Rückverweise
W258 2279500-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Dr. Gregor KLAMMER, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 08.10.2022 gestellten Antrag auf internationalen Schutz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.01.2024 und 13.08.2025 in einer asylrechtlichen Angelegenheit zu Recht:
A)
I. Der Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen.
II. Dem Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 wird stattgegeben und XXXX , geb. am XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
III. Ihm wird gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in Folge: „BF“), ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, stellte am 08.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 08.10.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er sein Land wegen des Krieges verlassen habe, nicht zum Militärdienst wolle und Angst habe, inhaftiert zu werden.
3. Am 13.07.2023 brachte der BF eine Säumnisbeschwerde bei der belangten Behörde ein und beantragte, das Verwaltungsgericht möge in der Sache selbst erkennen und dem Antrag auf internationalen Schutz stattgeben.
4. Die belangte Behörde legte die Säumnisbeschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts mit Schriftsatz vom 05.10.2023, hg eingelangt am 12.10.2023, vor und beantragte die Beschwerde abzuweisen.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.01.2024 und 13.08.2025 eine mündliche Verhandlung durch.
Beweis wurde aufgenommen durch Einvernahme des BF als Partei sowie Einschau in den Verwaltungsakt und folgende Dokumente:
Strafregisterauszug des BF vom 12.08.2025 (OZ 20),
Wehrdienstbuch (OZ 5, Beilage ./2),
Ausweis der Ärztekammer Syrien (Beilage ./3),
Auszug aus dem Personenstandsregister Syrien vom XXXX (Beilage ./4),
Abschlusszeugnis Medizin vom XXXX (Beilage ./5),
Arbeitsbestätigung des syrischen Gesundheitsministeriums als Orthopäde vom XXXX (Beilage ./6),
Bestätigung des syrischen roten Halbmondes über medizinische Beratungstätigkeit im Zeitraum vom XXXX (Beilage ./7),
Maturazeugnis vom XXXX (Beilage ./8),
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, Version 12 (in Folge kurz „LIB“),
Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024,
EUAA, Country of Origin Information, Syria Country Focus, Juli 2025 (in Folge kurz „EUAA COI“),
EUAA, Interim Country Guidance Syria, Juni 2025 (in Folge kurz „EUAA CG”),
UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte vom März 2021 (in Folge kurz „UNHCR“) und
Video, das die Belagerung des As-Suwayda-Krankenhauses in der syrischen Stadt Suwayda zeigen soll (OZ 25).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Der folgende Sachverhalt steht fest:
1.1. Zur Säumnisbeschwerde
Der BF stellte am 08.10.2022 den Antrag auf internationalen Schutz und erhob am 13.07.2023 die gegenständliche Säumnisbeschwerde.
Die belangte Behörde hat den Antrag auf Grund eines Anstiegs der Zahl der Anträge auf internationalem Schutz bislang nicht bearbeitet.
1.2. Zur individuellen Situation des BF:
1.2.1. Allgemeines
Der männliche BF, ein Staatsangehöriger Syriens, ist volljährig, gehört der Volksgruppe der Araber an, ist Sunnit und spricht als Muttersprache Arabisch. Er wurde am XXXX in Syrien in der Stadt XXXX im Gouvernement XXXX geboren, ist in der Stadt XXXX im Gouvernement XXXX aufgewachsen, wo er bis zu seiner Ausreise in die Türkei im XXXX gelebt hat.
Der BF ist XXXX von der Türkei schlepperunterstützt in Richtung Europa ausgereist. Er ist unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet eingereist.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2.2. Zum Fluchtvorbringen bzw den Verfolgungsgründen:
Der BF ist aus seinem Herkunftsstaat geflohen, weil er keinen Wehrdienst leisten wollte. Einerseits weil er als Arzt Menschen helfen will und andererseits, weil er nicht Teil des Bürgerkriegs in Syrien sein wollte. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat individuell weder bedroht noch kam es zu Übergriffen auf ihn.
Der Wohnort des Beschwerdeführers steht unter der Kontrolle Israels.
Das syrische Regime unter Baschar al-Assad wurde am 08.12.2024 gestürzt. Das syrische Regime bzw dessen Sicherheitsbehörden existieren nicht mehr und können weder Verhaftungen, noch Zwangsrekrutierungen durchführen.
Der BF hat keinen Wehrdienst abgeleistet.
1.2.3. Zur individuellen Situation des BF in Bezug auf eine Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Der BF hatte zuletzt zwei Ohnmachtsanfälle und leidet unter Keratokonus, einer fortschreitende Ausdünnung und kegelförmige Verformung der Hornhaut der Augen; die dadurch bestehende Fehlsichtigkeit beträgt am rechten Auge sechs Dioptrien und am linken Auge weniger. Abgesehen davon ist er gesund und arbeitsfähig.
Zur Ausbildung und Berufserfahrung des BF:
In Syrien hat der BF die Grundschule besucht und anschließend ein Medizinstudium absolviert. Er hat eine fünfjährige Ausbildung zum Orthopäden abgeschlossen und anschließend ein Jahr lang als Orthopäde gearbeitet. Während dieser insgesamt sechs Jahre war er ehrenamtlich für den Syrischen Halbmond in XXXX tätig, sowohl als Assistenzarzt, als auch als Mitarbeiter im Verwaltungsbereich. Der BF arbeitete sechs Monate in einem Krankenhaus in Damaskus. Der BF hat seitdem er seinen Heimatstaat verlassen hat nicht mehr als Arzt praktiziert.
Zur familiären Situation des BF:
Der Vater des BF ist bereits verstorben. Seine Mutter und zwei Schwestern leben in Syrien, ein Bruder lebt in Deutschland. Der BF ist verheiratet. Seine Ehefrau lebte mit den zwei gemeinsamen Kindern („Kernfamilie“) im syrischen XXXX , dem Heimatort des BF. Im Mai 2025 verließ die Kernfamilie den Heimatort und zog nach Damaskus; dies, weil sich die Sicherheitslage in der Herkunftsregion verschlechtert hat, indem es zu Konflikten zwischen Beduinen, Drusen und israelischen Truppen gekommen ist.
