Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger, Dr. in Sabetzer und Dr. Kronegger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Kager, LL.M., über die Revision des M D (auch M D), vertreten durch MMag. Andreas Kirchweger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2024, W269 2270126 1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wendet;
II. zu Recht erkannt:
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger aus Damaskus, beantragte am 1. Jänner 2022 internationalen Schutz und brachte zusammengefasst vor, er fürchte bei Rückkehr nach Syrien verhaftet und getötet zu werden, weil ihm das syrische Regime aus näher dargestellten Gründen eine oppositionelle Haltung unterstelle.
2 Mit Bescheid vom 27. Februar 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Syrien zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Das BVwG verneinte mit näherer Begründung eine dem Revisionswerber drohende Verfolgung durch das syrische Regime aus den geltend gemachten Gründen. Es gestand dem Revisionswerber aber zu, in Österreich an einer regimekritischen Kundgebung teilgenommen zu haben. Dadurch sei er jedoch nicht ins Blickfeld syrischer Behörden geraten. Ein Sohn des Revisionswerbers sei in Österreich asylberechtigt. Auch durch diese Tatsache und die finanzielle Unterstützung der Ausreise des Sohnes, der sich zu der Zeit im wehrdienstpflichtigen Alter befunden hätte, habe er die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden nicht auf sich gezogen. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes führte das BVwG aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in die Stadt Damaskus Gefahr laufe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Ihm würde bei Rückkehr in seine Heimatstadt auch kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit drohen. Abschließend begründete das BVwG die Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, die Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festlegung der Frist zur freiwilligen Ausreise.
5 Gegen diese Entscheidung wendet sich vorliegende außerordentliche Revision.
6 Zur Zulässigkeit der Revision hinsichtlich der Nichtgewährung von Asyl macht sie geltend, die Feststellungen zu den Fluchtgründen seien „aktenwidrig“ und das Ergebnis einer bloßen Scheinbegründung. Das BVwG habe seine Beweiswürdigung zur mangelnden Glaubhaftigkeit der Fluchtgründe auf bloß einen Halbsatz der Aussage des Revisionswerbers gestützt, der in einer Einvernahmesituation getroffen wurde, die nicht in seiner Muttersprache vorgenommen wurde und die regelmäßig von Übersetzungsproblemen und Übersetzungsfehlern beeinträchtigt wird. Es habe diese Aussage isoliert betrachtet, ohne die anderen Aussagen und die Gesamtumstände des Sachverhalts zu berücksichtigen.
7 Im Übrigen bringt die Revision in der Zulassungsbegründung und in der Sache vor, das BVwG gehe davon aus, dass eine Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimat gefahrlos erfolgen könne. Diese Beurteilung widerspreche eindeutig der im angefochtenen Erkenntnis dargestellten Situation im Herkunftsland und sei „aktenwidrig“. Aus den verwerteten und von der Revision auszugsweise wiedergegebenen Länderberichten ergebe sich, dass es gerade auch in den von der Regierung beherrschten Gebieten zu willkürlichen Verhaftungen, Gewalt und Folter komme. Dem angefochtenen Erkenntnis hafteten daher erhebliche und wesentliche Begründungsmängel an.
8 Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist teilweise zulässig und begründet.
I. Zur Unzulässigkeit der Revision in Bezug auf die Nichtgewährung des Status des Asylberechtigten:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
13 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
14 Die Revision richtet sich zur Frage der Gewährung von Asyl gegen die Beweiswürdigung des BVwG, das die vom Revisionswerber vorgebrachten Fluchtgründe für nicht glaubhaft erachtete. Dazu ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 23.4.2024, Ra 2024/18/0134, mwN).
15 Das BVwG legte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte dar, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, seine behauptete Verfolgung vor der Flucht glaubhaft zu machen. Der Revision, die nur vereinzelten Aspekten der umfassenden Beweiswürdigung entgegentritt, gelingt es nicht, eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG darzutun.
II. Zur Zulässigkeit und Begründetheit der Revision in Bezug auf die Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte:
16 Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat aber eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
17 Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. zum Ganzen grundlegend VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137, mwN). Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen vorliegen, handelt es sich somit um eine Prüfung, die aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls stattzufinden hat (vgl. etwa VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0143, mwN, insbesondere mit Hinweis auf EuGH 19.3.2020, C 406/18, Rn. 29, wonach jede Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus auf einer individuellen Prüfung, deren Ziel es ist, festzustellen, ob unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers die Voraussetzungen für die Zuerkennung vorliegen, beruhen muss).
