JudikaturBVwG

W243 2310363-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
05. September 2025

Spruch

W243 2310363-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2025, Zl. 1320400203-250054325, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.08.2022 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte das Asylverfahren des Beschwerdeführers am 31.08.2022 gemäß § 24 AsylG 2005 ein.

2. Am 13.01.2025 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden zu leiden und der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Seine Muttersprache sei Hindi, diese beherrsche er in Wort und Schrift. Befragt zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass in Indien seine Eltern und seine Schwester lebten. Seine Religionszugehörigkeit sei der Hinduismus. Er gehöre der Volksgruppe der Jat an und sei ledig. Er habe in seinem Herkunftsstaat zwölf Jahre die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung genossen und zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Befragt zu seinem Reiseweg gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe bereits im Dezember 2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er habe das Asylverfahren jedoch nicht abgewartet und sei nach Italien und anschließend nach Indien gereist. Im August 2024 habe er ein weiteres Mal beschlossen, nach Österreich zu reisen. Sein Reiseziel sei Österreich gewesen, weil er schon einmal „hier“ gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftsstaat am 24.12.2024 unter Verwendung seines Reisepasses per Flugzeug in Richtung Serbien verlassen. Er habe sich für ca. zehn Tage in Serbien, für ca. zwei Tage in unbekannten Ländern und für ca. zwei Tage in Italien aufgehalten. Seit dem 11.01.2025 halte er sich in Österreich auf.

Als Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer an, er sei am 04.02.2023 nach Indien zurückgekehrt und habe bei seiner Familie gelebt. Er habe einen Streit mit seinem Onkel wegen der Landwirtschaft gehabt. Sein Onkel habe ihn mit einem Messer angegriffen. Sein Vater habe Angst um ihn gehabt und habe ihn daher wieder ins Ausland geschickt. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer Angst um sein Leben.

3. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 25.02.2025 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Punjabi zunächst zu Protokoll, dass er „Tabletten wegen einer Allergie“ nehme. Seine Muttersprache sei Hindi. Er spreche auch gut Punjabi und ein wenig Englisch. Bis zu seiner Ausreise habe er in seinem Herkunftsstaat in der Landwirtschaft gearbeitet. Zu seinen Verwandten im Herkunftsstaat habe er ab und zu Kontakt. Das Verhältnis zu seinen Eltern sei gut. Das Verhältnis zu seinem Onkel sei nicht gut.

Zu seinen Fluchtgründen befragt legte der Beschwerdeführer dar, er habe einen großen Grundstücksstreit mit seinem Onkel väterlicherseits. Dieser habe seinem Vater gesagt, dass „sie“ ihm entweder das Grundstück übergeben sollen oder er den Beschwerdeführer töten lassen werde. Der Beschwerdeführer und sein Vater hätten die BJP unterstützt. Sein Onkel unterstütze hingegen eine andere Partei und habe ihnen gesagt, sie sollten seine Partei unterstützen. Der Beschwerdeführer bekomme Drohanrufe aus Indien. Sein Vater sei 2-3 Mal bei der Polizei gewesen, doch diese sei nicht tätig geworden, weil sein Onkel „politisch sehr mächtig“ sei. Einmal sei der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat bedroht worden. Ein weiteres Mal hätten ihn sein Onkel und vier bis fünf weitere Männer mit Messern und Schlagstöcken attackiert.

In Österreich bestreite der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt, indem er gelegentlich in einem Restaurant als Reinigungskraft arbeite. Er sei in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen und habe keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Er spreche kein Deutsch, habe in Österreich keine Verwandten und lebe mit keiner Person in einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er habe in Österreich Freunde, die ihn unterstützten und ihm manchmal eine Arbeit verschafften.

4. Mit Bescheid vom 05.03.2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.)

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete seine abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht glaubhaft machen habe können. Dem Beschwerdeführer sei es zumutbar, in seinem Herkunftsstaat eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch zu nehmen.

Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Indien in eine aussichtslose Lage geriete. Er sei gesund, arbeitsfähig und in der Lage, sich den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern. Er verfüge in seinem Herkunftsstaat zudem über seine Eltern und seine Schwester.

Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise ergebe sich aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 55 FPG.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 01.04.2025 binnen offener Frist die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Fluchtgründe eine Verfolgung aus religiösen Gründen bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angegeben. Er sei aufgrund einer politisch motivierten Familienstreitigkeit und wegen konkreter Vorfälle, die er in der Einvernahme näher dargestellt habe, ungerechtfertigten, willkürlichen Vorwürfen gegen ihn seitens der indischen Behörden und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der indischen Polizei nicht wehren habe können. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die belangte Behörde in der Beweiswürdigung lediglich ihre bereits vorgefasste Meinung ausgeführt habe. Anscheinend habe die belangte Behörde daher keinerlei weiteren Ermittlungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers getätigt. Die pauschale Behauptung der belangten Behörde, „in Indien gäbe es immer und für jeden eine innerstaatliche Fluchtalternative, und man brauche sich nur in der Anonymität unter Verleugnung seiner persönlichen Identität verstecken um einer Verfolgung entgehen zu können“, treffe nicht zu. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Auffangnetz in seiner Heimat mehr, welches ihm eine Rückkehr ermöglichen könnte; er sei aus seiner Heimat entwurzelt. Zudem habe sich der Beschwerdeführer schon intensiv um eine Anpassung an das Leben in Österreich bemüht, er habe die deutsche Sprache erlernt, intensive soziale Kontakte geknüpft, er sei unbescholten und durchaus selbsterhaltungsfähig. Beantragt wurden u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

6. Am 03.04.2025 wurde die Beschwerde inklusive des mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsaktes dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Mit Parteiengehör vom 22.04.2025 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zehn Tagen eine schriftliche Stellungnahme zum aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Indien (Version 9, Stand 14.04.2025) einzubringen

8. Mit Schriftsatz vom 06.05.2025 führte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung im Wesentlichen aus, dass ihn die aktualisierten Berichte in seinen Befürchtungen bestätigten, da darin die „weiterhin katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage“ ebenso aufgezeigt werde, wie auch „die mangelnde Effizienz und Durchschlagkraft der Zentralbehörden, jemanden wie ihn zu beschützen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Indien. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Jat an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Hinduismus. Seine Muttersprache ist Hindi, er beherrscht diese in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer spricht auch gut Punjabi und ein wenig Englisch.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er stammt aus dem Dorf XXXX Distrikt Rohtak, Bundesstaat Haryana, besuchte in Indien zwölf Jahre lang die Grundschule und hat vor seiner Ausreise in der Landwirtschaft gearbeitet. Mit seiner Tätigkeit konnte er seinen Lebensunterhalt bestreiten. In Indien leben die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers, zu diesen hat er Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.08.2022 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer wartete den Ausgang seines Asylverfahrens nicht ab, sondern reiste aus Österreich aus. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte das Asylverfahren des Beschwerdeführers am 31.08.2022 gemäß § 24 AsylG 2005 ein.

Der Beschwerdeführer begab sich in seinen Herkunftsstaat, reiste in der Folge erneut unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.01.2025 einen weiteren (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer war bei seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat im Besitz eines indischen Reisepasses.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er nimmt Tabletten gegen eine Allergie.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist obdachlos gemeldet. Der Beschwerdeführer arbeitet in Österreich gelegentlich als Reinigungskraft in einem Restaurant.

Der Beschwerdeführer hat im österreichischen Bundesgebiet oder in Europa keine Familienangehörigen; er verfügt auch sonst über keine intensiven sozialen Bindungen in Österreich. Es konnten insgesamt keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht (in Österreich) festgestellt werden.

1.2. Zu den Fluchtgründen und einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer droht in seinem Herkunftsstaat weder aufgrund des behaupteten Grundstücksstreits mit seinem Onkel noch sonst eine (asylrelevante) Verfolgung.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Indien nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und es wäre ihm auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen.

1.3. Zur für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Situation in Indien:

Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Indien (Version 8, Stand 28.11.2023):

POLITISCHE LAGE

Die 1950 (2 ½ Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit) in Kraft getretene Verfassung Indiens basiert auf der westlich-liberalen Staatstradition. Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem (ÖB New Delhi 7.2023). Es steht – trotz partieller innenpolitischer Spannungen – auf einer soliden, säkular ausgerichteten Verfassung. Die föderal verfasste Republik verfügt über rechtsstaatliche Strukturen mit einem Mehrparteiensystem. Das Unionsparlament ist in zwei Kammern unterteilt. Das Oberhaus vertritt die Interessen der 28 Unionsstaaten und acht Unionsgebiete (AA 5.6.2023).

Der föderal strukturierten Republik gehören (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien an. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert. Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2023). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee (KAS 7.2022). Der Präsident wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 7.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 7.2022).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung folgt britischem Muster (AA 5.6.2023). Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Ministerrat mit dem Premierminister an der Spitze. Die Minister werden auf Vorschlag des Premierministers vom Staatspräsidenten ernannt. Der Staatspräsident steht formal der Regierung vor, die tatsächliche Macht liegt jedoch beim Premierminister und dem von ihm zusammengesetzten Ministerrat. Der Vizepräsident ist zugleich Vorsitzender des Oberhauses (Rajya Sabha) des Unionsparlaments. Der Premierminister und sein Kabinett sind kollektiv dem Unterhaus (Lok Sabha) verantwortlich (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023a).

In den Bundesstaaten liegt die Exekutive formal beim jeweiligen Gouverneur, der vom Staatspräsidenten ernannt wird, und dem Ministerrat, an dessen Spitze der Ministerpräsident (Chief Minister) steht. Der Gouverneur ernennt den Ministerpräsidenten und die von diesem vorgeschlagenen Minister, die kollektiv der gesetzgebenden Versammlung des Unionsstaates (Vidhan Sabha/Legislative Assembly) verantwortlich sind (ÖB New Delhi 7.2023).

Die Unionsterritorien werden direkt von der Zentralregierung verwaltet, wobei einige Unionsterritorien (Delhi, Puducherry) auch über eine eigene parlamentarische Versammlung und eine Regierung verfügen und somit de facto eine Zwischenstellung zwischen Regionalstaat und Unionsterritorium einnehmen (ÖB New Delhi 7.2023).

Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.2.2022; vgl. FH 24.2.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.2.2022).

Indien verfügt über eine weitverzweigte Parteienlandschaft, die von fortschreitender Regionalisierung und Parteineugründungen geprägt ist. Das frühere Zweiparteiensystem ist durch ein kompetitives (regional verankertes) Mehrparteiensystem abgelöst worden (ÖB New Delhi 7.2023). Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts („first past the post“) konnte die BJP unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt (AA 5.6.2023; vgl. KAS 4.2022). Die BJP gewann 37,76 % der Stimmen und 55,8 % der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7 % der Stimmen und 9,7 % der Parlamentssitze (India Votes, ohne Datum).

Die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien haben ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 12.4.2022). Hinsichtlich der Staatlichkeit weist das Gewaltmonopol des Staates auf seinem Territorium geringe Probleme auf. Die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Die Legitimität des Nationalstaates wird jedoch in abgelegenen Gebieten, in denen der Staat und seine Institutionen praktisch nicht vorhanden sind, die von kleinen ethnischen Gruppen und Stämmen bewohnt werden, und die auch durch die Präsenz von Rebellenorganisationen gekennzeichnet sind, in Frage gestellt (BS 23.2.2022).

Aktivisten und Minderheitengruppen zufolge wandelt sich Indien allmählich von einer säkularen multikulturellen Nation zu einem hinduistisch geprägten Staat. Unter der seit 2014 amtierenden Regierung von Premierminister Narendra Modi ist demnach der säkulare Charakter des Landes ins Hintertreffen geraten (DW 15.8.2022). Die Hindutva-Ideologie, von der sich die regierende BJP leiten lässt, befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines "Hindu-Staates" (einer "Hindu Rashtra") vor, wobei Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die den Hindus zukommen (Böll 12.7.2022). Die BJP gehört zu einem Netzwerk von Organisationen, in dessen Zentrum die radikal hindunationalistische Kaderorganisation "Rashtriya Swayamsevak Sangh" (RSS) steht, die ursprünglich von den italienischen Faschisten in den Zwanzigerjahren inspiriert wurde (Böll 12.7.2022).

Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung setzte ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von religiösen und anderen Minderheiten, insbesondere von Muslimen, fort. BJP-Anhänger verübten zunehmend gewalttätige Angriffe gegen bestimmte Gruppen. Die hinduistische Mehrheitsideologie der Regierung spiegelte sich in der Voreingenommenheit der Institutionen, einschließlich der Justiz und der Verfassungsorgane wie der Nationalen Menschenrechtskommission, wider (HRW 12.1.2023).

SICHERHEITSLAGE

Hinduradikale Gruppen verursachen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen mit Angehörigen religiöser Minderheiten, v. a. Muslime, gelegentlich aber auch mit nicht traditionell eingestellten Hindus (AA 5.6.2023). Der gegen Minderheiten wie Muslime und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird von offizieller Seite selten in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet. Das Innenministerium gibt jedoch seit 2017 keine entsprechenden Daten mehr weiter, und Zivilgesellschaften berichten, dass die Regierung nicht auf Auskunftsbegehren (nach dem Right to Information) reagiert (ÖB New Delhi 7.2023).