Seine Ehefrau war am Heimatort als Zahnärztin mit eigener Praxis tätig, ist aber in Damaskus ohne Beschäftigung und es gelingt ihr auch nicht, eine Arbeit zu finden. Sie kann insbesondere nicht weiterhin selbstständig als Zahnärztin arbeiten, weil sie in Damaskus über keine Ordination verfügt und der Familie die finanziellen Mittel für den Aufbau einer Ordination fehlen. Die Kernfamilie des BF kann ihre Lebenserhaltungskosten decken, indem sie von ihren Brüdern in Deutschland unterstützt wird.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
1.3.1. Zum politischen Umsturz und lokalen Machtverhältnissen:
Zum Sturz des „Assad Regimes“ und der Machtübernahme durch Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS):
Islamistische Regierungsgegner starteten unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (in Folge „HTS“) die Operation „Abschreckung der Aggression“ und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von elf Tagen ein Ende. Viele Soldaten des Regimes flohen oder desertierten. Am frühen Morgen des 8.12.2024 nahm HTS die Hauptstadt Damaskus ein.
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden. Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben. Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (vgl Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024, S 1 bis 6; EUAA CG, S 20 f; LIB).
Kontroll- und Einflussbereiche (siehe EUAA CG, S 20 f und LIB):
Im Juni 2025 kontrollierte die von HTS angeführte Koalition die meisten Gebiete, die zuvor vom Assad-Regime gehalten wurden, was etwas mehr als 60 % des syrischen Territoriums entspricht. Im Norden kämpften verschiedene Fraktionen um Einfluss und Kontrolle. Die Zusammenstöße zwischen den von der Türkei unterstützten Milizen, die unter dem Dach der Syrischen Nationalarmee (SNA) operieren, und den von den USA unterstützten kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) dauerten an.
Nach der Machtübernahme bildete die HTS eine Übergangsregierung, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen Syrischen Rettungsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte [siehe Sicherheitslage 2023, 2.1.2 (a)]. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung erfolgreich rund hundert bewaffnete Fraktionen, darunter die von den USA unterstützte Freie Syrische Armee, in eine neue syrische Armee und ein neues Verteidigungsministerium integriert. Einige Fraktionen leisten weiterhin Widerstand. Anfang März 2025 unterzeichnete die SDF ein Abkommen zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung.
Kurz nach dem Sturz des Assad-Regimes rückte das israelische Militär in die von der UNO überwachte Pufferzone in den Golanhöhen und darüber hinaus in syrisches Gebiet vor, und zwar in die Gebiete südlich von Quneitra und südwestlich von Dar’a. Außerdem führte Israel Anfang Dezember Hunderte von Luftangriffen durch, um Waffenlager in ganz Syrien zu zerstören, von denen mehr als die Hälfte in den Provinzen Dar’a, Damaskus, dem Umland von Damaskus und Latakia stattfanden. Bis zum 20.02.2025 dauerten die israelischen Einfälle in die Pufferzone und darüber hinaus an.
1.3.2. Zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion des BF (EUAA COI, S 88, 194 f; LIB):
Israelische Streitkräfte haben die entmilitarisierte Pufferzone in den Golanhöhen eingenommen. Israel gab an, dass das 1974 geschlossene Abkommen über den Rückzug aus Syrien mit der Machtübernahme durch die Rebellen „geplatzt“ sei. Der Israels Verteidigungsminister und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu haben angekündigt, dass die israelischen Stellungen in Syrien auf unbestimmte Zeit im Land bleiben würden.
Israel hält die UNDOF-Zone, mehrere angrenzende Gebiete innerhalb Syriens, darunter das Gebiet um die Stadt Quneitra und Tel al-Ahmar al-Gharbi, und den Gipfel des Hermon-Gebirges besetzt und forderte eine vollständige Entmilitarisierung des südlichen Syriens.
Im Zusammenhang mit den religiös motivierten Gewalttaten, die Ende April zwischen den Drusen und lokalen sunnitischen Gruppen in Sweida und im ländlichen Damaskus eskalierte Israel sein militärisches Engagement und führte unter dem Vorwand, die drusische Minderheit zu schützen, Luftangriffe und Angriffe mit und Mörsergranaten gegen die syrische Übergangsregierung durch. Diese Rechtfertigung wurde von der drusischen Gemeinschaft Syriens entschieden zurückgewiesen, die die Angriffe als Verletzung der Souveränität verurteilte.
Die israelischen Angriffe richteten sich gegen militärische Stellungen in der Provinz Damaskus, Dar'a, Latakia, im Westen von Hama und in Damaskus in der Nähe des Präsidentenpalasts. Täglich wurden militärische Übergriffe israelischer Streitkräfte in den Provinzen Dar'a und Quneitra gemeldet. Die israelischen Angriffe in Syrien führten zu zivilen Opfern, insbesondere im Süden Syriens.
Es kommt regelmäßig zu israelischen Bodenoffensiven im Südwesten Syriens, unter anderem in Tell al-Mal (16 km von der Entflechtungszone von 1974 entfernt), Ruwayhina, Ba’er al-Ajam, Al-Hamidiya, al-Samdaniya, und al-Mashara (zentrales Quneitra), im Gebiet von Saidah (südlich von Quneitra) und am Mantara-Damm, wobei israelische Streitkräfte militärische Außenposten und Kontrollpunkte errichteten, Patrouillen durchführten, Häuser durchsuchten und Personen befragten und festnahmen. Die israelischen Operationen richten sich auch gegen Zivilisten und stellten „erhebliche Risiken für das Leben von Zivilisten“ dar.
1.3.3. Grundversorgung und Wirtschaft (vgl LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Wirtschaftliche Lage, Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes):
Die wirtschaftlichen Herausforderungen in ganz Syrien sind enorm. Syriens BIP betrug 2011 67,5 Milliarden US-Dollar (63,9 Milliarden Euro); im Jahr 2023 war es auf neun Milliarden US-Dollar geschrumpft. Der Konflikt hat die Infrastruktur des Landes verwüstet und das Strom-, Transport- und Gesundheitssystem nachhaltig geschädigt.
