JudikaturJustiz2Ob96/14b

2Ob96/14b – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Veith als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** B*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte A***** M*****, vertreten durch die Partnerschaft Schuppich Sporn Winischhofer Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung (Streitwert 204.400 EUR sA), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2014, GZ 13 R 232/13b 26, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 2013, GZ 16 Cg 247/11b 22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erblasser verfügte in seinem Testament die Enterbung seiner Kinder, während die Beklagte, seine Enkelin, „zur Erbin hinsichtlich (seiner) Liegenschaften bestimmt“ wurde. Der Klägerin, seiner Lebensgefährtin, vermachte er ein „noch abzutrennendes Grundstück“ sowie ein Legat von 700 EUR monatlich. Dieses Grundstück hat einen Verkehrswert von 204.400 EUR. Die im Testament verfügte Enterbung der beiden Kinder erfolgte grundlos, weshalb sie ihre Pflichtteilsansprüche geltend machten. Die Beklagte gab ihnen gegenüber wiederholt Verjährungsverzichtserklärungen ab. Der Verkehrswert des reinen Nachlasses vor Abzug der Pflichtteilsansprüche der Kinder des Erblassers beträgt rund 1,5 Mio EUR. Insgesamt haben die Vermächtnisse zugunsten der Klägerin einen Verkehrswert von rund 330.000 EUR. Die Beklagte verpflichtete sich, ihrem Onkel (Sohn des Erblassers) gegenüber zur Zahlung von rund 370.000 EUR zur Begleichung seines Pflichtteilsanspruchs. Auch gegenüber ihrer Mutter (Tochter des Erblassers) leistete sie bereits Teilzahlungen zur Erfüllung deren Pflichtteilsanspruchs.

Die Klägerin begehrte zunächst beim Verlassenschaftsgericht die Ausstellung einer Amtsbestätigung darüber, dass ob dem vermachten Grundstück das Eigentumsrecht für sie einverleibt werden könne. Mangels Zustimmung der Erbin (der hier Beklagten) wies das Verlassenschaftsgericht den Antrag gemäß § 182 Abs 3 AußStrG ab und verwies die Klägerin auf den Rechtsweg. Mit der vorliegenden Klage begehrt nun die Klägerin , die Beklagte zur Zustimmung zu verpflichten, dass das Eigentum „grundbücherlich einverleibt werden kann“. Eingangs der Klage führte sie aus, dass das Klagebegehren auf die Zustimmung „zur Ausstellung einer Amtsbestätigung“ gerichtet sei (woran sie auch noch in der Revision festhält). Eine Ausgleichsverpflichtung der Klägerin hinsichtlich der Pflichtteile der Kinder des Erblassers bestehe erst nach Erhalt des Legats und für den Fall, dass der verbleibende Nachlass nicht ausreiche, die behaupteten Pflichtteilsansprüche zu decken.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe als Vermächtnisnehmerin zur Entrichtung der Pflichtteilsansprüche verhältnismäßig beizutragen. Sachvermächtnisse seien dabei möglichst naturaliter zu kürzen und soweit dies nicht möglich sei, könne dem Sachlegatar eine Zahlung an den Nachlass aufgetragen werden. Die Klägerin sei ihrer Beitragspflicht trotz Aufforderung nicht nachgekommen und habe auch keine Sicherstellung angeboten, sodass die Beklagte berechtigt sei, die Erfüllung des Sachvermächtnisses zu verweigern. Ausgehend von einem Reinnachlass von rund 1,5 Mio EUR, den Pflichtteilsansprüchen von rund 740.000 EUR und dem Wert der Legate zugunsten der Klägerin von insgesamt rund 330.000 EUR errechne sich deren Anteil am Nachlass mit rund 22 % und demnach ihr Haftungsbetrag mit rund 163.000 EUR.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es liege kein Anwendungsfall der §§ 690 bis 693 ABGB (Erschöpfung der Masse durch die Lasten) vor, weil der Nachlasswert deutlich jenen der Vermächtnisse übersteige; wohl aber liege ein Fall des § 783 ABGB vor, wonach die Erben und die Legatare verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung der Pflichtteile beitragen müssten. Die Pflichtteilsberechtigten könnten den Vermächtnisnehmer nicht in Anspruch nehmen, vielmehr sei die Kürzung der Vermächtnisse von den Erben vorzunehmen. Dem Sachlegatar könne eine Zahlung an den Nachlass auferlegt werden. Dem entspreche das Anbot einer Sicherstellung.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der analogen Anwendung des § 692 ABGB (über die Sicherstellung bzw das Zurückbehaltungsrecht des Erben bei Sachlegaten) im Anwendungsbereich des § 783 ABGB fehle. Die Erben schuldeten den Vermächtnisnehmern nur um die aliquoten Pflichtteilsansprüche gekürzte Legate. Es erscheine sachgerecht, auch im Anwendungsbereich des § 783 ABGB dem Erben die Möglichkeit einzuräumen, die Erfüllung der Sachlegate bis zur vollständigen Begleichung bzw Bedeckung der anteilig auf den Vermächtnisnehmer entfallenden Pflichtteilsansprüche zu verweigern. Da dem Legatar analog § 692 ABGB die Möglichkeit offenstehe, die Erfüllung des Legats durch den Erben gegen Sicherstellung zu erwirken, sei insoweit eine Benachteiligung des Legatars nicht zu befürchten.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revision , die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin wiederholt das Argument, wonach der Legatar nur mit bzw aufgrund von Aktiven hafte, die ihm tatsächlich zugingen. Ein Anwendungsfall des § 692 ABGB sei hier nicht gegeben. Die Beklagte habe die Klägerin auch nie zur Leistung einer Sicherheit aufgefordert. Im Übrigen sei der von der Beklagten den Pflichtteilsberechtigten gegenüber erklärte Verjährungsverzicht gegenüber der Klägerin nicht bindend.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision der Klägerin zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig , sie ist aber nicht berechtigt .

