JudikaturBVwG

W274 2287233-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 2025

Spruch

W274 2287233-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX Staatsangehöriger von Syrien, vertreten durch BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4/4. Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom , Zl. 1327790601-223161965, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung, zu Recht:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste ohne gültige Einreisedokumente in Österreich ein und stellte am 06.10.2022 vor der LPD Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, er sei in seinem Heimatland angeschossen worden und habe trotzdem zum Militär einrücken müssen. Er habe Angst, zum Militär und zum Krieg zu müssen. Außerdem sei er von den Behörden mit einer namensgleichen Person verwechselt worden und habe sechs Monate ins Gefängnis müssen.

Am 16.10.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass er im Jahr 2021 einen Einberufungsbefehl erhalten habe und bei einer Rückkehr nach Syrien zum Militär einrücken müsste. Er wolle nicht in die Armee einrücken und mit dem Krieg nichts zu tun haben.

Mit dem bekämpften Bescheid wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Absatz 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gem. § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das BFA aus, dass der BF nicht vorgebracht habe, warum ihm die Ableistung des Wehrdienstes nicht möglich sein sollte. Zudem könne er sich davon freikaufen. Nicht jeder Wehrpflichtige werde in Kampfhandlungen verwickelt. Der BF habe nicht vorgebracht, regimekritisch oder oppositionell in Erscheinung getreten zu sein. Auch die Tatsache der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich führe noch nicht zur Unterstellung einer solchen Gesinnung durch das Regime.

Allein gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde des BF, in der dieser auf seine Befürchtung verwies, durch das syrische Regime zwangsrekrutiert oder aufgrund des unterlassenen Militärdiensts oder seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung verfolgt zu werden. Er wolle sich nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligen müssen und verweigere den Militärdienst aus Gewissensgründen. Schon aufgrund seiner Herkunftsregion würde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Außerdem habe er im Kindesalter an einer Demonstration gegen das Regime teilgenommen und sei für drei Tage inhaftiert worden; schließlich sei er im Jahr 2019 aufgrund einer Namensgleichheit für sechs Monate vom Regime inhaftiert worden. Dieses Vorbringen habe er nicht früher erstatten können, weil er als juristischer Laie nicht gewusst habe, wie genau es zu erstatten wäre, und er diesbezüglich nicht befragt worden sei.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verfahrensakt dem Verwaltungsgericht einlangend am 26.02.2024 vor. Diese kam der Abteilung W274 am 03.06.2024 zu.

Mit Schreiben vom 30.12.2024 gewährte das Gericht dem BF Parteiengehör zur durch den Sturz des Assad-Regimes geänderten Lage in Syrien.

Mit Stellungnahme vom 09.01.2025 führte der BF zunächst aus, er sei 2016/2017 von seinem Cousin gefährlich „bedroht worden, sich der HTS anzuschließen“. Der BF habe sich nicht rekrutieren lassen wollen und habe abgelehnt, da er keine Waffen tragen und niemanden verletzten wolle oder selbst verletzt werden wolle. Dieses Vorbringen habe der BF nicht früher erstatten können, da ihm einerseits die Bedeutung für das Asylverfahren nicht bewußt gewesen sei, andererseits habe er aus Angst geschwiegen. Im Übrigen sei die Lage in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes völlig neu zu betrachten. Weil diese nicht abschätzbar sei, fehle es an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung. Dabei verwies er auf Entscheidungen des VfGH (u.a. E 3015/2021 vom 19.09.2022) und zitierte daraus eine Passage, wonach aufgrund der damals volatilen Lage in Afghanistan das BVwG verpflichtet gewesen wäre, bei einer Rückkehr die Situation eingehend auch im Hinblick auf die laufende Entwicklung zu prüfen. Er wies auf die Einstufung des HTS durch die USA und die EU als Terrororganisation hin sowie auf weitere Unsicherheitsfaktoren. Die vom BVwG übermittelte Kurzinformation der Staatendokumentation stelle keine Grundlage für eine valide Prognose dar. Da der BF schon einmal einem Zwangsrekrutierungsversuch der HTS unterlegen sei, habe dieser verständlicherweise Angst, vom HTS aus politischen bzw religiösen Gründen verfolgt, getötet oder rekrutiert zu werden.

Am 29.01.2025 führte das Gericht in Anwesenheit des BF, seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF ausführlich als Partei befragt wurde sowie Kopien von syrischen Dokumenten zum Akt genommen wurden.

Seitens des Gerichts wurde weiters ein kurzer Überblick über die aktuellen und allerneuesten Entwicklungen in Syrien, erstellt anhand von Presseberichten mit Verweisen auf die Quellen mit dem Hinweis übergeben, dass sich das Gericht im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung auch an diesen Quellen orientiere (siehe unten „Weitere aktuelle Entwicklungen“ und „Allerneueste Entwicklungen (NZZ online, 28.01.2025)“).

Eine Stellungnahme dazu erfolgte nicht.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt:

Aufgrund des Akteninhaltes im Zusammenhalt mit den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

Der 24-jährige BF ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und muslimischen Bekenntnisses. Er ist ledig und kinderlos.

Er wurde in Syrien in Deir ez-Zor geboren und erhielt eine etwa 13-jährige Schulbildung. Die Mutter und drei Brüder des BF befinden sich noch in Syrien in Homs, zwei weitere Geschwister leben im Irak. Der Vater des BF ist verstorben.

Der BF verließ Syrien im August 2022 und reiste in die Türkei, wo er nach wenigen Tagen Richtung Europa weiterreiste und schließlich in Österreich Asyl beantragte.

Sowohl Homs als auch Deir ez-Zor standen bis Ende November 2024 unter der Kontrolle des syrischen Assad-Regimes und werden nach dessen Sturz von der nunmehr regierenden HTS kontrolliert.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Bis Ende November 2024 kontrollierte die ehemalige syrische Regierung unter Präsident Assad („syrisches Regime“) rund 60 % des syrischen Staatsgebiets, während der Nordosten Syriens unter Herrschaft kurdischer Kräfte stand, mit der Türkei alliierte Rebellengruppen Teile des Nordens kontrollierten und die islamistische Gruppierung HTS über einen Teil der Provinzen Idlib und Aleppo im Nordwesten herrschte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2024, im Folgenden „LIB“, S. 16).

