JudikaturJustiz11Os63/15x

11Os63/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zabl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rene S***** und Walter S***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, Abs 2, 161 (Abs 1) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. August 2014, GZ 122 Hv 63/13y 360, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Rene S***** und Walter S***** je des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, Abs 2, 161 (Abs 1) StGB idF vor BGBl I 2015/112 schuldig erkannt.

Danach haben Rene S***** als handelsrechtlicher und Walter S***** als faktischer Geschäftsführer der Y***** GmbH (im Folgenden Y*****) am 29. Mai 2009 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft „beiseite geschafft“, indem sie 200.000 Euro, die aus dem Verkauf der Yacht „Crystal“ stammten, aus der seit 31. Jänner 2008 zahlungsunfähigen Y***** entnahmen und damit eine nach dem 31. Jänner 2008 entstandene Verbindlichkeit der Gesellschaft gegen Rene S***** als alleinigem Gesellschafter der I***** GmbH (im Folgenden I*****), die ihrerseits Gesellschafterin der Y***** war, in dieser Höhe ausglichen und dadurch die Befriedigung zumindest eines der Gläubiger der Y***** geschmälert, wobei sie durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführten.

Hingegen wurden die Angeklagten von weiters gegen sie erhobenen Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (US 4 ff), sie hätten (soweit hier von Interesse) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) in W***** und andernorts,

A./ und zwar Rene S***** als handelsrechtlicher und Walter S***** als faktischer Geschäftsführer der Y*****,

I./ Yachten, die der Y***** als Leasingnehmerin von der H***** GmbH Co KG (im Folgenden H*****) als Leasinggeberin im Rahmen der nachstehenden Mietkaufverträge zur Nutzung überlassen worden waren, die jedoch bis zur Bezahlung sämtlicher Mietkaufraten im Eigentum der H***** standen, somit Güter, die ihnen anvertraut waren, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie

1./ am 7. August 2006 die der Y***** aufgrund des Mietkaufvertrags vom 24. August 2005 überlassene Yacht Vision 62 („NENO“ alias „MIRA MARE“ alias „LUCA“), um 1.550.000 Euro an Walter Se***** verkauften und übergaben;

2./ am 14. Februar 2007 die der Y***** aufgrund des Mietkaufvertrags vom 26. Juni 2005 überlassene Yacht Vision-62, („DOLCE“), um 1.450.000 Euro an die J***** d.o.o. verkauften und am 31. Mai 2007 übergaben;

II./ …

III./ bewirkt, dass Bedienstete des Magistrats der Stadt Wien, MA 58, gutgläubig ein Recht, nämlich jeweils das Eigentum der Y***** an Yachten in einem österreichischen Seebrief, somit einer inländischen öffentlichen Urkunde, unrichtig beurkundeten, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, dass die Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechts, nämlich des jeweiligen Eigentums gebraucht werden, indem sie DI Richard A***** beauftragten, alle Tätigkeiten zur Zulassung der Yachten zur Seeschifffahrt durchzuführen, woraufhin dieser inhaltlich unrichtige Messbriefe erstellte und namens der Y***** die Ausstellung von Seebriefen für diese Yachten beantragte, und zwar

1./ am 18. Oktober 2005 hinsichtlich der in Punkt A./I./2./ genannten Yacht;

2./ am 7. Juli 2006 hinsichtlich der in Punkt A./I./1./ genannten Yacht;

IV./ …

V./ grob fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, wobei sie einen 800.000 Euro übersteigenden Befriedigungsausfall der Gläubiger bewirkten, indem sie entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens

1./ im Zeitraum 1. Februar 2007 bis 31. Jänner 2008 Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen so führten, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Y***** erheblich erschwert wurde, und sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihnen einen solchen Überblick verschafft hätten, unterlassen haben, indem sie, obwohl sich das Bilanzergebnis zum 31. Jänner 2007 bereits auf 1.811.766,85 Euro und zum 31. Jänner 2008 auf 3.027.192,69 Euro belief, keine Maßnahmen ergriffen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken;

