JudikaturBVwG

I425 2315536-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
06. August 2025

Spruch

I425 2315536-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Philipp RAFFL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. SUDAN, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.08.2025, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Ein sudanesischer Staatsangehöriger (im Folgenden: Beschwerdeführer) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 08.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Rahmen seiner am 09.07.2023 stattfindenden Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit begründete, dass in Karthum Bürgerkrieg herrsche und es deshalb dort nicht mehr sicher sei, zu leben. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) am 19.03.2025 gab er zudem an, Aktivist gegen die Beschneidung von Frauen gewesen zu sein. Er sei in seinem Dorf belästigt und bedroht worden. Deshalb sei er in Lebensgefahr gewesen und habe aus dem Sudan flüchten müssen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27.05.2025 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft gemacht habe, jedoch in Anbetracht der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage im Sudan eine Gefahr für Zivilpersonen bestehe, einen schweren Schaden zu erleiden.

Gegen Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 23.06.2025 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides erwuchsen indessen unbekämpft in Rechtskraft.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 07.07.2025 zur Entscheidung vorgelegt.

Am 01.08.2025 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seiner Rechtsvertretung abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Sudan, Angehöriger der Volksgruppe der Sudanaraber und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er ist gesund und erwerbsfähig. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf, östlich der Stadt XXXX , geboren. Er hat in seinem Heimatort zunächst eine Grund- und danach eine allgemeinbildende höhere Schule (AHS) bis zur erfolgreichen Ablegung der Reifeprüfung besucht, im Anschluss daran betrieb er ein technisches Studium an der Universität in XXXX . Schließlich brach er das Studium ab und zog nach XXXX , wo er ein Handygeschäft eröffnete. Seine Eltern und Geschwister leben nach wie vor in seinem Geburtsort im Sudan.

Der Beschwerdeführer verließ den Sudan im Juni 2023 auf dem Landweg und reiste über Libyen, Italien und Ungarn nach Österreich, wo er schließlich am 08.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.

In Österreich ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist im Sudan nicht der Gefahr einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung aufgrund seines Aktivismus gegen weibliche Genitalverstümmelung ausgesetzt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (Gesamtaktualisierung am 02.02.2024) auszugsweise soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:

Politische Lage

Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär- islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 - Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärische Übergangsrat (Transitional Military Council -TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change - FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).

Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council - SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).

Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front - RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen - das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People's Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).

Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in Port Sudan durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces - SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).

Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De- facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).

Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).

Sicherheitslage

Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).

Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).

Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).

Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023).

Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).

Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes. Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023).

Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).

Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).

Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).

Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).

Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).

Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).

Rechtsschutz / Justizwesen

In der Verfassungserklärung und den einschlägigen Gesetzen ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 20.3.2023). Sie ist formal unabhängig und nicht weisungsgebunden, aber der Sudan ist kein Rechtsstaat. Der institutionell schwachen Verwaltung fehlt es häufig an Kompetenz und Mitteln, aber auch am Willen, Zuständigkeiten, Gesetze und Verordnungen transparent auszulegen und anzuwenden. Es gibt weiterhin keine funktionierende Gewaltenteilung. Die Rechtsprechung ist zwar formell nicht an politische Vorgaben gebunden, aber die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss (AA 1.6.2022).

Die Übergangsverfassung von 2019 gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte, darüber hinaus hat Sudan eine Reihe von internationalen Konventionen ratifiziert. Die praktische Umsetzung lief jedoch schleppend und wird angesichts des Militärputsches und dem seither verhängten Ausnahmezustand noch stärker infrage gestellt (AA 1.6.2022).

Die Interimsverfassung beabsichtigte die politisch beeinflusste Justiz der Ära al-Baschir durch eine unabhängige Richterschaft zu ersetzen. Im Mai 2021 setzte der Souveränitätsrat (SC) den Obersten Richter Nemat Abdullah Khair ab und akzeptierte den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Taj al-Ser Ali al-Hebr, der sich über die mangelnde Unabhängigkeit beklagt hatte. Im selben Monat wurden zudem mehr als 20 Staatsanwälte aus ihrem Amt entlassen. Nach dem Coup vom Oktober 2021 ersetzte General Burhan den amtierenden Generalstaatsanwalt wie den Obersten Richter durch ehemalige Funktionäre der Nationalen Kongresspartei (National Congress Party – NCP) [die Partei al-Baschirs, Anm.]. Der neue Oberste Richter, Abdulaziz Fath al-Rahman Abdeen, ordnete im Dezember 2021 die Wiedereinsetzung aller zuvor entlassenen Richter an (FH 2023), wodurch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz untergraben wurde, so das US-amerikanische Außenministerium (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitsbehörden

Bis Oktober 2021 trug das Innenministerium die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit. Das Innenministerium hatte die Aufsicht über die Polizeibehörden, das Verteidigungsministerium und den Allgemeinen Nachrichtendienst. Zu diesen Polizeibehörden gehören die Sicherheitspolizei, die Polizeispezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte sog. Zentrale Reservepolizei. Verschiedene Kräfte dieser Polizeieinheiten waren im ganzen Land präsent. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Sicherheitsdienste, einschließlich der SAF, der RSF, des Grenzschutzes und der Verteidigungs- und militärischen Nachrichtendienste. Sie sind auch für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig (USDOS 20.3.2023).

Die Polizei zeichnet sich durch einen Mangel an Personal, Fachkenntnissen und Ausstattung aus. Ein häufiger Wechsel auf Leitungspositionen beeinträchtigt außerdem die Formulierung und Umsetzung strategischer Ziele. Aufgrund geringer Gehälter sind viele Polizisten auf Nebeneinkünfte angewiesen, wodurch sich die Korruptionsgefahr erhöht. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Polizei immer wieder wegen exzessiver Gewaltanwendung. Auf Demonstrationen erleiden Protestierende nicht selten Verletzungen durch Polizisten, in einigen Fällen wurde auch von Vergewaltigungen und Todesfällen berichtet. Angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften kann allerdings nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Täter zur Polizei gehören. Grundsätzlich genießt die sudanesische Polizei kein großes Vertrauen oder hohes Ansehen in der Bevölkerung, weshalb oft keine Strafanzeigen gestellt werden (AA 1.6.2022).

Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vgl. CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren (AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022).

Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vgl. AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vgl. CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau (CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vgl. UKHO 6.2022).

Auch aufgrund des im April 2023 ausgebrochenen Konflikts zwischen SAF und RSF leidet die Zivilbevölkerung in Darfur weiterhin unter dem Versagen der sudanesischen Behörden, für Sicherheit zu sorgen. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch sudanesische Regierungstruppen dokumentiert, u. a. rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen, rechtswidrige Zerstörungen von zivilem Eigentum, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen, ethnische Säuberungen und Einsätze chemischer Waffen (AI 24.4.2023).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassungserklärung von 2019 verbietet zwar Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (USDOS 20.3.2023), Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können jedoch Folter, auch mit Todesfolge, einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle (AA 1.6.2022). Auch gibt es zahlreiche Berichte über gewaltsame Übergriffe auf friedliche Demonstranten unter der Militärjunta (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte haben auch Kinder misshandelt, bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt (HRW 12.1.2023).

