JudikaturJustiz6Ob196/06a

6Ob196/06a – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eugen A*****, gegen die beklagte Partei Karl-Heinz B*****, vertreten durch Achammer Mennel Welter Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen Feststellung und Abtretung einer Erbschaft (Streitwert insgesamt 12.000 EUR), über die Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. April 2006, GZ 1 R 84/06x-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3. Februar 2006, GZ 9 Cg 72/05f-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen, ob bei einer Erbschaftsschenkung auch das Vertragsanbot und die Vertragsannahme der Formpflicht des § 1278 Abs 2 ABGB unterliegen, ob eine Verletzung dieser Formpflicht saniert werden kann und ob eine Erbsentschlagung auch auf die Nachkommen des Ausschlagenden durchgreift.

Der am 26. 1. 1985 verstorbene Ernst B*****, der Onkel der beiden Parteien, die Cousins sind, setzte zwei Schwestern zu seinen Erbinnen ein. Im Verlassenschaftsverfahren erklärten diese, sich des Erbes zu entschlagen; sie wollten den Nachlass ihrem Bruder, dem Vater des Beklagten, schenken. Dieser wollte den Nachlass jedoch an den Beklagten weitergeben, womit die eingesetzten Erbinnen einverstanden waren. Sie und der Vater des Beklagten erklärten daher dem Gerichtskommissär gegenüber in Anwesenheit des Beklagten, dass der Nachlass an den Beklagten gehen sollte. Da die Mutter des Klägers, eine weitere Schwester des Erblassers, vorverstorben war, enthielt die Todfallsaufnahme vom 11. 3. 1985 keinen Hinweis auf den Kläger. Daher hielt der Gerichtskommissär (wohl aus steuerlichen Gründen) im Abhandlungsprotokoll vom 1. 7. 1985 fest, die testamentarischen Erbinnen und der Vater des Beklagten würden sich ihres Erbes entschlagen; gesetzlicher Erbe sei damit der Beklagte. Dieser gab eine unbedingte Erbserklärung ab.

Der Kläger strebt mit seiner Erbschaftsklage 1/9tel des Nachlasses an. Der Erblasser habe 8 Geschwister gehabt; davon seien 5 vorverstorben, die überlebenden hätten sich des Erbes entschlagen. Durch die Erbsentschlagungen sei es zur gesetzlichen Erbfolge gekommen. 4 Geschwister hätten Kinder gehabt, die Erbsentschlagung des Vaters des Beklagten wirke jedoch auch zu dessen Lasten. Daher wäre der Mutter des Klägers 1/3 des Nachlasses zugestanden; er selbst habe noch 2 Geschwister.

Der Beklagte beruft sich darauf, dass ihm der gesamte Nachlass geschenkt worden sei.

Das Berufungsgericht sprach dem Kläger 1/12 des Nachlasses zu. Für eine Erbschaftsschenkung seien die formellen Voraussetzungen nach § 1278 Abs 2 ABGB nicht erfüllt gewesen; daran ändere auch das tatsächliche Zukommen des Nachlasses nichts. Der Vater des Beklagten habe mit seiner Erbsentschlagung nur für seine Person verfügen wollen, der Beklagte trete daher an seine Stelle. Der Mutter des Klägers hätte daher 1/4 des Nachlasses zugestanden.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte meint in seiner Revision zunächst, seine Einantwortung als Erbe sei noch nicht rechtskräftig, weil der Kläger im Verlassenschaftsverfahren übergangen worden sei. Der Kläger habe daher die Erbschaftsklage verfrüht erhoben, er könne sich noch im Verlassenschaftsverfahren auf sein Erbrecht stützen. Zu der hier noch anzuwendenden Rechtslage vor Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes BGBl I Nr 111/2003 hat der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgeführt, von einer rechtskräftigen Beendigung des Abhandlungsverfahrens könne dann nicht gesprochen werden, wenn Personen, die ein Recht auf Beteiligung an diesem hatten und deren Beteiligung nach dem Inhalt der Akten auch möglich gewesen wäre, dem Verfahren nicht zugezogen und ihnen so, insbesondere auch durch Unterlassung der Zustellung des das Verfahren beendigenden Beschlusses, die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, entzogen worden sei; in einem solchen Fall könne weder von der Gesetzmäßigkeit der Durchführung des Abhandlungsverfahrens noch auch von der Rechtskraft der Einantwortung ausgegangen werden; dies treffe insbesondere dann zu, wenn nach dem Inhalt des die jeweilige Verlassenschaftssache betreffenden Aktes eine der in § 75 AußStrG 1854 genannten und auch aktenkundigen Personen zu verständigen gewesen wäre; „vermutlicher Erbe" im Sinne dieser Gesetzesstelle sei derjenige, welcher nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme berufen erscheint und auch zum Ausdruck brachte, sich am Abhandlungsverfahren beteiligen zu wollen; sei aber die Verständigung aktenkundiger Erbansprecher unterblieben und seien sie dadurch gesetzwidrigerweise von der Beteiligung am Verlassenschaftsverfahren ausgeschlossen worden, könne eine Einantwortung ihnen gegenüber nicht in Rechtskraft erwachsen (7 Ob 209/04t = EFSlg 109.955, 109.888 mwN). Der Kläger schien in der Todfallsaufnahme nicht auf. Er war aufgrund dieser Rechtsprechung daher nicht „vermutlicher Erbe" im Sinne des § 75 AußStrG 1854, die Einantwortung des Beklagten vom 4. 7. 1985 somit rechtskräftig und die Erbschaftsklage des Klägers, der sich auf sein Erbrecht beruft, zulässig; seine Verweisung auf das Verlassenschaftsverfahren ist nicht möglich.