19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist von den Asylbehörden zu erwarten, dass sie insoweit, als es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Folglich hat das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (vgl. etwa erneut VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137, mwN).
20 Den Richtlinien des UNHCR ist bei der Prüfung der Anträge besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung“). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden bzw. das BVwG in Bindung an entsprechende Empfehlungen in den Richtlinien internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen in den Richtlinien des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche gegenständlichen Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind. Gleiches gilt für die einschlägigen Länderrichtlinien der EUAA (vgl. etwa VwGH 19.3.2024, Ra 2022/18/0326, mwN). In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Berücksichtigungspflicht auch auf die mittlerweile in Kraft getretene Verordnung (EU) 2021/2303 hingewiesen, deren Art. 11 Abs. 3 vorsieht, dass bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz einschlägige Länderrichtlinien der EUAA von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 29.8.2023, Ra 2022/18/0193; 6.6.2024, Ra 2024/18/0199).
21 Im gegenständlichen Fall lehnte das BVwG die Gewährung von subsidiärem Schutz an den Revisionswerber mit der Begründung ab, er könne ohne Gefährdung seiner Existenz in seine Heimatstadt Damaskus zurückkehren. Aus den Länderfeststellungen lasse sich auch nicht ableiten, dass dem Revisionswerber bei einer Rückkehr in seine Heimatregion ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit bzw. ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben drohe. In diesem Zusammenhang berief sich das BVwG vor allem darauf, den Länderberichten sei zu entnehmen, dass der syrische Präsident versuche, die Hauptstadt Damaskus als einen „Hort der Ruhe“ in einem vom Konflikt zerrissenen Land darzustellen. Dabei komme es in Damaskus und Damaskus-Umland seit Anfang 2020 zu wiederholten Anschlägen auf bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) bzw. regimenahe Personen. Demgegenüber ließen die vorliegenden Länderberichte erkennen, dass das Kampfgeschehen in Syrien nicht in dieser Region stattfinde. Die Sicherheitslage in der Stadt Damaskus sei daher nicht derart instabil, dass jede Rückkehr bereits mit einem realen Risiko einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr verbunden wäre. Abgesehen davon sei der Revisionswerber im erwerbsfähigen Alter, gesund und arbeitsfähig. Seine finanzielle Situation sei laut eigenen Angaben etwas besser als die der Mittelschicht und er verfüge im Herkunftsort über eine Eigentumswohnung, ein Auto sowie über einen Erbanteil an einer Familienwohnung. Darüber hinaus könne er eine Ausbildung als Elektriker sowie mehrjährige Berufserfahrung in diesem Bereich vorweisen. Laut einem näher angeführten Bericht sei die Arbeitslosenquote in der Stadt Damaskus am niedrigsten. Er sei mit der Sprache und den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates grundlegend vertraut. Er verfüge nach wie vor über Familienangehörige, welche in Damaskus wohnten. Es könne davon ausgegangen werden, dass er wieder bei seiner Familie in Damaskus wohnen könne.
22 Mit diesen Ausführungen legt das BVwG dar, dass der Revisionswerber bei Rückkehr in seinen Herkunftsort (Damaskus) weder in ein unmittelbares Kampfgebiet des Bürgerkriegs käme, noch die reale Gefahr einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung infolge Fehlens von Unterkunft und Nahrung zu erwarten hätte. All dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.
23 Keine Behandlung findet aber die zumindest ebenso bedeutsame Frage der persönlichen Sicherheit (abseits der unmittelbaren Betroffenheit von kriegerischen Auseinandersetzungen). Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass das vom BVwG erzielte Ergebnis, der Revisionswerber könne ohne maßgebliche Gefährdung in seine Heimatregion zurückkehren, in einem unaufgeklärten Widerspruch zu gegenteiligen Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis steht.
