JudikaturJustiz2Ob170/06y

2Ob170/06y – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arch. Mag. Peter G*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Wolfgang L*****, vertreten durch Dr. Thomas Würzl, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dr. Hannes P*****, vertreten durch Dr. Peter Karlberger und andere Rechtsanwälte in Wien, 3. Dr. Peter K*****, vertreten durch Dr. Thomas Herndl und Dr. Maria Pöltner, Rechtsanwälte in Wien, 4. Thomas M*****, vertreten durch Dr. Klaus Voithofer, Rechtsanwalt in Wien, und 5. Christian W*****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in Wien, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der viertbeklagten und der fünftbeklagten Partei Dr. Ulrich C*****, vertreten durch Baier Böhm Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 911.255,11 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. Mai 2006, GZ 11 R 33/06p-57, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Wurde ein angeblicher Verfahrensmangel erster Instanz - wie hier die behauptete Verletzung der Anleitungspflicht nach § 182a ZPO - in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann der Mangel nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS-Justiz RS0042963 [T45], RS0106371). Dieser Grundsatz wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte. Dann läge nämlich ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor, der als Feststellungsmangel in der Revision (mittels Rechtsrüge) geltend zu machen ist (2 Ob 62/05i mwN; RIS-Justiz RS0040597 [T3 und 4]). Entscheidungsrelevante Aktenwidrigkeiten sind dem Berufungsgericht aber nicht unterlaufen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Auch die in einer unzureichenden Erledigung der Beweisrüge erblickte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Wenn ein Rechtsanwalt eine pflichtwidrige Unterlassung zu verantworten hat, hängt seine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Mandanten von der Kausalität dieses Fehlverhaltens für den Eintritt des behaupteten Schadens ab. Den Geschädigten trifft die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwaltes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (2 Ob 224/97y; 1 Ob 151/01i = SZ 74/159; RIS-Justiz RS0022700 [T5], RS0022900 [T8]). Das Regressgericht hat den hypothetischen Verfahrensausgang zu ermitteln und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die unterlassene Prozesshandlung vorgenommen worden wäre (RIS-Justiz RS0022706). Hiebei hat es darauf abzustellen, wie nach seiner Auffassung der Vorprozess - oder auch nur eine Teilfrage desselben - richtigerweise hätte entschieden werden müssen, wobei das Handeln eines pflichtbewussten Richters maßgeblich ist (1 Ob 151/01i; 4 Ob 39/05x).

Im vorliegenden Fall hatte sich der Kläger des in Deutschland geführten Vorprozesses in dem die Anspruchsbegründung enthaltenden Schriftsatz auf einen von der dort beklagten GmbH erteilten Auftrag zur Erbringung von Architektenleistungen gestützt und dazu vorgebracht, die Auftragserteilung sei anlässlich zweier Besprechungen durch zwei näher bezeichnete Personen erfolgt. Die beklagte GmbH bestritt das Vorliegen jeglichen Vertragsverhältnisses und wandte ein, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, wann, durch wen und in welchem Umfang ihm und den anderen Architekten ein Auftrag erteilt worden sei.

Die im nunmehrigen Regressprozess - zumindest implizit - vertretene Auffassung der Vorinstanzen, ein pflichtgemäß handelnder Richter hätte aufgrund dieses Einwandes auch die Vertretungsbefugnis der angeblich für die GmbH handelnden Personen geprüft, beruht auf vertretbarer Auslegung des seinerzeitigen Prozessvorbringens und wirft keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0042828).

Nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichtes war zum Zeitpunkt der angeblichen Auftragserteilung eine der beiden vom Kläger des Vorprozesses bezeichneten Personen kollektivvertretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH, während die andere in dieser Gesellschaft überhaupt keine Funktion innehatte. Der zweite kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführer nahm weder an den Gesprächen teil noch ist er gegenüber den Architekten sonstwie in Erscheinung getreten.