Für männliche syrische Staatsbürger war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren in der syrisch-arabischen Armee des syrischen Regimes gesetzlich verpflichtend. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehrten, mussten mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Gesetz waren in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wurde man einberufen, um den Wehrdienst zu leisten, sofern kein Ausnahmegrund (Studium, medizinische Gründe, einziger Sohn der Familie) vorlag (LIB S. 119). Eine Durchsetzung der Wehrpflicht durch Zwangsrekrutierung war dem syrischen Regime im Wesentlichen nur im eigenen Herrschaftsgebiet möglich (LIB S. 123 f).

Wehrdienstverweigerung wurde aber vom syrischen Regime zuletzt nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das Regime war sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen hatten, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich gegen Bezahlung einer Geldsumme von der Wehrpflicht „freizukaufen“ (LIB S. 144).

Personen, die unter dem Verdacht standen, sich oppositionell zu engagieren, oder als regimekritisch wahrgenommen wurden, unterlagen einem besonders hohen Folterrisiko seitens des Regimes. In vielen Fällen wurden auch Familienmitglieder solcher Personen als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen ihrer Angehörigen inhaftiert (LIB S. 165).

Durch eine Ende November 2024 gestartete Großoffensive der HTS gegen die Regierung von Präsident Assad kam es rund um den 8. Dezember 2024 zu einem Machtwechsel in Syrien (s. dazu näher unten): Assad setzte sich nach Russland ab, die HTS übernahm die Kontrolle über die staatlichen Institutionen und bildete eine unter ihrer Leitung stehende Übergangsregierung. Die Soldaten der von Assad befehligten Syrischen Arabischen Armee wurden vom Armeekommando außer Dienst gestellt. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Aktuell existiert in Syrien keine staatliche Wehrpflicht.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, in Homs oder Deir ez-Zor (samt näherer Umgebung) durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime zum Militärdienst rekrutiert bzw. wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen bestraft zu werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Jahr 2016/17 durch einen Cousin für die HTS zwangsweise rekrutiert werden sollte oder dem BF bei einer Rückkehr nach Syrien eine Zwangsrekrutierung oder Bestrafung durch die nunmehr regierende HTS droht.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10. Dezember 2024:

„Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. (…)

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12.

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind, und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt.

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt.

(…)

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein.

(…)

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren.

(…)

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben. (…)“

Auszüge aus der „Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad“ auf www.ecoi.net

Wie es dazu kam

Am 27. November 2024 startete die militante islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Am 5. Dezember fiel die Stadt Hama und zwei Tage darauf die drittgrößte Stadt Syriens, Homs (BBC, 8. Dezember 2024; siehe auch Der Standard, 8. Dezember 2024, ISPI, 8. Dezember 2024). Am 8. Dezember 2024 marschierten die von der HTS angeführten Rebellen in Damaskus ein. Am selben Tag verließ Baschar al-Assad das Land (ARD, 8. Dezember 2024).

Wer sind die wichtigsten Rebellengruppen?

Die syrischen Gruppen, die Al-Assad gestürzt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen haben, sind heterogen (ARD, 8. Dezember 2024) mit teils gegensätzlichen Ideologien und langfristigen Zielen (DW, 9. Dezember 2024; Reuters, 9. Dezember 2024):

Hayat Tahrir al-Scham (HTS)

Die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte, ist die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stufen die HTS und ihren Anführer, Ahmed al-Scharaa (auch Abu Mohammed al-Dscholani genannt), als Terroristen ein (Reuters, 8. Dezember 2024; siehe auch: BBC, 8. Dezember 2024, DW, 9. Dezember 2024).

Syrische Nationalarmee (SNA)

Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen (DW, 9. Dezember 2024), die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten (Reuters, 8. Dezember 2024). Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen (DW, 9. Dezember 2024). Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte (Reuters, 8. Dezember 2024).

Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt (ARD, 8. Dezember 2024).

Syrische Demokratische Kräfte (SDF)

Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA (Reuters, 8. Dezember 2024).

Sonstige

Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein (Reuters, 8. Dezember 2024).

Neueste Entwicklungen

Die neue Übergangsregierung und Ahmed Al-Sharaa (Führer der HTS)

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verbundenen Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10. Dezember 2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 1. März 2025 beauftragt (MEE, 10. Dezember 2024; siehe auch: Al Jazeera, 10. Dezember 2024). Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamten und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt (CRS, 13. Dezember 2024). Am 21. Dezember ernannte die Übergangregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anführers Ahmed Al-Scharaa (Al-Jazeera, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember legte Al-Sharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syrien einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten (AP, 29. Dezember 2024). Die Ausarbeitung einer solchen könnte bis zu drei Jahren in Anspruch nehmen. Die Rebellengruppe HTS soll im Rahmen eines nationalen Dialogs aufgelöst werden (DiePresse.com, 29. Dezember 2024).

Al-Sharaa erklärte am 17. Dezember, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden (The Guardian, 17. Dezember 2024, DiePresse.com, 24. Dezember 2024). Am 29. Dezember sagte Al-Sharaa in einem Interview aus, dass das syrische Verteidigungsministerium plant, auch die kurdischen Streitkräfte in seine Reihen aufzunehmen. Es gebe Gespräche mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zur Lösung der Probleme im Nordosten Syriens (Kurdistan24, 29. Dezember 2024). Am 10. Jänner 2025 bestätigte der Kommandeur der SDF, Mazloum Abdi, dass sich seine Streitkräfte in ein umstrukturiertes syrisches Militär integrieren würden (Shafaq News, 10. Jänner 2025). AFP berichtete am 8. Jänner, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room, einer Koalition bewaffneter Gruppen aus der südlichen Provinz Daraa, die am 6. Dezember gebildet wurde, um beim Sturz Assads zu helfen, die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen (France24, 8. Jänner 2025).

Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen sind einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren (France24, 30. Dezember 2024, DiePresse.com, 30. Dezember 2024).

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren (The New Arab, 7. Jänner 2025). Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivisten zeigten sich besorgt über die Reformen (BBC News, 2. Jänner 2025).