Derzeit herrscht ein extremer Fall von Stagflation, die zu den schlimmsten wirtschaftlichen Bedingungen gehört, die ein Land erreichen kann. Davon sind auch die Preise für Grundnahrungsmittel betroffen. Zwischenzeitlich haben sich die Preise weitgehend stabilisiert, die geringere Kaufkraft sowie die Herausforderungen bei Bankgeschäften und der Liquidität belasten weiterhin die Lebensbedingungen. In allen Gouvernements besteht Knappheit vom Brennstoff-, Strom- und Wasser. Die syrische Währung zeigt erste Anzeichen einer Erholung, die hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen sind: einen Zustrom von Syrern aus dem Ausland, die harte Währung mitbrachten, und eine eingeschränkte Liquidität bei den Banken, was die Bargeldabhebungen einschränkte.
1.3.4. Zur Bedrohung als Wehrdienstverweigerer:
Die Übergangsverwaltung beendete die verpflichtende Wehrpflicht, außer in Fällen nationaler Notlagen. Die syrische Armee soll zu einer Freiwilligenarmee werden, an der sich die Bevölkerung beteiligen soll, mit dem Ziel, die Grenzen des Landes zu sichern. Dennoch könnte im Falle nationaler Notlagen eine Einberufungskampagne stattfinden (EUAA CG, S 29).
1.3.5. Zur Bedrohungslage von Ärzten:
Ärzte, anderes medizinisches Personal und Freiwillige des Zivilschutzes waren vor dem Sturz des Assad-Regimes Verfolgungen durch verschiedene Akteure ausgesetzt. Diese Gefahr durch das Assad-Regime ist verschwunden. In Bezug auf andere Akteure gibt es keine aktuellen Informationen, die darauf hindeuten, dass Personen, auf die dieses Profil zutrifft, allein aufgrund der Tatsache, dass sie Ärzte, anderes medizinisches Personal oder Freiwillige des Zivilschutzes sind, gezielt verfolgt werden (vgl EUAA CG, S 32).
Interimsregierungstruppen haben vereinzelten Angehörigen verschiedener Berufsgruppen verhaftet, nämlich Personen, die verdächtigt wurden, während der Herrschaft des Assad-Regimes an Verstößen beteiligt gewesen zu sein. Davon betroffen waren Regierungsangestellte, Ärzte, die in Militärkrankenhäusern arbeiteten, die den Sicherheitsdiensten angeschlossen waren, und Medienfachleute, die zuvor für staatliche Sender gearbeitet hatten, die dem Assad-Regime angeschlossen waren. Insbesondere wurden Militärangehörige, Militärpersonal und Ärzte ins Visier genommen werden, denen Verbrechen gegen Syrer vorgeworfen werden (vgl EUAA COI, S 34 f).
Ebenso betroffen sind Politiker und ehemaliger Mitglieder der Baath-Partei, darunter ein ehemaliger Provinzsekretär, ein ehemaliges Mitglied des Parlaments, das für seine pro-Assad-Haltung bekannt war, und der ehemalige Großmufti von Syrien, der die Kriegstaktiken des ehemaligen Regimes befürwortet hatte und verdächtigt wird, an der Unterzeichnung von Hinrichtungsbefehlen für Tausende von regierungskritischen Gefangenen beteiligt gewesen zu sein (vgl EUAA COI, S 34 f).
1.3.6. Zur Lage in Damaskus:
Zur Sicherheitslage:
Die neu gegründeten GSS-Streitkräfte konnten schnell die Kontrolle über Damaskus und einige andere Teile des Landes übernehmen. In diesen Gebieten gelang es der neuen Verwaltung, das Vertrauen erfolgreich wiederherzustellen und die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, wodurch sie zu einem entstehenden Sicherheitsgefühl beitrug, das Berichten zufolge bis zu einer Million vertriebene Syrer dazu motivierte, in ihre Heimat zurückzukehren.
Laut IOM bestehen in der Stadt Damaskus, „teilweise förderliche“ Bedingungen (mit einem Wert von 3,2 auf einer Skala von 0 bis 5) für die Rückkehr und Reintegration der Binnenvertriebenen. Sicherheit und Schutz (einschließlich Bewegungsfreiheit, Sicherheitswahrnehmung, Atmosphäre des öffentlichen Lebens, Minen- und Explosivstoffrisiken sowie gemeldete Sicherheitsvorfälle), stuft IOM die Bedingungen in Damaskus als „meist förderlich“ ein (mit einer Bewertung von 4,3/5).
Damaskus ist das stabilste Gebiet in Syrien, mit einem allgemein sicheren Umfeld, einer Verringerung der Festnahmen an Kontrollpunkten und einem deutlichen Rückgang der Sicherheitsvorfälle. Die Sicherheitslage in Damaskus ist grundsätzlich gut und die Sicherheitskräfte haben eine starke Präsenz in der Stadt.
Im April 2025 kam es zu einem Anstieg von Sicherheitsvorfällen, wie Entführungen oder bewaffnete Angriffen. Zivilisten wurden entführt. Die Sicherheitskräfte reagierten mit der Einrichtung von Kontrollpunkten, Razzien und anderen gezielten Maßnahmen. Im Mai 2025 kam es zu einer Reihe von Angriffen auf Nachtclubs in Damaskus durch bewaffnete Männer oder islamistische Gruppen, die vor allem auf Lokale mit gemischtem Publikum und Alkoholausschank abzielten. Bei einem Vorfall wurde eine Frau getötet, und es wird berichtet, dass die Geschäfte nach diesen Ereignissen zurückgingen, weil Kunden aus Angst vor Angriffen oder einer Regierungskontrolle von Betrieben mit Alkoholausschank fernblieben.
Am 22.05.2025 verübte ein Selbstmordattentäter mit offenbar Verbindungen zu ISIL einen Anschlag auf die griechisch-orthodoxe Kirche im Viertel Dweila am Stadtrand von Damaskus, bei dem mindestens 22 Personen getötet und 63 verletzt wurden.
Es kam auch zu israelische Luftangriffe: Luftangriffe, so am 13. März 2025 auf Einrichtungen im Gebiet Marshrou Dummar, die mit der Bewegung Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) in Verbindung stehen, bei dem vier Zivilisten verletzt worden sind; Anfang April gegen mutmaßliche militärische Infrastruktur nahe dem wissenschaftlichen Forschungszentrum im Viertel Barzeh und Anfang Mai 2025 in der Nähe des Präsidentenpalastes laut einer israelischen Erklärung, um Bedrohungen gegen die syrische Drusengemeinschaft abzuschrecken und zu verhindern, dass die syrische Übergangsregierung Truppen in die südlichen Gebiete Syriens entsendet (vgl EUAA COI, S 166 f).