Die Beurteilung der Vertretungsmacht der Organe einer ausländischen GmbH richtet sich nach dem gemäß §§ 10 und 12 IPRG maßgeblichen Gesellschaftsstatut (8 Ob 634/92 = ZfRV 1994, 79 [Hoyer]; RIS-Justiz RS0077060; Verschraegen in Rummel, ABGB³ II/6 § 12 IPRG Rz 12), hier somit nach deutschem Recht. Die gesetzliche Grundlage für die Vertretung der GmbH durch Gesamtvertreter findet sich in § 35 Abs 2 dGmbHG, der inhaltlich § 18 Abs 2 (ö)GmbHG entspricht. Nach sowohl in Deutschland als auch in Österreich ganz einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre bedeutet Gesamtvertretung, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen der Gesellschaft grundsätzlich erst dann wirksam werden, wenn sich sämtliche Gesamtvertreter an

ihnen beteiligen (1 Ob 538/95 = ecolex 1995, 645 = WBl 1996, 247; 1

Ob 172/98w = SZ 71/140; vgl RIS-Justiz RS0020436; Koppensteiner,

GmbHG² § 18 Rn 14; ders in Rowedder/Schmidt/Leithoff, (d)GmbHG4 § 35 Rn 40; Schneider in Scholz, (d)GmbHG9 § 35 Rn 51). Die Gesamtvertretung kann durch Abgabe einer gemeinschaftlichen Erklärung oder externer Teilerklärungen aller Vertreter, durch Ermächtigung eines Gesamtvertreters zur Vornahme von Rechtsgeschäften, sowie durch die (vorherige oder nachträgliche) Zustimmung der übrigen Gesamtvertreter zu einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung eines von ihnen ausgeübt werden (vgl 1 Ob 538/95; RIS-Justiz RS0052927, RS0059734, RS0059914; Wünsch, Zur Ausübung der Vertretungsmacht durch GmbH-Geschäftsführer, GesRZ 1992, 229 ff; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, (d)GmbHG, § 35 Rn 89 ff; Schneider aaO Rn 53 ff; Koppensteiner aaO Rn 15; ders in Rowedder (ua) aaO Rn 41 ff). Ein auf der Willenserklärung eines bloß allein handelnden Gesamtvertreters beruhendes Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam, solange es durch die übrigen Gesamtvertreter nicht (ausdrücklich oder schlüssig) genehmigt ist (vgl 1 Ob 538/95; 6 Ob 127/05b = EvBl 2006/51; RIS-Justiz RS0059890; Wünsch aaO 232; Paefgen aaO Rn 94; Schneider aaO Rn 63).

Anhaltspunkte für einen nach den dargelegten Kriterien wirksamen Akt der Gesamtvertretung gehen aus den Feststellungen nicht hervor. Ebensowenig ist ableitbar, dass eine der angeblich für die GmbH einschreitenden Personen durch deren Gesamtvertreter rechtsgeschäftlich bevollmächtigt worden war. Bei dieser Sachlage ist dem Berufungsgericht keine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es im Rahmen seiner Rechtsausführungen bei der Prüfung des hypothetischen Ausganges des Vorprozesses zu dem Ergebnis kam, die dort erhobene Klage wäre (auch) mangels wirksamer Auftragserteilung abzuweisen gewesen.

Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang erkennbar darauf beruft, dass sein erstinstanzliches Prozessvorbringen zur behaupteten Alleinvertretungsbefugnis des handelnden Geschäftsführers missverstanden worden sei, zeigt er ebenfalls keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042828, insbes T3 und T13). Dem Berufungsgericht ist keine unvertretbare Auslegung des klägerischen Prozessvorbringens vorwerfbar, wenn es in dessen Replik auf den durch Handelsregisterauszüge belegten Einwand der Gesamtvertretung, der allein handelnde Geschäftsführer sei „im kritischen Zeitraum der Auftragserteilung alleinvertretungsbefugt" gewesen, (im Ergebnis) kein die Annahme eines Gesamtvertretungsaktes rechtfertigendes und daher ergänzende Feststellungen erforderndes Sachvorbringen sah. Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Rechtssätze
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