2./ im Zeitraum 1. Februar 2005 bis 31. Jänner 2008 übermäßigen, mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Y***** in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieben, indem sie

a./ Reisespesen in erheblicher Höhe, Flugstunden, Privatflüge sowie eine Helikopter-Privatpilotenlizenz verrechneten;

b./ überhöhte Werbekosten der I*****, deren Geschäftsführer der Erstangeklagte ist, beglichen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 8 und 9 lit a StPO erhobene, gemeinsam ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Rene S***** und Walter S***** sowie gegen die Freisprüche der Angeklagten von den Anklagefakten A./I./1./ und 2./, A./III./1./ und 2./ sowie A./V./1./ und 2./ jene der Staatsanwaltschaft, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO stützt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

Die (den übrigen Nichtigkeitsgründen vorangestellte) Kritik, das Erstgericht hätte „erstmals am Tag der Urteilsverkündung […] seine Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, dass bei der Beurteilung der Anklage wegen § 156 StGB das Eigenkapitalersatz-Gesetz („EKEG“) anzuwenden sei“, und „entgegen der Rechtsvorschrift des § 262 StPO […] die Angeklagten weder über diesen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt gehört noch ihnen die Möglichkeit gegeben, zusätzliche Beweisanträge oder einen allfälligen Vertagungsantrag zu stellen“ (Z 8), geht schon deshalb fehl, weil sich dieser Nichtigkeitsgrund auch nach dem Schutzzweck des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK etwa auf einen gegenüber dem Anklagevorwurf geänderten rechtlichen Gesichtspunkt des Gerichts darüber bezieht, welche strafbare Handlung vorliegt (RIS Justiz RS0129956). Nichtigkeit aus Z 8 liegt demnach dann vor, wenn der Angeklagte einer gegenüber dem inkriminierten Sachverhalt anderen Tat (auch bloß) im materiellen Sinn schuldig erkannt wird, mit anderen Worten wenn das Tatbild (die äußere Tatseite) der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von jenem des Anklagetenors (§ 207 Abs 2 Z 2 StPO) derart verschieden ist, dass sich die jeweils angenommenen Tatbilder nicht überdecken (RIS Justiz RS0121419, RS0113755), was hier mit Blick auf das Anklagefaktum A./IV./ (ON 272 S 3) nicht der Fall ist.

Im Übrigen hat bereits das Oberlandesgericht Wien in der den Beschwerdeführern zugestellten (siehe ON 1 S 81) Entscheidung über den Anklageeinspruch klargestellt (vgl RIS Justiz RS0113755 [T16]), dass den (von den Einspruchswerbern) zum Anklagefaktum A./IV./ eingewendeten „Vorleistungen“ des Erstangeklagten, die er für die Y***** übernommen habe, die Funktion von Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen zukomme, weshalb der in der Anklage zur Last gelegten Entnahme von 200.000 Euro ein „Rückzahlungsverbot“ entgegenstehe (ON 283 S 35 ff [BS 18 f]). Auch der Zweitangeklagte räumte in der Hauptverhandlung am 28. April 2014 vom Vorsitzenden darüber befragt ein, dass ihm das Verbot der Entnahme eines vom Eigentümer in der Krise gewährten Darlehens bekannt sei (ON 331 S 35).

Überdies ist anzumerken, dass grundsätzlich jeder Unternehmer dazu verhalten ist, sich mit den Vorschriften bekanntzumachen, welche die Verpflichtungen eines Schuldners bei Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit betreffen (RIS Justiz RS0089548; vgl Höpfel in WK 2 StGB § 9 Rz 14), was auf jene des EKEG das bereits mit 1. Jänner 2004 in Kraft trat und auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 2003 verwirklicht wurden (§ 18 EKEG idF BGBl I 2003/92) jedenfalls zutrifft.

Ein Urteil ist wegen Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) dann nichtig, wenn das erkennende Gericht bei der Würdigung der Beweise zur Feststellung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS Justiz RS0118316). Dabei ist das Schöffengericht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO nur zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen, nicht aber dazu verpflichtet, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen von Angeklagten und Zeugen zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, wie weit jede einzelne Angabe für oder gegen diese oder jene Darstellung spricht (RIS Justiz RS0106642, RS0098778).