Insgesamt sind die meisten Inder tagtäglich keinen nennenswerten Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt, mit einigen Ausnahmen in bestimmten, abgelegenen Gebieten. Diejenigen, die in Städten leben, können zivilen Unruhen ausgesetzt sein, einschließlich gewalttätiger Ausschreitungen, die von Zeit zu Zeit im ganzen Land auftreten. Die Ursachen für zivile Unruhen sind komplex und vielfältig und können ethnische und religiöse Spannungen, Aufstände und Terrorismus sowie politische und ideologische Gewalt umfassen. In den meisten Fällen werden die meisten Inder solche Situationen vermeiden (DFAT 29.9.2023). Über soziale Medien verbreitete Fehlinformationen führen gelegentlich zu Gewalt. Über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Snapchat, Twitter, WhatsApp und YouTube werden Gerüchte über angebliche Straftaten verbreitet, die zu gelegentlichem Vigilantismus führen. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, bleiben aber meist lokal begrenzt (DFAT 29.9.2023). Das Potenzial von Eskalationen besteht vor allem zwischen hinduistischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen. Es waren jedoch auch wiederholt Angriffe hinduistischer Fundamentalisten auf christliche Kirchen zu verzeichnen (EDA 14.11.2023).

Nach wie vor sind auch die sogenannten Ehrenmorde ein Problem, vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana (mit geschätzten mehreren hundert Fällen jährlich) (ÖB New Delhi 7.2023). Diese sind i. d. R. darauf zurückzuführen, dass das Opfer gegen den Willen seiner Familie geheiratet hat oder heiraten will (USDOS 12.4.2022). Die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 12.4.2022).

Sicherheitslage in einzelnen Bundesstaaten

Die Streitkräfte des Landes, die Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten und paramilitärische Kräfte lieferten sich Gefechte mit terroristischen Gruppen in mehreren östlichen Bundesstaaten sowie in Jammu und Kaschmir und mit maoistischen Terroristen im Norden, im Zentrum und im Osten des Landes. Die Intensität der Gewalt in diesen Gebieten nahm jedoch weiter ab (USDOS 20.3.2023b).

In den nordöstlichen Bundesstaaten, vor allem in Manipur, Meghalaya, Mizoram, Nagaland und Assam war über Jahrzehnte eine Vielzahl von Rebellengruppen aktiv. Die Regierung geht durch den Einsatz von Sicherheitskräften, Verhandlungen, Rehabilitierungsmaßnahmen und Budgeterstattungen für Sicherheitsmaßnahmen der Bundesstaaten dagegen vor (AA 5.6.2023).

Dem österreichischen Außenministerium (BMEIA) zufolge besteht in den westlichen Teilen von Ladakh ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 14.11.2023). Laut [deutschem] Auswärtigem Amt ist im Unionsterritorium Ladakh die Sicherheitslage grundsätzlich stabil. In den direkten Grenzregionen kann es zu Zusammenstößen zwischen indischen und pakistanischen und indischen und chinesischen Sicherheitskräften kommen (AA 5.6.2023).

Laut BMEIA besteht weiters ein hohes Sicherheitsrisiko in den Grenzgebieten und in der Gegend westlich von Mulbek, in den Gebieten entlang der pakistanischen und der chinesischen Grenze, in der unmittelbaren Nachbarschaft zur pakistanischen Grenze, in den Bundesstaaten Rajasthan und Punjab sowie in den Gebieten westlich der Orte Jaisalmer und Bikaner. In den Bundesstaaten Chhattisgarh und Jharkand, in den östlichen Landesteilen von Maharashtra und Madhya Pradesh, sowie vereinzelt in Odisha und Bihar sind linksgerichtete Aufständische aktiv, die immer wieder Anschläge auf öffentliche Einrichtungen bzw. öffentliche Verkehrsmittel und Sicherheitskräfte verüben (BMEIA 14.11.2023).

In den nordöstlichen Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Assam, Nagaland, Manipur, Meghalaya, Mizoram und Tripura) sind vereinzelt aufständische Gruppen aktiv (BMEIA 14.11.2023; vgl. AA 14.11.2023). Diese führen dort einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (FH 2023). Gegen militante Gruppierungen, die für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. maoistisch-umstürzlerischen) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind i.d.R. Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 8.2021).

Der maoistische Aufstand in der ost- und zentralindischen Bergregion dauert an. Neben anderen Übergriffen haben die Rebellen angeblich illegale Steuern erhoben, Lebensmittel und Unterkünfte beschlagnahmt und Kinder und Erwachsene entführt und zwangsrekrutiert. Lokale Zivilisten und Journalisten, die als regierungsfreundlich gelten, wurden angegriffen (FH 2023). Die radikalen Gruppierungen operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im sogenannten „Red Corridor“ (Schwerpunkte in Chhattisgarh, Odisha, Jharkand, Bihar, West Bengal). Ihre Gesamtzahl wird nunmehr auf unter 10.000 Personen geschätzt. Zwar stellen gewalttätige linksextremistische Gruppen (sog. „Naxaliten“ oder „maoistische Guerilla“) weiter eine innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar; seit dem entschiedenen Vorgehen indischer Sicherheitskräfte (2009 – Operation Green Hunt) gepaart mit gezielter Wirtschaftsförderung in betroffenen Gebieten ist jedoch ein starker Rückgang dieser Gruppierungen zu verzeichnen (AA 5.6.2023).

Nachdem die Lage im Punjab in den letzten Jahren ruhig war, gab es im Frühjahr 2023 ein erneutes Aufflammen der seperatistischen Khalistan-Bewegung. Deren Anführer befindet sich nach seiner Flucht in Haft. Der Konflikt beschränkte sich auf Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Separatisten und der Polizei, Zivilisten waren nicht betroffen (ÖB New Delhi 7.2023).

RECHTSSCHUTZ / JUSTIZWESEN

Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court: Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; als Verfassungsgericht regelt er die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten. Er fungiert auch als Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen der untergeordneten Gerichte, namentlich bei Urteilen, welche eine Interpretation der Verfassung beinhalten oder bei Todesurteilen. Den High Court: Obergericht in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Sowie dem Subordinate Civil and Criminal Courts: untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten, in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB New Delhi 7.2023).

Die Justiz ist in Indien von der Legislative und der Exekutive getrennt (DFAT 29.9.2023). Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektierte im Allgemeinen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz, doch kam es im Justizsystem zu Verzögerungen, Kapazitätsproblemen und Korruption auf den unteren Ebenen. Das Justizsystem war nach wie vor stark überlastet und verfügte nicht über moderne Fallverwaltungssysteme. Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist gesetzlich verankert, außer in Verfahren, bei denen es um Amtsgeheimnisse oder die Sicherheit des Staates geht, und die Justiz hat dieses Recht im Allgemeinen durchgesetzt (USDOS 20.3.2023b).

Die Justiz in Indien arbeitet formell unabhängig von den politischen Staatsorganen (FH 2023). Es gibt eine verfassungsmäßig garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 5.6.2023). Die häufig überlange Untersuchungshaft/Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie Korruption schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (USDOS 20.3.2023b; vgl. FH 2023, ÖB New Delhi 7.2023). Sehr problematisch ist zudem die sehr lange Verfahrensdauer von Strafverfahren. Die Regeldauer (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Ca. 77 % aller Gefangenen sind Untersuchungshäftlinge. Fast 71 % der Untersuchungshäftlinge sind zwischen drei Monaten und mehr als fünf Jahren in Haft (AA 5.6.2023). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft, was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung vor Gericht häufig nicht frei aussagen. Auch Zeugen können für ihre Vernehmung gemäß Strafprozessordnung über mehrere Tage inhaftiert werden, sofern Fluchtgefahr besteht: Fälle von Sippenhaft sollen nicht vorkommen (AA 5.6.2023).

In einigen ländlichen Gemeinden gibt es Dorfgerichte (manchmal nyaya panchayat genannt), die manche Inder dem formellen Rechtssystem vorziehen. Die Entscheidungen fallen schneller, sind gemeinschaftsbezogen und oft weniger anfällig für Korruption (DFAT 29.9.2023).

Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen und sieht keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen vor. Die Strafzumessungen bewegen sich regelmäßig im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens. Allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), sind oft politisch besetzt bzw. agieren in vorauseilendem Gehorsam gegenüber lokalen Amtsträgern, wie beispielsweise Abgeordneten. Sehr problematisch ist die häufig sehr lange Verfahrensdauer in Folge von Überlastung der Gerichte. Der mangelnde Zeugenschutz führt dazu, dass Zeugen wegen Bestechung oder Bedrohung vor Gericht häufig „umfallen“ (ÖB New Delhi 7.2023).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z. B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 5.6.2023) z. B. bei Anwendung des Unlawful Activities Prevention Act (UAPA). Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt. Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern oder sich schuldig zu bekennen (USDOS 12.4.2022). Die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden nicht konsequent eingehalten. Die Bürger sehen sich bei der Verfolgung der Rechtsansprüche mit erheblichen Hindernissen konfrontiert, darunter z. B. auch die Forderungen nach Bestechungsgeldern (FH 2023). Generell ist festzuhalten, dass das indische Rechtssystem in vielen Bereichen rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensvorschriften zur Beweislastumkehr kennt (ÖB New Delhi 7.2023).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse (AA 5.6.2023). Das Heranziehen von erzwungenen Geständnissen (z. B.: durch Gewalt oder Folter) in die Beweislage ist rechtswidrig, kommt aber dennoch vor (ÖB New Delhi 7.2023).

Präventivhaft ist bei Fällen von Gefährdung der öffentlichen Ordnung gesetzlich vorgesehen. Der National Security Act (NSA) aus 1980 erlaubt Vorbeugehaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr, wenn eine Person als Sicherheitsrisiko eingestuft wird, ohne dass das Gesetz die Sicherheitsgründe näher definiert. Verhaftete Personen müssen innerhalb von 15 Tagen über die Haftgründe informiert werden. Spätestens nach sieben Wochen muss ein Beratungsausschuss über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung befinden (ÖB New Delhi 7.2023).

Das Gesetz zur Verhinderung rechtswidriger Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act - UAPA), gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen, die mit Aufständen oder Terrorismus in Verbindung stehen, bis zu 180 Tage ohne Anklage in Haft zu nehmen. Das UAPA kann angewandt werden, wenn die Staatsanwaltschaft Beweise für den Besitz von Schusswaffen oder Sprengstoff oder das Vorhandensein von Fingerabdrücken an einem Tatort vorlegen kann, unabhängig davon, ob die Behörden kriminelle Absichten nachweisen (USDOS 20.3.2023b).

Im Dezember 2019 veröffentlichte das Ministerium für Recht und Justiz den "Scheme on Fast Track Special Courts for Expeditious Disposal of Cases of Rape and Protection of Children against Sexual Offences (POCSO)" Act. Das Gesetz zielt darauf ab, 1.023 Fast-Track-Gerichte im ganzen Land einzurichten, um die 166.882 [Stand 2020] Vergewaltigungs- und POCSO-Gesetzesfälle zu erledigen, die bei verschiedenen Gerichten anhängig sind (USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht vor, dass in jedem Bezirk mindestens ein Sondergericht für Sexualstraftaten gegen Kinder (POCSO-Gericht) eingerichtet wird, aber die Umsetzung dieser Bestimmung verzögert sich (USDOS 20.3.2023b).

In Teilen des Landes, vor allem in ländlichen Gebieten, erlassen informelle Gemeinderäte Erlasse zu sozialen Bräuchen. Ihre Beschlüsse führen manchmal zu Gewalt oder Verfolgung von Personen, die gegen die sozialen Normen verstoßen, insbesondere Frauen und Angehörige der unteren Kasten (FH 2023). In Indien gibt es zudem die Möglichkeit der Alternative Dispute Reolution (ADR / Alternative Streitbeilegung). ADR bietet die Möglichkeit, alle Arten von Angelegenheiten zu lösen, einschließlich zivilrechtlicher, kommerzieller, industrieller und familiärer Angelegenheiten usw., bei denen die Menschen nicht in der Lage sind, eine Verhandlung zu beginnen und eine Einigung zu erzielen. Im Allgemeinen wird bei ADR eine neutrale dritte Partei eingesetzt, die den Parteien hilft, miteinander zu kommunizieren, die Differenzen zu erörtern und den Streit zu lösen. Das Verfahren verläuft ohne Einschaltung gerichtlicher Institutionen (Legal Service India, ohne Datum).

In Indien wird kein einheitliches Zivilrecht angewandt, sondern nach Religionszugehörigkeit unterschieden. Das staatliche Familien- und Erbrecht gilt für Hindus und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften, nicht aber für Muslime. Familienrechtliche Streitigkeiten werden vor den örtlichen Gerichten entschieden, manchmal in freier Interpretation des vermuteten Rechts (ÖB New Delhi 7.2023).