1. Zwischen den Parteien ist in dritter Instanz unstrittig, dass die Beklagte vom Erblasser als (alleinige) Erbin und die Klägerin als Vermächtnisnehmerin (Legatarin) eingesetzt wurde. Ebenso unstrittig ist, dass Pflichtteilsansprüche der grundlos enterbten Kinder des Erblassers bestehen.

2. Gemäß § 692 ABGB leiden die Legatare einen verhältnismäßigen Abzug, wenn die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden, anderer pflichtmäßigen Auslagen und zur Berichtigung aller Vermächtnisse nicht zureicht. Daher ist der Erbe nicht schuldig, die Vermächtnisse ohne Sicherstellung zu berichtigen, solange eine solche Gefahr obwaltet.

Gemäß § 783 ABGB müssen in allen Fällen, wo einem Noterben der gebührende Erb- oder Pflichtteil gar nicht oder nicht vollständig ausgemessen worden ist, sowohl die eingesetzten Erben als auch die Legatare, nicht jedoch der Ehegatte mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis, verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung beitragen.

3. Das österreichische Erbrecht kennt demnach zwei verschiedene, voneinander unabhängige Formen der Legatsreduktion, nämlich einmal nach § 692 ABGB, wenn die Vermächtnisse den Reinnachlass übersteigen, und zum anderen nach § 783 ABGB, wenn dem Noterben der gebührende Pflichtteil nicht oder nicht vollständig ausgemessen wurde (RIS Justiz RS0012649). Während die Reduktion nach § 692 ABGB mit der Haftung des Erben nach außen zusammenhängt, regelt § 783 ABGB die materielle Beitragspflicht der Legatare, also die Frage, wann und in welchem Ausmaß sie die Erben bei der Deckung des Pflichtteils zu entlasten haben (RIS Justiz RS0012895 [T1]). Diese Entscheidung greift auch dann ein, wenn der Erbe eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat oder wenn der Nachlass zur Deckung des Pflichtteils und der Legate an sich ausreicht; dennoch muss der Legatar gegenüber dem Erben verhältnismäßig zur Deckung des Pflichtteils beitragen. Damit geht § 783 ABGB über die Legatsreduktion nach § 692 ABGB hinaus, die nur bei einem unzureichendem Nachlass oder nach der Einantwortung, bei bedingter Erbantrittserklärung anwendbar ist. Die Legate werden danach (nur) so weit gekürzt, dass die Berichtigung des Pflichtteilsanspruchs überhaupt möglich ist, dh ohne Bedachtnahme auf eine zusätzliche Beitragspflicht des Legatars gegenüber dem Erben (vgl 4 Ob 235/06x mwN; 10 Ob 6/14a = EvBl 2014/116, 817 [ Blümel ]; Apathy in KBB 4 § 783 Rz 2).

4. Nach einer zu § 692 ABGB ergangenen Entscheidung sind Sachvermächtnisse möglichst naturaliter, aber unter Bedachtnahme auf die Interessen des Erben und der Legatare, zu kürzen; soweit dies nicht möglich ist, tritt Geld an ihre Stelle. Sofern es vernünftig und den Beteiligten zumutbar ist, kann dem Sachlegatar eine Zahlung an den Nachlass auferlegt werden (6 Ob 204/09g mwN = RIS-Justiz RS0125595). Solange der Erbe die Gefahr der Unzulänglichkeit des Nachlasses bescheinigen kann, hat er gegenüber dem Legatar insoweit eine aufschiebende, den Verzug und die Verjährung hemmende Einrede, als der geltend gemachte Legatsanspruch voraussichtlich von der Kürzung betroffen ist (RIS Justiz RS0012633, Apathy in KBB 4 § 692 Rz 3). Der Legatar kann dann nur nach Sicherstellung klagen ( Apathy aaO).