Ausgehend von einer buchmäßigen Überschuldung der Y***** und ihrer spätestens zum 31. Jänner 2008 eingetretenen (für die Angeklagten auch erkennbaren) Zahlungsunfähigkeit (US 13 f) befand sich die Y***** ab diesem Zeitpunkt in der Krise (§ 2 Abs 1 Z 1 und Z 2 EKEG), sodass alle der Y***** danach (bis zu ihrer Sanierung; vgl § 14 Abs 1 erster Halbsatz EKEG) von ihren Gesellschaftern geleisteten Geldzuwendungen mit Ausnahme der hier nicht vorliegenden Fälle des § 3 EKEG als Eigenkapital ersetzende Kredite iSd § 1 EKEG anzusehen sind, die der Rückzahlungssperre nach § 14 Abs 1 EKEG unterliegen.

Die vom Erstgericht konstatierte Tathandlung liegt in der § 14 Abs 1 EKEG entgegenstehenden (zumindest bedingt vorsätzlichen) Rückzahlung eines Eigenkapital ersetzenden Darlehens an einen Gesellschafter der Y***** (hier an die I***** bzw deren Alleingesellschafter Rene S***** [US 8]; vgl § 8 EKEG), indem die Angeklagten am 29. Mai 2009 der Y***** 200.000 Euro (die aus dem Verkauf der Yacht „Crystal“ stammten) entnahmen und eine auf dem Verrechnungskonto des Erstangeklagten bestehende nach dem 31. Jänner 2008 entstandene Verbindlichkeit in dieser Höhe ausglichen (US 17 f, 47; vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 17a). Dies hatte eine Verringerung des Haftungsfonds der Gläubiger zur Folge, weil solcherart das zur Verfügung stehende Vermögen der Gesellschaft reduziert wurde, ohne dass zugleich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Krise (§ 2 EKEG) zu Recht bestehende und durchsetzbare (§ 14 Abs 1 EKEG) Forderung beglichen wurde. Der Vermögensstatus der Y***** wurde daher zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft wirklich verringert (vgl RIS Justiz RS0116824; zur rechtlichen Gleichwertigkeit der in § 156 Abs 1 StGB genannten Tathandlungen: RIS Justiz RS0120085; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 6a).

Erst nach dem 29. Mai 2009 zugunsten der Y***** erbrachte Leistungen des Rene S***** wie sie hier aus Z 5 zweiter Fall (formal auch aus Z 8) behauptet werden stellen demnach bloß eine allfällige (teilweise) Schadensgutmachung dar (RIS Justiz RS0113428; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 10), die als solche nicht gesondert erörterungsbedürftig ist (RIS Justiz RS0106268 [T8]).

Auch andere zwischen 31. Jänner 2008 und 29. Mai 2009 erfolgte finanzielle „Vorleistungen“ des Erstangeklagten gelten als Eigenkapital ersetzend und sind als solche ebenfalls nicht geeignet, die Entnahme der 200.000 Euro zu rechtfertigen. Dass solche Zahlungen bereits vor der mit 31. Jänner 2008 beginnenden Krise iSd § 2 EKEG erfolgt wären, wird weder vom Beschwerdeführer behauptet noch durch die ins Treffen geführten Verfahrensergebnisse indiziert.

Warum (bloß behauptete) Zahlungsfähigkeit und freiwillige Zuschüsse der I***** „als 100 %-Gesellschafterin der Y*****“ bzw des (Erst )Angeklagten „als 100 % Gesellschafter der I*****“ einer Zahlungsunfähigkeit der Y***** „nach betriebswirtschaftlichen Kriterien“ (US 14) entgegenstehen sollten, legt die Rüge nicht dar.

Eine als erwiesen angenommene Zahlungsunfähigkeit der Y***** zum 31. Jänner 2008 steht auch zur Negativfeststellung, wonach eine Zahlungseinstellung „zum 31. Jänner 2007“ nicht anzunehmen sei, „zumal der Erstangeklagte der Gesellschaft bis zur Übertragung der Gesellschaftsanteile an K***** immer wieder kurzfristig Darlehen gewährte“ (US 13), in keinem denklogischen Widerspruch (Z 5 dritter Fall).

