JudikaturJustiz13Os138/07d

13Os138/07d – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Winfried R***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und eines Vergehens über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. Juli 2007, GZ 12 Hv 168/05b-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Winfried R***** im zweiten Rechtsgang - zusätzlich zu einem bereits in Teilrechtskraft erwachsenen Schuldspruch wegen (richtig:) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1, 15 StGB (vgl 13 Os 17/07k, ÖJZ-LS 2007/65, 704) - des Vergehens der versuchten Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 15, 310 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er als mit der Leitung der Gendarmeriedienststelle S***** betrauter Beamter am 1. März 2002 in S***** ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis, nämlich eine an diesem Tag beabsichtigte Kontrolle des Betriebes des Adolf J***** wegen des Verdachtes illegaler Beschäftigung von ausländischen Holzarbeitern durch Zollorgane unter Assistenz der Gendarmerie dem Adolf J***** zu offenbaren versucht, „indem er ihn pflichtwidrig fernmündlich in Kenntnis zu setzen beabsichtigte, wobei die Offenbarung dieses Geheimnisses geeignet war, ein öffentliches Interesse, nämlich das Recht der Republik Österreich auf Feststellung von illegal beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern und Ergreifen entsprechender Maßnahmen einschließlich der Strafverfolgung, zu verletzen."

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den im zweitinstanzlichen Rechtsgang ergangenen Schuldspruch aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

In der Hauptverhandlung vom 5. Juli 2007 lehnte der Angeklagte (wie schon zuvor inhaltlich gleichlautend mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2006 [ON 56]; abgewiesen mit Beschlüssen des Obersten Gerichtshofs vom 5. Dezember 2006, GZ 13 Ns 92/06t-2 [ON 62] und des Oberlandesgerichts Graz vom 14. Dezember 2006, AZ 10 Ns 52/06m [ON 63]) - unter gleichzeitiger Vorlage zweier nach seinem Vorbringen inhaltlich grob unrichtiger und unzulässige Vorverurteilungen enthaltender Zeitungsartikel vom 6. Oktober 2006 - „das Landesgericht als Schöffengericht Klagenfurt" ab und beantragte gleichzeitig „die Delegierung der Strafsache an das Landesgericht Innsbruck", „da im Sprengel des OLG diese Zeitungen nicht erscheinen" (S 360/I). In der Abweisung dieses Begehrens durch das erkennende Schöffengericht erblickt die Verfahrensrüge eine Verletzung des Gesetzes, insbesondere der Bestimmung des § 63 StPO (aF) und damit einen Verfahrensmangel im Sinne der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO. Indes zu Unrecht:

Wer behauptet, es lägen Gründe - hier: beeinflussende Presseberichte - vor, die geeignet seien, die volle Unbefangenheit des Abzulehnenden (Mitglieder des Gerichtes und Protokollführer) in Zweifel zu setzen, nennt keinen der in § 62 StPO (aF) normierten, eine Delegierung rechtfertigenden Gründe, sondern lehnt der Sache nach die betreffenden Gerichtspersonen als befangen ab. Die mit der Befangenheit zusammenhängenden Verfahrenshandlungen aber waren in §§ 72-74a StPO (aF) abschließend geregelt (RIS-Justiz RS0097037, RS0059503). Auch die bei Feststellung der Befangenheit aller Richter eines Gerichts erforderliche Übertragung der Strafsache an ein anderes Gericht hatte daher - entgegen dem Beschwerdestandpunkt - nicht nach §§ 62 f (aF), sondern nach § 74 Abs 3 StPO (aF) zu erfolgen. Eingaben (oder Anträge), die formell eine Delegierung reklamieren, inhaltlich aber die Befangenheit einzelner oder aller Richter eines Gerichts behaupteten, waren demzufolge als Ablehnungsanträge zu behandeln (vgl dazu Lässig, WK-StPO § 72 Rz 4, in diesem Sinne auch SSt 57/64, 14 Ns 22/06f).

Wurde, wie vorliegend, ein ganzer Gerichtshof abgelehnt, sah das Gesetz zur Verfahrenskonzentration (vgl auch Art 6 Abs 1 erster Satz MRK) vor, dass ein solcher Antrag längstens binnen drei Tagen nach der Vorladung zur Verhandlung zu überreichen oder zu Protokoll zu geben war (§ 73 erster Satz StPO aF). Zur Entscheidung über einen solchen Antrag war der Gerichtshof II. Instanz berufen, gegen dessen Entscheidung kein Rechtsmittel zulässig war (§ 74 Abs 2 und Abs 3 StPO aF).

Dass in Betreff der beiden Zeitungsartikel vom Oktober 2006 die Einbringung eines rechtzeitigen Ablehnungsantrags nicht möglich gewesen sein sollte, wurde nicht behauptet, womit der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag sich als verfristet erweist (Lässig, WK-StPO § 74 Rz 9).