24 An zahlreichen Stellen der insgesamt wenig übersichtlichen und zum Teil redundanten Länderfeststellungen finden sich Hinweise dafür, dass die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Syrien (abseits der kriegerischen Auseinandersetzungen) höchst problematisch ist. Es komme in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter der Kontrolle des Regimes, zu massiven Menschenrechtsverletzungen (Erkenntnis S. 16 unten). Das syrische Regime und andere Konfliktpartner setzten weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein. Es komme in den vom Regime kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (Erkenntnis S. 17). Laut Einschätzungen des (deutschen) Auswärtigen Amtes unterlägen Personen, die unter dem Verdacht stehen, sich oppositionell zu engagieren oder als regimekritisch wahrgenommen werden, einem besonders hohen Folterrisiko (Erkenntnis S. 26). Die Menschenrechtslage in Syrien werde weiterhin als „katastrophal“ eingestuft; die UNO konstatiere in einem näher bezeichneten Bericht landesweit schwere Verstöße gegen die Menschenrechte und sehe keine Erfüllung der Voraussetzungen für eine nachhaltige, würdige Rückkehr von Flüchtlingen (Erkenntnis S. 39). Weiterhin bestehe laut dem deutschen Auswärtigen Amt in keinem Teil des Landes ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für Rückkehrende. Es gebe keine Rechtssicherheit oder Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibe für Einzelne unvorhersehbar (Erkenntnis S. 40). Willkürliche Verhaftungen blieben eine gezielte Vergeltungsmaßnahme u.a. für Kritik am Regime (Erkenntnis S. 41). Die Behandlung von Einreisenden nach Syrien sei stark vom Einzelfall abhängig, über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gebe es keine gesicherten Kenntnisse. Es sei allerdings davon auszugehen, dass die syrischen Nachrichtendienste über allfällige exilpolitische Tätigkeiten informiert seien (Erkenntnis S. 47).
25 Die Länderfeststellungen zur Rückkehr dokumentierten im Speziellen, dass (neben den fehlenden sozioökonomischen Perspektiven und Basisdienstleistungen) oft auch die mangelnde individuelle Rechtssicherheit einer Rückkehr entgegenstehe (Erkenntnis S. 50). Die Bedrohung der persönlichen Sicherheit im Einzelfall sei das zentrale Hindernis für Rückkehrende. Insbesondere für Gebiete unter der Kontrolle des Regimes, einschließlich der Hauptstadt Damaskus, gelte unverändert, dass eine belastbare Einschätzung der individuellen Gefährdungslage nicht möglich sei (Erkenntnis S. 52 und 57). Das (deutsche) Auswärtige Amt ziehe den Schluss, dass eine sichere Rückkehr Geflüchteter insofern für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden könne. UNHCR rufe weiterhin die Staaten dazu auf, keine zwangsweise Rückkehr von syrischen Staatsbürgern in irgendeinen Teil Syriens zu veranlassen, egal, wer das betreffende Gebiet in Syrien beherrsche (Erkenntnis S. 53 und 62).
26 All dies gipfelt in der Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, dass die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Europäische Union selbst sowie der UNHCR bei ihrer Einschätzung blieben, dass Syrien nicht sicher für eine Rückkehr von Flüchtlingen sei (Erkenntnis S. 62).
27 Mit alldem hat sich das BVwG in seiner Entscheidung nicht beschäftigt. Es wird daher nicht dargelegt, warum im Falle des Revisionswerbers eine von den wiedergegebenen Einschätzungen (insbesondere auch des UNHCR) abweichende Beurteilung der Gefahrenlage vorgenommen wird. Die einschlägigen Länderrichtlinien der EUAA (für den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG noch maßgeblich Country Guidance: Syria, Februar 2023; mittlerweile aktualisiert per April 2024), die wie bereits angesprochen berücksichtigt werden sollen, finden in der angefochtenen Entscheidung keinen Niederschlag. Lediglich auszugsweise wird aus einem Papier der EUAA zu Syrien vom Oktober 2023 zur Arbeitsmarktlage, Lebensmittel- und Trinkwasserversorgung zitiert (Erkenntnis S. 62 ff); Rückschlüsse auf die persönliche Sicherheitslage lassen sich daraus aber nicht ziehen. Im konkreten Fall kommt hinzu, dass sich das BVwG mit möglichen individuellen gefahrenerhöhenden Faktoren (Demonstrationsteilnahme und asylberechtigter Angehöriger in Österreich), mögen sie auch keinen Konventionsgrund erfüllen, nicht auseinandergesetzt hat.
28 Diese Begründungsmängel lassen es nicht zu, das reale Risiko insbesondere einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK für den Revisionswerber abschließend zu beurteilen und wie es das BVwG tat zu verneinen.
29 Ausgehend davon erweisen sich die Begründungsmängel des angefochtenen Erkenntnisses als wesentlich, weshalb das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (und die darauf aufbauenden Spruchpunkte) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
30 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 3 VwGG abgesehen werden.
31 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Juni 2024
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