Die zumindest grundsätzliche Kenntnis der Angeklagten vom Vorliegen der Voraussetzungen des gesetzlich (§ 14 EKEG) determinierten Rückzahlungsverbots vor allem von der durch eine buchmäßige Überschuldung und durch Zahlungsunfähigkeit geprägten wirtschaftlichen Lage der Y***** zum 31. Jänner 2008 (§ 2 Abs 1 Z 1 und Z 2 EKEG) konnte das Schöffengericht mängelfrei aus dem äußeren Tatgeschehen (US 20, 30) ableiten. Sie war mängelfrei überdies damit zu begründen, dass „die Fertigstellung der Yacht ‚Crystal’ nur mehr durch (projektbezogene) Einschüsse des Erstangeklagten möglich“ war, „was beiden Angeklagten […] nur zu gut bewusst“ gewesen sei, den Angeklagten „Ende Mai 2009 die Jahresabschlüsse bis zum 31. Jänner 2007 bekannt waren“ und es „nicht denkbar“ sei, dass sie aus den bis Juli 2009 vorgenommenen Buchungen in den Saldenlisten sowie aus den Kontoblättern „nicht die entsprechenden Informationen zumindest im Sinne eines aussagekräftigen Überblicks gehabt hätten“ (US 31).

Dass sich die Angeklagten hinsichtlich der Rückzahlungssperre des § 14 Abs 1 EKEG in einem im Übrigen vorwerfbaren (§ 9 Abs 2 zweiter Fall StGB; vgl RIS Justiz RS0089548 sowie Höpfel in WK 2 StGB § 9 Rz 14) Rechtsirrtum befunden hätten (zum Irrtum betreffend ein Blankettmerkmal als normatives Tatbestandsmerkmal [hier bezogen auf eine wirkliche Vermögensverringerung durch Zuwiderhandeln gegen das Rückzahlungsverbot] siehe Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 12 Rz 22 f), wird im Anlassfall nicht einmal behauptet (vgl vielmehr die Aussage des Walter S***** in der Hauptverhandlung am 28. April 2014, ON 331 S 35, zu seiner grundsätzlichen Kenntnis vom Rück-zahlungsverbot in der Krise). Die vom Beschwerdeführer (aus Z 5 vierter Fall sowie aus Z 9 lit a) dazu ins Treffen geführten Judikate die aufgrund des damals von der Rechtsprechung entwickelten Rückzahlungsverbots, das bloß „auf einigen erst kurz zuvor ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs“ beruhte (zur Genese der aus dem deutschen Zivilrecht entwickelten Judikatur siehe RIS Justiz RS0054372), eingehend begründete Feststellungen zum darauf bezogenen Vorsatz voraussetzten (vgl RIS Justiz RS0116825 [T2]) betrafen einen vor Inkrafttreten des EKEG (im Jänner 2004) verwirklichten Sachverhalt (Tatzeitraum zu 11 Os 41/02 [im zweiten Rechtsgang 11 Os 76/03]: 5. Februar 1996 bis einschließlich Jänner 1998).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) greift ihrem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583).

Diesen Anfechtungskriterien wird die Beschwerde, soweit sie aus dem Gutachten des betriebswirtschaftlichen Sachverständigen (ON 194) hypothetische Schlussfolgerungen zieht und neuerlich auf angebliche zeitlich nicht maßgebliche (RIS Justiz RS0113428; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 10) „Vorleistungen“ bzw Zahlungen nach der tatsächlich bewirkten Vermögensverringerung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Y***** (am 18. August 2010; siehe US 8) rekurriert, nicht gerecht.

Indem die Angeklagten im Sinn einer Aufklärungsrüge (Z 5a) mehrmals das Unterlassen der amtswegigen Erforschung der Wahrheit kritisieren, bringen sie nicht vor, wodurch sie an der Ausübung ihres Rechts, entsprechende Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert gewesen wären (RIS Justiz RS0115823, RS0114036). Die (tatsächlich nicht vorliegende siehe oben) „Überraschung“ durch die Anwendung des EKEG vermag diesen Ausnahmetatbestand nicht herzustellen.