Die Übergangsregierung hatte Schritte zur Stärkung einiger Rechte unternommen. Durch Änderungen des Strafgesetzes sind Auspeitschen und andere Formen der Körperstrafe seit 13. Juli 2020 verboten (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst und Haft geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 1.6.2022). Außerdem wird häufig mit Gewalt gegen Aktivisten, politische Gefangene und Journalisten vorgegangen. Diese werden ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt in Isolationshaft gehalten und waren häufig Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung (FH 2023). Auch in Gefängnissen sind außergerichtliche Tötung und tödliche Folter verbreitete Praktiken (BS 2022; vgl. OMCT 30.8.2021, USDOS 20.3.2023).

UN-Experten äußerten sich im August 2023 alarmiert über Berichte über brutale und weitverbreitete Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt durch die Streitkräfte RSF. Dazu gehören Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen und Handlungen wie Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Berichten zufolge wurden Hunderte von Frauen durch die RSF inhaftiert und unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen festgehalten, sexuellen Übergriffen ausgesetzt und sind von sexueller Sklaverei bedroht (OHCHR 17.8.2023). Am 6.12.2023 erklärten die USA offiziell, dass man bestätigen könne, dass die Rapid Support Forces (RSF) und verbündete Milizen Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu zählten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, insbesondere in West-Darfur. Zudem wird die Misshandlung von Inhaftierten in Haftanstalten der sudanesischen Armee (SAF) und der RSF angemahnt. Unmittelbare Konsequenzen für die Kriegsparteien haben diese Feststellungen allerdings nicht (BAMF 11.12.2023).

Von den in der Scharia, die im Sudan als Rechtsquelle Gültigkeit besitzt, festgelegten Köperstrafen ist vor allem die Prügelstrafe weit verbreitet. Es kommt außerdem vor, dass Frauen wegen „unschicklicher Kleidung“ mit Stockhieben bestraft werden. Das einschlägige Gesetz (Public Order Law) wurde Ende November 2019 abgeschafft. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. In bestimmten Fällen können Körperstrafen durch Zahlung von „Blutgeld“ abgewendet werden. Insgesamt ist eine Lockerung der strengen Regeln zu beobachten (AA 1.6.2022).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen stand während des al-Baschir-Regimes unter strenger staatlicher Beobachtung. In der Zeit der zivil-geführten Regierung ließ dieser Druck kurzzeitig nach, doch seit dem Militärputsch steigt er wieder an (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023). Menschenrechtsgruppen befürchten seitdem Vergeltungsmaßnahmen seitens der Regierung. Unter der Übergangsregierung (arbeiteten inländische wie internationale Menschenrechtsgruppen im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen - sie untersuchten und veröffentlichten ihre Erkenntnisse über Menschenrechtsfälle. Regierungsbeamte waren oft kooperativ und gingen auf ihre Ansichten ein, auch wenn einige Einschränkungen für NGOs bestehen blieben, insbesondere in Konfliktgebieten (USDOS 20.3.2023).

Der Zugang nach Darfur, darunter einige Teile Nord-Darfurs und das östliche Marra-Gebirge, und zu anderen vom Konflikt betroffenen Regionen ist für UN-Organisationen weiter eingeschränkt. Für humanitäre Hilfeleistung sind die Verwaltungsverfahren nach wie vor kompliziert und variieren sowohl zwischen Bundes- und Landesbehörden als auch zwischen den einzelnen Bundesstaaten. Laut manchen Beobachtern versucht die Regierung aktiv den internationalen Zugang zu „sensiblen“ Gebieten einzuschränken, weshalb auch die Zahl ausgestellter Visa für UN-Polizisten wie IStGH-Ankläger gering ausfällt (USDOS 20.3.2023).

Menschenrechtsaktivisten können Beschwerden über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen bei der staatlichen Nationalen Menschenrechtskommission einreichen. In der Regel leitet sie solche Beschwerden an die beschuldigte Institution weiter. Obwohl die Kommission nicht formell aufgelöst wurde, ist sie seit dem Militärputsch untätig (USDOS 20.3.2023).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Übergangsverfassung von 2019 verpflichtet die Übergangsregierung die Menschenrechte aller Bürger ohne Diskriminierung zu wahren und ihre Gleichbehandlung vor dem Gesetz zu gewährleisten. In der Verfassung wird ferner die Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen eingefordert (FH 2023 vgl. AA 1.6.2022). Der Ausnahmezustand, der kurz nach dem Militärputsch verhängt wurde, schränkt jedoch einige bürgerliche Freiheiten ein (AA 1.6.2022).

Im Jahr 2022 gehörten zu den großen Menschenrechtsproblemen rechtswidrige Tötungen, unmenschliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie Korruption in der Regierung. Weitere Probleme sind geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung sexueller Minderheiten und Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitskräfte gehen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor, töten Demonstrierende und verletzen Tausende. Protestteilnehmer, darunter auch Minderjährige, werden rechtswidrig inhaftiert und misshandelt (AI 28.3.2023). Zwar hat die Militärregierung Sonderausschüsse zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingerichtet, bislang aber noch keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Paramilitärische Kräfte und Rebellengruppen verüben nach wie vor Gewalttaten gegen Zivilisten, vor allem in Darfur, Südkordofan und Blue Nile, während lokale Milizen aufgrund von fehlender Militärpräsenz und Straffreiheit weiterhin erheblichen Einfluss ausüben. Interkommunale Gewalt, die auf Landbesitzstreitigkeiten und Ressourcenknappheit beruht, führt zu Todesfällen (USDOS 20.3.2023).

Die Menschenrechts- und Schutzsituation im Sudan hat sich 2023 weiter dramatisch verschlechtert, insbesondere in Khartum und Darfur. Die Gewalteskalation in dicht besiedelten Gebieten der umkämpften Städte führt zu einer großen Zahl ziviler Opfern und zur weitgehenden Zerstörungen der Infrastruktur. Zwischen 7.5.2023 und 20.8.2023 dokumentierte die UN-Mission im Sudan 655 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und -Misshandlungen in Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt und bewaffneten Zusammenstößen. Davon waren insgesamt 12.629 Menschen direkt betroffen. Auch in Darfur hat sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, dank gezielter Angriffe und massiver Gewalt. In al-Dschunaina flammte im Kontext des Konflikts zwischen den SAF und den RSF ethnisch motivierte Gewalt ebenfalls wieder auf, ebenso außerhalb der größeren Städte Darfurs. Besorgniserregend, so der UN-Sicherheitsrat, sind die gezielten Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten sowie die Morde an prominenten Persönlichkeiten der Masalit. Die anhaltende Unterbrechung der Telekommunikation erschwert in Darfur die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht (UNSC 31.8.2023).