SICHERHEITSBEHÖRDEN

Für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sind in erster Linie die Bundesstaaten und Unionsterritorien zuständig (USDOS 20.3.2023b; vgl. DFAT 29.9.2023), wobei die Zentralregierung die politische Kontrolle ausübt. Die Polizei fällt in die Zuständigkeit der Bundesstaaten. Das Innenministerium kontrolliert die meisten paramilitärischen Kräfte, den Inlandsnachrichtendienst und die nationalen Strafverfolgungsbehörden und bietet Schulungen für leitende Beamte der staatlichen Polizeikräfte an. Die zivilen Behörden haben die Sicherheitskräfte wirksam kontrolliert (USDOS 20.3.2023b).

Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist. Die u. a. auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium. Auch die Nachrichtendienste Indiens im Inland ("Intelligence Bureau") wie Ausland (Research and Analysis Wing) handeln auf gesetzlicher Grundlage. Sie unterstehen über den Nationalen Sicherheitsberater direkt dem Premierminister (AA 5.6.2023). Das Militär verfügt nach dem Armed Forces (Special Powers) Act von 1958 über weitreichende Befugnisse, wenn der Notstand ausgerufen wird. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, Häuser zu durchsuchen, Personen und Räumlichkeiten ohne Durchsuchungsbefehl zu durchsuchen oder zu verhaften und auf Sicht zu schießen. Diese Befugnisse gelten sowohl in Jammu und Kaschmir als auch in Teilen des Landes, in denen separatistische Kräfte auf freiem Fuß sind (DFAT 29.9.2023). Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt (BICC 7.2023).

Das Defense Security Corps sorgt für die Sicherheit der Einrichtungen des Verteidigungsministeriums. Die Border Security Force (BSF) ist für die indisch-pakistanische und indisch-bangladeschische Grenze zuständig; die Sashastra Seema Bal (SSB) bewacht die indisch-nepalesische und indisch-bhutanische Grenze. Die Central Reserve Police Force (CRPF) umfasst eine Rapid Reaction Force (RAF) zur Bekämpfung von Unruhen und das Commando Battalion for Resolute Action (COBRA) zur Aufstandsbekämpfung. Die Assam Rifles unterstehen der administrativen Kontrolle des Ministeriums für innere Angelegenheiten, während die operative Kontrolle dem Verteidigungsministerium (insbesondere der indischen Armee) untersteht. Die Territorialarmee (TA) ist eine militärische Reservetruppe, die sich aus freiwilligen Teilzeitkräften zusammensetzt, die die indische Armee unterstützen; sie ist Teil der regulären Armee und hat die Aufgabe, die reguläre Armee von statischen Aufgaben zu entlasten und die zivilen Behörden bei Naturkatastrophen zu unterstützen und die wesentlichen Dienste in Notfällen aufrechtzuerhalten, sowie bei Bedarf Einheiten für die reguläre Armee bereitzustellen (CIA 7.11.2023).

Nach dem Armed Forces Special Powers Act (AFSPA) kann die Zentralregierung einen Bundesstaat oder ein Unionsterritorium zu einem "Unruhegebiet" erklären und die Sicherheitskräfte in diesem Staat ermächtigen, tödliche Gewalt anzuwenden, um "Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten" und jede Person festzunehmen, "gegen die ein begründeter Verdacht besteht", ohne den Festgenommenen über die Gründe für die Festnahme zu informieren. Das Gesetz bietet den Sicherheitskräften außerdem Immunität vor ziviler Strafverfolgung für Handlungen, die in Regionen unter dem AFSPA begangen werden (USDOS 20.3.2023b).

Die indische Polizei (Indian Police Service) untersteht den Bundesstaaten (AA 5.6.2023) und ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten (BICC 7.2023). Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert (BICC 7.2023; vgl. USDOS 12.4.2022). Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department: CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 7.2023).

Die rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei ist defizitär. Es zeigt sich vor allem ein den Anforderungen an einen modernen Rechtsstaat nicht adäquater Ausbildungs- und Ausrüstungsstand der Polizei (AA 5.6.2023). Übergriffe (AA 5.6.2023) und Korruption innerhalb der Polizei ist nach wie vor ein Problem (FH 2023; vgl. AA 5.6.2023). Darüber hinaus wird von Folter, Misshandlung und Vergewaltigung durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsbeamte berichtet (FH 2023). Dies schlägt sich in einem mangelhaften Vertrauen der Bevölkerung nieder und hat damit auch mittelbar Auswirkungen auf andere Menschenrechtsbereiche, z. B. die Bereitschaft zu Strafanzeigen bei Menschenrechtsverstößen. Besonders in sogenannten Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 5.6.2023).

Im März reduzierte die indische Regierung die Zahl der Bezirke, die unter das Gesetz über die Sondervollmachten der Streitkräfte (AFSPA) fallen, in einigen nordöstlichen Bundesstaaten. In Jammu und Kaschmir sowie in 43 von 90 Bezirken in vier nordöstlichen Bundesstaaten blieb das Gesetz jedoch weiterhin in Kraft, sodass Angehörige der Sicherheitskräfte selbst bei schweren Menschenrechtsverletzungen straffrei ausgehen können (HRW 12.1.2023).

Die Polizeikräfte können bei Bedarf durch Einheiten des Militärs oder paramilitärische Kräfte verstärkt werden. Paramilitärische Kräfte sind Kräfte die auf Grund sondergesetzlicher Ermächtigungen handeln, welche zum Teil Grundrechte einschränken oder außer Kraft setzen und die dem indischen Innenministerium unterstehen (ÖB New Delhi 7.2023).

Es gab Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter, einschließlich außergerichtlicher Tötungen von mutmaßlichen Kriminellen und Terroristen (USDOS 20.3.2023b). Trotz der Trainings für Sicherheitskräfte bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse verbreitet. Die Sicherheitsbehörden sind überarbeitet, unterbezahlt und oft politischem Druck ausgesetzt, was in weiterer Folge zu Korruption führt (ÖB New Delhi 7.2023).

Die Behörden verstärkten ihre Bemühungen, Aktivisten der Zivilgesellschaft und unabhängige Journalisten zum Schweigen zu bringen, indem sie politisch motivierte Anklagen, einschließlich Terrorismus, erhoben, um diejenigen, die Missstände in der Regierung aufdeckten oder kritisierten, ins Gefängnis zu bringen. Die Regierung nutzte Vorschriften zur Finanzierung aus dem Ausland und Vorwürfe finanzieller Unregelmäßigkeiten, um Rechtsgruppen, politische Gegner und andere zu schikanieren (HRW 12.1.2023; vgl. AI 28.3.2023).

KORRUPTION

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, und die Regierung hat das Gesetz im Allgemeinen wirksam umgesetzt. Sie ist auf allen Regierungsebenen vertreten. NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienste wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder staatlichen Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 20.3.2023b).

Die Justiz ist zwar unabhängig, eine überlange Verfahrensdauer sowie die verbreitete Korruption führen aber immer wieder zu Situationen, die einer faktischen Rechtsverweigerung gleichkommen (AA 5.6.2023).

Korruption bei der Polizei ist weit verbreitet (AA 5.6.2023). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig ungestraft davon (USDOS 12.4.2022). Mit dem Lokpal- und Lokayuktas-Gesetz aus dem Jahr 2013 wurden unabhängige nationale und bundesstaatliche Stellen geschaffen, die Beschwerden über Korruption gegen Beamte oder Politiker entgegennehmen, diesen Vorwürfen nachgehen und Verurteilungen gerichtlich durchsetzen sollen. Nur 7 der 29 bundesstaatlichen Lokayuktas hatten im Oktober 2022 öffentlich zugängliche Jahresberichte (FH 2023). Im Juni 2021 berichtete der Anti-Korruptions-Ombudsmann des Landes, dass er im Laufe des Jahres 110 Korruptionsbeschwerden, darunter vier gegen Parlamentsmitglieder, erhalten hat (USDOS 12.4.2022). Das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern aus dem Jahr 2014 wurde als begrenzt angesehen, und spätere Änderungen wurden kritisiert, weil sie es weiter aushöhlten (FH 2023).

Ermittlungen und strafrechtliche Verfolgung von Einzelfällen finden zwar statt, aber die unzureichende Durchsetzung, der Mangel an ausgebildeten Polizeibeamten und ein überlastetes und unterfinanziertes Gerichtssystem tragen zu einer geringen Zahl von Verurteilungen bei (USDOS 12.4.2022). Groß angelegte politische Korruptionsskandale haben wiederholt Bestechung und andere Vergehen aufgedeckt, aber es wird angenommen, dass ein großer Teil der Korruption nicht gemeldet und nicht geahndet wird, und die Behörden wurden beschuldigt, selektiv und parteiisch vorzugehen (FH 2023).

Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International im Jahre 2022 mit einer Bewertung von 40 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 wenig korrupt) auf dem 85. Platz von 180 bewerteten Staaten auf, was keiner Veränderung zu 2021 entspricht (TI 2023; vgl. TI 2022).

NGOs UND MENSCHENRECHTSAKTIVISTEN

In Indien gibt es eine schier unüberschaubare Anzahl von NGOs; offizielle Schätzungen gehen von über 300.000 aus - darunter viele in- und ausländische Menschenrechtsorganisationen (AA 22.9.2021). Nach anderen Angaben sind sogar Millionen von NGOs in einer Reihe von Themenbereichen tätig, darunter Umweltfragen, der Schutz der Menschenrechte und der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter (BS 23.2.2022). Insbesondere diejenigen, die an der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, sind weiterhin Drohungen, rechtlichen Schikanen, übermäßiger Polizeigewalt und gelegentlich tödlicher Gewalt ausgesetzt (FH 2023; vgl. AI 28.3.2023). Immer wieder werden AktivistenInnen, oftmals unter dem Vorwurf, mit terroristischen Organisationen in Verbindung zu stehen, verhaftet (ÖB New Delhi 7.2023). Die Behörden schikanierten und bedrohten Aktivisten und Rechtsgruppen durch politisch motivierte Strafverfolgungen, Steuerrazzien, Behauptungen über finanzielle Unregelmäßigkeiten und die Anwendung des Foreign Contribution Regulation Act (FCRA), des Gesetzes zur Regelung der ausländischen Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (HRW 12.1.2023).

Die meisten in- und ausländischen Menschenrechtsorganisationen können in der Regel ohne Einschränkungen durch die Regierung operieren (USDOS 20.3.2023b; vgl. ÖB New Delhi 7.2023, AA 22.9.2021), Fälle von Menschenrechtsverletzungen untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen (USDOS 20.3.2023b) - zumindest außerhalb von Jammu und Kaschmir (ÖB New Delhi 7.2023). Die Regierung trifft sich mit inländischen NGOs, beantwortet deren Anfragen und ergreift als Reaktion auf ihre Berichte und Empfehlungen Maßnahmen. Die National Human Rights Commission (NHRC) arbeitet mit zahlreichen NGOs zusammen, und in mehreren Ausschüssen der NHRC sind NGOs vertreten (USDOS 20.3.2023b).

Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) wurde 1993 eingerichtet. Auch die Bundesstaaten haben ihre eigenen Menschenrechtskommissionen, und manchmal werden Beschwerden, die an die NHRC gerichtet werden, an eine staatliche Kommission weitergeleitet. Die NHRC hat ein breit gefächertes Mandat, das ein breites Spektrum von Menschenrechtsfragen abdeckt, darunter auch die Themen Geschlecht, Gender und Behinderung, und ist in den Bereichen Forschung, Bildung und Ausbildung sowie Sensibilisierung tätig. Neben dem NHRC gibt es eine Reihe weiterer nationaler Menschenrechtsinstitutionen, darunter die Nationale Kommission für Frauen, die Nationale Kommission für den Schutz der Rechte des Kindes, die Nationale Kommission für Minderheiten, die Nationale Kommission für zurückgebliebene Klassen, die Nationale Kommission für festgelegte Kasten und die Nationale Kommission für festgelegte Stämme (DFAT 29.9.2023). Die NHRC ist für alle Menschenrechtsverletzungen zuständig, außer in bestimmten Fällen, an denen Militär und paramilitärische Kräfte beteiligt sind. Die NHRC ist befugt, Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, die vom Innenministerium und den paramilitärischen Kräften begangen wurden, die im Rahmen des AFSPA in den nordöstlichen Bundesstaaten tätig sind. Der NHRC ist nicht befugt, die Umsetzung seiner Empfehlungen durchzusetzen. Einige Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Abhängigkeit des NHRC von der staatlichen Finanzierung und seine Politik, keine Untersuchungen durchzuführen, die länger als ein Jahr dauern. Einige behaupteten, der NHRC registriere nicht alle Beschwerden, lehne Fälle willkürlich ab, leite Beschwerden an den mutmaßlichen Rechtsverletzer zurück und schütze die Beschwerdeführer nicht angemessen (USDOS 20.3.2023b). Kritiker behaupten, die NHRC und andere offizielle Menschenrechtsgremien auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene seien politisch voreingenommen und ineffektiv. Die staatlichen Menschenrechtskommissionen sind von unterschiedlicher Qualität (DFAT 29.9.2023).