Mit der Behauptung eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht dar, wie vor Inkrafttreten des EKEG entwickelte Judikatur ohne weiteres auf danach verwirklichte (und demnach vom EKEG erfasste) Sachverhalte anwendbar sein sollte bzw aus welchen sonstigen Gründen es angesichts der konstatierten zumindest in laienmäßiger Parallelwertung erlangten (vgl RIS Justiz RS0116825) Kenntnis der Angeklagten, „dass sie in der wirtschaftlichen Situation der Y***** zum 29. Mai 2009 eine Entnahme in dieser Höhe nicht tätigen durften“ (US 18), weiterer Urteilsannahmen zur inneren Tatseite betreffend „das Bestehen dieses Rückzahlungsverbots“ bedurft hätte, und verfehlt damit ihren gesetzlichen Bezugspunkt (RIS Justiz RS0116565).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Der Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), die Tatrichter hätten anlässlich der Feststellung des Parteiwillens bei Abschluss der den Anklagefakten A./I./1./ und 2./ (Veruntreuung der Yachten mit der Baunummer 135 und 138 zu Lasten der H*****) zugrunde liegenden schriftlichen Mietkaufverträge, wonach sowohl die „Angeklagten als auch die Entscheidungsträger der H***** […] mit dieser Vertragsgestaltung wirtschaftlich betrachtet eine Darlehensgewährung zur (Zwischen-)Finanzierung des Ankaufs der Yachten Baunummer 135 und 138 durch die Y*****“ erreichen wollten (US 11), wesentliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene und gegen eine solche Annahme sprechende Beweisergebnisse (und zwar Teile der Aussagen der Zeugen Mag. Markus W***** [ON 332 S 23 ff] und Mag. Helmut Gr***** [ON 332 S 46 ff] sowie diverse vorgelegte Urkunden) unberücksichtigt gelassen, versagt: Die Aussagen dieser Zeugen fanden im Urteil (zum Teil pauschal als „Vertreter“ bzw „Mitarbeiter der H*****“ bezeichnet) ebenso Beachtung (US 21 ff) wie die schriftlichen Verträge zwischen der H***** und der Y***** (ON 6 in ON 10 S 67 ff und 161 ff).

Im Übrigen war das erkennende Gericht weder dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen (und überhaupt alle Verfahrensergebnisse) in extenso zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, noch muss es sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen. Es genügt vielmehr, wenn das Gericht im Urteil in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die als erwiesen oder nicht erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen bezeichnet und schlüssig und zureichend begründet, warum es von der Richtigkeit seiner Annahmen überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS Justiz RS0098778 [insbes T6, T7]).

Darüber hinaus ist auch aus einer bloß isolierten Betrachtung der Garantieerklärung des Walter S***** vom 13. November 2008 (Beilage 29/4 zu ON 332) sowie des (offenbar) von Mag. W***** angelegten Aktenvermerks vom 14. November 2008 (ON 334 S 9) für den Standpunkt der Staatsanwaltschaft nichts zu gewinnen: Sie vernachlässigt insoweit, dass das Erstgericht seine Überzeugung vom Vorliegen eines „Finanzierungsdarlehens“ (anstatt eines Leasingvertrags) in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) und hauptsächlich mit wirtschaftlichen Erwägungen (US 21 ff) sowie mit als berechtigt empfundenen Zweifeln „an der Vollständigkeit der (vorgelegten) Aktenlage der H*****“ begründen konnte (US 24). Indem die Beschwerde somit nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nimmt und sich damit begnügt, einzelne Verfahrensergebnisse isoliert hervorzuheben, wird sie nicht prozessgemäß zur Darstellung gebracht (RIS Justiz RS0116504).

Überdies bleibt seitens der Staatsanwaltschaft die ebenfalls mit wirtschaftlichen Überlegungen begründete Urteilsannahme unbeachtet, die Y***** hätte die beiden Yachten (Baunummer 135 und 138) „nicht zum Gebrauch, sondern zum Verkauf“ erworben (US 23), was auch „den Vertretern der H*****, welche die Finanzierung beschlossen“ hatten, „bekannt“ gewesen sei (US 24; vgl auch US 10).