Zu den Lebenshaltungskosten:
Ende März 2024 betrugen die monatlichen Mindestlebenskosten für eine fünfköpfige Familie in Damaskus etwa acht Millionen SYP (entsprechend etwa 666 USD) (EUAA COI, S 66).
Zu den Berufsaussichten und dem Einkommen von Ärzt:innen:
Die öffentlichen Krankenhäuser in Damaskus leiden unter einem beschleunigten Zusammenbruch der medizinischen Versorgung inmitten eines schweren Mangels an Medikamenten und Ausrüstung.
Neben der zerstörten Infrastruktur, Finanzierungslücken und Versorgungsengpässen hat die Abwanderung von medizinischem Fachpersonal das Gesundheitssystem Syriens schwer getroffen. Der Verlust an medizinischem Personal in Syrien beträgt mehr als 70 %. (LIB, Medizinische Versorgung – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes, Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024))
Ärzt:innen, die in Damaskus arbeiten, erhalten durchschnittlich monatliche Gehälter von etwa 30 USD (EUAA COI, S 74).
Zum Wohnraum:
Vor dem Sturz des Assad-Regimes war die Erlangung einer Sicherheitsüberprüfung Voraussetzung für die Niederlassung in jedem Teil der Stadt Damaskus. Laut SJAC gibt es inzwischen keine gesetzlichen Anforderungen mehr wie das Einholen einer Sicherheitsüberprüfung für Personen, die sich durch Mieten oder Kauf von Eigentum in Damaskus niederlassen möchten. Während Mietverträge bei der Gemeinde über ein unkompliziertes Verfahren registriert werden müssen, entscheiden sich viele Bewohner dafür, stattdessen kurzfristige mündliche Vereinbarungen zu treffen. Seit dem Sturz Assads werden keine Sicherheitsüberprüfungen mehr ausgestellt, sie sind aber weiterhin für die Registrierung von Eigentumsübertragungen wie Verkäufen und Schenkungen im Grundbuch erforderlich.
Personen, die aus anderen Landesteilen nach Damaskus ziehen, werden in einem gewissen Maß diskriminiert. Diese Vorurteile beruhen nicht auf staatlicher Politik, sondern auf einer langjährigen Unterscheidung zwischen Damaskus-Einwohnern und Zugezogenen. Die Einheimischen sind oft zurückhaltend, an Neuankömmlinge zu vermieten, oder verlangen von ihnen höhere Preise, da sie befürchten, dass diese die Immobilien nicht ordnungsgemäß pflegen (vgl EUAA COI, S 77 f).
1.3.7. Damaskus als innerstaatliche Fluchtalternative nach UNHCR und EUAA:
Vor dem Hintergrund, dass die Versorgungslage und langfristige Perspektive für Rückkehrer ohne lokale Unterstützung herausfordernd ist, ist eine Neuansiedlung in Damaskus-Stadt nur in Ausnahmefällen zumutbar. Sie muss anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Maßgebliches Kriterium ist die persönliche Situation des Antragstellers, einschließlich Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, etwaige Behinderungen, familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, Bildungsstand und beruflicher Hintergrund sowie gegebenenfalls erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen (UNHCR, S 207 f), das Vorliegen erheblicher Vermögenswerte oder das Bestehen eines lokalen Unterstützungsnetzwerkes (EUAA CG, S 69).
Eine Neuansiedlung in der Stadt Damaskus ist in der Regel zumutbar für 1.) gesunde Erwachsene, die 2.) keine Verantwortung für andere Familienangehörige, 3.) einen garantierten Zugang zu Wohnraum und 4.) einen garantierten Zugang zu praktikablen Verdienstmöglichkeiten haben (UNHCR, S 207 ff bzw insbesondere S 221; der UNHCR Bericht fußt zwar auf der Lage vor der Machtübernahme durch die HTS-Übergangsregierung; da in Damaskus nach wie vor dieselben maßgeblichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestehen, konnte die Einschätzung auf die gegenwärtige Lage übertragen werden).
2. Die Feststellungen gründen in der folgenden Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Säumnisbeschwerde:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt, nämlich den Antrag auf internationalen Schutz (OZ 1 „BFA-Akt“ S 1 ff) und die Säumnisbeschwerde (OZ 1 „BFA-Akt“ S 69). Die Feststellungen zu den Gründen für die lange Verfahrensdauer, gründen in der Beschwerdevorlage vom 05.10.2023, in der das BFA einen deutlichen Anstieg der Asylantragszahlen als Grund für die verzögerte Bearbeitung nennt (OZ 1, S 1 „Beschwerdevorlage vom 05.10.2023“).
2.2. Zur Individuellen Situation des BF:
2.2.1. Zu den allgemeinen Feststellungen:
Die Feststellungen zu den persönlichen Daten, zum Leben und zur Ausreise des BF aus Syrien ergeben sich aus den im Wesentlichen gleichbleibenden, übereinstimmenden und schlüssigen Angaben des BF im behördlichen und im gerichtlichen Verfahren.
Der BF hat sowohl in seiner Erstbefragung am 08.10.2022 als auch in seiner hg Einvernahme angegeben, aus „ XXXX “ in der Provinz XXXX zu stammen und dort bis zu seiner Ausreise gelebt zu haben (Erstbefragung vom 08.10.2022, OZ 1, S 3; Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 5, S 4). Sein Geburtsort XXXX ergibt sich aus seinen Angaben im Verwaltungsverfahren sowie aus dem Auszug aus dem Personenstandsregister Syrien (Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 5, Beilage ./4). Da er auch Arbeitsbestätigungen von dort vorlegte ( XXXX , OZ 5, Beilage ./6) und er angab, dass seine Familie dort gelebt hat, kann daher davon ausgegangen werden, dass der BF aus der Stadt „ XXXX “ stammt bzw dort seinen Lebensmittelpunkt hatte.
Die Feststellungen zur Einreise in das Bundesgebiet und zum behördlichen Asylverfahren des BF ergeben sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt.
Die Feststellung zum Leumund des BF ergibt sich aus seinem Strafregisterauszug (OZ 20).
2.2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen bzw den Verfolgungsgründen:
Die Feststellungen zu den Beweggründen für die Flucht des BF und dass es bislang zu keiner Bedrohung oder Verfolgung des Beschwerdeführers gekommen ist, gründet in seinen Angaben im Verfahren (VH-Protokoll vom 24.01.2025, S 5 f).