Ausländische NGOs

Die Aktivitäten ausländischer NGOs wurden weiter eingeschränkt (BS 23.2.2022) bzw. unterliegen nicht unwesentlichen Restriktionen, wie Verweigerung eines Einreisevisums. Mitunter sehen sich Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen auch Drohungen und tätlichen Übergriffen, oder polizeilicher Willkür ausgesetzt. Von Polizeiaktionen sind nicht nur indische Menschenrechtsaktivisten betroffen, sondern auch ausländische NGOs (ÖB New Delhi 7.2023).

Durch die Annahme des Foreign Contribution (Regulation) Act 2020 (FCRA) wird es NGOs zunehmend schwer gemacht, ausländische Finanzierungen zu erhalten. Dies betrifft auch europäische NGOs bzw. solche, die mit Europa zusammenarbeiten (ÖB New Delhi 7.2023). Die Konten von Amnesty International Indien, welches sich sehr kritisch zu Menschenrechtsverletzungen der Regierung geäußert hatte, wurden auf Basis dieses Gesetzes gesperrt, womit Amnesty seine Arbeit einstellen musste (ÖB New Delhi 7.2023).

Der Foreign Contribution (Regulation) Act (FCRA) von 2010 erlaubt es der Bundesregierung, NRO unter bestimmten Umständen den Zugang zu ausländischen Geldern zu verweigern, und die Behörden wurden beschuldigt, diese Befugnis selektiv gegen vermeintliche politische Gegner einzusetzen (FH 2023).

Jammu und Kaschmir

Die Regierung schloss die Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir im Jahr 2019 und beauftragte die NHRC mit der Überwachung von Menschenrechtsverletzungen in Jammu und Kaschmir. Einige Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir können Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, werden aber Berichten zufolge von den Sicherheitskräften, der Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden immer wieder behindert oder schikaniert. Die Vereinten Nationen hatten nur begrenzten Zugang zu Jammu und Kaschmir und den nordöstlichen Bundesstaaten (USDOS 20.3.2023b).

OMBUDSMANN

Indien hat die wichtigsten UN-Menschenrechtskonventionen ratifiziert. Seit 1993 gibt es eine Nationale Menschenrechtskommission als unabhängiges Organ, die auf Antrag oder von Amts wegen Menschenrechtsverletzungen untersuchen und Empfehlungen an die Regierung richten oder beim Obersten Gerichtshof die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen kann. Ihre Kompetenz erstreckt sich allerdings nicht auf Überprüfung von Menschenrechtsverletzungen durch das Militär. Obwohl sie keine Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren hat und mangels Ermittlungsbefugnissen auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen ist, trägt sie zunehmend auch durch in der Öffentlichkeit ausgeübten Druck und durch Zusammenarbeit mit NGOs zur Ahndung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen bei. Der Protection of Human Rights Act, 1993, empfiehlt, dass jeder Bundesstaat eine Menschenrechtskommission einrichtet, die es in der Mehrzahl der Unionsstaaten bereits gibt (ÖB New Delhi 7.2023). Sie ist dem Parlament gegenüber direkt rechenschaftspflichtig, arbeitet aber in enger Abstimmung mit dem Innenministerium und dem Ministerium für Recht und Justiz. Sie hat das Mandat, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Nachlässigkeit bei der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch Staatsbedienstete zu untersuchen, in Gerichtsverfahren wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen zu intervenieren und alle Faktoren (einschließlich terroristischer Handlungen) zu überprüfen, die gegen die Menschenrechte verstoßen. Das Gesetz ermächtigt den NHRC, Vorladungen zu erlassen und Zeugenaussagen zu erzwingen, Unterlagen vorzulegen und öffentliche Dokumente anzufordern. Der NHRC empfiehlt auch angemessene Abhilfemaßnahmen für Missstände in Form von Entschädigungen für die Opfer von Tötungen durch die Regierung oder deren Familien (USDOS 20.3.2023b).

In 24 der 28 Bundesstaaten gibt es Menschenrechtskommissionen, die unter der Schirmherrschaft des NHRC unabhängig arbeiten. Die NHRC hat weder die Befugnis, die Umsetzung ihrer Empfehlungen durchzusetzen, noch die Befugnis, Anschuldigungen gegen militärisches und paramilitärisches Personal zu behandeln. Einige Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Abhängigkeit des NHRC von der staatlichen Finanzierung und seine Politik, keine Untersuchungen durchzuführen, die länger als ein Jahr dauern. Einige behaupteten, der NHRC registriere nicht alle Beschwerden, lehne Fälle willkürlich ab, leite Beschwerden zurück und schütze die Beschwerdeführer nicht angemessen (USDOS 20.3.2023b).

Während die Regierung das Recht auf Vereinigungsfreiheit im Allgemeinen respektiert, kommt es zu einer verstärkten Überwachung und Regulierung von NGOs, die ausländische Mittel erhalten. Nach Ansicht von Finanzexperten und Vertretern von NGOs schränkt die neue Gesetzgebung im Rahmen des Foreign Contribution Regulation Act 2020 (FCRA) die Möglichkeiten kleinerer, regionaler Organisationen zur Mittelbeschaffung und die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft stark ein (USDOS 12.4.2022).

ALLGEMEINE MENSCHENRECHTSLAGE

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 5.6.2023). Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet. Indien bleibt ein Land extremer Kontraste. Es gibt viel Positives: stabile Demokratie, verfassungsrechtlich garantierte bürgerliche Freiheiten, fortschrittliche Rechtsprechung und eine beeindruckend vielfältige und lebendige Zivilgesellschaft. Aber es existieren eben auch enorme Defizite, eklatante Grundrechtsverletzungen und eine gesellschaftliche Realität, die aus westlicher Sicht häufig schockierend wirkt. Die Menschenrechtssituation spiegelt die komplexe Lebenswirklichkeit eines multiethnischen und multireligiösen Landes wider, die sich aus jahrtausendealten kulturellen Traditionen speist, die in Teilen die Durchsetzung universeller Menschenrechte behindern. Der Alltag vieler Bevölkerungsgruppen ist von systematischer gesellschaftlicher Benachteiligung geprägt. Ursache hierfür sind häufig tief verwurzelte soziale Praktiken wie das Kastenwesen und der niedrige Bildungsstand von Teilen der Bevölkerung und weniger systematische Menschenrechtsverletzungen durch den Staat (AA 5.6.2023).

Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft (AA 5.6.2023). Menschenrechtsverletzungen werden auch von Terroristen in Jammu und Kaschmir, in den nordöstlichen Bundesstaaten und in den vom maoistischen Terrorismus betroffenen Gebieten begangen wurden, darunter Tötungen und Folter von Angehörigen der Streitkräfte, der Polizei, von Regierungsbeamten und Zivilisten, Entführungen sowie die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten (USDOS 20.3.2023b).

Die Verfassung garantiert bürgerliche Freiheiten, einschließlich der Meinungs- und Religionsfreiheit, aber die Schikanen gegen Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und andere Regierungskritiker haben unter Modi erheblich zugenommen. Die BJP hat zunehmend staatliche Einrichtungen genutzt, um politische Gegner ins Visier zu nehmen. Muslime, registrierte Kasten (Dalits) und registrierte Stämme (Adivasis) werden nach wie vor wirtschaftlich und sozial ausgegrenzt (FH 2023).

Die Verfassung garantiert den Bürgern das Recht, ihre eigene Sprache, Schrift und Kultur zu bewahren (DFAT 29.9.2023).

Die Gesetze gestatten der Regierung das Abhören von Gesprächen zum Schutz der Souveränität und Integrität des Landes, der Sicherheit des Staates, der freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten, der öffentlichen Ordnung oder zur Verhinderung der Anstiftung zur Begehung einer Straftat. Es gab Berichte, wonach Regierungsbehörden willkürlich oder unrechtmäßig oder ohne entsprechende rechtliche Befugnisse auf private Kommunikation zugriffen, diese sammelten oder nutzten und Praktiken entwickelten, die einen willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriff in die Privatsphäre ermöglichen, einschließlich des Einsatzes von Technologien zur willkürlichen oder unrechtmäßigen Überwachung oder Beeinträchtigung der Privatsphäre von Personen (USDOS 20.3.2023b).

Die indische Regierung erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt jedoch erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Die Hauptverantwortung für die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels lag bei den indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien, die von der Zentralregierung politisch beaufsichtigt wurden (USDOS 15.6.2023).

Seit 1993 gibt es eine Nationale Menschenrechtskommission als unabhängiges Organ, die auf Antrag oder von Amts wegen Menschenrechtsverletzungen untersuchen und Empfehlungen an die Regierung richten oder beim Obersten Gerichtshof die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen kann. Ihre Kompetenz erstreckt sich allerdings nicht auf Überprüfung von Menschenrechtsverletzungen durch das Militär. Obwohl sie keine Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren hat und mangels Ermittlungsbefugnissen auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen ist, trägt sie zunehmend auch durch in der Öffentlichkeit ausgeübten Druck und durch Zusammenarbeit mit NGOs zur Ahndung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen bei. Der Protection of Human Rights Act, 1993, empfiehlt, dass jeder Bundesstaat eine Menschenrechtskommission einrichtet, die es in der Mehrzahl der Unionsstaaten bereits gibt (ÖB New Delhi 7.2023).

MEINUNGS- UND PRESSEFREIHEIT

Die Verfassung sieht zwar die Meinungsfreiheit vor, erwähnt aber nicht ausdrücklich die Pressefreiheit. Einzelpersonen kritisierten die Regierung routinemäßig öffentlich und privat über Online-Plattformen, Fernsehen, Radio oder in Printmedien. Die Regierung respektierte im Allgemeinen das Recht auf freie Meinungsäußerung (USDOS 20.3.2023b). Allerdings werden häufig Gesetze aus der Kolonialzeit und andere Gesetze herangezogen, um vermeintliche Kritik an der Regierung durch einfache Bürger zu bestrafen. Die Behörden haben Sicherheits-, Verleumdungs-, Aufruhr- und Hassredengesetze sowie Anklagen wegen Missachtung des Gerichts eingesetzt, um kritische Stimmen in den Medien zum Schweigen zu bringen. Hindu-nationalistische Kampagnen, die darauf abzielen, Formen der Meinungsäußerung, die als "antinational" gelten, zu unterbinden, haben die Selbstzensur noch verschärft (FH 2023).

Die unabhängigen Medien waren aktiv und brachten im Allgemeinen eine große Vielfalt an Meinungen zum Ausdruck. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen oder Feindschaft zwischen Gruppen schüren könnten. Die Behörden beriefen sich auf diese Bestimmungen, um Printmedien, Rundfunk und Fernsehen, digitale Medienplattformen, einschließlich Streaming-Dienste, sowie die Veröffentlichung oder Verbreitung von Büchern zu beschränken (USDOS 20.3.2023b). Obwohl Medienberichte über Menschrechtsverletzungen, Korruption und politische Skandale breiten Niederschlag finden (AA 5.6.2023), werden sie durch informelle Maßnahmen teilweise eingeschränkt bzw unter Druck gesetzt (AA 5.6.2023; vgl. FH 24.2.2022).

Journalisten und NRO berichteten, dass Regierungsbeamte sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene Medienunternehmen durch physische Schikanen und Angriffe einschüchterten, Druck auf die Eigentümer ausübten, Sponsoren ins Visier nahmen, zu leichtfertigen Klagen anregten und in einigen Gebieten Kommunikationsdienste wie Mobiltelefone und das Internet blockierten und die Bewegungsfreiheit einschränkten. Einige NRO behaupteten, dass strafrechtliche Verfolgung und Ermittlungen zur Einschüchterung von regierungskritischen Journalisten eingesetzt würden. Online- und Handy-Belästigungen waren weit verbreitet, und die Berichte über Internet-"Trolling" nahmen weiter zu. In einigen Fällen nutzte die Polizei Informationen von anonymen Nutzern sozialer Medien als Vorwand, um Strafverfahren gegen Journalisten einzuleiten (USDOS 20.3.2023b).

Die Behörden verstärkten ihre Bemühungen, Aktivisten der Zivilgesellschaft und unabhängige Journalisten zum Schweigen zu bringen, indem sie politisch motivierte Anklagen, einschließlich Terrorismus, erhoben, um diejenigen, die Missstände in der Regierung aufdeckten oder kritisierten, ins Gefängnis zu bringen (HRW 12.1.2023; vgl. FH 2023). Solche Angriffe werden nur selten geahndet, und in einigen Fällen war die Polizei daran beteiligt oder hat aktiv daran mitgewirkt (FH 2023). Die Regierung nutzte Vorschriften zur Finanzierung aus dem Ausland und Vorwürfe finanzieller Unregelmäßigkeiten, um Rechtsgruppen, politische Gegner und andere zu schikanieren (HRW 12.1.2023). Es gab auch Berichte über Terroristen und Extremisten, die Tötungen, Gewalt und Einschüchterungen gegen regierungskritische Journalisten verübten (USDOS 20.3.2023b).

