JudikaturJustiz3Ob137/01w

3Ob137/01w – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 23. März 2000 verstorbenen Dr. Mascha H*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Mag. Florian S*****, vertreten durch Dr. Klaus Altmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. März 2001, GZ 43 R 105/01m bis 107/01f-47, womit infolge dessen Rekurses ua die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 10. Juli 2000 und vom 6. November 2000, GZ 7 A 51/00g-13 und 26, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung des angefochtenen Teils des Beschlusses ON 13 richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen (also soweit er den Beschluss ON 26 des Erstgerichts betrifft) wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die am 23. 3. 2000 verstorbene Erblasserin, eine in Wien wohnhafte britische Staatsbürgerin, hinterließ zwei letztwillige Verfügungen. Das jüngere Testament stammt vom 18. 10. 1994. Darin setzte sie Dr. Vera L***** zur Erbin mit der Auflage ein, die Hälfte des reinen Nachlassvermögens zur Finanzierung eines Auslandsstudiums des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers zu verwenden. Für den Fall, dass die eingesetzte Erbin vor der Erblasserin, gleichzeitig mit ihr oder nach ihr vor Abgabe einer Erbserklärung ablebe oder keine solche abgebe, wurde der Revisionsrekurswerber zum Ersatzerben bestimmt.

Mit Beschluss vom 10. 7. 2000 (ON 13) nahm das Erstgericht die von der Testamentserbin auf Grund des Testamentes vo 18. 10. 1994 zum gesamten Nachlass abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht an und sah den Erbrechtsausweis als erbracht an. Mit Punkt 3. dieses Beschlusses räumte ihr das Erstgericht die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses ein.

Am 8. 8. 2000 gab der nunmehrige Revisionsrekurswerber vor dem Gerichtskommissär eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab, beantragte, diese zu Gericht anzunehmen und sein Erbrecht als ausgewiesen anzusehen. In dem Testament sei er als Ersatzerbe eingesetzt. Eine Begründung dafür, weshalb der Substitutionsfall eingetreten sein sollte, gab er nicht.

Mit Beschluss vom 6. 11. 2000 (ON 26) wies das Erstgericht die bedingte Erbserklärung des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers als Ersatzerben zurück. Dieser sei lediglich als Ersatzerbe eingesetzt worden. Ersatzerbschaft sei nicht eingetreten. Auf andere Gründe für sein Erbrecht habe er sich nicht berufen. Wenn zweifelsfrei feststehe, dass ein Erbrecht nicht bestehe, sei die Erbserklärung zurückzuweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht unter anderem den gegen die Beschlüsse ON 13 und ON 26 erhobenen Rekursen des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils den Betrag von S 260.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs jeweils nicht zugelassen werde.

In seiner Begründung nahm das Rekursgericht gemäß § 22 AußStrG die inländische Abhandlungsjurisdiktion hinsichtlich der von der Erblasserin hinterlassenen Liegenschaften jedenfalls als gegeben an. Wegen Fehlens der Gegenseitigkeit mit dem Königreich Großbritannien sei gemäß § 23 Abs 3 AußStrG auch der inländische bewegliche Nachlass der mit Wohnsitz in Österreich verstorbenen Erblasserin abzuhandeln. Da das britische Personalstatut der Erblasserin, auf das § 28 Abs 1 IPRG verweise, auf österreichisches Recht zurückverweise, sei unter anderem auf die Frage der Auslegung einer letztwilligen Verfügung österreichisches Recht als Domizilrecht anzuwenden. Das gelte auch für die Voraussetzungen für die Abgabe einer Erbserklärung.

Das Rekursgericht beurteilte die Verpflichtung der eingesetzten Erbin, die Hälfte des reinen Nachlassvermögens zur Finanzierung eines Auslandsstudiums des Revisionsrekurswerbers zu verwenden, als Auflage.

Dieser bestreite die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung der äußeren Form nach nicht. Die eingesetzte Erbin sei nach der Textierung des Testaments Universalerbin, sie habe eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass abgegeben, nach der Aktenlage sei ihr Erbrecht hinreichend ausgewiesen. Sie habe daher Anspruch auf Besorgung und Verwaltung des Nachlasses, was von weiteren Voraussetzungen nicht abhängig sei (1 Ob 718/52; 5 Ob 745/82 ua). Demnach habe ihr das Erstgericht zutreffend die bekämpfte Verwaltungsbefugnis erteilt, die durch die später abgegebene Erbserklärung des Rekurswerbers nicht berührt werde (6 Ob 366/64 = RPflSlgA 4466). Die Beseitigung der Rechtswirkungen des Überlassungsbeschlusses sei im Fall einer späteren widersprechenden Erbserklärung im Wege der Erlassung der einstweiligen Verfügung im streitigen Rechtsweg möglich (1 Ob 209/98m).