Kontrolle der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF)

Die von der Türkei unterstütze Syrische Nationalarmee (SNA) führte ihre Offensive gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) und das Gebiet der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) fort. Die SNA nahm in den vergangenen Tagen Gebiete der nordwestlichen Region Shahba sowie die Stadt Manbidsch ein. Mit 10. Dezember griffen SNA-Kämpfer den strategisch wichtigen Tischreen-Staudamm unter kurdischer Kontrolle in der Provinz Aleppo an (Rudaw, 10. Dezember 2024), und rückten auf die Stadt Kobane vor (Al-Monitor, 10. Dezember 2024). Am 11. Dezember kam es nach Vermittlungen der US-Behörden zu einem Waffenstillstand in der Stadt Manbidsch. Das Abkommen sieht den Abzug der (mit den SDF verbundenen) „Manbij Military Council Forces“ vor (SOHR, 11. Dezember 2024). Am 17. Dezember wurde dieser Waffenstillstand bis zum Ende derselben Woche verlängert (Reuters, 17. Dezember 2024). Am 18. Dezember trat ein Waffenstillstandsabkommen in der Region Ain Al-Arab (auch Kobani) in Kraft (SOHR, 18. Dezember 2024). Die SDF warfen der Türkei und ihren Verbündeten vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten und ihre Angriffe südlich von Kobani fortzusetzen. Zur gleichen Zeit gingen Einwohner der nordostsyrischen Stadt Qamischli auf die Straße, um den Widerstand der SDF gegen die Angriffe protürkischer Kämpfer in der Region zu unterstützen (France24, 19. Dezember 2024). Am 21. Dezember wurden laut SDF fünf ihrer Kämpfer bei Angriffen durch von der Türkei unterstützte Streitkräfte auf die Stadt Manbidsch getötet (Reuters, 21. Dezember 2024). Das Pentagon erklärte am 30. Dezember, dass der Waffenstillstand zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten SDF rund um die Stadt Manbidsch anhält (Reuters, 30. Dezember 2024). Am selben Tag behauptete die SDF, dass die Türkei zwei Militärstützpunkte in der Nähe von Manbidsch aufbaut und mehrere Militärfahrzeuge und Radarsystem von den SDF zerstört wurden (Rudaw, 30. Dezember 2024). Zur gleichen Zeit kam es erneuten Schusswechseln zwischen von der Türkei unterstützen Streitkräften und den SDF. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) griffen türkische Streitkräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen das Dorf al-Terwaziyah südlich von Slouk im ländlichen Raqqa mit schwerer Artillerie und Maschinengewehren an, was anschließend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Spezialeinheiten der SDF drangen in Stellungen von durch die Türkei unterstützen Fraktionen im Dorf Al-Reyhaniyah in der Nähe von Tel Tamer in der Provinz Hasaka ein (Kurdistan24, 30. Dezember 2024). Anfang Jänner kamen bei Zusammenstößen in mehreren Dörfern rund um die Stadt Manbidsch über hundert Menschen ums Leben (The New Arab, 5. Jänner 2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von heftigen Kämpfen in der Region von Manbidsch zwischen der SNA und der SDF und steigenden Opferzahlen (Shafaq News, 9. Jänner 2025).

Am 11. Dezember übernahm die Koalition ehemaliger oppositioneller Kräfte unter der Führung der HTS die vollständige Kontrolle der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor (Al Jazeera, 11. Dezember 2024). Im Osten der Provinz Deir ez-Zor kam es zu Demonstrationen und der Forderung, die von HTS geführten Streitkräfte sollten die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Einige Kommandanten der SDF seien in Folge desertiert (Syria Direct, 13. Dezember 2024).

Israelische Angriffe in Syrien

Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt (BBC News, 11. Dezember 2024). Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert (Enab Baladi, 10. Dezember 2024; Reuters, 10. Dezember 2024). In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember griff Israel Dutzende Ziele in Syrien mit Luftangriffen an. Den Luftangriffen ging eine Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe (The Guardian, 15. Dezember 2024; siehe auch: BBC News, 15. Dezember 2024). Am 20. Dezember schossen israelische Streitkräfte auf DemonstrantInnen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone (The Guardian, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich Zivilisten, getötet (Euro News, 29. Dezember 2024). Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30. Dezember tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros (Shafaq News, 30. Dezember 2024).

Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)

Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum Tausende syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige SyrerInnen in den Libanon (UNHCR, 11. Dezember 2024).

Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17. Dezember über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen (UN News, 17. Dezember 2024).

Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe (UNICEF, 18. Dezember 2024).

Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23. Dezember weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30. Dezember in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Latakia und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder (UN News, 30. Dezember 2024).

Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27. November haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%) (UNHCR, 30. Dezember 2024).

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein (UN News, 8. Jänner 2025).

Weiteres

Human Rights Watch bestätigt am 16. Dezember den Fund eines Massengrabs im südlichen Damaskus (HRW, 16. Dezember 2024).

Am 18. Dezember startete der erste kommerzielle Flug seit dem Sturz von Baschar Al-Assad, ein Inlandsflug nach Aleppo, vom Flughafen Damaskus (Al-Jazeera, 18. Dezember 2024).

Am Abend des 23. Dezember setzten Unbekannte in Al-Suqaylabiyah in der Provinz Hama einen öffentlichen Weihnachtsbaum in Brand. Eine Person sei festgenommen worden, hieß es aus Kreisen der örtlichen Sicherheitsbehörden. Der Baum solle ausgebessert werden. Es würden keine Beleidigungen irgendeines Teils des syrischen Volkes geduldet.

Mit der Machtübernahme der HTS fürchteten Christen und andere Minderheiten Repressionen. „Wir haben das Recht, Angst zu haben“, sagte Priester Andrew Bahi der dpa in Damaskus. Die Atmosphäre bleibe weiterhin zweideutig. Die Aussagen der neuen Führung seien jedoch beruhigend. HTS-Anführer Ahmed al-Sharaa, auch bekannt als Abu Mohammed al-Golani, hatte nach Assads Sturz wiederholt betont, alle Volksgruppen in dem gespaltenen Land müssten respektiert und berücksichtigt werden. Ein christlicher Bewohner von Damaskus sagte, bisher habe es keine Beleidigungen oder Auseinandersetzungen mit der von den Rebellen gebildeten Übergangsregierung gegeben. „Wir haben die Geschäfte und Häuser nicht so dekoriert, wie wir es gewohnt sind, obwohl uns niemand davon abgehalten hat“, sagte er. Auf Social Media kursierten aber Berichte, die ihm Angst machten (DiePresse.com, 24. Dezember 2024).

Ebenfalls rund um Weihnachten soll Berichten zufolge in Nordsyrien ein alawitischer Schrein in Brand gesetzt worden sein, was zu Protesten Tausender Alawiten an mehreren Orten des Landes führte. In Homs soll ein Demonstrant getötet worden sein, als Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten, um die Menge zu zerstreuen. Die neue Regierung verhängte eine Ausgangssperre und sprach von „Gerüchten“, die von Assad-Anhängern ausgenützt würden, um das Land zu destabilisieren. Wer genau für den Angriff verantwortlich sei, bleibe laut Innenministerium unklar (ZEIT ONLINE, 25. Dezember 2024).