2. Nach Auffassung des Beklagten ist das Formerfordernis des § 1278 Abs 2 ABGB erfüllt worden. Der Gerichtskommissär habe ein Protokoll aufgenommen; sowohl die testamentarischen Erbinnen als auch er selbst seien gleichzeitig anwesend gewesen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Ausschlagung der Erbschaft dann anzunehmen, wenn der Ausschlagende schlechthin auf den ihm zugefallenen Nachlass verzichtet, mit der Wirkung, dass der Anfall als nicht erfolgt gilt, sodass die Erbschaft nicht ihm, sondern denjenigen Personen anfällt, die berufen gewesen wären, wenn er bereits vor dem Anfall weggefallen wäre. Wird aber auf die Erbschaft zugunsten bestimmter Personen verzichtet, denen die Erbschaft (Quote) des Verzichtenden bei seinem Wegfall nicht zur Gänze angefallen wäre, so liegt keine Ausschlagung, sondern bei Entgeltlichkeit des Verzichts ein Erbschaftskauf, bei Unentgeltlichkeit eine Erbschaftsschenkung vor, die beide den Vorschriften des § 1278 ABGB unterliegen und zu ihrer Gültigkeit der Aufnahme eines Notariatsakts oder der Beurkundung durch ein Gerichtsprotokoll bedürfen (RIS-Justiz RS0013018). Es handelt sich um einen zweiseitigen Vertrag, der voraussetzt, dass das Offert des Schenkers ebenfalls in der erforderlichen Form vom Beschenkten angenommen wird und die Annahmeerklärung dem Schenker auch zukommt. Die negative Erbserklärung des Erben (Schenker) erfüllt auch nicht in Verbindung mit der positiven Erbserklärung des Erwerbers die gesetzlichen Formerfordernisse (6 Ob 193/98w = JBl 1999, 108). Das Formgebot des § 1278 Abs 2 ABGB soll unter anderem der Klarstellung der Rechtslage dritten Personen gegenüber dienen, sodass es sich schon auf den Vertragsschluss erstrecken muss (RIS-Justiz RS0041430). Die testamentarischen Erbinnen und der Beklagte haben am 1. 7. 1985 keinen Erbschaftsvertrag geschlossen, sondern ausdrücklich festgehalten, dass erstere sich ihres Erbes entschlagen und letzterer daher als gesetzlicher Erbe zum Zug kommt. Soll aber die Einhaltung des Formgebots des § 1278 Abs 2 ABGB Dritte durch „Klarstellung der Rechtslage" schützen, verbietet sich die vom Beklagten gewünschte „Uminterpretation" des Abhandlungsprotokolls vom 1. 7. 1985 in einen Erbschaftsschenkungsvertrag.

3. Das Berufungsgericht hat verneint, dass der Formmangel des § 1278 Abs 2 ABGB durch wirkliche Übergabe des Nachlasses saniert werden könnte. Dies entspricht der überwiegenden Lehre (Jud, Der Erbschaftskauf [1998] 37; Welser in Rummel, ABGB³ [2002] §§ 1278-1281 Rz 3; Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 1278 Rz 3; Binder in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1278 Rz 8; aA Demelius, Erbverzicht zugunsten Dritter, NZ 1930, 101; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung [1998] 236), die sich auf die Entscheidung 1 Ob 1170/31 (= SZ 14/2) beruft; eine Heilung formungültiger Geschäfte durch Einantwortung komme nicht in Betracht. Der Beklagte kommt auf diese Frage in seiner Revision auch nicht mehr zurück.

4. Der Kläger führt in seiner Revision aus, der Vater des Beklagten habe sich seines Erbes entschlagen; da er „nichts anderes erklärt" habe, wirke dies auch zulasten des Beklagten, seines Sohnes. Der Oberste Gerichtshof hat seiner Entscheidung 1 Ob 739/82 (= JBl 1983, 426) die Ausführungen Ecchers (Die Wirkung der Erbsentschlagung auf die Nachkommen, NZ 1982, 20) zugrundegelegt, der die Ansicht vertreten hatte, der Ausschlagende bestimme autonom, ob durch seine Erklärung seine Nachkommen begünstigt werden sollen oder nicht, sei es, dass er einen anderen positiv begünstigen will, sei es, dass er nur negativ den Willen äußert, dass seine Nachkommen vom Erbrecht ausgeschlossen sein sollen; im Wege der Auslegung sei daher zu ermitteln, ob der Ausschlagende den Willen gehabt habe, dass die Entschlagung auch seine Nachkommen erfassen sollte; habe der Ausschlagende keinen Willen dahin geäußert, ob das Freiwerden seiner Erbquote seinen Nachkommen zugute kommen sollte oder nicht, sei seine Erklärung nach den Umständen des Falles und den vom Ausschlagenden verfolgten Zielsetzungen auszulegen.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Vater des Beklagten nur für seine Person des Erbes entschlagen wollte; die Erbsentschlagung sollte sich aber nicht auf den Beklagten erstrecken. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden; sie entspricht den ausdrücklichen Erklärungen anlässlich der Abhandlungstagsatzung vom 1. 7. 1985 und den Feststellungen des Erstgerichts. Die Entscheidung des Berufungsgerichts folgt somit - auch jüngerer - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs; die Revisionen waren zurückzuweisen.

Die Parteien haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der jeweils gegnerischen Revision nicht hingewiesen. Die Revisionsbeantwortungen waren daher auch nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen, ein Kostenersatz kommt nicht in Betracht.

Rechtssätze
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