JudikaturJustiz3Ob525/94

3Ob525/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache der am 28. Februar 1993 verstorbenen Johanna P*****, infolge Revisionsrekurses des Institutes *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 - 19, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 23.Dezember 1993, GZ 43 R 788/93-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 2.August 1993, GZ 4 A 129/93b-18, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

2.) Der Schriftsatz des Revisionsrekurswerbers vom 16.5.1994 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 8.5.1902 geborene und 28.2.1993 verstorbene Erblasserin setzte in dem am 16.4.1970 errichteten fremdschriftlichen, von ihr und drei Zeugen unterfertigten Testament das "Institut *****" in Wien zum Erben ihres gesamten Vermögens ein.

Mit dem am 29.8.1990 zugestellten Beschluß des Erstgerichtes vom 22.8.1990 wurde für die Erblasserin gemäß § 238 Abs 2 AußStrG ein einstweiliger Sachwalter bestellt. Am 15.2.1991 errichtete die Erblasserin vor einem Notar und zwei Zeugen ein Testament, in dem sie Johann U***** zum Erben ihres gesamten Vermögens einsetzte. Die hierüber aufgenommene notarielle Urkunde enthält keine Erklärung darüber, ob sich der Notar davon zu überzeugen versuchte, daß die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschah, und gegebenenfalls vom Ergebnis dieser Prüfung.

Beide Testamente wurden vom Erstgericht kundgemacht. Der Verlassenschaftsabhandlung wurde aber nur Johann U***** beigezogen. Dieser gab auf Grund des Testamentes vom 15.2.1991 zum ganzen Nachlaß die unbedingte Erbserklärung ab.

Das Erstgericht wies die Erbserklärung zurück. Das Testament, auf das sich der Erbe berufe, leide an einem Formmangel, weil daraus nicht zu entnehmen sei, daß dem Notar die Sachwalterschaft bekannt gewesen ist und er sich im Sinn des § 569 ABGB von der Testierfähigkeit der Erblasserin überzeugte.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß infolge Rekurses des Johann U***** dahin ab, daß es seine Erbserklärung annahm. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidunggegenstandes S 50.000,- übersteigt und der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. In der Sache schloß er sich unter Ablehnung der Entscheidung SZ 64/111 der von Kralik (Erbrecht, Ergänzungsheft 10) vertretenen Auffassung an, daß auf ein Testament, das gemäß § 568 ABGB von einer unter Sachwalterschaft stehenden Person vor Gericht oder einem Notar errichtet wurde § 569 ABGB nicht anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des im ersten Testament eingesetzten Erben ist berechtigt.

Zu prüfen war zunächst die Rekurslegitimation des Revisionsrekurswerbers. Es ist hiezu einheitliche Rechtsprechung, daß dem erbserklärten Erben das Rekursrecht gegen die Annahme der Erbserklärung eines anderen Erben zusteht (NZ 1981, 105; SZ 47/65; NZ 1968, 109 ua). Der Revisionsrekurswerber hat die Erbserklärung allerdings erst nach Einbringung des Revisionsrekurses abgegeben. Dies ist aber ohne Bedeutung, weil es ausreicht, daß die Rechtsmittellegitimation, bei der es sich um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels handelt, zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben ist. Ebensowenig schadet es, daß die Erbserklärung noch nicht vom Gericht angenommen wurde (SZ 47/65). Die Parteistellung des Erben wird nämlich bereits durch die Abgabe der Erbserklärung begründet (vgl EF 61.284, 55.420; SZ 44/72 ua). Die Rekurslegitimation des Revisionsrekurswerbers, dem gemäß § 2 Abs 2 lit a UOG 1973 auch Rechtspersönlichkeit zukommt, ist daher gegeben.