Soweit der Rekurswerber der erstgerichtlichen Entscheidung über seine Erbserklärung entgegenhalte, es sei die Gültigkeit der Erbserklärung der eingesetzten Erbin vom Erstgericht nicht geprüft worden, lasse das Rechtsmittel offen, weshalb sie ungültig sein solle. Ob in der letztwilligen Verfügung der Erblasserin die Anordnung einer Ersatz- oder Nacherbschaft zu erblicken ist, habe das Verlassenschaftsgericht zunächst mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens selbst zu entscheiden (7 Ob 199/62 = RZ 1963, 14). Zutreffend sei das Erstgericht demnach in diesem Sinn vorgegangen. Die Interpretation, dass die Erblasserin eine Ersatzerbschaft angeordnet habe, werde im Rekurs nicht bestritten. Auch die Annahme der Erbserklärung der Erbin werde nicht bekämpft. Gebe der eingesetzte Erbe die Erbserklärung ab, so komme der Ersatzerbe nicht zum Zug und sei nicht als Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens anzusehen (7 Ob 199/62).

Der Rekurswerber sei Auflagebegünstigter bzw Vermächtnisnehmer. Er komme nach der Aktenlage nicht als gesetzlicher Erbe zum Zuge. Da ihm die in Anspruch genommene letztwillige Verfügung keine Beteiligtenstellung verleihe, habe das Erstgericht zutreffend die Erbserklärung zurückgewiesen. Ihm stehe zur Durchsetzung seiner von ihm behaupteten Rechte nur der streitige Rechtsweg offen.

Im Hinblick auf die zitierte Judikatur fand das Rekursgericht, dass Rechtsfragen mit der Qualifikation des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Ersatzerben insoweit, als damit die Zurückweisung seiner Erbserklärung und die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses durch die Erbin bestätigt wurde. Er begehrt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass seine bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen und die der Erbin eingeräumte Besorgung und Verwaltung des Nachlasses aufgehoben werde.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Erbserklärung des Revisionsrekurswerbers:

Als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung macht der Revisionsrekurswerber geltend, dass die Ansicht des Rekursgerichts, Ersatzerbschaft und zumindest Zuwendung der Hälfte des reinen Nachlasses würden nicht für die Annahme einer Erbserklärung zu Gericht genügen, der ständigen Judikatur widerspreche. In diesem Zusammenhang führt er aus, dass nach im Einzelnen angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs jede Erbserklärung zu Gericht anzunehmen sei, es sei denn, es stehe zweifelsfrei fest, dass der Erbrechtstitel, auf den sich die Erbserklärung gründet, nie zur Einantwortung des Nachlasses führen kann. Einerseits liege im Testament inhaltlich seine Berufung zum Erben des halben Vermögens, andererseits reiche seine Eigenschaft als Ersatzerbe für die Annahme der Erbserklärung hin.

Soweit aus der angeordneten Ersatzerbschaft die Verpflichtung des Verlassenschaftsgerichts zur Annahme einer darauf gestützten Erbserklärung abgeleitet wird, liegt bisher eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vor, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zu lösen ist.

Der Revisionsrekurs ist somit deshalb zwar zulässig, soweit er sich gegen die Bestätigung des Beschlusses ON 26 des Erstgerichtes richtet, er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 122 Satz 2 AußStrG ist jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung vom Gericht anzunehmen und bei den Abhandlungsakten aufzubewahren. Diese Gesetzesstelle ist nach ständiger Rechtsprechung insoweit einschränkend auszulegen, als die abgegebene Erbserklärung dann zurückzuweisen ist, wenn feststeht, dass der Erbrechtstitel, auf den die Erbserklärung gegründet wird, nie zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erklärer führen kann (RZ 1963, 133; 5 Ob 215/67 = RZ 1968, 139; SZ 67/8 = JBl 1994, 555 uva E zu RIS-Justiz RS0007938; ebenso Welser in Rummel, ABGB3 §§ 799, 800 Rz 16). In der vom Revisionsrekurswerber für seinen Standpunkt in Anspruch genommenen Entscheidung 5 Ob 215/67 = RZ 1968, 139 hat der Oberste Gerichtshof in Abänderung einer gegenteiligen Entscheidung des Rekursgerichts die die Annahme der Erbserklärung eines Ersatzerben aussprechende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt. Der Betreffende war nach dem Wortlaut eines wechselseitigen Testaments von Ehegatten nur für den Fall des gleichzeitigen Ablebens beider eingesetzt worden. Die Ehefrau war allerdings mehrere Jahre vor dem Ehemann verstorben. Ungeachtet dieser Umstände sah es der Oberste Gerichtshof nicht als von vornherein ausgeschlossen an, dass der Erblasser vielleicht doch etwas anderes angeordnet habe, als er anzuordnen scheine. Ohne einem allfälligen Prozessergebnis vorzugreifen, könne nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise gesagt werden, dass der erbserklärte Erbe auf keinen Fall erbberechtigt und eine Einantwortung bei ihm auszuschließen sei. Immerhin bleibt aber festzuhalten, dass die vom Erblasser eingesetzte Erbin, die vorverstorben war, die Erbschaft nicht im Sinn des § 604 ABGB erlangt hatte. Jedenfalls diese Voraussetzung für das Wirksamwerden der gemeinen Substitution nach § 604 Satz 3 ABGB lag vor.