Frauen

Trotz der in der Übergangsverfassung verankerten Gleichbehandlungsgarantien und einiger Verbesserungen in jüngster Zeit sind Frauen in vielen Rechtsbereichen weiterhin benachteiligt. Die Übergangsregierung ratifizierte im April 2021 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, versäumte es jedoch, die Bestimmungen zur Anerkennung der Gleichstellung in den Bereichen Ehe, Scheidung und Elternschaft zu billigen. Zudem werden Frauen durch die geltenden Ehegesetze diskriminiert (FH 2023). Gegenwärtig sind mehr als vier Millionen sudanesische Frauen und Mädchen von sexueller bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht (WHO 24.7.2023), wobei schon vor Ausbruch der Kämpfe nach UN-Schätzungen mehr als drei Millionen gefährdet waren, auch durch häusliche Gewalt (WHO 5.7.2023). Vergewaltigung, sexuelle Belästigung sowie häusliche Gewalt sind im Sudan Straftaten, und eine Überlebende einer Vergewaltigung kann nicht wegen Ehebruchs belangt werden. Die Vergewaltigung in der Ehe ist hingegen nicht als Straftat anerkannt. Es gibt keine verlässlichen Statistiken zur Häufigkeit von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt im Land. Menschenrechtsorganisationen berichten von erheblichen Hindernissen bei Anzeigen von geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter kulturelle Normen, eine zurückhaltende Ermittlungsbereitschaft der Polizei und Straffreiheit für Täter (USDOS 20.3.2023). Letztere bleiben vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte straffrei (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Demonstrantinnen sind im Sudan oft sexuellen Übergriffen ausgesetzt (AI 27.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Nach Angaben des UN-Experten für die Menschenrechtssituation im Sudan wandten Angehörige der Sicherheitskräfte sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, darunter auch Vergewaltigungen, gegen Frauen, die sich an vorderster Front an den Protesten gegen den Militärputsch beteiligt hatten, an (AI 27.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Ferner gibt es mehrere Berichte über sexuelle Gewalt von Sicherheitskräften gegen Frauen im ganzen Land, angeblich um sie von der Teilnahme an Protesten abzuhalten (USDOS 20.3.2023). Seit dem Ausbruch des Konflikts im April 2023 ist sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Sudan endemisch geworden. Mit Stand Ende August 2023 hat das Referat zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Combating Violence Against Women - CVAW), eine staatliche Stelle, 124 Vergewaltigungsfälle seit Konfliktbeginn dokumentiert, wobei fast alle Fälle von den RSF begangen wurden (TG 29.8.2023). Angesichts der hohen Dunkelziffer bei geschlechtsspezifischer Gewalt ist die tatsächliche Zahl der Fälle höchstwahrscheinlich weitaus höher (WHO 5.7.2023): Die CVAW geht z. B. davon aus, dass sie nur ungefähr 2 % der Gesamtfälle dokumentiert (SC 7.7.2023). Für viele Überlebende ist es aufgrund von Scham, Stigmatisierung oder Angst vor Repressalien schwer, sexuelle Gewalt anzuzeigen. Die Meldung von Übergriffen und die Inanspruchnahme von Hilfe wird auch durch den Mangel an Elektrizität und Internetanschlüssen sowie durch den fehlenden Zugang für humanitäre Hilfe aufgrund der instabilen Sicherheitslage erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Angriffe auf und die Besetzung von Gesundheitseinrichtungen hindern Opfer auch daran, medizinische Notversorgung zu suchen und in Anspruch zu nehmen (WHO 5.7.2023). Aktivisten und Mediziner nutzen die sozialen Medien, um ein Unterstützungsnetz für Überlebende und von sexueller Gewalt bedrohte Frauen zu schaffen (AJ 16.5.2023). Vertriebene und sich auf der Flucht befindende Frauen sind überdies besonders gefährdet, Opfer sexueller Gewalt zu werden (WHO 24.7.2023; vgl. UNHCR 15.6.2023, WHO 5.7.2023). Mehrere NGOs berichten, dass Frauen von den RSF entführt werden, um Lösegeld zu erpressen. Während sie als Geiseln gehalten werden, werden sie oft vergewaltigt. Viele werden in den Tschad verschleppt oder als Sexsklaven missbraucht (TG 29.8.2023), und Hunderte Frauen werden von den Milizionären unter unmenschlichen, erniedrigenden Bedingungen gefangen gehalten (UN News 17.8.2023). Gemäß einer Gruppe unabhängiger UN-Menschenrechtsexperten setzen die RSF „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt“ gegen Frauen wie Mädchen „als Mittel zur Bestrafung und Terrorisierung von Gemeinschaften“ ein (UN News 17.8.2023; vgl. TG 29.8.2023). Die überwiegende Mehrheit jener Taten wird in den beiden Bundesstaaten al-Khartum und Darfur begangen (SC 7.7.2023; vgl. ST 1.7.2023, WHO 5.7.2023). In Khartum und in al-Dschunaina, West-Darfur, soll es die meisten Fälle von sexueller Gewalt geben (AJ 16.5.2023). In West-Darfur kommt es weiterhin zu geschlechtsspezifischer Gewalt, darunter konfliktbedingte sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen. In Darfur wurden nach Angaben des UN-Experten bei interethnischen Auseinandersetzungen und Angriffen auf vertriebene Frauen und Mädchen acht Vergewaltigungen verübt, die 15 Frauen und fünf Mädchen betrafen. Bei den Tätern handelte es sich um bewaffnete Männer, von denen die meisten Militäruniformen trugen. Obwohl alle acht Fälle bei der Polizei angezeigt wurden, erfolgte nur in einem einzigen Fall - der Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens in Nord-Darfur - eine Festnahme (AI 27.3.2023). Die Einheit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen des sudanesischen Ministeriums für soziale Entwicklung berichtet von einer deutlichen Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt in Khartum, Süd-Darfur und West-Darfur, die angeblich von den RSF und verbündeten Einheiten verübt wurde (UNSC 31.8.2023). 2019 hob die Übergangsregierung das Gesetz über die öffentliche Ordnung auf, das u. a. Frauen für als unanständig empfundene Kleidung oder Verhalten bestrafen konnte. Nichtsdestotrotz berichten feministische Gruppen, dass Frauen weiterhin für „Verstöße gegen die Moral“ bestraft werden (FH 2023). Weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung (FGM/C) ist nach wie vor verbreitet und wird im ganzen Land angewendet. 2020 wurde FGM/C kriminalisiert und unter Strafe gestellt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht eine Strafe von drei Jahren Haft vor. Ob es seit dem Militärputsch durchgesetzt wird, ist allerdings unklar. Nach UN-Angaben liegt die Prävalenzrate von FGM/C bei Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren bei 87 %, wobei es geografische wie ethnische Unterschiede gibt (USDOS 20.3.2023).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen und Emigration vor, und obwohl die Regierung diese Rechte weitgehend respektiert (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), werden diese Rechte in der Praxis immer noch von staatlichen Sicherheitskräften und anderen bewaffneten Gruppen im ganzen Land behindert. Die meisten der mehr als 3,7 Millionen IDPs im Sudan (Stand: Juli 2022) konzentrieren sich auf die langjährigen Konfliktgebiete Darfur, Südkordofan und Blue Nile (FH2023). Die sudanesische Lagerpolitik schränkt die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern und Flüchtlingen ein, indem sie sie verpflichtet, in ausgewiesenen Lagern zu bleiben. Außerhalb der Lager wurden einige Flüchtlinge und Asylbewerber verhaftet, schikaniert oder erpresst (HRW 12.1.2023).