Am 27. Dezember töteten Anhänger von Baschar Al-Assad 14 Menschen bei Zusammenstößen mit Soldaten der neuen Regierung im Westen des Landes, nahe der Stadt Tartus (BBC News, 27. Dezember 2024).

Syriens neuer Geheimdienstchef Anas Khattab hat die Auflösung aller Geheimdienstorganisationen und eine grundlegende Neuorganisation angekündigt (DiePresse.com, 29. Dezember 2024).

Die Übergangsregierung in Syrien hat erstmals eine Frau zur geschäftsführenden Direktorin der Zentralbank ernannt. Maysaa Sabrine habe bereits zuvor wichtige Ämter in der Bank innegehabt, darunter die Position der ersten stellvertretenden Direktorin, teilte die Regierung unter der Führung der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) weiter mit. Die Zentralbankchefin ist bereits die zweite Frau in einer Schlüsselposition der neuen Regierung, die das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Bashar al-Assad übernommen hat. Anfang Dezember war Aisha al-Dibas zur Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten ernannt worden (DiePresse.com, 30. Dezember 2024).

Am 7. Jänner 2025 landete der erste international Flug seit der Absetzung von Al-Assad auf dem international Flughaften von Damaskus (Al-Jazeera, 7. Jänner 2025).

Anfang Jänner erteilten die USA eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, eine sogenannte Generallizenz, um humanitäre Hilfe nach dem Ende der Herrschaft von Bashar al-Assad in Syrien zu ermöglichen. Die Ausnahme, die bis zum 7. Juli gültig ist, erlaubt bestimmte Transaktionen mit Regierungsinstitutionen, darunter Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsunternehmen auf Bundes-, Regional- und lokaler Ebene sowie mit HTS verbundenen Einrichtungen in ganz Syrien. Zwar wurden keine Sanktionen aufgehoben, die Lizenz erlaubt jedoch auch Transaktionen im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Speicherung oder der Spende von Energie, einschließlich Erdöl und Strom, nach oder innerhalb Syriens. Darüber hinaus erlaubt sie persönliche Überweisungen und bestimmte energiebezogene Aktivitäten zur Unterstützung der Wiederaufbaubemühungen (Reuters, 6. Jänner 2025). Nach der Ausnahme von den Sanktionen kündigte Katar eine Hilfe bei der Finanzierung einer 400-prozentigen Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Sektor an, die die syrische Übergangsregierung zugesagt hatte (Reuters, 7. Jänner 2025).

Weitere aktuelle Entwicklungen in Syrien:

Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.

Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 07.01.2025 wieder aufgenommen.

Seit dem Machtwechsel am 08.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise 115.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.

1.2.11. Die Vereinigten Staaten von Amerika lockerten die Sanktionsbedingungen zur Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien für eine Dauer von sechs Monaten. Hilfsorganisationen und Firmen, die lebenswichtige Güter liefern, wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Kurz nach dem Machtwechsel versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.

Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.

Quellen:

Dass der syrische Geheimdienst aufgelöst werden soll, basiert auf den medial bekanntgewordenen Aussagen des neu ernannten Geheimdienstchef Anas Chattab. [Tagesschau 29.12.2024] Dieser beklagte „die Unterdrückung und Tyrannei des alten Regimes" unter Assad und kündigte damit eine Neuorganisation des Sicherheitsapparats an. "Die Sicherheitsdienste des alten Regimes waren zahlreich und vielfältig, aber allen war gemeinsam, dass sie dem Volk aufgezwungen wurden, um es fünf Jahrzehnte lang zu unterdrücken", so Chattab.

Offizielle Besuche diplomatischer und politischer Vertreter aus dem Westen und Nachbarländern Syriens, allen voran die Reise der deutschen Außenministerin sowie des französischen Außenministers nach Damaskus, sowie der Besuch des libanesischen Premierministers, sind ebenso breit medial bekannt geworden [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024], [ENR 03.01.2025], [Reuters 11.01.2025]. Ebenso wie der kürzlich erfolgte Besuch von Vertretern der syrischen Übergangsregierung in der Türkei [FR 17.01.2025].

Der Umstand, dass der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus am 07.01.2025 wiederaufgenommen werden konnte, am 11.01.2025 der erste kommerzielle Flug seit 13 Jahren der Fluglinie Qatar Airways landete und künftig dreimal wöchentlich eine Verbindung zwischen Doha und Damaskus geplant ist, lässt ebenso auf eine Normalisierung und Aufnahme internationaler Beziehungen schließen [NZZ 11.01.2025], [Qatar 02.01.2025], [ORF 07.01.2025].

Der Umstand, dass sich viele geflüchtete Syrer auf dem Weg zurück in ihre Heimat machen, ist insbesondere dem UNHCR Regional Flash Update #8 vom 02.01.2025 zu entnehmen. Demnach kehren ganze Familien, aber auch Frauen und Kinder allein nach Syrien zurück, während Familienväter zwischenzeitlich noch im Ausland verbleiben, um finanzielle Mittel für den Neubeginn in Syrien zu erwirtschaften [UNHCR Flash Update #8].

Dass die Vereinigten Staaten von Amerika Teile der Sanktionen im Hinblick auf die Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien lockerten, ist medialen Berichten wie etwa [TA 06.12.2024], [Die Presse 07.01.2025] sowie dem Iran Update vom Institute for the Study of War vom 07.01.2025 zu entnehmen.

Die friedlich abgehaltenen Demonstrationen sind ebenso medialen Berichten zu entnehmen: [TAZ 20.12.2024], [FAZ 20.12.2024].

Die Feststellung, dass sich die HTS ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat [LMD 01/2025] und sich im Gesamten sehr gemäßigt präsentiert, folgt insbesondere aus der Annäherung westlicher politischer und diplomatischer Vertreter sowie medial bekannt gewordene Äußerungen von Vertretern der Übergangsregierung sowie dem Umstand, dass keine gegenteiligen Berichte internationaler Medien und Organisationen hervorgekommen sind. Ebenso basiert die Feststellung, dass die neue Übergangsregierung versprach, Minderheiten zu schützen, auf medial bekanntgewordene Aussagen hochrangiger Vertreter der HTS. [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024].

Allerneueste Entwicklungen (NZZ online, 28.01.2025):

Erstmals seit dem Sturz von Bashar al Asad ist eine Delegation des russischen Aussenministeriums in Damaskus zu Gesprächen mit den neuen Machthabern eingetroffen. Der Status der russischen Militärbasen in Syrien ändere sich vorerst nicht, teilte Vizeaussenminister Michail Bogdanow, einer der zwei Delegationsleiter, nach den Sondierungsgesprächen am Dienstag (28. 1.) mit. «Das ist eine Frage weiterer Verhandlungen.» Moskau setze auf eine weitere Zusammenarbeit.