Das Gesetz erlaubt es der Regierung, Internetseiten und -inhalte zu sperren und das Versenden von Nachrichten, die die Regierung als aufrührerisch oder beleidigend ansieht, zu kriminalisieren. Sowohl die Zentralregierung als auch die Regierungen der Bundesstaaten sind befugt, Richtlinien zum Sperren, Abfangen, Überwachen oder Entschlüsseln von Computerdaten zu erlassen. Es gab Berichte, dass die Regierung gelegentlich Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und die Kommunikation zwischen Personen überwachte (USDOS 20.3.2023b). Die im Feber 2021 erlassenen Information Technology (Intermediary Guidelines and Digital Media Ethics Code) Rules ermöglichen darüber hinaus eine stärkere staatliche Kontrolle über Online-Inhalte (HRW 13.1.2022).

Am 03.10.23 führten die Behörden Razzien in den Räumen des unabhängigen und regierungskritischen Online- Mediums „NewsClick“ durch und verhafteten dessen Chefredakteur sowie einen weiteren Mitarbeiter, weil das Medienunternehmen mutmaßlich Gelder aus China erhalten hatte. Unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche hat die Regierung in jüngster Vergangenheit ihre Finanz- und Antiterrorgesetzgebung verschärft und gegen regierungskritische Personen eingesetzt. Nicht nur unabhängige Medien geraten ins Visier, auch gemeinnützige Organisationen werden nicht selten in ihrer Arbeit behindert (BAMF 9.10.2023).

Die Internetfreiheit in Indien hat sich während des Berichtszeitraums (Juni 2022 - Mai 2023) verschlechtert, nachdem es im Vorjahr zu einer geringfügigen Verbesserung gekommen war. Die Regierung verhängt weiterhin Internetsperren und erwägt eine Gesetzgebung, die ihre rechtlichen Befugnisse für solche Einschränkungen erweitern würde (FH 4.10.2023). Access Now dokumentierte 2022 das fünfte Jahr in Folge die meisten Internetabschaltungen in Indien mit 84 von insgesamt 187 Internetsperren in 35 Ländern, seit 2017 jedoch erstmals weniger als 100. Von den 84 Abschaltungen ereigneten sich 49 im von Indien verwalteten Teil Kaschmirs und machten somit 58 % der Sperren verglichen mit noch 80 % im Jahr 2021 aus. Die Abschaltungen des Internets erfolgen in der Regel als Reaktion auf Unruhen und werden gelegentlich von gleichzeitig angeordneten Ausgangssperren begleitet (BAMF 6.3.2023).

Falschinformationen werden häufig online verbreitet, und Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Angehörige von Randgruppen sind nach wie vor der Gefahr ausgesetzt, im Internet Opfer von Hassreden und Schikanen zu werden (FH 4.10.2023).

Im aktuellen Ranking des Press Freedom Index 2022 der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF) belegt Indien Platz 150 von 180 bewerteten Ländern, was eine Verschlechterung um acht Plätzen im Vergleich zu 2021 darstellt (RSF 2023).

Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen oder Feindschaft zwischen Gruppen schüren könnten. Behörden berufen sich auf diese Bestimmungen, um Print- und Rundfunkmedien, digitale Medienplattformen - einschließlich Streaming-Dienste - und die Veröffentlichung oder Verbreitung von Büchern einzuschränken (USDOS 20.3.2023b).

VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT, OPPOSITION

Das Gesetz garantiert die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.3.2023b; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) mit Ausnahme von Konfliktregionen (AA 5.6.2023). Trotz einiger Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie z. B. eine Bestimmung der Strafprozessordnung, welche die Behörden ermächtigt, die Versammlungsfreiheit einzuschränken und Ausgangssperren zu verhängen, wenn "sofortige Verhinderung oder schnelle Abhilfe" erforderlich ist, finden regelmäßig friedliche Demonstrationen statt. Die Regierungen der Bundesstaaten und der Zentralregierung unterbrechen häufig Mobilfunk- und Internetdienste, um Proteste zu unterbinden (FH 2023).

Die Behörden verlangten häufig Genehmigungen und Anmeldungen für Paraden oder Demonstrationen, und die lokalen Regierungen respektierten im Allgemeinen das Recht, sich friedlich zu versammeln und seine Meinung zu äußern. Eine Ausnahme bildete Jammu und Kaschmir, wo die Regierung des Bundesstaates separatistischen politischen Parteien manchmal die Genehmigung für öffentliche Versammlungen verweigerte und Sicherheitskräfte Berichten zufolge Mitglieder politischer Gruppen, die friedlich protestierten, festnahmen und angriffen. In Zeiten ziviler Unruhen in Jammu und Kaschmir griffen die Behörden auf das Gesetz zurück, um öffentliche Versammlungen zu verbieten und Ausgangssperren zu verhängen (USDOS 20.3.2023b; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).

Das Gesetz sieht die Vereinigungsfreiheit vor, und die meisten inländischen NRO arbeiteten frei und ohne Einmischung. Die verstärkte Überwachung und Regulierung einiger NRO, die ausländische Mittel erhielten, durch die Regierung wurde von der Zivilgesellschaft kritisiert. In einigen Fällen setzte die Regierung ausländische Banklizenzen aus oder fror die Konten von NRO ein, die angeblich ohne Genehmigung ausländische Gelder erhielten oder ausländische und inländische Gelder unrechtmäßig vermischten (USDOS 20.3.2023b; vgl.ÖB New Delhi 7.2023).

Das Gesetz sieht das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften sowie auf Tarifverhandlungen vor, aber es gibt keine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, eine Gewerkschaft anzuerkennen oder Tarifverhandlungen zu führen (USDOS 20.3.2023b; vgl. FH 2023). Die Durchsetzung des Gesetzes variierte von Staat zu Staat und von Sektor zu Sektor. Die Gewerkschaften waren von der Regierung unabhängig, aber vier der fünf großen Verbände waren mit großen politischen Parteien verbunden. Staatliche und lokale Behörden behinderten mitunter die Registrierung von Gewerkschaften, unterdrückten unabhängige Gewerkschaftsaktivitäten und machten von ihrer Befugnis Gebrauch, Streiks für illegal zu erklären und Gerichtsurteile zu erzwingen (USDOS 20.3.2023b; vgl. FH 2023). Gewerkschaften spielen in Indien jedoch eine relativ geringe Rolle, da nur etwa 10 % der arbeitenden Bevölkerung im formellen Sektor beschäftigt sind und nur ca. 8 % der indischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind (ÖB New Delhi 7.2023).

Während die Regierung das Recht auf Vereinigungsfreiheit im Allgemeinen respektiert, kommt es zu einer verstärkten Überwachung und Regulierung von NGOs, die ausländische Mittel erhalten. Nach Ansicht von Finanzexperten und Vertretern von NGOs schränkt die neue Gesetzgebung im Rahmen des Foreign Contribution Regulation Act 2020 (FCRA) die Möglichkeiten kleinerer, regionaler Organisationen zur Mittelbeschaffung und die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft stark ein (USDOS 12.4.2022).

Es gibt keine Beschränkungen für die Gründung politischer Parteien oder für die Teilnahme von Einzelpersonen jeglicher Gemeinschaft an den Wahlen (USDOS 20.3.2023b).

Opposition

Die Parteienlandschaft ist vielfältig und die politische Opposition kann sich frei betätigen. Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023). In den letzten acht Jahren hat sich die Bharatiya Janata Party (BJP) als dominierende Kraft in der indischen Politik etabliert (CEIP 12.7.2022). Auf bundesstaatlicher und nationaler Ebene lösen sich allerdings regelmäßig verschiedene Parteien in der Regierung ab (FH 2023).

Politische Parteien können sich im Allgemeinen ohne Einmischung bilden, und in der Praxis konkurrieren eine Vielzahl von Parteien, die eine Reihe von Ansichten und Interessen vertreten (FH 2023). Die Wahlen zu Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabetenrate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter korrekt durchgeführt. Behinderungen der Opposition kommen insbesondere auf regionaler und kommunaler Ebene vor, z. B. durch nur eingeschränkten Polizeischutz für Politiker, Vorenthalten von Genehmigungen für Wahlkampfveranstaltungen, tätliche Übergriffe durch Anhänger anderer Parteien. Derartige Vorkommnisse werden von der Presse aufgegriffen und können von den politischen Parteien öffentlichkeitswirksam thematisiert werden. Sie ziehen i. d. R. Sanktionsmaßnahmen der unabhängigen und angesehenen staatlichen Wahlkommission (Election Commission of India) nach sich (AA 5.6.2023). Die Regierungspartei hat dennoch verschiedene Instrumente eingesetzt, um die Wahlkampftätigkeit der Oppositionsparteien einzuschränken (FH 2023).

Parteien von landesweiter Bedeutung sind die hindu-konservative Partei „Bharatiya Janata Party (BJP)“, die seit 2014 an der Macht ist, und die säkulare Kongresspartei „Indian National Congress (INC)“, einstige Regierungspartei und nun führende Oppositionspartei. Unter der Führung der BJP kam es 2019 mit einem Stimmenanteil von knapp 44 % zu einem erdrutschartigen Sieg für die Parteienkoalition National Democratic Alliance (NDA) (ÖB New Delhi 7.2023).

Wahlberechtigt ist jeder indische Staatsbürger ab 18, sofern er nicht aus bestimmten Gründen (Unzurechnungsfähigkeit, Verbrechen, etc.) ausgeschlossen ist. Die Wahlbeteiligung ist generell hoch und zeugt vom ausgeprägten politischen Bewusstsein der indischen Bürger. So betrug die Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl 2019 67 % und war damit höher als bei Wahlen in der Vergangenheit. Im Großen und Ganzen laufen die Wahlen frei und fair ab. Wahlmanipulationen kommen trotzdem z.B. in Form mehrfacher Stimmabgabe auch bei elektronischer Wahlmöglichkeit vor. Teilweise kommt es zu Gewaltausbrüchen zwischen der Anhängerschaft verschiedener Parteien (ÖB New Delhi 7.2023).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikale (z. B. maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 5.6.2023).

Die undurchsichtige Finanzierung der politischen Parteien gibt Anlass zu ernster Besorgnis. Ein 2017 eingeführtes System von Wahlanleihen ermöglicht es, die Identität der Spender der State Bank of India mitzuteilen, sie aber vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Dies hat der BJP erhebliche Vorteile bei der Mittelbeschaffung verschafft (FH 2023). Darüber hinaus hat die Regierung über das Criminal Bureau of Investigation selektiv Antikorruptionsermittlungen gegen Oppositionspolitiker durchgeführt und dabei Anschuldigungen gegen politische Verbündete unbeachtet gelassen (FH 2023).

Im Mai stoppte der Oberste Gerichtshof in einer einstweiligen Verfügung die Anwendung des aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzes gegen Aufwiegelung, das von den Behörden wiederholt zur Verhaftung friedlicher Regierungskritiker eingesetzt wurde (HRW 12.1.2023).

Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kashmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivist:innen, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023).

HAFTBEDINGUNGEN

Die Haftbedingungen waren häufig lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023b; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), vor allem wegen der extremen Überbelegung, der unzureichenden sanitären Bedingungen und der mangelnden medizinischen Versorgung (USDOS 20.3.2023b; vgl. AA 5.6.2023). Gefängnisse und Haftanstalten waren nach wie vor unterfinanziert und personell unterbesetzt und verfügten über keine ausreichende Infrastruktur (USDOS 20.3.2023b). Die Bedingungen variieren von Gefängnis zu Gefängnis, obwohl die Einrichtungen in den zentralen Gefängnissen im Allgemeinen besser sind als die der Bezirksgefängnisse (DFAT 29.9.2023).

Es gibt drei Klassen der Unterbringung, wobei die Kategorie A gewisse Privilegien (Einzelzelle, Transistorradio, Verpflegung durch Angehörige) bietet. Der Großteil der Gefangenen (Kategorie C) muss sich allerdings mit spärlichen Verhältnissen zufriedengeben. Hier ist es die Regel, dass sich bis zu 50 Inhaftierte eine Großraumzelle teilen müssen, keine Betten zur Verfügung stehen und im Winter Decken fehlen (ÖB New Delhi 7.2023). Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich und rudimentäre ärztliche Versorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA 5.6.2023). Doch kann jeder Häftling die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Auch ist es üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 5.6.2023).

Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit (Public Safety Act, PSA), das nur in Jammu und Kaschmir gilt, erlaubt es den Behörden, Personen ohne Anklage oder gerichtliche Überprüfung bis zu zwei Jahre lang ohne Besuch von Familienangehörigen festzuhalten. Im April berichtete die Presse, dass in Jammu und Kaschmir mehr als 500 Personen auf der Grundlage des PSA inhaftiert sind (USDOS 20.3.2023b).