Ferner begann die Regierung die Bewegungsfreiheit von Personen in einigen der von ethnischen Konflikten betroffenen Bundesstaaten einzuschränken. Aus mehreren Berichten geht hervor, dass diese Entscheidung vor allem bereits gefährdete oder marginalisierte Gemeinschaften getroffen hat (FH 2023). Für Menschen außerhalb der Konfliktgebiete war die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes im Allgemeinen ungehindert (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2020 schaffte die Übergangsregierung die Notwendigkeit von Ausreisegenehmigungen sowie eine Vorschrift ab, nach der Frauen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen mussten, um mit Kindern ins Ausland zu reisen (FH 2023).

Rückkehr

Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen oder Asylbewerbern sowie anderen gefährdeten Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 20.3.2023).2021 kehrten knapp 800 sudanesische Flüchtlinge aus Niger, Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko, Somalia und Dschibuti zurück, so die IOM. 2022 registrierte die IOM einen starken Anstieg. Rückkehrende können durch IOM betreut werden, sofern sie dies wünschen (AA 1.6.2022).

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) hat keine Kenntnis von einer etwaigen besonderen Behandlung der nach Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland hat nach Erkenntnissen des AA bisher nicht zu staatlichen Repressionen geführt (AA 1.6.2022). Weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland führten bisher zu einer Gefährdung bei der Rückkehr. Das gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer. Selbst Personen, die im Ausland Asyl erhalten haben, können in den Sudan zurückkehren, wie im Sudan lebende Betroffene berichten. Mit erhöhter Aufmerksamkeit der Behörden, d.h. zusätzlichen Fragen bei der Einreise, müssen Personen, deren politisches Engagement bekannt ist, bisweilen rechnen. Für Personen, die aus Europa zurückkehren und nicht öffentlich gegen die Regierung auftraten, besteht dieses Risiko im Regelfall nicht (AA 1.6.2022).

Der UNHCR fordert in Anbetracht der derzeit instabilen Lage im Sudan Aufnahmestaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Asylanträge von sudanesischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen auszusetzen. Die Aussetzung sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage im Sudan stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation vorliegen, um die Notwendigkeit der Gewährung internationalen Schutzes für einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können (RW 5.2023).

Dokumente

Das Urkundenwesen in Sudan ist unzulänglich. Gegen Geldzahlung ist fast jede gewünschte Urkunde erhältlich. Seit 2016 werden keine Beglaubigungen mehr vorgenommen, es findet aber weiterhin eine anwaltliche Urkundenüberprüfung statt. Ältere sudanesische Ausweisdokumente sind in der Regel echt, allerdings können sie unwahre Angaben in Bezug auf Fotos, Namensführung und Alter enthalten. Die Gültigkeit aller nicht maschinenlesbaren Pässe endete am 24.11.2015. Seit 2013 werden biometrische und maschinenlesbare Reisepässe ausgestellt, bei denen eine nachträgliche Verfälschung praktisch nicht mehr möglich ist. Im Zweifelsfall kann ein Kooperationsanwalt eine Überprüfung der Angaben vornehmen. In vielen Gebieten existiert ein nur spärliches Urkunden- und Registerwesen. Es ist weiterhin eine Zunahme an durchgeführten Urkundenüberprüfungen von im Rahmen der Visumverfahren vorgelegten Ehe- und Geburtsurkunden aus der Region zu verzeichnen. Die Echtheit von Dokumenten (Personenstandsurkunden, Gerichtsurteile, Anzeigen, usw.) kann ebenfalls durch einen Kooperationsanwalt überprüft werden (AA 1.6.2022).

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen EUAA-Bericht "Sudan: Country Focus Report" vom Februar 2025 auszugsweise soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:

Zur aktuellen Lage des Sudan

Der Sudan hat eine wechselvolle Geschichte, das von Kolonialismus und Militärputschen und -herrschaften geprägt ist. Das Militär hat erheblichen Einfluss nicht nur auf die Politik, sondern auch auf große Teile der Wirtschaft. Der Langzeitherrscher Omar al Bashir, der selbst mit einem Militärputsch an die Macht kam, regierte das Land von 1989 bis 2019 autoritär und etablierte eine islamisch dominierte Regierung. Eine weit verbreitete Verfolgung politscher Gegner, Unterdrückung von Minderheiten und die Anwendung grausamer Strafen, wie Amputationen prägten seine Amtszeit. Gewaltsame Auseinandersetzungen in Darfur und im Südsudan forderten Tausende Opfer und vertrieben Millionen. Vor allem wegen der Vorgänge in Darfur klagte der Internationale Strafgerichtshof, ICC Omar al Bashir und seine Gefolgsleute wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschheit an. Ende 2018 begannen landesweite Proteste gegen das Regime und führten schließlich zum Sturz von Omar al Bashir. Die Proteste dauerten auch nach dem Sturz des Langzeitherrschers an und führten zu gewaltsamen Angriffen auf Demonstranten und der Eskalation der Gewalt in West-Darfur.

Nach dem Putsch von 2019 versuchten die Militärführer al-Burhan und RSF-Chef Hemedti, die Kontrolle zu behalten. Sie vereinbarten, die Macht mit der „Kräften für Freiheit und Wandel“ (FFC) zu teilen, einer Koalition von Oppositionsparteien, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Widerstandskomitees. Dies führte zur Bildung eines Übergangsrates (TSC) mit dem Ziel, die Macht bis November 2021 an eine zivile Regierung zu übertragen. Doch politische Spannungen, insbesondere über die Vertretung im Gesetzgebungsorgan und die wachsende Kritik des Militärs an zivilen Beamten, führten zu einem Zerfall der Koalition.

Der ernannte Premierminister, Abdalla Hamdok, ein Wirtschaftsexperte, wurde im Oktober 2021 verhaftet und abgesetzt, nachdem er zugestimmt hatte, mehr Macht an Burhan, Hemedti und den Sicherheitssektor abzugeben. Er wurde zwar im November 2021 wieder eingesetzt, doch die Pro-Demokratie-Proteste, die insbesondere von Frauen angeführt wurden, hielten in mehreren Städten an und führten zu weiteren Gewalttaten. Hamdok trat schließlich im Januar 2022 zurück, und Burhan übernahm die de facto Kontrolle als Staatsoberhaupt, mit Hemedti als Stellvertreter.

Trotz weiterer Verhandlungen wurde im Dezember 2022 ein Übergabevertrag zur zivilen Führung und nationalen Wahlen beschlossen, der jedoch auf massiven Widerstand stieß, als Tausende gegen das Abkommen protestierten und den sofortigen Machtübergang an Zivilisten forderten. Diese Proteste hielten bis Anfang 2023 an. Nachdem Verhandlungen über die Bildung einer zivilen Regierung und die Durchführung von Workshops zur Sicherheitssektor-Reform gescheitert waren, eskalierten die Spannungen zwischen den beiden großen Sicherheitskräften im Land, was letztlich zum Ausbruch des Konflikts zwischen der SAF und der RSF führte.