Die Aussenminister der EU-Staaten haben eine schrittweise Lockerung von Sanktionen gegen Syrien gebilligt. Das am Montag (27. 1.) bei einem Treffen in Brüssel vereinbarte Vorgehen sieht vor, den neuen Machthabern Anreize zu geben, eine echte Demokratie in Syrien aufzubauen. Dabei besteht auch die Hoffnung, dass Hunderttausende syrische Flüchtlinge in der EU eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sagte nach dem Treffen, die Lockerungen sollten den Wiederaufbau erleichtern und Syrien helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Zugleich betonte sie, der Plan beinhalte auch, Lockerungen wieder rückgängig zu machen, wenn die neuen Machthaber Schritte einleiten, die aus EU-Sicht in die falsche Richtung gehen. Zu den Sanktionen, die aufgehoben werden sollen, gehören demnach vor allem Massnahmen, die die Energieversorgung negativ beeinträchtigen und den Personen- und Warenverkehr erschweren. Zudem sind auch Lockerungen für den Bankensektor geplant.

Bewaffnete Gruppen in Syrien haben einen Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Atta al-Hariri habe den IS im Osten Syriens angeführt, hiess es aus Quellen in der syrischen Übergangsregierung. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London, die die Lage in Syrien mit einem Netzwerk aus Aktivisten verfolgt, bestätigte am Montag (27. 1.) die Festnahme und Details der Aktion.

Bei mutmasslichen Racheakten in Syrien sind 39 Personen getötet worden. Dies berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag (27. 1.). Die Gewalt soll sich gegen Anhänger des gestürzten Präsidenten Bashar al-Asad und Mitglieder religiöser Minderheiten gerichtet haben. In dem Zusammenhang spricht die Beobachtungsstelle von Hinrichtungen und «willkürlichen Massenverhaftungen». Die Taten hätten sich Mitte vergangener Woche rund um die Grossstadt Homs ereignet und wurden laut der Beobachtungsstelle von militanten Gruppen verübt, die keine Anhänger der neuen Übergangsregierung sein sollen. Unabhängige Bestätigungen liegen derzeit nicht vor.

Bei einem israelischen Luftangriff im Süden Syriens sind laut Angaben von Aktivisten am Mittwoch (15. 1.) mindestens drei Personen getötet worden. Der Drohnenangriff in der Provinz Kunaitra habe einen syrischen Militärkonvoi mit Soldaten der neuen Übergangsregierung getroffen, meldete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Eine weitere Person sei schwer verletzt worden. Israels Militär machte zunächst keine Angaben zu Opfern.

In der syrischen Hauptstadt Damaskus ist am Samstag (11. 1.) ein terroristischer Anschlag des IS auf die Sayeda-Zinab-Moschee vereitelt worden. Das meldet die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf den Geheimdienst. Die IS-Mitglieder seien verhaftet worden, bevor sie das Attentat ausüben konnten.

Aus: Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Stand 27.03.2024:

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer "regulären Armee" zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten "HTS-Wehrpflicht" in ldlib liebäugelte, damit dem "Staatsvolk" von ldlib eine "staatliche" Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).

[…]

Beweiswürdigung:

Die wesentlichen Angaben des BF hinsichtlich seiner Herkunft, der persönlichen Verhältnisse, der Familie, der Ausreise in die Türkei und nach Österreich waren glaubwürdig und nachvollziehbar und konnten den Feststellungen zu Grunde gelegt werden.

Der Umstand, dass Homs bzw. Deir ez-Zor bis Ende November 2024 unter Kontrolle des syrischen Regimes stand, und nunmehr unter Kontrolle der HTS, beruht auf den Informationen von syria.liveuamap.com, bzw. https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF beruhen auf den vom Verwaltungsgericht eingeholten Auszügen des Strafregisters.

Der BF erstattete folgendes asylrelevante Vorbringen:

Im Rahmen der Erstbefragung:

Er sei im Heimatland angeschossen worden und habe trotzdem zum Militär einrücken müssen. Er habe Angst, zum Militär einrücken zu müssen und in den Krieg zu müssen. In Syrien sei er mit einer namensgleichen Person von den Behörden verwechselt worden und habe sechs Monate ins Gefängnis müssen.

In der - sehr kurzen - Befragung durch das BFA gab der BF zunächst an, gesund zu sein. Er habe Syrien im August 2022 verlassen, weil er nicht in die syrische Armee einrücken wolle und nichts mit dem Krieg zu tun habe wolle. Er müsse sicher 10 Jahre in der Armee bleiben.

In der Beschwerde gab der BF an, er habe eine 13-jährige Schulbildung in Deir ez-Zor hinter sich. Nach dem Tod seines Vaters habe er mit seiner Familie 2016 für einige Monate im auch vom syrischen Regime kontrollierten Homs gelebt, wo er im Hotel und einem Café gearbeitet habe. Ende 2016 sei er wieder in seinen Heimatort Deir ez-Zor zurückgekehrt, der unter Kontrolle des syrischen Regimes stehe. Die Mutter und drei Brüder lebten nach wie vor in Syrien in Homs, wobei ein Bruder den Militärdienst abgeleistet habe und die beiden anderen Brüder studierten. Er sei im wehrdienstpflichtigem Alter und lehne die Ableistung des syrischen Wehrdienstes ab. Er verweigere diesen aus politischen sowie Gewissensgründen. Er habe in Syrien Rechtswissenschaften in Deir ez-Zor studiert und einen einmaligen Aufschub bis Ende 2020 erlangt. 2012 habe er im Kindesalter an einer Demonstration gegen das syrische Regime in Deir ez-Zor teilgenommen und sei für drei Tage inhaftiert worden. Nachdem er 2019 bei einem Checkpoint des Regimes kontrolliert und im Anschluss wegen einer Namensgleichheit verhaftet worden sei, sei er für sechs Monate inhaftiert worden, bis ein Befreiungsgeld von 10 Millionen Lira bezahlt worden sei.

Er sei als juristischer Laie nicht in der Lage gewesen, ein ergänzendes Vorbringen früher zu erstatten. Die belangte Behörde gehe vom falschen Herkunftsort des BF aus.