5. Die Klägerin bezweifelt, dass die Beklagte im Anwendungsbereich des § 783 ABGB das Sachlegat bis zur Sicherstellung oder Bedeckung der (anteiligen) Pflichtteilsansprüche durch den Vermächtnisnehmer ebenfalls zurückbehalten kann. Ihr ist zwar zuzugestehen, dass die Verlassenschaft hier zur Berichtigung der Vermächtnisse zureicht. Jedoch würde ihr die Ausfolgung des ungekürzten Legats, die die Klägerin mit ihrem Klagebegehren (Zustimmung der Beklagten zur grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin am vermachten Grundstück bzw zur Ausstellung einer Amtsbestätigung) letztlich anstrebt, mehr verschaffen, als ihr zusteht. Denn der Erbe schuldet dem Legatar nur das um die aliquote Pflichtteilsdeckung reduzierte Legat (vgl RIS-Justiz RS0012894; 1 Ob 627/91). Wurde das Legat ohne Abzug oder ausreichende Sicherstellung erfüllt, so steht dem irrtümlich zahlenden Schuldner eine Kondiktion nach §§ 1431 f ABGB zu (vgl Apathy in KBB 4 § 693 Rz 1 und § 783 Rz 4). Das heißt, dem Legatar fehlt von vornherein der rechtfertigende Grund für den Empfang des ungekürzten Legats. Es wäre daher wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte untunlich, den Erben zunächst zur Leistung zu verhalten und ihn gleichzeitig auf seinen Anspruch auf Rückforderung des von Anfang an nicht Geschuldeten zu verweisen.

6. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Erhalt des ungekürzten Legats unter anderem auf die Entscheidung 6 Ob 670/80 (= RIS Justiz RS0012655). Darin wurde ausgesprochen, dass den Vermächtnisnehmer vor dem Empfang des Legats keine Ausgleichspflicht im Sinn des nach § 783 ABGB vorgesehenen verhältnismäßigen Beitrags treffe und daher der (dort klagenden) Erbin insoweit kein Ausgleichsanspruch gegen die Legatare zur Erfüllung der Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehe.

Daraus ist aber für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, geht es doch hier nicht um Ansprüche des Erben gegen den Legatar, sondern um die Frage, ob dem Legatar trotz des Bestehens von Pflichtteilsansprüchen, zu denen er nach § 783 ABGB beizutragen hat, (zunächst) das abzugsfreie (Sach-) Legat zu leisten ist.

7. Wie bereits mehrmals ausgeführt, schuldet der Erbe dem Legatar nur das um die aliquote Pflichtteilsdeckung reduzierte Legat. Die Beklagte ist daher nicht zur Leistung des ungekürzten Sachlegats verpflichtet. Es trifft sie diesbezüglich also keine Vorleistungspflicht, was ihr aufgrund der Unmöglichkeit einer Ausfolgung des (real) gekürzten Sachlegats das Recht des gänzlichen Zurückhaltens gibt. Dieses Recht wäre aber dann zu verneinen, wenn die Klägerin ihrer materiellen Beitragspflicht nachkäme, indem sie den auf sie entfallenden Geldbetrag zur Pflichtteilsdeckung leistet oder zumindest eine entsprechende Sicherstellung anbietet, ohne dass ein diesbezüglicher Rechtsanspruch der Beklagten bestünde. Insoweit besteht daher wenn auch nicht aufgrund der vom Berufungsgericht angenommenen Gesetzesanalogie, sondern aufgrund der dargelegten Erwägungen ein Gleichklang zu den in § 692 ABGB geregelten Fällen.

8. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich die Beklagte welche als Erbin den Pflichtteilsansprüchen der Noterben ausgesetzt ist (den Pflichtteilsberechtigten steht ja kein direktes Klagerecht gegenüber den Vermächtnisnehmern zu; RIS Justiz RS0016518; Welser in Rummel , ABGB 3 § 783 Rz 5) zu Recht auf ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich des Sachlegats der Klägerin berufen hat.

9. Soweit die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte zur Abgabe von Verjährungsverzichtserklärungen gegenüber den Pflichtteilsberechtigten legitimiert gewesen sei, übersieht sie, dass die Beklagte diese Erklärung als Vertreterin des Nachlasses gemäß § 810 ABGB abgeben durfte (vgl Sailer in KBB 3 § 810 Rz 2; RIS-Justiz RS0008167 [T4, T5]). Die Verjährung gehört überdies zu den subjektiv wirkenden Erlöschungsgründen (vgl RIS-Justiz RS0017539), sodass sich die Klägerin auf die Verjährung der Pflichtteilsansprüche ohnehin nicht berufen könnte.

10. Da der Klagsanspruch aus den angeführten Gründen nicht zu Recht besteht, war der Revision nicht Folge zu geben.

11. Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung keine Kosten verzeichnete.

Rechtssätze
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