Die 2019 unterzeichnete Verfassungsdeklaration setzte einen Schwerpunkt auf den Friedensprozess, der 2020 im Juba-Friedensabkommen (JPA) mündete und nationale sowie regionale Vereinbarungen zu Themen wie Machtteilung, Sicherheit, Landbesitz und Übergangsjustiz beinhaltete. Das Abkommen führte zu sechs bilateralen Friedensabkommen mit bewaffneten Gruppen, jedoch unterschrieben nicht alle relevanten Gruppen. Nach dem Staatsstreich 2019 wurde das Parlament aufgelöst, und 2021 wurde ein Verfassungsdekret für ein föderales System erlassen, doch die Übergangsregierung blieb unvollständig. Ein Rahmenabkommen von 2022 setzte eine Übergangszeit von zwei Jahren und legte Schwerpunkte wie Rechenschaftspflicht und Sicherheitssektor-Reformen fest. Wahlen, die für 2022 geplant waren, wurden auf 2024 verschoben. Im Mai 2023 entließ Präsident al-Burhan Hemedti und ernannte Malik Agar als neuen Stellvertreter, während gleichzeitig zivile und gewerkschaftliche Gruppen durch ministerielle Dekrete aufgelöst wurden. Ende 2024 bildeten die Rapid Support Forces (RSF) eine parallele zivile Regierung in Khartum unter Abdul Latif Abdullah al-Amin al-Hassan.

Zur Rechtsstaatlichkeit und zur Durchsetzung des Rechts

Die Rechtsstaatlichkeit und Verwaltung der Justiz im Sudan sind seit dem Ausbruch des Konflikts 2023 stark beeinträchtigt. Laut dem UN-Forschungsmechanismus für den Sudan (UN FFM) wurde die rechtliche Infrastruktur zerstört und die Polizei sowie die Justizfunktionen gestört, was zu einer weit verbreiteten Kultur der Gewalt und Straflosigkeit führte. Die Regierung verhängte einen Ausnahmezustand, der den Sicherheitskräften erweiterte Befugnisse und Immunität verschaffte. Die diesbezügliche Missachtung der Rechtsstaatlichkeit wurde durch den World Justice Rule of Law Index 2024 bestätigt, der einen erheblichen Rückgang der Gesamtbewertung des Sudan dokumentierte. Die Gesetze erlauben Festnahmen ohne Haftbefehl und die Inhaftierung von Personen ohne Anklage für längere Zeiträume, während viele Menschenrechtsverletzungen wie Folter und willkürliche Verhaftungen weiterhin stattfinden. Die Justiz ist größtenteils von der Exekutive kontrolliert, und Anwälte, die Menschen in Fällen von Menschenrechtsverletzungen vertreten, sehen sich mit Bedrohungen und Hindernissen konfrontiert.

Sudan hat ein gemischtes Rechtssystem, das islamisches Recht und englisches Common Law kombiniert, wobei die Scharia in vielen Gesetzen verankert ist. Einige Reformen, wie das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung und das Ende öffentlicher Auspeitschungen, wurden 2020 eingeführt. Dennoch bleibt das Rechtssystem lückenhaft, insbesondere bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und der Strafverfolgung von Verantwortlichen. Auch die rechtliche Anerkennung von Verbrechen wie erzwungenen Verschwindenlassen ist nicht gegeben. Zudem sind die Rechte von Frauen in vielen Bereichen weiterhin benachteiligt.

Das Justizsystem des Sudan, das 2019 mit der Verfassungsdeklaration reformiert werden sollte, ist größtenteils inaktiv. Bis 2022 war nur das Oberste Gericht etabliert, während das Verfassungsgericht unbesetzt blieb. Die richterliche Unabhängigkeit ist eingeschränkt, da die Exekutive Einfluss auf die Justiz ausübt. Der Konflikt hat zu gezielten Angriffen auf Justizinstitutionen und die Zerstörung wichtiger gerichtlicher Aufzeichnungen geführt. Die Bemühungen, eine funktionierende Justiz zu schaffen, wurden durch die bewaffneten Gruppen und die Zerstörung der Infrastruktur weiter behindert.

Die Staatsanwaltschaft hat nach der militärischen Übernahme 2023 eine nationale Untersuchungskommission für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt, jedoch gibt es zahlreiche Hindernisse, insbesondere für die Verfolgung von sexueller Gewalt. Opfer von sexueller Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, sind häufig mit rechtlichen und gesellschaftlichen Barrieren konfrontiert. Während die RSF versuchten, ein eigenes Justizsystem und ein militärisches Gericht zu etablieren, wurde die Umsetzung von Gerechtigkeit durch diese Strukturen in der Praxis weitgehend verhindert.

Die Polizei hat ihre Rolle aufgrund des Konflikts weitgehend verloren, und in vielen Konfliktgebieten gibt es keine funktionierenden Polizeikräfte. Die Sicherheitsbehörden, darunter die RSF, haben die Polizei in vielen Regionen ersetzt und setzen den Ausnahmezustand durch, der den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse verleiht. Die Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung sind jedoch durch die anhaltende Gewalt und die Zerstörung der rechtlichen Infrastruktur stark eingeschränkt.

Zur Menschenrechtssituation

Die Verfassungsdeklaration von 2019 legte fest, dass alle Rechte und Freiheiten, die in internationalen Menschenrechtsabkommen enthalten sind und von Sudan ratifiziert wurden, ein integraler Bestandteil der neuen Verfassung sind. Auf regionaler Ebene ist Sudan unter anderem Vertragsstaat der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (ACHPR) und der Afrikanischen Charta der Rechte und des Wohlergehens des Kindes (ACRWC). Sudan hat jedoch das Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen (CEDAW) und das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen nicht ratifiziert. Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter und sexueller Gewalt, wurden von der UN und Human Rights Watch (HRW) dokumentiert. Sowohl die Sudanese Armed Forces (SAF) als auch die Rapid Support Forces (RSF) sind an zahlreichen Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Migranten, Flüchtlinge, Asylsuchende und intern Vertriebene (IDPs) sind besonders anfällig für sexuelle und Arbeitsausbeutung, auch durch kriminelle Netzwerke, die mit Menschenhandel beschäftigt sind.8

Exekutionen ohne Gerichtsverfahren

Die UN, internationale Menschenrechtsorganisationen und Medien berichteten von weit verbreiteten extralegalen Tötungen durch die SAF, RSF und verbündete Milizen. Beide Parteien haben Hinrichtungen von Kriegsgefangenen aus den Reihen der gegnerischen Kräfte durchgeführt. Im Oktober 2024 wurden in Al Jazeera Massenmorde an Zivilisten gemeldet, denen die RSF zugeschrieben wurden, und ähnliche Vorfälle wurden in Khartum beobachtet. Die Emergency Lawyers Group dokumentierte willkürliche Verhaftungen und extralegale Tötungen, insbesondere in Port Sudan. Visuelle Beweise bestätigten die Beteiligung der RSF an den extralegalen Tötungen von wehrlosen Zivilisten in Nord-Darfur im Juni 2023.

Willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen

Obwohl die Übergangsverfassung das Recht auf ein faires Verfahren garantiert, haben Sicherheitskräfte weiterhin Verhaftungen und Inhaftierungen ohne Haftbefehl oder rechtliche Begründung vorgenommen. Sowohl die SAF als auch die RSF haben Personen aufgrund vermuteter politischer Zugehörigkeit oder ethnischer Herkunft inhaftiert. Die SAF hat das "Gesetz über unbekannte Gesichter" eingeführt, das Personen aufgrund vermuteter sozialer Zugehörigkeit ohne Beweise ins Visier nimmt. Im Mai und Juni 2024 wurden Verhaftungen von Zivilisten und politischen Aktivisten in verschiedenen Teilen Sudans gemeldet, insbesondere in von der RSF besetzten Gebieten. Im Oktober 2024 wurden Nuba-Mitglieder der Sudanischen Christlichen Kirche in Shendi, im Bundesstaat River Nile, verhaftet und von der SAF misshandelt, weil sie verdächtigt wurden, mit der RSF zusammenzuarbeiten.

Erzwungenes Verschwindenlassen

Die Sudanese Group of Victims of Enforced Disappearance (SGVED) bestätigte Anfang 2024 das Verschwinden von 993 Personen, darunter 897 Männer und 96 Frauen, mit Berichten über weitere Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen in Khartum und anderen Bundesstaaten. Das African Centre for Justice and Peace Studies (ACJPS) berichtete von 1.140 Fällen von erzwungenem Verschwindenlassen im ersten Jahr des Krieges. Die UN-Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen identifizierte bis 2024 177 noch ungelöste Fälle. In von der RSF kontrollierten Gebieten wurden Familien gezwungen, Lösegelder für die Freilassung ihrer verschwundenen Angehörigen zu zahlen. Kulturelle und gesellschaftliche Druckfaktoren hinderten viele daran, das Verschwinden von Frauen zu melden.

Behandlung in Haft und Haftbedingungen

Sowohl die SAF als auch die RSF betrieben Haftzentren in Khartum und den umliegenden Gebieten. Häftlinge leiden unter Überfüllung, Nahrungsmittelknappheit, unzureichender Gesundheitsversorgung und körperlicher Misshandlung. Die Bedingungen sind menschenunwürdig, mit Berichten über Hunger, sexuelle Gewalt und Schläge. Internationale Beobachter hatten seit Beginn des Konflikts keinen Zugang zu den Haftanstalten. Im Juni 2024 führten regionale Profiling-Politiken zur Inhaftierung von Personen aus westlichen sudanesischen Staaten, die in den Haftzentren misshandelt wurden. Gefängnisse wurden angegriffen, was zur Freilassung von Häftlingen führte, von denen einige sich den militärischen Operationen anschlossen oder kriminelle Aktivitäten begannen.

Folter und körperliche Misshandlung

Sowohl die SAF als auch die RSF waren an der Folter und Misshandlung von Zivilisten beteiligt. Foltermethoden umfassen körperliche Gewalt, psychische Misshandlung und sexuelle Gewalt. Berichte über Schläge, Elektroschocks und andere Foltermethoden wurden insbesondere aus Khartum, Al Jazirah, Nord- und West-Kordofan gemeldet. Die Verfassungsurkunde von 2019 verbietet Folter, doch Gesetze wie die Übergangsverfassung von 2005 und das National Security Act von 2010 ermöglichen Praktiken, die Häftlinge der Folter aussetzen.

Todesstrafe

Sudan behält die Todesstrafe für schwere Straftaten gemäß Artikel 27 des Sudanese Criminal Act bei. Obwohl die Todesstrafe für Apostasie 2020 abgeschafft wurde, bleibt sie für schwere Straftaten wie Verbrechen gegen den Staat gültig. Seit Beginn des Konflikts wurden Zivilisten, die sich gegen den Krieg stellen oder die RSF unterstützen, des Spionierens beschuldigt und mit der Todesstrafe belegt. Im Jahr 2024 wurden mehrere Todesurteile in den von der SAF kontrollierten Gebieten gegen Personen verhängt, die der RSF Unterstützung oder der Untergrabung des Verfassungssystems beschuldigt wurden.

Weibliche Genitalverstümmelung

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) bezeichnet „alle Verfahren, die eine teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien oder eine andere Verletzung der weiblichen Genitalien aus nichtmedizinischen Gründen beinhalten“. Obwohl FGM im Sudan im Jahr 2020 unter Strafe gestellt wurde, ist diese Praxis immer noch „weit verbreitet“. In einem Aufsatz aus dem Jahr 2024 über die Geschlechterverhältnisse im Sudan vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Krieges wird darauf hingewiesen, dass seit Anfang der 2000er Jahre „traditionelle Hebammen“ und „Beschneiderinnen“, die in der Vergangenheit von der Durchführung von FGM profitierten, in nationalen Gesundheitskampagnen tätig sind, um Familien davon zu überzeugen, FGM zu beenden. Nach Ansicht der Autoren des Aufsatzes ist es wahrscheinlich, dass FGM nach April 2023 und angesichts der durch den Konflikt beeinträchtigten Infrastruktur des Gesundheitswesens wieder aufleben wird, da die Gehälter der Hebammen nicht gezahlt wurden und die Umsetzung des Gesetzes, das FGM unter Strafe stellt, nicht durchgesetzt wird.

Der Sudan hat eine der höchsten Raten von Genitalverstümmelungen in der Welt. Einem Bericht des sudanesischen Central Bureau of Statistics (CBS) und UNICEF aus dem Jahr 2014 zufolge haben sich etwa 87 % der sudanesischen Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren und 31 % der Mädchen unter 15 Jahren einer Genitalverstümmelung unterzogen. Regional variieren die Raten von 45,4 % in Zentral-Darfur bis zu 97 % in Nord-Kordofan, 97,3 % in Ost-Darfur und 97,6 % in Nord-Darfur. In dem Bericht von Sudan's CBS und UNICEF heißt es: „FGM wird im Sudan in der Regel an Mädchen im Alter zwischen 4 und 14 Jahren durchgeführt, [aber] auch an Säuglingen, Frauen, die kurz vor der Heirat stehen, und manchmal an Frauen, die mit ihrem ersten Kind schwanger sind oder gerade entbunden haben“.

Genitalverstümmelung ist unter sudanesischen Binnenvertriebenen, die in Flüchtlingslagern im Tschad leben, sehr verbreitet. The Guardian berichtete, dass die FGM-Rate im Tschad (34,1 % der Frauen insgesamt) im Süden und Osten des Landes, wo sich die Lager für sudanesische Binnenvertriebene befinden, besonders hoch ist. Bei einem Besuch von The Guardian im Flüchtlingslager Adré im Tschad traf die Journalistin drei Mädchen im Alter von drei bis neun Jahren, die von ihrer Familie auf die Beschneidung „vorbereitet“ wurden, indem sie Henna-Tätowierungen auf die Füße und Finger der Mädchen aufbrachten. Dies sei eine „traditionelle Art und Weise, die Genitalverstümmelung zu ‚zelebrieren‘“, und nach Angaben eines Sozialarbeiters im Lager finde die Genitalverstümmelung „im Geheimen statt, weil sie gegen die tschadischen Gesetze verstößt“, wobei sich sowohl Kinder als auch verheiratete Frauen dem Verfahren unterziehen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Beweismittel sowie in die zitierten Länderberichte zum Sudan.