Nach Aufforderung zum Parteiengehör und der Mitteilung der Umstände um den Umsturz des bisherigen Machthabers Assad gab er an, 2016/2017 von seinem Cousin telefonisch gefährlich bedroht worden zu sein, sich der HTS anzuschließen. Er habe sich nicht rekrutieren lassen wollen. Er habe dieses Vorbringen nicht früher erstatten können, da ihm nicht bewusst gewesen sei, dass dieses für sein Asylverfahren von Bedeutung sei. Er habe auch aus Angst geschwiegen. Aufgrund des Zwangsrekrutierungsversuches der HTS habe er Angst, von HTS aus politischen Gründen bzw. religiösen Gründen verfolgt, getötet oder rekrutiert zu werden.

Dem BF wurde im Rahmen der Verhandlung vom 29.01.2025 Gelegenheit gegeben, zu seinen nunmehr – aufgrund des Umsturzes adaptierten – Flucht- bzw. Asylgründen ausführlich Stellung zu nehmen und Aussagen zu treffen.

Vorauszuschicken ist, dass auffällt, dass tatsächlich die Einvernahme vor dem BFA lediglich 55 Minuten gedauert haben soll und das Protokoll lediglich 4 Seiten umfasst. Allerdings ist dort unter anderem die Frage protokolliert, ob der BF etwas korrigieren oder ergänzen wolle oder noch irgendetwas anführen wolle, was dieser laut Protokoll verneint hat.

Der BF gab an, sein Heimatort, als den er zunächst Mayadin (eine Stadt etwas südlich von Deir ez-Zor, westlich des Euphrats) bezeichnete, sei vom HTS beherrscht.

Nach Frage nach den aktuellen Gründen für die Asylberechtigung, kam der BF zunächst auf eine „kurze Rekrutierung“ 2016 zu sprechen, im Zuge derer er beim Bau von Gruben bzw. Schanzen an der Front in Deir ez-Zor angeschossen worden sei. In weiterer Folge gab er dazu an, es habe sich um einen Bauchdurchschuss mit Eingangsstelle im Rückenbereich und Ausgangsstelle an der Vorderseite gehandelt, deren Narben deutlich sichtbar seien (der BF bot dem Richter an, diese Narben in Augenschein zu nehmen, was im Rahmen der Verhandlung nicht erfolgte). Die Verwundung habe im Krankenhaus Deir ez-Zor nicht versorgt werden können, weshalb er in weiterer Folge über Al-Qamishli letztlich mit dem Hubschrauber in ein Militärkrankenhaus nach Damaskus gebracht worden sei, wo die weitere Behandlung erfolgt sei. Die Genesung habe etwa 7 Monate gedauert, zeitweise habe ein künstlicher Darmausgang gelegt werden müssen.

Aufgrund der Ernsthaftigkeit dieser geschilderten Umstände erfolgte diesbezüglich eine sehr genaue Befragung. Im Zuge dieser Befragung gab der BF zunächst an, dass er im Anschluss an diese Verletzung von der Militärpolizei befragt worden sei. Man habe ihm 2 Möglichkeiten gegeben, entweder im Rahmen einer Einvernahme zu klären, wie es tatsächlich zu diesem Beschuss gekommen sei oder der BF würde angeben, er wäre in Ghuta verletzt oder angeschossen worden. Letzteres habe er gemacht. Dementsprechend sei er „für die HTS beim Regime rekrutiert bzw. habe zu denen gehört“. Er sei sodann von seinem Cousin kontaktiert worden, nachdem er das in Erfahrung gebracht habe. Dieser habe ihm mitgeteilt, entweder er würde quasi desertieren und zu ihnen nach Idlib flüchten, um sich der HTS anzuschließen, oder sie würden ihn aufsuchen und niedertreten (Protokoll Seite 6).

In weiterer Folge gab der BF an, dass in Österreich keine Dokumentation dieser Verletzung existiere, er legte allerdings Kopien von Unterlagen auf Arabisch vor, die vom Dolmetscher als Befund des Militärkrankenhauses vom 30.01.2017, Einverständniserklärung des obersten Medizinrates vom 19.06.2017, Feststellung eines Behinderungsgrades von 35% mit 19.06.2017 und Folgeuntersuchung am 10.04.2019 bezeichnet wurden.

Dem BF wurde sein weiteres bisheriges Vorbringen, er sei einmal ein halbes Jahr lang im Gefängnis gewesen, vorgehalten. Er gab dazu an, etwa im Juli 2017 an einem Militärkontrollpunkt angehalten und sodann in ein Militärgefängnis gebracht worden zu sein, später in ein normales Gefängnis in Damaskus. Es sei dem BF nicht zur Kenntnis gebracht worden, was ihm vorgeworfen werde. Es sei dann etwa nach einem halben Jahr zu einer Enthaftung durch die Staatsanwaltschaft gekommen, weil es der Mutter gelungen wäre, eine Namensverwechslung glaubhaft zu machen. Er könne diesbezüglich keine Unterlagen vorlegen. Eventuell sei ein „Enthaftungszettel“ bei seiner Familie.

Er habe Syrien auch deshalb nicht gleich verlassen, weil er nicht - wie erwartet- aufgrund seiner Verletzung eine Untauglichkeit erhalten habe, sondern lediglich eine Behinderung von 35%, während erst ab 40% eine Untauglichkeit bestehe.

In weiterer Folge wurde der BF noch einmal explizit zur angeblichen Bedrohung durch seinen Cousin gefragt. Im Zuge dessen gab er an (Protokoll Seiten 11ff), seine Familie habe fast ausschließlich in Deir ez-Zor Stadt gelebt, ein Bruder allerdings als Student in Homs, weshalb der BF – von einem solchen Umstand finden sich im bisherigen Vorbringen keinerlei Anhaltspunkte - zwischen Deir ez-Zor und Homs gependelt sei und zwar im Zeitraum zwischen 2011 und 2014.

Die Beschwerde sei nach persönlicher Besprechung mit der BBU entstanden.

Über Frage, was ihm sein Cousin in diesem Zusammenhang angetan habe, gab er (Protokoll Seite 12) erstmals an, am 09. oder 10. Jänner 2025 seien Vertreter der HTS „zu uns nach Hause“ gekommen. Einer von diesen habe mit seiner Mutter gesprochen und sie hätten sie gefragt, wo sich der BF aufhalte. Als den HTS-Leuten mitgeteilt worden sei, dass der BF in Österreich sei, hätten sie seinen jüngeren Bruder mitgenommen und ausgerichtet, der BF müsse 100.000 Dollar zahlen oder sich vor Ort stellen.

Der BF wurde in weiterer Folge gefragt, wie es dazu gekommen sei, dass sein Cousin Nabil in Bezug auf den HTS auf ihn zugekommen sei. Der BF meinte, Hintergrund sei, dass von seiner Familie niemand beim Regime gedient habe und diese „zu HTS gehörten“. Daher sei es ein Problem für sie gewesen, dass er nun „beim Regime“ gewesen sei.