Auf Geschlechtertrennung wird geachtet. Eine Trennung von Kleinkriminellen und Schwerverbrechern gibt es selten. Nach dem Gesetz müssten Jugendliche in eigens vorgesehenen Jugendstrafanstalten untergebracht werden, allerdings kann vor allem in ländlichen Regionen nicht davon ausgegangen werden (ÖB New Delhi 7.2023). Es gab Berichte über Misshandlungen in Gefängnissen durch Wärter und Insassen; weiters, dass Gefangene oder Häftlinge in Polizei- und Gerichtsgewahrsam getötet wurden oder starben sowie über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei (USDOS 20.3.2023b).

Die Behörden gestatteten den Gefangenen, sich bei den staatlichen und nationalen Menschenrechtskommissionen zu beschweren, aber die Befugnisse der Kommissionen beschränkten sich auf die Abgabe von Empfehlungen. Die NHRC hat das ganze Jahr über Beschwerden von Häftlingen über Menschenrechtsverletzungen erhalten und untersucht. Vertreter der Zivilgesellschaft glaubten, dass nur wenige Häftlinge aus Angst vor Vergeltung durch Gefängniswärter oder Beamte Beschwerde einreichten. Der NHRC veröffentlichte keine Berichte über seine Feststellungen. Die Zuständigkeit des NHRC erstreckt sich nicht auf militärische Haftanstalten (USDOS 20.3.2023b).

Die Behörden gestatteten Besuchern in begrenztem Umfang den Zugang zu den Gefangenen, aber einige Familienangehörige gaben an, dass die Behörden ihnen den Zugang zu ihren Verwandten verweigerten, insbesondere in Gebieten, in denen ein hohes Maß an Gewalt herrscht, darunter Jammu und Kaschmir (USDOS 20.3.2023b).

Nach Regierungsangaben ist ein großer Teil der Todesfälle in den Gefängnissen auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird (AA 5.6.2023). Das Gesetz verlangt eine gerichtliche Untersuchung jedes Todesfalls in der Haft (DFAT 29.9.2023).

Dem Bericht des Prison Statistics of India (PSI) aus dem Jahr 2021 zufolge, gab es damals landesweit 1.319 Gefängnisse mit einer genehmigten Kapazität von 425.609 Personen - bei einer Häftlingszahl von 554.034 (USDOS 20.3.2023b).

RELIGIONSFREIHEIT

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USCIRF 5.2023; vgl. USDOS 15.5.2023, AA 5.6.2023). Artikel 25 gewährt allen Menschen Gewissensfreiheit, einschließlich des Rechts, eine Religion auszuüben, sich zu einer Religion zu bekennen und zu verbreiten (USCIRF 5.2023; vgl. USDOS 15.5.2023). Trotzdem hat sich im Jahr 2022 die Lage der Religionsfreiheit in Indien weiter verschlechtert. Während des gesamten Jahres hat die indische Regierung auf nationaler, bundesstaatlicher und lokaler Ebene religiös diskriminierende Maßnahmen gefördert und durchgesetzt, darunter Gesetze, die auf religiöse Konversion, interreligiöse Beziehungen, das Tragen von Hijabs und das Schlachten von Kühen abzielen und sich negativ auf Muslime, Christen, Sikhs, Dalits und Adivasi auswirken (USCIRF 5.2023).

Laut Schätzungen aus dem Jahr 2011 gibt es 79,8 % Hindus, 14,2 % Muslime, 2,3 % Christen und 1,7 % Sikhs. Kleinere religiöse Gruppen gehören Buddhisten, Jains, Baha'is, Juden, Zoroastrier (Parsis) und nicht-religiöse Personen (USCIRF 5.2023; vgl. USDOS 15.5.2023, CIA 7.11.2023). Sie entsenden auch jeweils Vertreter in eine staatliche Nationale Minderheiten-Kommission (ÖB New Delhi 7.2023).

Das Zusammenleben der Religionen ist weitgehend friedlich (AA 5.6.2023). Im Jahr 2022 kam es zu zahlreichen Angriffen auf religiöse Minderheiten und ihre Gebetsstätten. Abrisse von Moscheen in muslimischen Gemeinden führten zu Verhaftungen und gewaltsamen Zusammenstößen (USCIRF 5.2023). Es gab auch Fälle von kommunaler Gewalt zwischen religiösen Gruppen (USDOS 15.5.2023). Spannungen zwischen Hindus (80 % der Bevölkerung) und Muslimen – den beiden größten Glaubensgemeinschaften führen regelmäßig zu Ausschreitungen (ÖB New Delhi 7.2023).

Das Bundesgesetz sieht für sechs religiöse Gruppen einen offiziellen Minderheitenstatus vor: Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Jains und Buddhisten. Die Regierungen der Bundesstaaten können religiösen Gruppen, die in einer bestimmten Region eine Minderheit darstellen, den Status einer Minderheit nach dem Recht des jeweiligen Bundesstaates zuerkennen. Angehörige anerkannter Minderheitengruppen haben Anspruch auf staatliche Unterstützungsprogramme. Laut Verfassung ist die Regierung dafür verantwortlich, religiöse Minderheiten zu schützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Kultur und religiösen Interessen zu wahren (USDOS 15.5.2023).

Personenstandsgesetze legen für Angehörige bestimmter Religionsgemeinschaften zivilrechtliche Regeln für Heirat, Scheidung, Adoption und Erbschaft fest, die auf Religion, Glauben und Kultur beruhen. Hinduistische, christliche, parsische, jüdische und islamische Personenstandsgesetze sind rechtlich anerkannt und können gerichtlich durchgesetzt werden (USDOS 15.5.2023). Langfristig plant die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) die Einführung eines einheitlichen Zivilrechts, das vermutlich zu Lasten der Autonomie von religiösen Minderheiten gehen würde (AA 5.6.2023).

Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung setzte ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von religiösen und anderen Minderheiten, insbesondere von Muslimen, fort. BJP-Anhänger verübten zunehmend gewalttätige Angriffe gegen bestimmte Gruppen. Die hinduistische Mehrheitsideologie der Regierung spiegelte sich in der Voreingenommenheit der Institutionen, einschließlich der Justiz und der Verfassungsorgane wie der Nationalen Menschenrechtskommission, wider (HRW 12.1.2023).

Konversionsgesetze verbieten "erzwungene" Konversionen, wobei (je nach staatlichem Gesetz) Gewalt "Verlockung", Betrug oder Nötigung bedeuten kann. Die Gesetze schreiben vor, dass für die Umwandlung ein bürokratisches Verfahren (Formulare, Gebühren, Genehmigungen) durchgeführt werden muss. Die Strafen und die Durchsetzung sind von Staat zu Staat unterschiedlich, können aber Gefängnisstrafen beinhalten. Viele dieser Gesetze wurden als Reaktion auf den so genannten "Liebesdschihad" erlassen, eine angebliche Praxis, bei der muslimische Männer hinduistische Frauen (oder Mädchen) heiraten, um sie zum Islam zu bekehren (DFAT 29.9.2023). Dreizehn der 28 Bundesstaaten des Landes - Assam, Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Haryana (Stand: März), Himachal Pradesh, Karnataka, Jharkhand, Madhya Pradesh, Odisha, Rajasthan, Uttarakhand und Uttar Pradesh - haben Gesetze zur Einschränkung der Konversion. Obwohl in keinem dieser Gesetze bestimmte Glaubensrichtungen genannt werden, werden sie in der Praxis häufiger gegen Nicht-Hindus angewandt (USDOS 15.5.2023).

Mehrere Urteile des Obersten Bundesgerichts und des Obersten Gerichtshofs haben die Präsidialverordnung von 1950 bestätigt, die im Wesentlichen besagt, dass diejenigen die zu einer anderen Religion konvertieren - insbesondere Islam oder Christentum - und den Hinduismus, Buddhismus oder Sikhismus aufgeben, ihren rechtlichen Status als registrierte "Scheduled Castes" und damit den Anspruch auf Leistungen und Vorteile, die sich daraus ergeben, verlieren (OpIndia 23.9.2022).

Im Hinduismus gilt die Kuh als heilig (DFAT 29.9.2023; vgl. USCIRF 4.2020). In fünfundzwanzig der 28 Staaten gelten teilweise oder vollständige Beschränkungen für die Schlachtung von Rindern. Die Strafen variieren von Staat zu Staat und können je nachdem, ob es sich um eine Kuh, ein Kalb, einen Stier oder einen Ochsen handelt, unterschiedlich sein. Das Verbot betrifft vor allem Muslime und Angehörige der "Scheduled Castes" und "Scheduled Tribes", die traditionell Rindfleisch konsumieren. In den meisten Bundesstaaten, in denen das Schlachten von Rindern verboten ist (USDOS 15.5.2023). Im Laufe des Jahres kam es in verschiedenen Bundesstaaten zu Übergriffen auf Angehörige religiöser Minderheiten, darunter Tötungen, Übergriffe und Einschüchterungen. Dazu gehörten Vorfälle von "Kuh-Vigilantismus" gegen Nicht-Hindus aufgrund von Vorwürfen des Schlachtens von Kühen oder des Handels mit Rindfleisch (USDOS 15.5.2023).

Die Nationale Minderheitenkommission, der Vertreter der sechs benannten religiösen Minderheiten angehören, und die Nationale Menschenrechtskommission untersuchen Vorwürfe der religiösen Diskriminierung. Das Ministerium für Minderheitenangelegenheiten kann ebenfalls Untersuchungen durchführen. Diese Behörden haben keine Durchsetzungsbefugnisse, führen jedoch Untersuchungen auf der Grundlage schriftlicher Beschwerden über straf- oder zivilrechtliche Verstöße durch und legen die Ergebnisse den Strafverfolgungsbehörden vor. In 18 der 28 Bundesstaaten des Landes und im National Capital Territory Delhi gibt es staatliche Minderheitenkommissionen, die ebenfalls Vorwürfe religiöser Diskriminierung untersuchen. (USDOS 15.5.2023).

BEWEGUNGSFREIHEIT

Die Niederlassungsfreiheit (FH 2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) sowie landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung werden gesetzlich gewährt, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.3.2023b; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Allerdings verlangen das Innenministerium und die Regierungen der Bundesstaaten von ihren Bürgern Sondergenehmigungen, wenn sie in bestimmte Bundesstaaten reisen wollen (USDOS 20.3.2023b; vgl. ÖB New Delhi 8.2021). In den Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram und Manipur sind sogenannte Inner Line Permits erforderlich (USDOS 20.3.2023b). Die Bewegungsfreiheit wird in einigen Teilen des Landes durch aufständische Gewalt oder kommunale Spannungen behindert (FH 24.2.2022).

Grundsätzlich ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet. Es gibt nach wie vor kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung (AA 5.6.2023). Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (ÖB New Delhi 7.2023). Durch die Verknüpfung vieler Dienstleistungen mit der biometrischen Aadhaar Karte wird die Auffindbarkeit einzelner Personen für Behörden erleichtert (ÖB New Delhi 7.2023).

Die Regierung kann jedem Antragsteller einen Reisepass verweigern, wenn er sich außerhalb des Landes an Aktivitäten beteiligt, die "der Souveränität und Integrität der Nation schaden" (USDOS 20.3.2023b). Der Trend, die Ausfertigung und Aktualisierung von Reisedokumenten für Bürger aus Jammu und Kaschmir zu verzögern, hält weiterhin an. Eine Bearbeitung kann bis zu zwei Jahre dauern. Berichten zufolge unterziehen die Behörden in Jammu und Kaschmir geborene Antragsteller - einschließlich der Kinder von dort stationierten Militäroffizieren - zusätzlichen Sicherheitsüberprüfungen, bevor sie entsprechende Reisedokumente ausstellen (USDOS 12.4.2022).

Meldewesen

In Indien gibt es weder ein zentralisiertes Meldewesen oder Personenstands- oder auch Strafregister (AA 5.6.2023). Im Jahr 2009 führte Indien allerdings Aadhaar ein, ein digitales Identitätssystem für die fast 1,4 Milliarden Menschen des Landes (UCLA 13.4.2022). Das Aadhaar-Programm weist jedem Einwohner (auch Ausländer) eine eindeutige 12-stellige Nummer zu, die mit den biometrischen Daten der Person verknüpft ist - alle 10 Fingerabdrücke und ein Iris-Scan. Mittlerweile wurden über 1,3 Milliarden Aadhaar-Registrierungen vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist (ÖB New Delhi 7.2023). Durch die Verknüpfung vieler Dienstleistungen mit der biometrischen Aadhaar Karte wird die Auffindbarkeit einzelner Personen für Behörden erleichtert (ÖB New Delhi 7.2023).