Mit den Argumenten Kraliks hat sich der Oberste Gerichtshof schon in der Entscheidung SZ 64/111 auseinandergesetzt. Die Ausführungen Edelbachers (ÖJZ 1985, 165), auf die sich das Rekursgericht beruft und auf die in der angeführten Entscheidung nicht Bedacht genommen wurde, bieten keinen Anlaß, von der darin vertretenen Ansicht abzugehen. Edelbacher gibt selbst die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des SWG (742 Blg NR 15.GP 21) wieder, aus denen hervorgeht, daß die Verfasser dieser Regierungsvorlage davon ausgegangen sind, § 569 ABGB sei auch anzuwenden, wenn eine Person, für die ein Sachwalter bestellt wurde, mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testiert. Dies spricht aber deutlich dafür, daß der Gesetzgeber es nicht bewußt unterlassen hat, auf die Anwendbarkeit des § 569 ABGB im Gesetzestext hinzuweisen. Es liegt also eine planwidrige Unvollständigkeit vor. Sind gesetzliche Bestimmungen vorhanden, die einen Tatbestand enthalten, der mit dem versehentlich nicht geregelten vergleichbar ist, so ist die auf eine planwidrige Unvollständigkeit zurückgehende Gesetzeslücke durch analoge Anwendung dieser Bestimmungen zu schließen (vgl SZ 57/194; F.Bydlinski in Rummel2 Rz 3 zu § 7). Hiefür bietet sich hier aber § 569 ABGB an, weil die Gründe für die Notwendigkeit, die Testierfähigkeit zu prüfen, bei einem Minderjährigen und bei einer behinderten Person, für die ein einstweiliger Sachwalter bestellt wurde, durchaus gleichwertig sind. Das Argument Edelbachers, daß der Richter auch dann, wenn er nach § 588 ABGB eine mündliche letztwillige Erklärung zu Protokoll nimmt, nicht zu prüfen, nichts "beizurücken" habe, überzeugt nicht, weil bei Personen für die ein einstweiliger Sachwalter bestellt wurde, ähnlich wie bei den im § 569 ABGB erwähnten Minderjährigen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, die Möglichkeit der Testierunfähigkeit größer als bei anderen Personen ist.

Der erkennende Senat vermag sich auch der Ansicht des Rekursgerichtes nicht anzuschließen, es sei von Bedeutung, daß die Entscheidung SZ 64/111 nicht zum Rechtsbereich des § 122 AußStrG, sondern zu einer Legatsklage ergangen ist und daß die hier zu entscheidenden Rechtsfragen nicht wesentlich gewesen seien, weil auch zwei andere letztwillige Verfügungen vorhanden waren. All dies ändert nichts daran, daß in der Entscheidung unter Hinweis auf die im Schrifttum überwiegend vertretene Meinung eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde, die Regelung des § 569 ABGB sei auch auf die gemäß § 568 ABGB errichteten Testamente anzuwenden. Der erkennende Senat hält aus den dargelegten Gründen diese Meinung aufrecht.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung EvBl 1991/34 schon ausgesprochen, daß die Vorschrift des § 568 - und damit auch die des § 569 ABGB - analog auch in dem - hier gegebenen - Fall der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters im Sinn des § 238 Abs 2 AußStrG anzuwenden ist. Es ist ferner herrschende Auffassung, daß die nach § 569 Satz 4 ABGB ins Protokoll aufzunehmende Erklärung über die Prüfung der Testierfähigkeit und deren Ergebnis eine Formvorschrift somit ein Gültigkeitserfordernis ist, deren Verletzung die Erklärung des letzten Willens ungültig macht (SZ 64/111; GlU 11.522; Weiß in Klang2 III 218; Kralik aaO 10). Ebenso ist es herrschende Auffassung, daß eine Erbserklärung zurückzuweisen ist, wenn von vornherein feststeht, daß der in Anspruch genommene Erbrechtstitel zu keiner Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen kann (EvBl 1992/36; RZ 1990, 259; NZ 1987, 68 ua, zuletzt 1 Ob 510/94). Schon das Verlassenschaftsgericht hat daher zu prüfen, ob eine letztwillige Verfügung des Erblassers, auf die sich ein Erbansprecher zur Dartuung seines Erbrechts beruft, überhaupt als Testament angesehen werden kann, wofür es den inneren und den äußeren Formvorschriften entsprechen muß (1 Ob 510/94). Dies ist aber hier nicht der Fall, weil das zweite Testament nicht in der Form errichtet wurde, die nach dem analog anzuwendenden § 569 ABGB vorgeschrieben ist.

Das Erstgericht hat daher die Erbserklärung des auf Grund des zweiten Testaments berufenen Erben mit Recht zurückgewiesen, weshalb sein Beschluß wiederherzustellen war. Die vom Revisionsrekurswerber eingebrachte Ergänzung des Revisionsrekurses war jedoch im Sinn der einheitlichen Rechtsprechung zurückzuweisen (EvBl 1989/33; SSV-NF 2/5; AnwBl 1987, 296 ua).

Rechtssätze
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