vermögenswerte, die der Kunde bei richtiger Beratung nicht gekauft hätte (zuletzt 8 Ob 132/10k; 4 Ob 200/10f; 1 Ob 85/11y mwN).

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 erster Satz ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS Justiz RS0034951; RS0034374). Für den Beginn der Verjährungsfrist kommt es entscheidend darauf an, wann der Geschädigte die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann. Die Kenntnisnahme gilt als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Es darf jedoch die Erkundungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden (RIS Justiz RS0034327). Die Kenntnis des Geschädigten hat den gesamten anspruchsbegründenden Sachverhalt zu umfassen, wozu im Fall einer Verschuldenshaftung auch die Klarheit über das Verschulden des Schädigers zählt (RIS Justiz RS0034374).

1.2 Nach den Feststellungen wollte der Kläger eine sichere Anlageform und kein Kapitalrisiko eingehen. Er kaufte nach Beratung durch den Regionalleiter der Beklagten am 4. 3. 1999 die „Republik Argentinien 7 % DEM Anleihe 1997 2004“. Am 1. 6. 1999 nahm er bei der Beklagten ein Fremdwährungsdarlehen in Schweizer Franken auf. In Teilausnützung des gewährten Rahmens erwarb er am 4. 6. und 16. 9. 1999 weiters die „Republik Argentinien 9 % Anleihe 1999 bis 2006“. Ab 2001 geriet die Republik Argentinien mit ihren Zinszahlungen in Verzug. Ab 2003 machte sie Umschuldungsangebote, die die Beklagte dem Kläger weiterleitete.

Infolge der unterbliebenen Zinszahlungen und der Umschuldungsangebote ab 2003 musste ihm spätestens im Jahr 2003 bewusst sein, dass die erhaltene Beratung unrichtig war. Zu diesem Zeitpunkt war ihm auch das behauptete subjektive Fehlverhalten des Regionalleiters der Beklagten erkennbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Kläger eine Erkundigungspflicht traf. Dass ein gewisses Risiko der erworbenen Anleihen bereits im Beratungszeitpunkt in Fachkreisen bekannt war, hätte er angesichts der Feststellungen ohne nennenswerte Mühe auch schon im Jahr 2003 in Erfahrung bringen können (1 Ob 85/11y mwN).

Die Verjährungsfrist begann damit spätestens Ende 2003 zu laufen. Jedenfalls Ende 2006 stand der Geltendmachung der Schadenersatzforderung des Klägers Verjährung entgegen.

2.1 Der Kläger erklärte nun seine verjährte Schadenersatzforderung gegen die Darlehensforderung der Beklagten, die er vorzeitig zurückzuzahlen berechtigt war, aufzurechnen.

Richtig ist, dass eine gültige Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in welchem sich Forderung und Gegenforderung zum ersten Mal aufrechenbar gegenübergestanden sind (RIS Justiz RS0033973, RS0033904). Das bewirkt, dass die Kompensation auch dann zulässig ist, wenn die Forderung des Aufrechnenden im Zeitpunkt seiner Aufrechnungserklärung wie hier bereits verjährt war, wenn dies nur nicht im Zeitpunkt der Aufrechnungslage der Fall war (RIS Justiz RS0034016).

Gemäß § 1439 ABGB setzt die gesetzliche Aufrechnung die Fälligkeit beider Forderungen, also der Forderung des Aufrechnenden gegen den Aufrechnungsgegner wie auch der Forderung des Aufrechnungsgegners gegen den Aufrechnenden voraus. Vor Fälligkeit beider Forderungen ist die Aufrechenbarkeit grundsätzlich nicht gegeben. Nur für die Forderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet werden soll, ist die Fälligkeit dann nicht zu fordern, wenn der Aufrechnende berechtigt ist, vorzeitig zu zahlen (RIS Justiz RS0033731, RS0033762, 2 Ob 204/10d mwN).

2.2 Das von der Beklagten gewährte Darlehen war jederzeit rückzahlbar. Zu prüfen ist aber, ob die Schadenersatzforderung des Klägers vor Eintritt ihrer Verjährung fällig der Darlehensforderung der Beklagten gegenüberstand.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der überwiegenden Lehre wird eine Schadenersatzforderung erst dann fällig, wenn der Geschädigte den Schaden (zahlenmäßig bestimmt) eingemahnt hat (RIS Justiz RS0023392, Reischauer in Rummel ³, § 1323 Rz 16 mwN, Harrer in Schwimann ABGB³ VI § 1323 Rz 63).

Da der Kläger vor 2008 jedenfalls nicht an die Beklagte wegen der Geltendmachung irgendeiner Schadenersatzforderung herantrat, ergibt sich, dass vor Eintritt der Verjährung dieser Forderung mangels deren Fälligkeit - eine Aufrechnungslage nicht verwirklicht war. Der Kläger kann daher gegen die Darlehensforderung der Beklagten nicht erfolgreich aufrechnen.

3. Auf die Frage eines nach § 15 Abs 2 WAG 1996 wirksam vereinbarten Haftungsausschlusses für leichtes Verschulden und des Verschuldensgrads der Beklagten (grobe/leichte) Fahrlässigkeit kommt es daher nicht an.

Rechtssätze
10