Das Nationale Bevölkerungsregister (NPR) ist ein Register, das Angaben zu Personen enthält, die gewöhnlich in einem Dorf oder einer ländlichen Gegend oder einer Stadt oder einem Bezirk oder einem abgegrenzten Gebiet innerhalb eines Bezirks in einer Stadt oder einem städtischen Gebiet wohnen. Das NPR wurde erstmals 2010 erstellt und 2015 gemäß Citizenship (Registration of Citizens and Issue of National Identity Cards) Rules, 2003, die auf der Grundlage des Citizenship Act, 1955, erstellt wurden, aktualisiert. Um die Änderungen aufgrund von Geburten, Todesfällen und Migration zu berücksichtigen, werden die NPR zusammen mit den Wohnungslisten und Wohnungsvorgängen der kommenden Volkszählung aktualisiert. Ziel der NPR ist es, eine umfassende Datenbank der üblichen Einwohner des Landes zu erstellen (Census India 11.8.2023).

GRUNDVERSORGUNG UND WIRTSCHAFT

Allgemeine Wirtschaftsleistung

Die indische Wirtschaft hat sich von der bereits vor COVID bestehenden Krise erholt und erreichte im Finanzjahr 2021/22 ein Wachstum von 8,7 %, für das Jahr 2023/24 wurde von der Weltbank ein Wachstum von 6,3 % prognostiziert. Trotz negativer externer Faktoren (RU/UA Krieg, Lieferkettenengpässe, Inflation (6,7 % 2022/23) wird die indische Wirtschaft als resilient eingestuft (ÖB New Delhi 7.2023). Indien ist damit die am stärksten wachsende Volkswirtschaft aller G20-Staaten. Diese Dynamik wird von einem wiedererstarkten Privatkonsum und einem enormen Investitionsprogramm der Regierung getragen (WKO 30.10.2023).

Die Landwirtschaft stieg um 3,7 % (15 % BIP-Anteil), der wiedererstarkende Industriesektor um 4,5 % (30 % BIP-Anteil) sowie der Dienstleistungsbereich um 7,6 % (55 % BIP-Anteil), wobei hier die IT-Services dominieren (WKO 9.2023).

Arbeitsmarkt

Von den etwas 500 Millionen Arbeitskräften sind 90 % im informellen Sektor tätig (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023), auch wenn nach manchen Analysen der Anteil der formell Beschäftigten steigt. Von den 10 % im organisierten Sektor Beschäftigten, die über formelle soziale Absicherung und Arbeitsschutz verfügen, arbeiten 70 % im staatlichen Bereich. Nur 5 % der Gesamtarbeitskräfte sind ausgebildete Fachkräfte. Nicht mehr ganz die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig (ÖB New Delhi 7.2023).

Es besteht eine umfassende und internationalen Standards im Wesentlichen entsprechende Arbeits- und Sozialgesetzgebung, aber sie betrifft nur die Beschäftigten in formellen Arbeitsverhältnissen - das sind ca. 8 %. Die übrigen 92 % sind im „informellen“ Sektor tätig, in dem geregelte Arbeitsverhältnisse mit angemessenen und regelmäßigen Einkünften die Ausnahme sind und soziale Absicherung praktisch unbekannt ist. Gewerkschaften konzentrieren sich immer noch ganz überwiegend auf den (kleinen) formellen Sektor und sind zumeist parteipolitisch gebunden (AA 5.6.2023).

Die nationale Arbeitsvermittlungsagentur, welche bei dem Ministerium für Arbeit und dem Direktorat für Arbeit und Training angesiedelt ist, bietet Arbeitssuchenden Stellen an. Letztere müssen sich dort selbst registrieren und werden sofort informiert, sobald eine passende Stelle verfügbar ist. Einige Bundesstaaten bieten Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen Informationen über die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Fähigkeiten entsprechend der Marktnachfrage zur Verfügung gestellt werden (IOM 8.2022).

Die Arbeitslosenrate betrug für 2022/2023 10,5 % und für 2023/2024 wird eine Rate von 7,1 % prognostiziert (WKO 9.2023).

Das Gesetz verbietet alle Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, aber Zwangsarbeit, einschließlich Schuldknechtschaft für Erwachsene und Kinder, war weiterhin weit verbreitet (USDOS 20.3.2023b; vgl. FH 2023).

Die Gesetze der Bundesstaaten legen Mindestlöhne und Arbeitszeiten fest. Der tägliche Mindestlohn variierte, lag aber über dem offiziell geschätzten Armutseinkommen. Die Regierungen der Bundesstaaten legen einen gesonderten Mindestlohn für Landarbeiter fest. Das Gesetz schreibt auch sichere Arbeitsbedingungen vor (USDOS 20.3.2023b).

Nahrungsmittelsicherheit, Armut

Etwa 34 % aller Inder seien von multi-dimensionaler Armut betroffen (16,4 %) oder gefährdet (18,7 %) (AA 5.6.2023). 10 % der Bevölkerung leben unter der absoluten Armutsgrenze (USD 2,15 Tag Kaufkraft). Dies ist eine signifikante Verbesserung, 2004 waren es noch ca. 40 %, 2011 22,5 % (ÖB New Delhi 7.2023).

Es gibt in Indien einen politischen Konsens zum Recht auf Nahrung. Zwei Drittel der indischen Bevölkerung haben einen entsprechenden gesetzlichen Anspruch auf fünf Kilogramm Getreide und Hülsenfrüchte pro Monat (AA 5.6.2023). Zusätzlich werden Preise für gewisse Nahrungsmittel staatlich gestützt (ÖB New Delhi 7.2023). Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 5.6.2023). Nach offiziellen Angaben sind 36 % der unter 5-Jährigen untergewichtig (AA 5.6.2023).

Auch wenn die mittel- bis langfristigen Folgen der Pandemie noch nicht absehbar sind, dürfte es für Indien nicht einfach werden, das in der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gesetzte Ziel zu erreichen, die absolute Armut bis zum Jahr 2030 gänzlich zu beenden (AA 5.6.2023).

Wohnraum und Sozialwesen

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat). Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches den Teilnehmern ermöglicht, systematisch Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (IOM 8.2022).

Zahlreiche Sozialprogramme sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern. De facto ist der Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen in vielen Teilen Indiens noch wegen gravierender qualitativer und quantitativer Mängel, Korruption und Missmanagement beschwerlich bzw. oft verwehrt. Mit der Einführung der Identifikationsnummer "Aadhaar" und der davon unabhängigen Eröffnung von Bankkonten für jeden Haushalt in Indien konnten erste Erfolge bei der Eindämmung von Korruption und beim "verlustfreien" Transfer staatlicher Sozialleistungen verbucht werden. Mit dem Haushaltsgesetz 2018 wurde die Einführung einer Krankenversicherung für rund 100 Mio. Familien bzw. etwa 500 Mio. Menschen beschlossen (AA 5.6.2023).

Das Recht auf Sanitärversorgung erfährt durch die aktuelle Regierung besondere Aufmerksamkeit: unter Indiens Bevölkerung hatten 2015 noch rund 59 % (626 Mio.) der Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. Im Rahmen der ambitionierten „Clean India“ Kampagne ist in nur fünf Jahren der Anteil aller Inder:innen mit Zugang zu funktionierenden Toiletten auf etwa 85 % gestiegen (AA 5.6.2023).

Die Kriterien für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen sind komplex und variieren je nach Ort; der Zugang zu solchen Programmen sollte nicht vorausgesetzt werden. Selbst wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, ist es nicht möglich, sich allein von Sozialhilfeprogrammen zu ernähren (DFAT 29.9.2023).

Der Aadhaar, enthält eine 12-stellige eindeutige Identifikationsnummer (UID). Sie wird indischen Staatsbürgern ausgestellt, um ihre Identität auf der Grundlage demografischer und biometrischer Informationen festzustellen. Sie bietet eine Plattform für Sozialleistungen, Vergünstigungen und Subventionen. Die Beantragung einer Aadhaar-Karte ist kostenlos und das System ist freiwillig, aber in der Praxis ist die Registrierung für alltägliche Aktivitäten erforderlich. Für den Erhalt einer Aadhaar-Karte sind keine umfangreichen Unterlagen erforderlich, und es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, so dass sie auch für ärmere Bürger ohne Papiere oder Analphabeten zugänglich ist. Die Verwendung biometrischer Daten, einschließlich Gesichtsauthentifizierung, Iris- und Fingerabdruckdaten, soll die doppelte Vergabe von UIDs an ein und dieselbe Person reduzieren oder verhindern. In der Praxis wird er oft als Personalausweis verwendet (DFAT 29.9.2023).

Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen (AA 5.6.2023).

RÜCKKEHR

Jede:r Inder:in hat das Recht auf Ausreise und Rückkehr in das eigene Land (AA 5.6.2023). Die Einreise ist ohne ein gültiges Reisedokument grundsätzlich nicht möglich. Ein von einem EU-Land ausgestelltes Heimreisepapier wird von der indischen Regierung nicht anerkannt. Die Ausstellung der nötigen Heimreisedokumente durch die indische Botschaft im jeweiligen EU-Land ist in der Regel mit einem zeitaufwendigen Verfahren verbunden, da es in Indien u. a. kein Meldewesen gibt (ÖB New Delhi 7.2023).

Es bestehen keine Hinweise darauf, dass eine Asylantragstellung zu nachteiligen Konsequenzen nach der Rückkehr führt (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023, ÖB New Delhi 7.2023). Zur Festnahme ausgeschriebene Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden rechnen (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023).

Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kaschmirs) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivist:innen, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New Delhi 7.2023), sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden (ÖB New Delhi 7.2023).

Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind nicht bekannt (AA 5.6.2023).

Die Rückkehrberatung in Österreich ist seit 1.1.2021 von der Bundesbetreuungs- und Unterstützungs-Agentur (BBU GmbH) angeboten. Es gibt Beratungsstellen in allen neun Bundesländern. Es steht den Personen frei, an welche Rückkehrberatungsorganisation sie sich wenden. Im Falle einer verpflichteten Rückkehrberatung wird eine bestimmte Rückkehrberatungsorganisation genannt. Grundsätzlich ist jenes Bundesland zuständig, in dem der Asylwerber, Fremde bzw. Ausreisepflichtige wohnt. Darüber hinaus findet Rückkehrvorberatung auch für Personen in Schub- oder Strafhaft statt (BBU 2023).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Entscheidung Feststellungen zum Namen sowie zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer legte weder vor der belangten Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Dokumente im Original vor, die seine Identität zweifelsfrei belegen hätten können und mit seinen Identitätsangaben übereinstimmen würden, weshalb die genaue Identität nicht festgestellt werden kann. Die festgestellten Daten dienen lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seinen Sprachkenntnissen, zum Familienstand, zur Herkunft, zu seiner Schulbildung, seiner Arbeitserfahrung, zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise und zu seinen Familienangehörigen sowie Verwandten in Indien stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Hindi und Punjabi.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, beruht auf seinen Angaben im Verfahren (AS 77).

Die Feststellungen zur erstmaligen Ausreise des Beschwerdeführers aus Indien, zur ersten Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich, zur Einstellung des ersten Verfahrens, zur Rückkehr in seinen Herkunftsstaat, zur erneuten Ausreise des Beschwerdeführers aus Indien, zu seinem Reisepass und zur neuerlichen unrechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet stützen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers und auf eine Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister (IZR) sowie hinsichtlich der unrechtmäßigen Einreise nach Österreich auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Umgehung der die Einreise regelnden Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente einreiste. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen auf seinen Angaben im Verfahren. Soweit der Beschwerdeführer im Verfahren anführte, Tabletten gegen eine Allergie einzunehmen, ist in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen sich eine etwaige lebensbedrohliche Erkrankung respektive regelmäßige medizinische Behandlungen oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ergäben.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem sowie das österreichische Strafregister. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer obdachlos gemeldet ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

In der Beschwerde wurden zwar „intensive soziale Kontakte“ behauptet, die der Beschwerdeführer geknüpft habe. Der Beschwerdeführer legte in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde auch dar, dass er in Österreich Freunde habe, die ihn manchmal unterstützten, indem sie ihm eine Arbeit verschafften. Er legte jedoch keine Empfehlungsschreiben oder sonstige Integrationsbelege vor. Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl selbst an, dass er keine Familienangehörigen in Österreich habe, sodass die entsprechenden Feststellungen auf seinen Angaben beruhen.