Ein demnach bestimmungsgemäßer Weiterverkauf von auf Kredit gelieferten Waren, ist aber auch wenn sie (dem Standpunkt der Staatsanwaltschaft folgend) unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden strafrechtlich anders zu beurteilen als der Verkauf im Vorbehaltseigentum stehender Waren durch einen Endverbraucher. Nur im letzteren Fall ist regelmäßig Veruntreuung anzunehmen, während im Fall eines bestimmungsgemäßen Weiterverkaufs durch den Händler ein (allfälliger) Eigentumsvorbehalt an der Ware erlischt und nur bei besonderer, ein kommissionsähnliches Verhältnis begründender Vereinbarung auf den Erlös übergeht, der dann seinerseits Gegenstand einer Veruntreuung sein kann (RIS Justiz RS0093977; vgl auch RS0093982, RS0093991). Dass eine entsprechende Zusatzvereinbarung abgeschlossen worden wäre, wurde hingegen nicht festgestellt und auch seitens der Beschwerdeführerin kein diesbezüglicher Feststellungsmangel (Z 9 lit a) behauptet.

Der zu den Anklagefakten A./III./1./ und 2./ ergangene Freispruch (mittelbare unrichtige Beurkundung der Eigentumsverhältnisse an den in A./I./1./ und 2./ der Anklage genannten Yachten in österreichischen Seebriefen) ergibt sich wie das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zutreffend betont (US 42 f) bereits aus der (ihrerseits nicht unbegründet gebliebenen; vgl US 21 ff) Urteilsannahme, dass die Y***** zu den jeweiligen Tatzeitpunkten mangels vereinbarten Eigentumsvorbehalts Eigentümerin der Yachten war, womit der Einwand gänzlich fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Leere geht.

Zu den Anklagepunkten A./V./1./ und 2./ (grob fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit der Y*****) stellte das erkennende Gericht im Wesentlichen fest, dass die Vorwürfe, wonach Geschäftsbücher und geschäftliche Aufzeichnungen so geführt wurden, dass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wurde, und sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die einen solchen Überblick verschafft hätten, unterlassen wurden, „durch die Auseinandersetzung mit dem Mitgesellschafter Mag. B***** sowie organisatorische[.] Probleme[.] innerhalb der mit der Buchhaltung beauftragten Steuerberatungskanzlei Ha***** bedingt“ waren. Demnach wurde die Buchhaltung der Y***** zunächst vom Mitgesellschafter Mag. B***** geführt und ab 2006 (somit ab Beginn des von der Anklage umfassten Tatzeitraums) über Veranlassung des Erstangeklagten Rene S***** nachdem bei ihm Bedenken an einer ordnungsgemäßen Buchführung aufkamen an die Steuerberatungskanzlei Ha***** übertragen, wobei sich in weiterer Folge die Aufarbeitung aufgrund einer schweren Erkrankung der damit beauftragten Mitarbeiterin verzögerte (US 14 f). Weiters gelangte der Schöffensenat zur Überzeugung, dass dem von der Y***** betriebenen Aufwand in erster Linie für Werbung, Messen, Ausstellungen, Inserate und Reisen adäquate Leistungen gegenüberstanden (US 16), die etwa was die eingesetzten Werbemittel anlangt „im Hinblick auf die vertriebenen Produkte im Luxussegment plausibel“ erscheinen (US 28).

Diese Feststellungen begründeten die Tatrichter mit den „im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Zeugen Mag. Ha***** und Mag. Sc***** im Zusammenhalt mit der diesbezüglichen Verantwortung der Angeklagten“ sowie mit dem Sachverständigengutachten ON 194 (ON 27 ff), ohne dass sie verpflichtet gewesen wären, sich mit sämtlichen Details in diesen Aussagen sowie im Gutachten ausführlich auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0098377).

Indem die Anklagebehörde auch hier jeweils einzeln und isoliert betrachtete Passagen aus den Zeugenaussagen und aus der Expertise ins Treffen führt und den Entscheidungsgründen ohne diese in ihrer Gesamtheit im Auge zu behalten (nochmals RIS Justiz RS0116504) eigene Schlussfolgerungen und Erwägungen entgegenhält, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die dem erkennenden Senat vorbehaltene Beweiswürdigung.