Über neuerliche Aufforderung, den Ablauf der Drohung zu schildern, gab er an, diese sei telefonisch über Facebook erfolgt und sein Cousin habe ihm gesagt, er (der BF) greife keine Zivilisten an, er greife keine HTS-Anhänger an und bei der nächsten Gelegenheit desertiere der BF und komme zu ihnen nach Idlib, „entweder das oder wir kommen zu dir und werden dich niedertreten“. Dieser Anruf soll im November 2016 gewesen sein, jedenfalls vor dem Jahreswechsel. Über Nachfrage gab der BF an, damals in Homs die Schule besucht zu haben.

Befragt zum Verhältnis zu seinem Cousin Nabil vor dem Anruf, gab der BF an, er habe eigentlich fast nie Kontakt zu diesem gehabt. Letztendlich konnte er auch nicht erklären, worin die Motivation des Cousins gelegen sein soll, den vor kurzem schwer verletzten, jugendlichen BF mit einer derartigen Drohung zu belasten.

Daraus ergibt sich:

Zwar geht das Gericht davon aus, dass der BF tatsächlich eine Verwundung in etwa wie beschrieben erlitten hat, deren nähere Umstände allerdings weder geklärt werden konnten, noch geklärt werden mussten, weil die Tatsache der Verwundung vom BF zur Begründung des Asyls nicht herangezogen wurden.

Der BF verfügt nach eigenen Angaben über eine höhere Bildung, davon etwa 2 Jahre Jus-Studium in Syrien mit Ablegung mehrerer Prüfungen und zwischenzeitlich auch über beachtliche Deutschkenntnisse in Österreich. Er hat selbst eingeräumt, dass die Beschwerde vom Februar 2024 nach persönlicher Kontaktaufnahme mit der Rechtsvertretung zu Stande kam.

Die allgemeine Glaubwürdigkeit des BF ist schon dadurch wesentlich herabgesetzt, dass er im Rahmen dieser Beschwerde sehr detaillierte Angaben zu einem kurzen Aufenthalt in Homs gemacht hatte, wo er mit seiner Familie 2016 für einige Monate gelebt und in einem Hotel und einem Café gearbeitet habe. Damit in keinster Weise in Übereinstimmung zu bringen sind die Angaben vor Gericht, wonach er zwischen 2011 bis 2014 zwischen Deir ez-Zor und Homs gependelt und dort auch in die Schule gegangen sei. Diese Umstände sind für die Glaubwürdigkeit des BF durchaus wesentlich, zumal der Wohn- bzw Aufenthaltsort einen grundlegenden Umstand der persönlichen Verhältnisse im Heimatstaat darstellt, und dieser somit einen längeren Zeitraum betreffend nicht aufgeklärt werden konnte.

Völlig unglaubwürdig war der BF auch, als er auf die Frage des Gerichts, was ihm sein Cousin angetan habe, angab, dass am 09. oder 10. Jänner 2025 (am Tag der Datierung der Stellungnahme) die Familie in Syrien vor Ort durch Vertreter des HTS auf der Suche nach dem BF aufgesucht worden sei: Der BF hat Syrien etwa im September 2022 verlassen. Die angebliche Drohung durch den Cousin soll nach Angaben des BF im November 2016 erfolgt sein. Der BF hat nicht im entferntesten Anhaltspunkte dafür geliefert, weshalb fast 9 Jahre nach dieser angeblichen Drohung und mehr als 2 Jahre nach seiner Ausreise aus Syrien dem HTS nahestehende Personen ausgerechnet am Wohnort der Mutter nach dem BF suchen sollten. Ebensowenig ist – auch unter Zugrundelegung lokaler Verhältnisse – auch nur im Ansatz nachvollziehbar, dass aufgrund dessen der Bruder des BF - quasi als Faustpfand für den BF - (wohin?) mitgenommen und der Mutter ausgerichtet worden sein soll, der BF müsse 100.000 Dollar zahlen oder sich vor Ort stellen. Die Unglaubwürdigkeit dieser Angaben bedürfen nach Ansicht des Gerichts keiner weiteren Erwägungen.

Letztlich ist es dem BF auch in keiner Weise gelungen, nachvollziehbar zu machen, weshalb er durch einen Cousin, dem die schwere Verletzung des BF bekannt gewesen sein soll, im Jahr 2016 mit einer derartigen Drohung, von der syrischen Armee zu desertieren oder er werde niedergetreten, bedacht worden sein sollte. Der BF selbst gab an, fast nie Kontakt zu diesem Cousin gehabt zu haben. Der BF hat diesen Umstand erstmals im Rahmen der Stellungnahme vom 09.01.2025 vorgebracht, wobei dem BF der bis dahin aufrecht erhaltene Asylgrund der Wehrdienstverweigerung aufgrund der geänderten Verhältnisse nicht mehr zur Verfügung stand. Dem BF als ehemaligen Jus-Studenten musste auch sehr wohl bewusst sein, dass alle wesentlichen Umstände, die im Asylverfahren Bedeutung haben könnten, spätestens in der Beschwerde geltend zu machen sind, selbst wenn damals sowohl Deir ez-Zor als auch Homs nicht unter der Kontrolle der HTS standen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb der BF „aus Angst“ geschwiegen haben soll. Die Stellungnahme lässt auch offen, wovor der BF in diesem Zusammenhang Angst haben hätte sollen.

Zudem steht das Vorbringen im Widerspruch mit den Länderinformationen, wonach die HTS (vor dem Machtwechsel) grundsätzlich nicht zwangsweise rekrutiert (s. LIB S. 155f), zumal es genügend Freiwillige gebe, die sich der Gruppierung anschließen wollen; für HTS sei darüber hinaus die entsprechende Motivation und Loyalität der Rekruten entscheidend (Bericht des Danish Immigration Service vom Dezember 2022 mit dem Titel „SYRIA: RECRUITMENT TO OPPOSITION GROUPS“, S. 14). Eine zwangsweise Rekrutierung sei demnach nur in Ausnahmefällen anzunehmen, nämlich etwa bei Personen mit militärischer Erfahrung. Von einer solchen wäre auch bei kurzer Heranziehung des BF zum Bau von Gräben nicht auszugehen. Es liegt daher nicht nahe, dass er – noch dazu als erst rund 15-Jähriger (!) – für die HTS derart interessant wäre, dass diese ausnahmsweise doch zu einer zwangsweisen Rekrutierung schreiten und den BF telefonisch in einem Gebiet zu rekrutieren versuchen würde, welches gar nicht unter ihrer Kontrolle steht.