Dass keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden konnten, ergibt sich insbesondere in Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und arbeitet nach seinen Angaben unregelmäßig als Reinigungskraft in einem Restaurant. Der Beschwerdeführer führte jedoch selbst an, er sei in Österreich bisher nicht legal erwerbstätig gewesen, sei kein Mitglied in Vereinen oder Organisationen und habe keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Er spreche kein Deutsch, habe in Österreich keine Verwandten und lebe mit keiner Person in einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer legte auch keine Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen oder für die Absolvierung von Deutschprüfungen vor.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

In seiner Erstbefragung führte der Beschwerdeführer als seinen Fluchtgrund an, er sei (nach seiner ersten Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich) am 04.02.2023 nach Indien zurückgekehrt und habe bei seiner Familie gelebt. Er habe einen Streit mit seinem Onkel wegen der Landwirtschaft gehabt. Sein Onkel habe ihn mit einem Messer angegriffen. Sein Vater habe Angst um ihn gehabt und ihn daher „wieder“ ins Ausland geschickt. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer Angst um sein Leben.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte der Beschwerdeführer aus, er sei in einen „großen Grundstücksstreit“ mit seinem Onkel väterlicherseits verwickelt. Sein Onkel habe seinem Vater gesagt, dass „sie“ ihm entweder das Grundstück übergeben sollen oder er den Beschwerdeführer töten lassen werde. Der Beschwerdeführer und sein Vater hätten die „BJP“ unterstützt. Sein Onkel unterstütze hingegen eine andere Partei und habe ihnen gesagt, sie sollten seine Partei unterstützen. Der Beschwerdeführer bekomme Drohanrufe aus Indien. Sein Vater sei 2-3 Mal bei der Polizei gewesen, doch diese sei nicht tätig geworden, weil der Onkel des Beschwerdeführers „politisch sehr mächtig“ sei. Einmal sei der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat bedroht worden. Ein anderes Mal hätten ihn sein Onkel und vier bis fünf weitere Männer mit Messern und Schlagstöcken attackiert.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat weder aufgrund des behaupteten Grundstücksstreits mit seinem Onkel noch sonst eine (asylrelevante) Verfolgung droht, ergibt sich aufgrund seiner allgemein gehaltenen, vagen und oberflächlichen sowie widersprüchlichen Angaben.

Wie bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zutreffend aufgezeigt hat, ist es bereits nicht nachvollziehbar, dass sich der Beschwerdeführer nach einer Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich noch vor einer Entscheidung in seinem Asylverfahren in seinen Herkunftsstaat begeben würde, wenn ihm dort eine asylrelevante Verfolgung drohen würde. Dies ist umso weniger nachvollziehbar, als der Beschwerdeführer in der gegenständlichen Erstbefragung anführte, sich ab Februar 2023 in Indien aufgehalten zu haben, im August 2024 den Entschluss zur Ausreise gefasst zu haben und erst am 24.12.2024 tatsächlich aus seinem Herkunftsstaat ausgereist zu sein. Auch auf die Frage, warum er Österreich nach seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz verlassen habe, antwortete der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar: „Ich wusste damals über Österreich nichts und das[s] Österreich sicher ist wusste ich damals auch nicht.“

Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist zuzustimmen, wenn es ausführt, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen habe können. Es ist in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde die angeblichen Vorfälle, die ihn zum Verlassen seines Herkunftsstaates bewogen haben sollen, lediglich vage und nicht nachvollziehbar schilderte. So brachte er in der Erstbefragung noch vor, sein Onkel habe ihn mit dem Messer angegriffen. In der Einvernahme vor der belangen Behörde führte der Beschwerdeführer hingegen zunächst aus, sein Onkel habe ihn „zwei bis drei Mal“ angegriffen. Auf Nachfrage änderte er seine Angaben wieder ab („Dreimal, nein zweimal beim dritten Mal war ich schon ausgereist“). Auch auf die Aufforderung, die Vorfälle genauer zu schildern, konnte der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben zu Personen, Zeiten, Orten und näheren Umständen der Ereignisse machen („LA: Beim ersten Mal fand dies alles auf dem Grundstück statt, Beim zweiten Mal wollte ich raus aus dem Dorf und da wurde ich attackiert. Von meinem Onkel und vier bis fünf weiteren Männern“; „LA: Wann war der Vorfall? VP: Als ich in Indien war“).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zeigte auch zu Recht auf, dass der Beschwerdeführer lediglich eine – angebliche – Bedrohung durch Privatpersonen (seinen Onkel und weitere „Männer“) zu Protokoll gab. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptet, die Polizei habe aufgrund von Korruption keine Ermittlungen nach dem Angriff des Onkels durchgeführt, ist festzuhalten, dass diese Ausführungen lediglich pauschal und wenig detailreich in den Raum gestellt wurden, weshalb gegenständlich unter Verweis auf die Länderberichte von ausreichender Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit seitens des indischen Staates auszugehen ist.

Keinen glaubhaften Eindruck erweckte der Beschwerdeführer mit seiner Behauptung, sein Onkel sei „politisch mächtig“, was auch der Grund für die Untätigkeit der Polizei gewesen sei. So antwortete der Beschwerdeführer auf die Frage zur Partei seines Onkels lediglich oberflächlich, die „INLD“ sei „für Sauberkeit und Hygiene tätig“. Auf den Vorhalt der belangten Behörde, dass die „BJP“, der sein Vater angehöre, doch die vorherrschende Partei in Indien sei, antwortete der Beschwerdeführer vage: „Ja aber mein Vater ist unbekannt und nicht mächtig“ (AS 81).

Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland legal unter Verwendung seines Reisepasses mit dem Flugzeug verlassen konnte, was gegen eine (staatliche) Verfolgung spricht. Auch ist den eigenen Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen, dass er sich in Indien politisch betätigt hat oder in Erscheinung getreten ist. So gab er an, dass (nur) sein Vater einer politischen Partei angehört habe, er hingegen habe die „BJP“ lediglich unterstützt (AS 79: „support gemacht“). Die Fragen, ob er jemals mit indischen Behörden Probleme gehabt habe, in seinem Herkunftsstaat gesucht werde oder ein Haftbefehl gegen ihn bestehe, verneinte der Beschwerdeführer ausdrücklich (AS 79). Auch in diesem Kontext geht das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass der Beschwerdeführer augenscheinlich keine Schwierigkeiten mit den indischen Behörden hatte.

Den Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Die Beschwerdeausführungen nehmen keinen ausreichend konkreten Bezug zu seinem Fluchtvorbringen und den angeführten Ereignissen und sind nicht geeignet, die Würdigung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers zu erschüttern. Es kann auch dem Einwand in der Beschwerde nicht gefolgt werden, dass die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, als dem Beschwerdeführer in der mit ihm aufgenommenen Niederschriften ausführlich die Möglichkeit eingeräumt wurde, sein Fluchtvorbringen darzulegen, sodass sich keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen ergeben haben. Es wird in der Beschwerde nicht dargelegt, inwiefern das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Angaben des Beschwerdeführers konkret hätte weiter nachgehen oder sich damit auseinandersetzen hätte sollen. Zudem war das Vorbringen des Beschwerdeführers – wie oben ausgeführt – vage und allgemein gehalten und konnte er dieses nicht glaubhaft machen.

Insgesamt erweisen sich die Schilderungen des Beschwerdeführers als substanzlos und erweckte der Beschwerdeführer mit seinen Aussagen nicht den Eindruck, seinen Herkunftsstaat aus asylrechtlich relevanten Gründen verlassen zu haben. Aufgrund der Gesamtheit der dargestellten Erwägungen geht das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass der Beschwerdeführer eine Bedrohungssituation in seinem Herkunftsland Indien nicht glaubhaft aufgezeigt hat und ihm keine asylrelevante Verfolgung droht.

Im Übrigen ist im Einklang mit den unbestrittenen Länderfeststellungen – selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers – gegenständlich die Annahme zu treffen, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offenstünde, sich in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates außerhalb seiner unmittelbaren Herkunftsregion zu begeben, um vor einer allfälligen Bedrohung Sicherheit erlangen. Es bestehen auch sonst keine ausreichenden Anzeichen, dass die indischen Behörden bezogen auf den Beschwerdeführer landesweit schutzunfähig und –willig wären. Diesbezüglich wurden auch in der Beschwerde der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Beschwerdeführer entgegenstehende Umstände nicht substantiiert dargetan.

Die Feststellung, wonach das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit nicht konkret vorgebracht wurde und Hinweise für eine solche Verfolgung auch amtswegig nicht hervorgekommen sind, ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der Beschwerde sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Verfolgung vorgebracht hat bzw. nicht einmal ein Hinweis auf eine solche amtswegig zu ersehen war.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zeigte zudem zutreffend auf, dass sich die Rückkehrsituation des gesunden Beschwerdeführers nicht existenzbedrohend darstellt, sodass die entsprechende Feststellung getroffen werden konnte. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ist vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen und der notorischen Lage in Indien nicht angezeigt; dies wurde auch nicht substantiiert behauptet.

Der Beschwerdeführer verfügt nach seinen eigenen Angaben noch über familiäre Anknüpfungspunkte in Indien und hat zu diesen Kontakt; seine Eltern und seine Schwester leben nach wie vor in Indien. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mann mit langjähriger Schulbildung, dem jedenfalls zugemutet werden kann, seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu bestreiten. Er arbeitete bereits vor seiner Ausreise und sammelte dadurch Arbeitserfahrung. Es kann somit jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in Indien leben kann. Überdies sind im Verfahren keine Anzeichen dafür hervorgekommen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers generell nicht gegeben wäre oder dass sich der Beschwerdeführer in einer schlechteren persönlichen Situation befinden würde als die übrige Bevölkerung.

Auch die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, die Würdigung des Gesamtvorbringens zu entkräften. Der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde insgesamt nichts Substantiiertes entgegengesetzt.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation in Indien stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien in der Fassung vom 28.11.2023. Da dieser aktuelle Bericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht (wesentlich) geändert haben.

Gegenteiliges wurde seitens des Beschwerdeführers nicht behauptet. Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) I. Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 mwN.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055; vgl. auch VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Herkunftsstaates bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Herkunftsstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (vgl. etwa VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; 26.06.2018, Ra 2018/20/0307, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Herkunftsstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0177; 19.10.2017, Ra 2017/20/0069). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, das heißt er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichtes vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2018/19/0262; vgl. auch VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, mangelt es den von dem Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründen an der erforderlichen Glaubhaftigkeit bzw. an der Asylrelevanz, weshalb es ihm insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.

Mangels Bestehen einer aktuellen maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.1.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt bei der Prüfung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (stRSpr, jüngst VwGH 25.09.2023, Ra 2023/19/0297).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinzuweisen, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, konnte der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keine Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG 2005 glaubhaft machen. Ebenso bestehen keine Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation, der Grundversorgung oder seines Gesundheitszustandes im Falle einer Rückkehr nach Indien einem realen Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und über Arbeitserfahrung. Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines bisherigen Lebens in Indien verbracht und verfügt über Sprachkenntnisse in Hindi und Punjabi. In einer Gesamtbetrachtung der Situation des Beschwerdeführers kann daher davon ausgegangen werden, dass er im Herkunftsstaat grundsätzlich in der Lage sein wird, sich gegebenenfalls mit Gelegenheitsarbeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

Selbst bei Wahrheitsunterstellung der geschilderten Vorfälle wäre es dem Beschwerdeführer möglich, sich in einem anderen Gebiet in Indien aufzuhalten.

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wäre, ist die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu beanstanden. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher im Ergebnis ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

3.1.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch bezüglich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Jänner 2025 im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er war nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde. Somit war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.

3.1.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG], BGBl I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art. 2 leg. cit. ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich. Die Ausweisung stellt daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens dar. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte somit allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, 2007/01/0479).

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon zehn Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), und geht im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich beträgt rund acht Monate; ihr kommt im Lichte der obigen Ausführungen kein maßgebliches Gewicht zu.

Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Der Beschwerdeführer verfügt über stärkere Bindungen zu seinem Herkunftsstaat: Er hat dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht, wurde in Indien sozialisiert, spricht (mindestens) eine Landessprache als Muttersprache und hat dort die Schule besucht, sodass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Dadurch, dass der Beschwerdeführer in Indien sozialisiert wurde, er dort Schulbildung erhalten hat und über Anknüpfungspunkte verfügt sowie durch Erwerbstätigkeit bei einer Rückkehr seine Existenz grundsätzlich zu sichern imstande ist, kann die Rückkehrsituation zu keinem Überwiegen der Interessen an einem Verbleib in Österreich führen.

Im Gegensatz dazu konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung allenfalls bestehender privater Kontakte, bezüglich derer keine besondere Intensität hervorgekommen ist, ist weiters dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. etwa VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

In einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers insbesondere aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer ein nur sehr geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da die Begehung von Straftaten ein eigener Grund für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ist (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar, weshalb die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. als unbegründet abzuweisen war.

3.1.5. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige besondere Umstände von dem Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Verfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschiebung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu A) II. Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG kommt einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG die aufschiebende Wirkung zu.

Da der Beschwerde bereits von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt und die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung auch nicht mit Bescheid ausgeschlossen hat, erweist sich der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig und ist daher zurückzuweisen.

3.3. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) – folgend: GRC – entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Gemäß Art. 47 Abs. 2 GRC hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der (damalige) Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich grundlegend mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 (vgl. zur seitdem ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH vom 01.03.2018, Ra 2017/19/0410; 20.09.2018, Ra 2018/20/0173), mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein Ermittlungsverfahren vorangegangen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist seiner Ermittlungspflicht durch Befragung und Belehrung des Beschwerdeführers über seine Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entgegenstehender oder darüberhinausgehender Sachverhalt in konkreter, substantiierter bzw. glaubhafter Weise vorgebracht.

Dem Bundesverwaltungsgericht lag im gegenständlichen Verfahren kein Beschwerdevorbringen vor, welches mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht trotz des Antrages des Beschwerdeführers unterbleiben konnte.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).