Zur Gebietskontrolle in der Herkunftsregion des BF:
Dass die Herkunftsregion des BF, die Stadt XXXX , unter Kontrolle Israels steht, ergibt sich aus der Einschau in einen Bildschirmausdruck der Website https://syria.liveuamap.com/; Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, Beilage ./A, wobei sich die Gebietskontrolle seither nicht verändert hat (https://syria.liveuamap.com/?zoom=12 ll=33.16600758760688,35.87619781494141; zuletzt abgerufen am 26.08.2025) in Zusammenschau mit der Aussage des BF, der die israelische Kontrolle bestätigt hat (siehe Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 8).
Dass das syrische Regime gestürzt wurde und insofern nicht mehr existiert bzw handlungsfähig ist, ergibt sich aus den eingebrachten Länderinformationen, wonach die HTS im Rahmen der Operation „Abschreckung der Aggression“ der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende setzte und am 08.12.2024 die Hauptstadt unter ihre Kontrolle brachten und der ehemalige Präsident das Land verließ. Die Zerschlagung der Sicherheitsbehörden des Regimes ergibt sich aus den Angaben in den Länderberichten, wonach die Regierungstruppen ihre Stellungen aufgaben, das Armeekommando die Soldaten außer Dienst stellte, staatliche Einrichtungen von Zivilisten gestürmt wurden, Gefangene aus Gefängnissen befreit wurden bzw Regimesoldaten massenweise desertierten (vgl ua die Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024). Der BF bestätigte dies ebenfalls (vgl Stellungnahme des BF vom 11.08.2025, OZ 19, S 2 „Nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 befindet sich Syrien in einer tiefgreifenden politischen Umbruchsphase.“).
Die Feststellung, wonach er den Militärdienst noch nicht geleistet hat, gründet auf seinen Angaben im Verfahren, wonach er Syrien verlassen habe, weil er nicht zum Militärdienst wolle (Ersteinvernahme vom 08.10.2022, OZ 1 S 6, Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 5, S 5 f) sowie auf der Vorlage des Wehrdienstbuches (OZ 5, Beilage ./2). Darüber hinaus verließ der BF Syrien im Alter von 34 Jahren wegen des Krieges und der Gefahr zum Militärdienst eingezogen zu werden. Zwar wurde er einer Musterung unterzogen, bei der er für tauglich befunden wurde und erhielt auch ein Militärbuch, seine Einberufung wurde allerdings fünfmal aufgrund einer Ausbildung bzw Tätigkeit als Arzt aufgeschoben, zuletzt bis zum 31.12.2021. Da der BF bereits im Oktober 2021 Richtung Türkei ausreiste, bestätigte sich, dass er den Militärdienst nicht abgeleistet hat (vgl ua Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 5, S 4 ff).
2.2.3. Zur individuellen Situation des BF in Bezug auf eine Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen, zur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des BF gründen in seinen Angaben in der Erstbefragung (Niederschrift der Erstbefragung nach AsylG vom 08.10.2022, OZ 1, S 4) und der hg Verhandlung, wonach er gesund sei (Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 5, S 3). Zwar gab der BF zuletzt an, zweimal bewusstlos geworden zu sein, allerdings sei bei einer Untersuchung sowie einem EKG keine Erkrankung festgestellt worden, weshalb sich daraus keine einschränkende Erkrankung ergibt. Bezüglich der Erkrankung des BF am Auge ist ebenfalls keine Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit erkennbar, zumal der BF hierfür eine Brille und Haftschalen trägt (siehe Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 7). Letztlich hat auch der BF seine Arbeitsfähigkeit selbst bestätigte („Falls ich hier eine Genehmigung bekomme, würde ich hier arbeiten. Ich kann auch dort arbeiten“, vgl Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 5).
Zur Ausbildung und Berufserfahrung des BF:
Die Feststellungen zu seiner Ausbildung und beruflichen Laufbahn ergeben sich aus einer Zusammenschau der Aussagen des BF im behördlichen und im gerichtlichen Verfahren (vgl Erstbefragung vom 08.10.2022, OZ 1, S 2; sowie Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 5, S 6). Der BF legte auch sein Abschlusszeugnis des Medizinstudiums, eine syrische Arbeitsbestätigung als Orthopäde sowie eine Bestätigung des syrischen roten Halbmondes über medizinische Tätigkeiten vor, weshalb seine diesbezüglichen Angaben glaubhaft waren (vgl OZ 5, Beilage 5, 6, 7). Dass der BF seit vier Jahren nicht mehr als Arzt praktizierte, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben, wonach er – befragt zur grundsätzlichen Möglichkeit bei einer Rückkehr nach Syrien als Arzt zu arbeiten – ausführte, dass er bereits seit vier Jahren ohne Beschäftigung sei. Bestätigt wird dies dadurch, dass der BF selbst darauf verwies, dass er hier in Österreich nur mit einer Genehmigung arbeiten könne, woraus sich ergibt, dass er seit seiner Ausreise nicht mehr praktiziert hat (vgl Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 5).
Zur familiären Situation des BF:
Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF gründet auf den widerspruchsfreien Angaben des BF im Verfahren (Niederschrift der Erstbefragung nach AsylG vom 02.09.2022, OZ 1 S 8; Verhandlungsprotokoll vom 24.01.2024, OZ 7, S 5; Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 4 f).
Dass seine Ehefrau mit ihren gemeinsamen Kindern inzwischen den Heimatort verlassen haben und sie derzeit in Damaskus leben, gründet ebenfalls in den Angaben des BF, die vor dem Hintergrund, dass die Sicherheitslage in der Herkunftsregion der Familie (nunmehr) auf Grund der Angriffe Israels und der Einnahme durch Israel angespannt ist, nachvollziehbar sind.
Auch den Angaben des BF, wonach seine Frau in Damaskus bislang keine Arbeit gefunden hat und keine eigene Ordination finanzieren könne, konnte gefolgt werden.