Angesichts der gesamten dargestellten Umstände ist eine tatsächlich erfolgte bzw. drohende Zwangsrekrutierung oder Bestrafung des BF durch die HTS im Ergebnis nicht glaubhaft.

Hinzu kommt, dass sich die Lage in Syrien durch die erfolgreiche Großoffensive von HTS gegen die Assad-Regierung grundlegend verändert hat: Nunmehr regiert HTS selbst das vormalige Regimegebiet und damit den Großteil Syriens. Sie hat ihr Ziel, Assad zu stürzen, damit erreicht, und hegt derzeit keine weiteren kriegerischen Ambitionen. Die Notwendigkeit zwangsweiser Rekrutierung ist daher noch weiter gesunken, mögen auch da und dort noch Scharmützel mit Assad-Anhängern oder sonstigen Gegnern von HTS vorkommen. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass die nun stark unter internationaler Beobachtung samt dem damit einhergehenden finanziellen Druck stehende HTS zu in den Augen der internationalen Gemeinschaft unlauteren Mitteln wie Zwangsrekrutierungen greifen wird, sodass – selbst bei Wahrunterstellung der erfolgten Zwangsrekrutierung – eine erneute solche Rekrutierung nicht naheliegt. Aus denselben Gründen ist auch eine Bestrafung des BF wegen seiner Weigerung nicht wahrscheinlich, zumal er keine konkreten Repressionen infolge seiner Weigerung anführen konnte. Eine tatsächlich drohende Verfolgung des BF ist daher nicht anzunehmen.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen stützen sich auf die auszugsweise wiedergegebenen aktuellen Länderberichte zu Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes sowie rezente Medienberichte. Das durch den Machtwechsel veraltete LIB vom 27.03.2024 wurde dort zitiert, wo sich trotz dieses Machtwechsels keine wesentliche Änderung ergeben hat und es daher nach wie vor Aktualität besitzt, oder wo es um einen Vergleich mit der Situation vor dem Machtwechsel geht.

Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen dort wiedergegebenen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung kann asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124; 23.01.2019, Ra 2019/19/0009; vgl. jüngst auch VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548). Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009 m.w.N.; Putzer, Leitfaden, Asylrecht, 2. Auflage [2011], Rz 97; EuGH 26.02.2015, C-472/13, Shepherd). Auch dem Zwang zum Vorgehen gegen Mitglieder der eigenen Volksgruppe kann Asylrelevanz zukommen (vgl. VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124 m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt AZ 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht.

Für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch die seitens der Verfolger dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant.

Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinn der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an.

Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Dabei kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. zum Ganzen VwGH 28.3.2023, Ra 2023/20/0027, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. etwa VwGH 23.5.2023, Ra 2023/20/0110, mwN).

Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm - sollte dies der Fall sein - im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. etwa VwGH 25.08.2022, Zl. Ra 2021/19/0442). Zur Bestimmung der Heimatregion kommt in diesem Sinn der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. EUAA, Richterliche Analyse, Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes [2018], 83; vgl. idS auch VwGH 27.6.2016, Ra 2016/18/0055). Das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Hinblick auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erst dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber „in der Heimatregion seines Herkunftsstaats“ Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. etwa VwGH 25.05.2020, Zl. Ra 2019/19/0192).

Die Frage, ob Deir ez-Zor oder Homs als Heimatregion des Beschwerdeführers im Herkunftsland anzusehen ist, kann hier mangels Entscheidungsrelevanz dahingestellt bleiben, weil beide Gebiete bisher unter Kontrolle des Assad-Regime standen und seit dessen Sturz unter Kontrolle der HTS stehen.

Zur Wehrdienstverweigerung bei der syrischen Armee bzw. sonstigen Verfolgung durch das Assad-Regime:

Wie festgestellt, existiert das syrische Regime unter Präsident Assad seit dem Umsturz im Dezember 2024 nicht mehr. Der Befürchtung der Einberufung zu einem Militärdienst mit der Gefahr der Heranziehung zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist damit der Boden entzogen. Eine Verfolgung (aus welchen Gründen immer) seitens des nicht mehr vorhandenen Regimes ist daher nicht anzunehmen.

Zur behaupteten Verfolgung durch die HTS:

Da aus den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen eine erfolgte bzw. drohende Zwangsrekrutierung oder Bestrafung durch die HTS betreffend den BF nicht festgestellt werden konnte, ist auch aus diesem Grund keine Verfolgung anzunehmen.

Im Umstand, dass im Heimatland des BF Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Der BF verwies darauf, dass infolge des Sturzes des Assad-Regimes gegenwärtig nicht absehbar sei, wie sich die Lage in Syrien entwickeln werde, weshalb es an einer wesentlichen Grundlage für eine Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen fehle. Er berief sich dabei auf ein zur Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 19.09.2022, E 3015/2021), demzufolge das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet sei, die laufende Entwicklung zu prüfen, und das UNHCR-Positionspapier zur Rückkehr nach Syrien vom Dezember 2024, wonach UNHCR dazu aufrufe, bis auf weiteres keine negativen Asylentscheidungen zu treffen.

Zwar kommt den UNHCR-Richtlinien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zu, doch ergibt sich daraus nicht, dass diese für das Bundesverwaltungsgericht bindend wären, sondern lediglich, dass es sich mit diesen auseinandersetzen muss und eine etwaige Abweichung von ihnen zu begründen hat (dazu beispielsweise VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151).

Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, dass eine neuerliche Lageveränderung durchaus möglich ist und dass noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 gab es allerdings – von den Kämpfen zwischen der SNA und den SDF im Norden abgesehen – keine größeren Kampfhandlungen mehr. Es wäre untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Allerdings sprechen die zuletzt stattgefundenen Besuche hochrangiger Vertreter der Europäischen Union sowie die Lockerung der Sanktionen gegenüber Syrien seitens der USA für eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse in Syrien. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wird durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.

Das vom BF angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Lage nach der (letzten) Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bezieht sich indes auf die Zurückweisung von Anträgen auf subsidiären Schutz und auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich nicht auf die aktuelle Version der relevanten Länderberichte gestützt hat. Im gegenständlichen Verfahren gibt es jedoch keine neueren oder umfassenderen Berichte als jene, die in den Feststellungen referiert werden, und ist dem BF ohnehin subsidiärer Schutz gewährt worden. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wird durch die Gewährung subsidiären Schutzes auch ausreichend Rechnung getragen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN; Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten BF in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.

Dem BF ist es daher nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides kommt daher insgesamt gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 kein Erfolg zu.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren und im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH entschieden wurde.

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