Aktenwidrigkeit liegt wiederum nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, nicht aber wenn wie hier aus der Urkunde oder Aussage in freier Beweiswürdigung abweichende Schlussfolgerungen gezogen werden (RIS Justiz RS0099524 [insbes T3, T4, T7, T9]).

Angesichts der Erfolglosigkeit der Mängelrüge zu den angefochtenen Freisprüchen bedurfte die zu den getroffenen gegenteilige Feststellungen als Grundlage von Schuldsprüchen reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) keiner Erwiderung (vgl 11 Os 47/15v).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten und jene der Staatsanwaltschaft waren daher wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Angeklagten bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über deren Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
10
  • RS0121419OGH Rechtssatz

    28. März 2023·3 Entscheidungen

    Nach der Rechtsprechung des EGMR liegt der Schutzzweck des Art 6 Abs 3 lit a und lit b MRK gerade darin, die Verteidigung des Angeklagten nicht zu behindern. Geleitet von dieser Zielsetzung können nunmehr auch Abweichungen in der rechtlichen Beurteilung des von der Anklage erfassten Sachverhalts als Nichtbeachtung des § 262 StPO aus Z 8 releviert werden. Stets dann, wenn - ungeachtet der Identität von Anklage- und Urteilsfaktum im prozessualen Sinn - der Angeklagte einer gegenüber dem inkriminierten Sachverhalt anderen Tat (auch bloß) im materiellen Sinn schuldig erkannt wird, liegt nach dieser grundrechtskonformen Auslegung der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO der Nichtigkeitsgrund vor. Ist mit anderen Worten das Tatbild (die äußere Tatseite) der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) von jenem des Anklagetenors (§ 207 Abs 2 Z 2 StPO) derart verschieden, dass sich die jeweils angenommenen Tatbilder nicht überdecken, besteht ohne weiteres das Erfordernis einer dem § 262 StPO entsprechenden Belehrung, ohne welche dem Grundrechtsgebot des Art 6 Abs 3 lit a oder lit b MRK nicht entsprochen wird. Geht es aber um Abweichungen geringerer Relevanz, ist es Sache des Beschwerdeführers, im Rechtsmittel das Belehrungserfordernis (wenigstens einigermaßen) plausibel zu machen, um unnötige Rechtsgänge zu vermeiden. Diese ziehen nämlich in aller Regel eine Verschlechterung der zur Verfügung stehenden Beweismittel nach sich und können überdies ein Spannungsverhältnis mit dem gleichfalls beachtlichen Grundrechtsgebot auf Verfahrensbeendigung binnen angemessener Frist (Art 6 Abs 1 erster Satz MRK) bewirken.

  • RS0113755OGH Rechtssatz

    11. März 2024·3 Entscheidungen

    Beurteilt ein Gericht nicht nur die im Anklagetenor genannte Tat in rechtlicher Hinsicht abweichend von der Anklage, spricht es den Angeklagten vielmehr - wenngleich ohne Abgehen von dem der Anklage (als Gesamtheit) zugrunde liegenden Sachverhalt - statt der im Anklagetenor genannten Tat einer anderen Tat schuldig, muss mit Blick auf die Fairness des Verfahrens zugunsten des Angeklagten dem Schutzzweck des § 262 StPO zuvor entsprochen worden sein. Dabei steht die strikte Einhaltung der von § 262 StPO beschriebenen Form als solche nicht unter der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 8 StPO. So wird etwa eine abweichende Beurteilung durch den Ankläger in der Hauptverhandlung dem grundrechtlich geschützten Ziel, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung zu verfügen (Art 6 Abs 3 lit b MRK), durchaus gerecht, weil es dem Angeklagten solcherart offensteht, sich dazu zu äußern sowie Fragen und Anträge zu seiner Verteidigung zu stellen, deren Missachtung einen Verfahrensmangel (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) begründen kann. Die in einer - danach mehrfach wegen Zeitablaufes und Richterwechsels (§ 276a StPO) wiederholten - Hauptverhandlung gestellte Frage des Vorsitzenden (§ 245 Abs 1 erster Satz StPO): "Haben sie in Österreich Zigaretten erworben, bei denen die Eingangsabgaben nicht bezahlt waren?" für sich allein genügt aber nicht.