Auskünfte aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 01.08.2025 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Da der Beschwerdeführer vor den österreichischen Behörden keine unbedenklichen identitätsbezeugenden Dokumente im Original in Vorlage brachte, steht seine Identität nicht fest.

Die Feststellungen bezüglich seiner Herkunft, seiner Volljährigkeit, seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seinem Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit, seiner Schulbildung und Berufserfahrung, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Konfession, seinen Sprachkenntnissen und seiner Ausreise nach Europa ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren bzw. dem unbestrittenen Akteninhalt. Ergänzend legte er die Dokumente „Zeugnis der Sekundarschule“ und eine „Personenstandesamtliche Bescheinigung“ vor, welche von der belangten Behörde einer Übersetzung zugeführt wurden.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister sowie dem zentralen Melderegister.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ist durch eine Abfrage im Strafregister der Republik belegt.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer begründete seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass er sich gegen die weibliche Genitalverstümmelung ausgesprochen habe und deshalb im Sudan bedroht worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie insbesondere des persönlichen Eindrucks, der vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen werden konnte, zum Schluss, dass es ihm mit seinem Vorbringen nicht gelungen ist, die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung seiner Person im Sudan glaubhaft zu machen.

Zunächst ist im Hinblick auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zu betonen, dass er in seiner Erstbefragung Probleme aufgrund seines Aktivismus gegen die weibliche Genitalverstümmelung gar nicht erwähnte. Dort führte er – befragt nach seinen Rückkehrbefürchtungen – lediglich die im Sudan herrschende, schlechte Sicherheitslage an. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt keineswegs, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhob, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 29.08.2022, Ra 2022/18/0171). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer die angeblich erfahrene Bedrohung aufgrund seines Aktivismus hinsichtlich weiblicher Genitalverstümmelung, auf die er sich in seiner Einvernahme vor dem BFA hauptsächlich stützte, nicht schon in der Erstbefragung zumindest in aller Kürze – wie auch die prekäre Sicherheitslage – erwähnte. Das Protokoll der Erstbefragung wurde ihm auch rückübersetzt und bestätigte er danach, keine Ergänzungen vornehmen zu wollen.

In seinen weiteren Einvernahmen vor dem BFA sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht schilderte er die angeblichen Bedrohungen durchwegs vage. Vor dem BFA gab er an, in seinem Dorf „benachteiligt“ gewesen zu sein. Es sei zu „Schlägereien und Beschimpfungen“ gekommen. Auf die Aufforderung, weiter zu erzählen, meinte er zunächst nur: „Was soll ich Ihnen sagen?“ und führte dann aus, dass es Missverständnisse zwischen ihm „und der Familie und der Gesellschaft“ gegeben habe, weswegen er nach XXXX gezogen sei. Auf Nachfrage, was Beschneidungsbefürworter darauf sagen würden, wenn man ihnen sage, dass diese Praxis zu vielen Problemen führe, antwortete er: „Er sagt zu mir, dass ich ehrlos bin. Also, dass ich keine Ehre habe. F: Ist das alles? A: Nein, ab und zu kommt es zu Schlägereien und Beschimpfungen.“ Später in der Befragung gab er an, die Belästigungen seien verbal gewesen, er sei beschimpft worden und sei es manchmal zu Raufereien gekommen. Er sei auch von Jugendlichen in seinem Dorf bedroht worden. Sie hätten gesagt, dass er aufhören soll. Wenn er nicht aufhören würde, würden sie ihn nicht in Ruhe lassen.

In der Beschwerdeverhandlung verblieb er ebenso in einer oberflächlichen Beschreibung seiner Tätigkeit als Aktivist und deren Folgen. Er habe „dagegen gerufen“, „viele Probleme“ bekommen und sei „bedroht“ worden. Konkrete Situationen, in welchen diese Bedrohungen vorgekommen seien bzw. in welcher Häufigkeit sie von welchen Personen getätigt worden seien, schilderte er indessen – auch auf mehrfache Nachfrage hin – nicht. Auf die Frage über welchen Zeitraum und in welcher Form er sich konkret als Aktivist betätigt habe meinte er, dies sei von 2019 bis er das Land verlassen habe gewesen. Auf weitere Nachfrage nach dem gravierendsten Vorfall, gab er an, er habe viele „damit konfrontiert“, viele hätten ihn „belästigt“, und sei es zum Schluss sehr schwierig gewesen. Auf erneute Nachfrage des erkennenden Richters, was er mit „belästigt“ meine, antwortete der Beschwerdeführer: „Das Thema war für die Gesellschaft dort sehr wichtig. Es bedeutet für sie die Ehre und deswegen wurde ich dort von der Gesellschaft belästigt.“ (Verhandlungsprotokoll vom 01.08.2025, S 4). Auf nochmalige Nachfrage, was der gravierendste Vorfall gewesen sei, meinte der Beschwerdeführer, er sei bedroht worden, sie hätten ihn aufgefordert, sich von diesem Thema fernzuhalten und er sei sogar geschlagen worden. Wer konkret ihn bedroht habe, vermochte er in weiterer Folge – abgesehen von dem Vorfall mit einem Militärangehörigen (siehe dazu sogleich) - nicht anzuführen, sondern erschöpfte sich seine Beschreibung darin, dass es sich um „Menschen, die in seinem Dorf waren“ gehandelt habe. Der Beschwerdeführer vermochte die angeblich erfahrenen Bedrohungen sohin trotz zahlreicher Nachfragen nur oberflächlich zu schildern.

Der einzig konkrete Vorfall, den der Beschwerdeführer geltend machte, ereignete sich angeblich im Jahr 2020, als ihn ein Armeeangehöriger, der in seinem Dorf lebe, zu Hause aufgesucht und ihm angedroht habe, ihn gefesselt von einer Brücke zu werfen, wenn er nicht aufhöre, über weibliche Genitalverstümmelung zu sprechen. Sie seien dann im Gespräch lauter geworden und hätten sich auch geschlagen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer auf Nachfrage an, dass der Oberleutnant zu diesem Zeitpunkt nicht im Dienst gewesen, sondern als Privatperson aufgetreten sei. Der Beschwerdeführer habe nach dieser Auseinandersetzung sein Heimatdorf verlassen und sei nach XXXX gezogen.

Ein zeitlicher Konnex zwischen diesem Vorfall 2020 und der Ausreise der Beschwerdeführer im Juni 2023 ist nicht ersichtlich. Diesbezüglich sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits aus, dass Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise eines Asylwerbers mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet sind (vgl. VwGH 21.06.1994, 94/20/0317, mwN).

Überdies erreicht die geschilderte, einmalige Auseinandersetzung mit einer Privatperson – selbst, wenn es dabei zu Handgreiflichkeiten gekommen ist – nicht den Grad einer asylrelevanten Verfolgungshandlung, worunter – unter anderem – Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182, mwN).

