JudikaturJustiz12Os12/17g

12Os12/17g – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick U***** und eine Angeklagte wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Raffaela S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 2. Dezember 2016, GZ 144 Hv 103/16x 82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch II./ zugrunde liegenden Taten (auch) unter § 27 Abs 3 SMG und demzufolge in dem die Angeklagte Raffaela S***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Raffaela S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Der genannten Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche des Mitangeklagten Patrick U***** enthaltenden Urteil wurde Raffaela S***** „der“ Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (I./B./), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG (II./) und „des“ Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall (erg:) Abs 2 SMG (vgl US 4, 7, 14; I./C./) schuldig erkannt.

Danach hat sie – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – in W*****

I./ vorschriftswidrig Suchtgift,

B./ am 21. Juni 2016 mit Patrick U***** als Mittäter in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem sie es für den Verkauf vorbereitete und in der gemeinsamen Wohnung bunkerte, und zwar 272 Gramm Cannabisblüten (Reinheitsgehalt von 14,67 % THCA, entspricht 39,9 Gramm, und 1,12 % an Delta 9 THC, entspricht 3,04 Gramm), zahlreiche Ecstasy Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 31,89 Gramm MDMA sowie zahlreiche LSD Trips mit 4,65 mg Reinsubstanz;

C./ seit Juli 2012 bis 21. Juni 2016 in einer Vielzahl von Angriffen zum ausschließlich eigenen Gebrauch erworben und besessen, und zwar

...

2./ Cannabis (Wirkstoff Delta-9-THC und THCA);

II./ zu den im Referat der entscheidenden Tatsachen unter I./A./ genannten Taten des Patrick U*****, nämlich – kurz zusammengefasst – zu dessen gewerbsmäßigem Überlassen unterschiedlicher Suchtgifte an Suchtgiftabnehmer, beigetragen, indem sie wiederholt Telefonate mit den Abnehmern führte, mehrmals Suchtgift für den Verkauf portionierte und verpackte, sowie die Wohnung zum Verkauf und zur Lagerung des Suchtgifts zur Verfügung stellte, wobei sich ihr Vorsatz nicht auf eine die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigende Menge bezog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Raffaela S*****, der – worauf bereits die Generalprokuratur zu Recht hinweist – teilweise Berechtigung zukommt.

Zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen hinsichtlich der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (§ 27 Abs 3 SMG) bei den der Beschwerdeführerin zu II./ zur Last liegenden Taten auf.

Das Erstgericht stellte fest, dass sich der Erstangeklagte durch den Verkauf von Suchtgiften ein regelmäßiges Einkommen von monatlich zwischen 500 Euro und 600 Euro verschaffte, die Beschwerdeführerin es ernstlich für möglich hielt, dass Patrick U***** durch diese Tätigkeit mehr als 400 Euro monatlich verdiente, sie diesen bei seinen Taten unterstützte und „davon ausging, dass das so verdiente Geld aus dem Suchtmittelverkauf vor allem zur Begleichung der gemeinsamen Lebenshaltungskosten verwendet würde“ (US 8).

Gewerbsmäßig handelt, wer eine Tat in der Absicht ausführt, sich selbst durch ihre wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Gleichgültig ist dabei aber, ob der Täter den Vorteil unmittelbar aus der Tat oder auf dem Umweg über einen Dritten erlangt, erforderlich ist lediglich, dass der ihm zugekommene Vorteil eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat ist (RIS Justiz RS0086573, RS0089670 [T2 und T6], RS0092444, RS0086962 ua; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 14; Fabrizy , Suchtmittelrecht 6 § 27 Rz 25).

Im vorliegenden Fall hat das Gericht zwar ausgeführt, dass der lukrierte Gewinn aus Suchtmittelgeschäften durch die Finanzierung der Lebenshaltungskosten wirtschaftlich der Angeklagten zugekommen ist. Es hat jedoch die für die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung erforderliche – über den festgestellten bedingten Vorsatz auf aus Suchtgiftgeschäften erwirtschaftete monatliche Gewinne hinausgehende – Absicht der Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle (vgl Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 2) nicht festgestellt.

Da nicht auszuschließen ist, dass Absicht in Hinblick auf die Erzielung einer fortlaufenden Einnahme in einem weiteren Rechtsgang festgestellt werden kann, ist nicht mit sofortigem Entfall der Qualifikation der gewerbsmäßigen Tatbegehung (§ 27 Abs 3 SMG) vorzugehen (vgl RIS Justiz RS0100239).

Aufgrund der durch die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch II./ zugrunde liegenden Taten in der Qualifikation der gewerbsmäßigen Tatbegehung bedingten Aufhebung des Strafausspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch keine Berechtigung zu:

Der den Schuldspruch I./B./ betreffende Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) kritisiert die Begründung der Feststellungen zur Kenntnis des Besitzes einer großen Menge Suchtgift durch die Beschwerdeführerin und zu ihrem Vorsatz, dass dieses in Verkehr gesetzt werde. Die Beschwerde übergeht allerdings die diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts, das sich zur Feststellung zur Kenntnis der – als unglaubwürdig erachteten – Nichtigkeitswerberin von der Menge der für den Weiterverkauf bestimmten Suchtgifte auf die Aussage des Erstangeklagten zu seinen ihr bekannten Suchtgiftgroßeinkäufen und zur Verwahrung der Suchtgifte in der gemeinsamen Wohnung, weiters auf die bei der Hausdurchsuchung angefertigten Fotos und auf die konkreten Lagerungsorte des Suchtgifts stützte (US 12). Damit orientiert sich die Rüge jedoch nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und bringt demzufolge die Mängelrüge nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung (RIS Justiz RS0119370, RS0116504).

Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde auch den Schuldspruchpunkt C./ wegen „des“ Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Raffaela S***** war daher das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Beurteilung der dem Schuldspruch II./ zugrunde liegenden Taten (auch) als gewerbsmäßig (§ 27 Abs 3 SMG) und demzufolge in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d StPO) und die Beschwerdeführerin mit ihrer Berufung auf die Aufhebung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu berücksichtigen sein, dass das bei der Sanktionsfindung als aggravierend gewertete „nahezu bockige und kaum schuldeinsichtige Verhalten der Zweitangeklagten“ eine unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS Justiz RS0090897).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht den zum Schuldspruchpunkt I./B./ umschriebenen Sachverhalt rechtsirrig unter mehrere (US 5; statt richtig: ein) Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG subsumiert hat (RIS Justiz RS0119836, RS0128234). Diese Gesetzesverletzung wirkte sich im konkreten Fall bei beiden Angeklagten nicht nachteilig im Sinn des § 290 Abs 1 StPO aus, weil dieser Umstand bei der Strafbemessung (US 17 ff) nicht in Anschlag gebracht und sogar – wiewohl zulässig – die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge nicht als erschwerend angelastet wurde (RIS Justiz RS0114927).

Bei der Fällung seines Ergänzungsurteils (vgl RIS Justiz RS0098685, RS0100041) hinsichtlich Raffaela S***** im zweiten Rechtsgang ist das Erstgericht insoweit – aufgrund dieses Hinweises – an seinen eigenen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz nicht gebunden (vgl RIS Justiz RS0129614).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
11
  • RS0089670OGH Rechtssatz

    15. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung derjenige, der sie in der Absicht vornimmt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf eine fortlaufende Einnahme eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines strafrechtlich unbeteiligten Dritten, genügt daher nicht; noch viel weniger die bloße Kenntnis davon, dass ein Beteiligter gewerbsmäßig handelt. Die Gewerbsmäßigkeit belastet immer nur denjenigen, in dessen Person dieses Merkmal vorliegt. Für dieses Ergebnis ist es gleichgültig, ob man die Gewerbsmäßigkeit dem Unrechtstatbestand oder der Schuld zurechnet. Im ersten Fall fehlt es in Ansehung des nicht auf eigene Einnahmen abzielenden Täters an einem subjektiven (Unrechtstatbestandsmerkmal) Tatbestandsmerkmal, im anderen ist ihm die Gewerbsmäßigkeit mangels eines ihn insoweit treffenden Schuldvorwurfes zufolge § 13 StGB nicht zuzurechnen, weshalb dieser Meinungsstreit für die Frage der Gewerbsmäßigkeit bei Mehrbeteiligung ohne jede Bedeutung ist. Die nur auf Sonderdelikte zugeschnittene Zurechnungsregel des § 14 StGB kommt in diesem Zusammenhang nicht zur Geltung, weil gewerbsmäßiges Handeln weder eine persönliche Eigenschaft noch ein besonderes persönliches Verhältnis des Täters darstellt, worunter nämlich nur solche Eigenschaften und Verhältnisse zu verstehen sind, die in seiner Person unabhängig vom Tatgeschehen vorliegen. Deliktstypisch vorausgesetzte bestimmte Motive oder Gesinnungen des Täters bei der Tat fallen nicht darunter.

  • RS0086573OGH Rechtssatz

    28. November 2023·3 Entscheidungen

    Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass es dem Täter bei der Tatbegehung darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; es genügt daher nicht, wenn die Absicht des Täters bloß darauf gerichtet ist, den Vorteil aus der wiederkehrenden Begehung von Taten in Form eines fortlaufenden Mittelzuflusses einem Dritten zuzuwenden; dieser Vorteil muss vielmehr vom Täter für die eigene Person angestrebt werden. Gleichgültig ist dabei allerdings, ob er den Vorteil unmittelbar aus der Tat oder auf dem Umweg über einen Dritten erlangt, wohl aber ist erforderlich, dass der ihm zugekommene Vorteil eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat ist (EvBl 1980/89, JBl 1980,436, 15 Os 80,81/93, 13 Os 151,154,155/92 ua). Unmittelbare wirtschaftliche Folge ist etwa der wirtschaftliche Mittelzufluss, den der Täter als Gesellschafter eines Unternehmens durch seine Tathandlung für dieses Unternehmen bewirkte (11 Os 172/77 ua), aber auch Zuwendungen, die ein Angestellter aus Anlass der zugunsten seines Unternehmers verübten deliktischen Handlungen erhält, wie etwa Provisionen, Verkaufsprämien, Gehaltserhöhungen, Umsatzbeteiligungen oder Gewinnbeteiligungen oder sonstige Gratifikationen, wobei es nicht auf deren Bezeichnung, sondern auf den wirtschaftlichen Hintergrund ankommt. Strebt hingegen der Täter bloß an, sein Beschäftigungsverhältnis zu sichern, dann entspringt ein derartiger Erfolg wirtschaftlich nicht unmittelbar der Tat.