Zwar wäre auf Grund des massiven Ärztemangels davon auszugehen, dass seine Frau grundsätzlich eine Anstellung finden würde. Allerdings ist auf Grund des Ärztemangels in Zusammenschau mit den fehlenden medizinischen Materialien und der dadurch massiv eingeschränkten medizinischen Versorgung nachvollziehbar, wenn in den Krankenhäusern die begrenzten Ressourcen so eingesetzt werden, dass eine grundlegende medizinische Versorgung abdecket wird und der Schwerpunkt auf allgemein Mediziner:innen und andere Fachärzt:innen, wie Internisten, Notfallmediziner und Chirurgen, gelegt wird und medizinische Tätigkeiten, die nicht unbedingt ein Krankenhaus erfordern, dem niedergelassenen Bereich überlassen wird. Diese Überlegung deckt sich auch mit den Angaben des BF, wonach in Krankenhäusern keine Zahnbehandlung außer Operationen durchgeführt werden (VH-Protokoll vom 13.08.2025, S 4).
Die Feststellung, wonach die Familie des BF grundsätzlich gut situiert ist und keine Geldprobleme hat, war anhand der Aussagen des BF bezüglich der Geschwister, die die Ehefrau unterstützen sowie dem Umstand, dass sowohl er als auch seine Frau Ärzte waren, glaubhaft. Dass seine Frau allerdings nicht über die Geldmittel verfügt, um eine neue Arztpraxis zu eröffnen („Aktuell kann ich meiner Familie nicht helfen.“; „Eine Privatordination zu gründen, das kostet viel Geld. Und es ist sehr schwierig, diesen Betrag zu beschaffen.“, vgl Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 4), war ebenfalls glaubhaft: Da seine Frau auf der Flucht nachvollziehbar die Einrichtung ihrer alten Ordination zurücklassen musste, wäre die Neugründung einer Ordination mit hohen Kosten verbunden. Die vom BF beschriebene finanzielle Unterstützung seiner Kernfamilie durch Verwandte, die als Geflüchtete selbst wohl nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügen, reicht dafür nicht. Eine Fremdfinanzierung scheidet aus, weil derzeit große Herausforderungen bei Bankgeschäften bestehen und Banken aktuell nur eine eingeschränkte Liquidität aufweisen (vgl LIB, Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft, Wirtschaftliche Lage, Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes).
2.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage in Syrien ergeben sich aus den bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Quellen, die auf mehreren, im Wesentlichen übereinstimmenden Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen gründen. Aus dem nunmehr vorliegenden endgültigen EUAA, Country Focus von Juli 2025, haben sich zum vorläufigen Country Focus von Juni 2025 („EUAA CG”) keine entscheidungsrelevanten Änderungen ergeben.
Hinsichtlich der Bedrohung von Ärzten hat der Beschwerdeführer zwar ergänzend ein Video vorgelegt, in dem offenbar die Tötung eines Arztes in einem Krankenhaus durch bewaffnete Kräfte gezeigt wird. Auch aus dem Video ist aber nicht ableitbar, dass Ärzte gezielt verfolgt werden, zumal gegenüber den anderen Ärzt:innen bzw. dem anderen sichtbaren medizinischen Personal keine Gewalt geübt wird, und der Angriff offenbar gezielt gegen den einen Arzt erfolgt ist.
Hinsichtlich der Sicherheitslage in Damaskus hat der BF zwar angeführt, dass die Sicherheitslage instabil sei und sich vor allem in den letzten drei Monaten verschlechtert habe (vgl Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 5). Eine allgemein instabile Lage in Damaskus findet aber in den Länderberichten keine Deckung, weshalb den unsubstantiierten Angaben des BF nicht gefolgt werden konnte. Die vom BF vorgebrachte Verschlechterung der Sicherheitslage war daher auch nur insoweit zu folgen, als sie in den Länderberichten abgebildet gewesen sind, d.h. dass es zu einem Selbstmordattentat gekommen ist.
3. Rechtlich folgt daraus:
Zu A)
3.1. Zur Zulässigkeit und Berechtigung der Säumnisbeschwerde:
Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst dann erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser, entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. (§ 8 Abs 1 VwGVG) Ist die Säumnisbeschwerde zulässig und berechtigt, geht die Zuständigkeit für die Sachentscheidung auf das Verwaltungsgericht über (§ 28 Abs 7 VwGVG; Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG Rz 11 (Stand 15.2.2017, rdb.at)).
Der BF stellte am 08.10.2022 den Antrag auf internationalen Schutz und erhob am 13.07.2023 die gegenständliche Säumnisbeschwerde. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde war somit die – mangels besonderer Regelung allgemeine – sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 73 Abs 1 AVG bereits verstrichen. Da keine besonderen Gründe für ihre Säumnis vorliegen – insbesondere liegt keine exzeptionelle Belastungssituation der Behörde vor (vgl VwGH 24.05.2016, Ro 2016/01/0001) – ist sie auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen (vgl in diesem Zusammenhang VwGH 20.12.2023, Ra 2023/20/0228).
Die Säumnisbeschwerde ist somit berechtigt. Die Zuständigkeit der Behörde ist damit auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen, weshalb es über den Antrag auf internationalen Schutz des BF zu entscheiden hat.
3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.2.1. Zur Rechtslage:
Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention („GFK“) droht.
Flüchtling im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1974/78, ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar und nach wie vor aktuell ist. Maßgeblich hierfür ist, ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl bspw VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).
Etwaige militärische Konflikt begründet für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Es bedarf einer zusätzlichen Gefährdung des Asylwerbers, aus asylrelevanten Gründen, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (vgl VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).
3.2.2. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:
Zur Asylrelevanz des Bürgerkriegs:
Der im Heimatland des Beschwerdeführers zum Teil noch herrschende militärische Konflikt begründet für sich allein keine Verfolgungsgefahr.
Zur Verfolgung als Wehrdienstverweigerer:
Der Beschwerdeführer brachte vor, er fürchte – insbesondere durch das Assad-Regime – Verfolgung, weil er ua aus Gewissensgründen keinen Wehrdienst leisten wolle.
Zur Verfolgung durch das ehemalige Assad-Regime:
Zwischenzeitlich wurde syrische Assad-Regime gestürzt. Die von den BF in Bezug auf die syrische Assad-Regierung vorgebrachten Fluchtgründe sind daher nicht mehr aktuell und damit unbegründet.