Im Gegensatz dazu kann im vorliegenden Fall nicht der geringste Zweifel bestehen, dass der Substitutionsfall gar nicht mehr eintreten kann. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 199, 200/62 = RZ 1963, 14 ausgeführt hat, kommt der Ersatzerbe eben nicht zum Zug, wenn der eingesetzte Erbe die Erbserklärung abgibt und diese vom Gericht angenommen wird.

Der Revisionsrekurswerber zeigt allerdings zu Recht auf, dass die Entscheidung RZ 1963, 14 nicht die Frage behandelt, ob ungeachtet der Annahme der Erbserklärung des eingesetzten Erben eine vom Ersatzerben erstattete Erbserklärung vom Abhandlungsgericht angenommen werden muss. Nach dem Testament, auf welches der Revisionsrekurswerber sein Erbrecht stützen will, wurde er nur für den Fall zum Ersatzerben bestimmt, dass die eingesetzte Erbin vor der Erblasserin, gleichzeitig mit ihr oder nach ihr vor Abgabe einer Erbserklärung ablebe oder keine solche abgebe. Dass die eingesetzte Erbin, die eine in der Folge vom Erstgericht angenommene Erbserklärung abgegeben hat, die Erblasserin überlebt hat, steht ebenso fest, wie dass sie nicht vor Abgabe dieser Erbserklärung verstorben ist. Mit dem vom Erstgericht bestätigten Beschluss vom 10. 7. 2000 (ON 13) hat das Erstgericht die gemäß § 806 ABGB unwiderrufliche Erbserklärung der Erbin zu Gericht angenommen. Demnach kann der Substutitionsfall unter keinen Umständen mehr eintreten. Vielmehr ist gemäß § 615 Abs 1 ABGB die gemeine Substitution zu Gunsten des Revisionsrekurswerbers mit der Annahme der Erbschaft, d.i. die (bedingte) Erbserklärung, erloschen.

Ungeachtet der Rechtsprechung, wonach der Erbrechtstitel - auch noch im Erbrechtsstreit - bis zur Einantwortung vom Erbansprecher durch einen anderen ersetzt werden kann (NZ 1984, 192 = EFSlg 45.980; NZ 1996, 273 je mN), verstößt die erstmalige Berufung auf eine unmittelbare Erbseinsetzung im außerordentlichen Revisionsrekurs gegen das für dieses Rechtsmittel geltende (EFlSlg 79.674; EFSlg

88.602 ua) Neuerungsverbot. Auf die hiezu im Rechtsmittel erstatteten Ausführungen ist daher nicht einzugehen.

Da es somit bloß auf die auf Grund der Einsetzung als Ersatzerbe abgegebene Erbserklärung ankommt und diese nach dem Gesagten nicht mehr wirksam werden kann, hast das Rekursgericht zu Recht die Zurückweisung der Erbserklärung des Revisionsrekurswerbers bestätigt.

2. Zur Besorgung und Verwaltung des Nachlasses:

Soweit der Revisionsrekurswerber weiterhin die der Erbin eingeräumte Besorgung und Verwaltung des Nachlasses bekämpft, vermag er das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG nicht darzulegen. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Anspruch des Erben, der sein Erbrecht hinreichend ausgewiesen hat, auf Besorgung und Verwaltung des Nachlasses von weiteren Voraussetzungen nicht abhängig ist und auch eine vor Rechtskraft der betreffenden Verfügung des Nachlassgerichtes abgegebene widersprechende Erbserklärung einer anderen Person zu keiner Änderung dieser Verfügung führt (1 Ob 718/52; EvBl 1950/434 uva E zu RIS-Justiz RS0008057; zuletzt 1 Ob 209/98m = EFSlg 87.230, 87.233; 1 Ob 209/00t). Darauf, aus welchen Gründen der Revisionsrekurswerber seine vom Erstgericht zurückgewiesene Erbserklärung nicht früher zu Protokoll geben konnte, kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Erbin nicht an. Entscheidend ist nur, dass im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz keine widersprechenden Erbserklärungen vorlagen. Somit ist es - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit einer Neuerung - unerheblich, ob er versucht hatte, eine derartige Erbserklärung bereits vor dem Entscheidungszeitpunkt der ersten Instanz abzugeben.

Insoweit war daher der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rechtssätze
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