Ohnedies ist nicht nachvollziehbar, warum aufgrund der zur Bescheinigung des Antrags bei der Antragstellung vorgelegten oder aus ON 56 als bekannt vorauszusetzenden Artikel (Neuerungen im Rechtsmittelverfahren sind nach ständiger Rechtsprechung unbeachtlich; vgl nur RIS-Justiz RS0099618, RS0099117), in denen keineswegs etwa Beweisergebnisse in suggestiver Weise erörtert wurden (vgl § 23 MedienG), das Gericht an einer unbefangenen Entscheidung behindert gewesen sein sollte, sodass die Frage, ob und unter welchen Umständen ein unter Missachtung der vorstehend genannten Frist erst in der Hauptverhandlung gestellter Antrag Gegenstand einer erfolgversprechenden Verfahrensrüge (Z 4) sein hätte könnte, keiner Behandlung bedarf (vgl 14 Os 58/05v).

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet Aktenwidrigkeit der Feststellung, wonach bei „der vorgenommenen Kontrolle keine illegal Beschäftigten wahrgenommen werden" konnten, bezieht sich mit ihrem - solcherart nicht an den gesetzlichen Anfechtungskategorien ausgerichteten - Vorbringen jedoch weder auf das unrichtige Referat einer gerichtlichen Aussage oder Urkunde in den Entscheidungsgründen noch auf eine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache.

Sie verkennt nämlich, dass für die Erfüllung des Tatbilds nach § 310 Abs 1 StGB bereits die abstrakte Eignung der Offenbarung oder Verwertung des Amtsgeheimnisses zur Verletzung eines dort genannten Interesses genügt. Der tatsächliche Eintritt einer solchen Interessenverletzung ist hingegen nicht erforderlich (für viele: Bertel in WK² § 310 Rz 10 f).

Die vom Erstgericht angenommene Verletzungseignung der Mitteilung wird zwar nominell, nicht aber mit nachvollziehbarer Bezugnahme auf die Anfechtungskategorien einer Mängelrüge (Z 5) in Frage gestellt. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst die Konstatierung eines „Schädigungsvorsatzes", versäumt es aber, ein solches Tatbestandsmerkmal aus dem offen gegenteiligen Wortlaut des Gesetzes, das willentliches Handeln nur in Betreff der „Eignung", ein (hier:) öffentliches Interesse zu verletzen, verlangt, methodisch

nachvollziehbar abzuleiten (eingehend: 13 Os 151/03, SSt 2004/12 =

EvBl 2004/142, 649 = JBl 2004, 594 [Burgstaller]).

Was den auf diese Eignung bezogenen Vorsatz hinwieder anlangt, macht der Beschwerdeführer keinen Begründungsmangel (Z 5 erster Fall) geltend. Der Umstand, dass sich insoweit keine ausdrückliche Feststellung in den Entscheidungsgründen findet, aber kann - ausgenommen den Fall des § 290 Abs 1 zweiter Satz (zweiter Fall) StPO - nur aufgrund (hier unterlassener) deutlicher und bestimmter Anfechtung als Begründungsmangel (Z 5 erster Fall) aufgegriffen werden.

Da der Oberste Gerichtshof den Willen der Tatrichter, auch diese Feststellung zu treffen, in der Gesamtheit der Entscheidungsgründe deutlich genug erkennen kann, scheidet amtswegiges Einschreiten aus dem Grunde der (insoweit übrigens ebenso wenig relevierten) Z 9 lit a gleichermaßen aus (§ 290 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0117228). Schließlich bleibt unerfindlich, weshalb die Antwort des Angeklagten auf eine vom beisitzenden Richter (in gänzlich anderem Zusammenhang) an ihn gerichtete Frage, dass er nämlich „etwa drei Minuten gebraucht hätte, persönlich zu Adolf J***** zu fahren" (S 363/III), freiwillige Aufgabe der Tatausführung (§ 16 Abs 1 StGB; vgl im Übrigen RIS-Justiz RS009031) indiziert haben sollte, sodass die auf Z 9 lit b gestützte Rüge des für die Geltendmachung eines Feststellungsmangels erforderlichen Hinweises auf tatsächlich vorliegende Indizien in Richtung des reklamierten Strafaufhebungsgrundes entbehrt und den Anforderungen des Verfahrensrechtes solcherart nicht gerecht wird (statt vieler zuletzt 13 Os 72/07y, EvBl 2007/146, 789). Bleibt schließlich anzumerken, dass das Oberlandesgericht bei Erledigung der Berufung an den Schuldspruch wegen zweier Verbrechen des (in einem Fall bloß versuchten) Amtsmissbrauchs nicht gebunden ist, sondern im Sinn der bereits eingangs der Gründe angesprochenen aktuellen Rechtsprechung von einem insoweit einzigen Schuldspruch wegen der nach Maßgabe des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB gebildeten strafbaren Handlung des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1 und 15 StGB ausgehen kann (RIS-Justiz RS0118870). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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