Zur Verfolgung als Wehrdienstverweigerer durch das neue Regime:
Da die Übergangsregierung nicht mehr an der allgemeinen Wehrpflicht festhält, kann aus der Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen keine asylrelevante Verfolgung abgeleitet werden. Die bloße Möglichkeit, dass es im Falle einer nationalen Notlage zu einer Wehrpflicht kommen könnte, reicht nicht, weil die Gefahr der Einberufung weder aktuell, noch ausreichend wahrscheinlich ist.
Zur Verfolgung durch Israel, Beduinen und Drusen:
Der BF brachte ua vor, dass es in seiner Heimatregion Konflikte zwischen Beduinen und der Volksgruppe der Drusen gäbe und sowohl die Volksgruppe der Drusen auch der Nachbarstaat Israel begonnen habe, Probleme zu machen; Kinder würden entführt, um Lösegeld zu erpressen, die Lage sei instabil und Ärzte seien in einem Spittal getötet worden (Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 4).
Mit diesem Vorbringen macht der BF weder eine individuelle Bedrohung aus in der GFK gelegenen Gründen geltend, noch ist daraus eine solche ableitbar, zumal (die Bevölkerung allgemein treffenden) Entführungen und Erpressung von Lösegeld sowie Tötungen auf Grund der schlechten Sicherheitslage sowie dem israelischen Einschreiten ein Anknüpfungspunkt an die in der GFK genannten Gründen fehlt und der BF weder Beduine ist, noch der Volksgruppe der Drusen abgehört. Eine Verfolgung von Ärzten an sich, lässt sich aus den Länderberichten nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ableiten (vgl Punkt 1.3.5 und die nachfolgenden Ausführungen).
Zur Verfolgung durch die HTS-Übergangsregierung als ehemaliger Arzt eines Krankenhauses des Assad-Regimes:
Der BF brachte vor, dass die HTS-Übergangsregierung aufgrund seiner Tätigkeit als Arzt in einem Krankenhaus der Regierung davon ausgehe, dass er ein Angehöriger des ehemaligen Regimes sei. Zahlreiche Ärzte seien bereits geflohen. Man gelte für die Übergangsregierung als eine „böse Person“ (vgl Stellungnahme vom 11.08.2025, OZ 19, S 8; Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2025, OZ 21, S 5). Dem kann nicht gefolgt werden:
Aus den Länderberichten lässt sich eine aktuelle und bloß auf der Eigenschaft als Arzt basierenden Verfolgung durch die Übergangsregierung nicht ableiten. Zwar kam es seit dem Umsturz zu Festnahmen von Ärzten, die in Militärspitälern gearbeitet haben, die den Sicherheitsdiensten zugerechnet, werden sowie von Ärzten, denen Verbrechen gegen Syrer:innen vorgeworfen werden (siehe Punkt 1.3.5).
Der BF hat allerdings weder in einem Militärspital gearbeitet, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die syrische Übergangsregierung annehmen würde, er sei als Arzt an Verbrechen gegen Syrer:innen beteiligt gewesen; im Gegenteil hat er als ehrenamtlicher Helfer für den Syrischen Halbmond und als Facharzt in einem öffentlichen Krankenhaus Syrer:innen geholfen, indem er dazu beigetragen hat, ihre medizinische Versorgung sicherzustellen.
Eine individuelle Schlechterstellung des BF kam nicht hervor: Zwar hat er für ein Krankenhaus der Regierung gearbeitet. Die Feststellungen vermögen eine Verfolgung bloß aus diesem Grund aber nicht zu tragen. Auch vor dem Hintergrund, dass sich das syrische Gesundheitssystem in einem katastrophalen Zustand befindet und es insbesondere an qualifiziertem Personal fehlt, ist es unwahrscheinlich, dass die ehemalige Tätigkeit des BF in einem staatlichen Krankenhaus derart streng als „Regimenähe“ interpretiert wird. Hinzu kommt, dass sich der BF dem Wehrdienst für das Assad-Regime durch Flucht entzogen hat, was ein Indiz für eine kritische Einstellung gegenüber dem Assad-Regime ist.
3.2.3. Ergebnis:
Der BF hat daher – auch in einer Gesamtschau – im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten.
Der Antrag des BF auf internationalen Schutz war somit hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten:
3.3.1. Zur Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen, wenn
1.eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung vom Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde,
2.er auf keine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 verwiesen werden kann und
3.kein Aberkennungsgrund des § 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.
In diesem Fall ist ihm gleichzeitig eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen.
Eine reale Gefahr in diesem Sinne kann in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet sein. Es muss dabei in Hinblick auf den Fremden wahrscheinlich sein, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird.
Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK setzt eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr insbesondere einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151 mwN).
3.3.2. Angewendet auf die individuelle Situation des BF bedeutet das:
In der Herkunftsregion des BF kommt es durch den militärischen Konflikt zwischen Israel und der syrischen Übergangsregierung, sowie zu Konflikten mit Beduinen und der Volksgruppe der Drusen. Im Rahmen dieser Konflikte kommt es zu Kampfhandlungen, wie massiven Luftangriffen, und zur Einnahme von Gebieten durch die israelische Armee. Dadurch kommt es insbesondere im Süden des Landes, und somit auch in der Heimatregion des BF, zu zivilen Opfern. Der BF wäre bei einer Rückkehr von dieser generellen Gewalt in seiner Heimatregion unmittelbar betroffen.
Eine Besserstellung des BF liegt nicht vor; im Gegenteil hat seine Familie die Herkunftsregion auf Grund der instabilen Sicherheitslage verlassen, wodurch ihm eine neuerliche Ansiedlung erschwert und er dadurch im besonderen Maße durch die schlechte Sicherheitslage gefährdet wäre.
Bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion bestünde für den BF daher das realen Risiko, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne von Art 2 EMRK ausgesetzt zu sein. Eine Rückkehr des BF in seine Herkunftsregion ist somit ausgeschlossen.
3.3.3. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative:
Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art 2 oder 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. Für das Gebiet der angedachten Neuansiedlung dürfen die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005) und des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005) nicht vorliegen. Die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden darüber hinaus zumutbar sein, dh es muss ihm möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härte zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (§ 11 AsylG 2005; vgl VwGH 20.05.2022, Ra 2020/18/0382, Rz 10).
Zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiären Schutzberechtigten für die angedachte Region der Neuansiedlung:
In Damaskus ist die Sicherheitslage – abgesehen von vereinzelten Selbstmordattentaten und israelische Luftangriffe gegen mutmaßliche militärische Infrastruktur – stabil.
Es war daher nicht davon auszugehen, dass der BF in Damaskus Stadt einen ernsthaften Schaden bzw eine individuelle Bedrohung bezüglich willkürlicher Gewalt zu vergegenwärtigen hat.
Zur Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative:
Eine Neuansiedlung in Damaskus-Stadt ist nur in Ausnahmefällen zumutbar. Sie muss anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Maßgebliches Kriterium ist die persönliche Situation des Antragstellers, einschließlich Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, etwaige Behinderungen, familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, Bildungsstand und beruflicher Hintergrund sowie gegebenenfalls erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen, das Vorliegen erheblicher Vermögenswerte und das Bestehen eines lokalen Unterstützungsnetzwerkes.
Eine Neuansiedlung in der Stadt Damaskus ist damit in der Regel nur zumutbar für 1.) gesunde Erwachsene, die 2.) keine Verantwortung für andere Familienangehörige, 3.) einen garantierten Zugang zu Wohnraum und 4.) einen garantierten Zugang zu praktikablen Verdienstmöglichkeiten haben.
Für den Beschwerdeführer bedeutet das:
Der BF ist ein grundsätzlich gesunder Erwachsener mit hohem Bildungsniveau und Arbeitserfahrung. Er ist zwar Fehlsichtig und hat zwei Ohnmachtsanfällen erlitte, dadurch wird seine Leben und seine Arbeitsfähig aber nicht wesentlich beeinflusst. Es sprechen aber gewichtigere Gründe gegen die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative in Damaskus:
Der BF hat Verantwortung für seine Ehefrau und seine zwei Töchter zu tragen. Hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des BF ebenfalls Ärztin ist und selbst arbeiten kann. Allerdings findet sie bereits seit drei Monaten keine Arbeit in Damaskus und musste ihre eigene Ordination am Heimatort zurücklassen. Der Aufbau einer eigenen Ordination ist wenig wahrscheinlich, zumal es der Familie des BF an dem für den Aufbau einer Ordination erforderlichen Kapital fehlt und die Finanzierung über Kredite auf Grund der angespannten Situation des Finanzmarktes kaum möglich sein wird. Die Ehefrau kann daher ihr Leben und das Leben ihrer Kinder derzeit nur mit der Unterstützung durch ihre im Ausland lebenden Geschwister finanzieren.
Der BF hat auch keinen garantierten Zugang zu praktikablen Verdienstmöglichkeiten: Der BF ist zwar Arzt, allerdings verdienen Ärzte in Damaskus durchschnittlich nur rund 30 USD, was monatlichen Kosten von rund 666 USD für eine fünfköpfige Familie gegenübersteht (siehe EUAA COI, S 74). Die Familie des BF ist zwar nur vierköpfig, allerdings ist das zu erwartende Einkommen dermaßen weit von den zu erwartenden Lebenserhaltungskosten entfernt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der BF davon sich, geschweige denn seine Familie versorgen kann. Das auch dann, wenn man davon ausgehen würde, dass auch die Ehefrau des BF schlussendlich doch eine Arbeit als Ärztin findet, wobei zu berücksichtigen ist, dass in diesem Fall zusätzliche Kosten für die Betreuung der Kinder anfallen würden.
Hinzu kommt, dass die Ehefrau des BF (die dieselbe Qualifikation wie der BF aufweist) seit mehreren Monaten keine Arbeit findet und der BF seit einigen Jahren nicht mehr praktiziert hat, was seine Chancen, eine Anstellung zu finden weiter verringert. Auch ihm würde das Geld fehlen, um eine eigene Praxis zu eröffnen.
Der BF hat in Damaskus keinen garantierten Zugang zu Wohnraum. So wurde ein Drittel der Wohnhäuser während des Krieges zerstört, wodurch die Verfügbarkeit von (leistbarem) Wohnraum stark eingeschränkt ist. Hinzu kommt, dass Leute von außerhalb (wie der BF) am Wohnungsmarkt diskriminiert werden, nur widerwillig an diese vermieten und höhere Preise verlangen.
Der BF wäre in Damaskus somit einer Situation ausgesetzt, in der er nicht nur für sich selbst sorgen muss, keinen gesicherten Zugang zu Wohnraum bzw Arbeit hat und auch nicht über ein soziales Netzt bzw ausreichende finanzielle Mittel verfügt – von einer ausreichenden Unterstützung durch die im Ausland lebenden Geschwister der Frau für die gesamte Familie kann nicht ausgegangen werden –, um diese Hindernisse (zB durch Eröffnung einer Privatordination) zu überwinden.
Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Neuansiedlung in der Stadt Damaskus nicht zumutbar ist.
Zu etwaigen anderen innerstaatlichen Fluchtalternativen:
Laut EUAA können grundsätzlich auch andere Regionen als Damaskus Stadt als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kommen, sofern sie die Kriterien erfüllen. Da aber selbst in Damaskus eine innerstaatliche Fluchtalternative nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann, sich die Frau des BF dort befindet und er dort bereits sechs Monate gearbeitet hat, kann der BF dort noch am Ehesten zurechtkommen, weshalb eine Prüfung anderer Regionen bereits aufgrund der allgemein unsicheren Lage in Syrien sowie in Ermangelung sonstiger sozialer Bindungen des BF an andere Orte bereits von vornherein ausscheidet.
3.2.4. Ergebnis:
Angesichts des außerordentlich hohen Maßes an willkürlicher Gewalt im Herkunftsgebiet des BF ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Syrien – etwa in seinen Herkunftsort oder auch andere Landesteile – eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art 2 EMRK, „Recht auf Leben“, droht; eine innerstaatliche Fluchtalternative ist dem BF nicht zumutbar.
Da auch keine Aberkennungsgründe vorliegen – so ist der BF strafgerichtlich unbescholten –, ist ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen.
3.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das erkennende Gericht konnte sich einerseits auf die jeweils zitierte einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berufen, andererseits ist eine – wie hier – im Rahmen der vom VwGH aufgestellten Grundsätze erfolgte einzelfallbezogene Beurteilung, ob ein Fluchtvorbringen glaubhaft ist, oder die Rückführung eines Fremden ihn in seinen Rechten nach Art 3 EMRK verletzt, nicht revisibel.