Zuletzt vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer in XXXX und brachte er dort keinerlei persönliche Bedrohungen mehr vor. Vor dem BFA gab er wörtlich an: „Mir ist in XXXX nichts passiert.“ Zwar führte er telefonische Bedrohungen an, machte dazu aber vor der belangten Behörde keine weiteren Angaben. Sofern er in der Beschwerdeverhandlung überdies erstmalig vorbrachte, Drohnachrichten erhalten zu haben, seit er nach Karthum gezogen sei, werden diese Angaben des Beschwerdeführers als unglaubhafte, offenkundig aus asyltaktischen Gründen erstattete Steigerung seines Vorbringens gewertet, mit dem Kalkül, damit seinem Fluchtgrund mehr Gewicht zu verleihen. So konnte er auch diesbezüglich nicht konkret angeben, wer ihm die Nachrichten geschickt habe, er meinte, es seien „mehrere Nummern“ gewesen. Er habe die Nachrichten nicht mehr am Handy, da er, als er den Sudan verlassen habe, weder sein Handy noch seine Unterlagen mitgenommen habe. Zudem gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, sich in XXXX nicht mehr als Aktivist gegen die weibliche Genitalverstümmelung engagiert zu haben, sodass nicht plausibel ist, warum ihm diesbezüglich zu diesem Zeitpunkt noch von irgendwem Drohnachrichten geschickt worden sein sollten. In einer Gesamtbetrachtung seiner – abermals völlig vage verbliebenen – Aussagen hinsichtlich des Erhalts von Drohnachrichten wird diesen kein Glauben geschenkt.

Abgesehen von der geschilderten Auseinandersetzung mit einem Armeeangehörigen sprach der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren sohin lediglich allgemein davon, bedroht und benachteiligt worden zu sein. Diese oberflächlichen Darlegungen jener Ereignisse, die den Beschwerdeführer veranlasst haben sollen, sein Heimatland zu verlassen, ließen letztlich jeglichen Detailreichtum und auch jegliche Emotionen vermissen, die Erzählungen über tatsächlich Erlebtes innewohnen. Beim Erzählen der eigenen Lebensgeschichte wäre zu erwarten, dass der Erzählende nicht nur Handlungsabläufe schildert, sondern sich selbst in die Schilderung einbaut; dass eigene Emotionen, Erlebniswahrnehmung und Verhalten zu erklären versucht werden; dass Dialoge und Interaktionen mit anderen Personen geschildert werden und der Betroffene unter Angabe der eigenen Gefühle und unter spontaner Rückerinnerung an unwesentliche Details und Nebenumstände berichtet. Die Erzählungen des Beschwerdeführers beschränkten sich indessen auf eine allgemein gehaltene Rahmenerzählung, welche nicht dazu geeignet ist, seinen Schilderungen in Zusammenhang mit einer Bedrohung aufgrund seines Aktivismus gegen weibliche Genitalverstümmelung Glaubhaftigkeit zu verleihen. Den höchstgerichtlichen Vorgaben, wonach das Vorbringen eines Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen muss, während die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen wird (vgl. VwGH 16.07.2025, Ra 2025/20/0291, mwN), wurden seine Schilderungen letztlich nicht einmal im Ansatz gerecht.

Im Allgemeinen kann es auch nicht als Aufgabe der belangten Behörde oder des VwG gesehen werden, jede der vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern ist es am Beschwerdeführer gelegen, ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es einem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. VwGH 20.01.1993, 92/01/0752; 19.05.1994, 94/19/0465) und, dass weder die erstinstanzliche Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss (vgl. VwGH 08.07.1993, 92/01/0715).

Der Beschwerdeführer konnte überdies keinerlei Unterlagen vorlegen, die seinen Aktivismus belegen würden. Vor dem BFA führte er zunächst aus, dass er früher Beweise gehabt habe, aber nicht wisse, was damit passiert sei. Sodann gab er an, sich jetzt mit seinen Freunden im Geheimen über Messenger auszutauschen. Auf Nachfrage, ob er hiervon Chatprotokolle zeigen könne, meinte er, sie würden sich nur mündlich austauschen. Er teile auch keine Zeitungsartikel, Aufrufe, Studien oder Ähnliches. Dass es keinerlei Spuren bzw. Belege des Aktivismus des Beschwerdeführers geben soll, ist nicht plausibel, zumal sich Aktivismus geradezu dadurch definiert, soziale, politische, wirtschaftliche oder ökologische Veränderungen herbeizuführen, was im Regelfall mit außenwirksamen Aktivitäten einhergeht. Auf Vorhalt vor dem BFA führte er sodann an, er habe Dokumente bei sich zu Hause gehabt, als er jedoch nach Ausbruch des Krieges geflohen sei, habe er nichts mitgenommen.

Zudem gestalteten sich die Angaben des Beschwerdeführers in manchen Punkten seiner Fluchtgeschichte widersprüchlich:

So machte er hinsichtlich des Zeitpunkts, in welchem er sein Dorf verließ und nach XXXX zog, divergierende Angaben: Im Rahmen der Erzählung des Vorfalls, bei welchem ihm ein Militärangehöriger bedroht habe, führte er vor der belangten Behörde an, dass er danach (sohin im Jahr 2020) nach XXXX gegangen sei, an anderer Stelle vor dem BFA gab er an, Mitte 2021 nach XXXX gezogen zu sein bzw. wieder an anderer Stelle, ca. eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise in XXXX gelebt zu haben. Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er zunächst vor, ein Jahr vor seiner Ausreise in XXXX gelebt zu haben, an anderer Stelle behauptete er wiederum, sein Dorf im Jahr 2020, nach dem beschriebenen Vorfall mit dem Militärangehörigen, verlassen zu haben.

Auch seine Angaben, was sein Interesse an dem Thema geweckt habe, gestalteten sich widersprüchlich, indem er diesbezüglich zum einen vorbrachte, es nicht gut gefunden zu haben, dass bei seiner Schwester eine Beschneidung durchgeführt worden sei, und zum anderen angab, an einer Vorlesung an der Uni darüber teilgenommen zu haben. Auf Vorhalt des Widerspruchs und die Frage, wie er zum ersten Mal von FGM erfahren habe, antwortete er, über eine Lautsprecherdurchsage an der Universität. Die Beschneidung seiner Schwester hätte allerdings, wie er an anderer Stelle zu Protokoll gab, schon vor seinem Studienbeginn, nämlich im Jahr 2019, stattgefunden.

Der Beschwerdeführer konnte mit seinen Angaben auch kein vertieftes Wissen über die weibliche Genitalverstümmelung demonstrieren. Vor dem BFA gab er an, den Begriff „FGM-C“ (Female Genital Mutilation/Cutting) nicht zu kennen. Er konnte weiters nicht die vier Arten der Beschneidung benennen. Dies erscheint unter der Annahme, dass er sich seit 2019 intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe, nicht nachvollziehbar.

Sofern in der Beschwerde unter Zitierung des aktuellen EUAA Country Focus zum Sudan vom Februar 2025 darauf hingewiesen wird, dass es massive Probleme bei der Durchsetzung des Gesetzes, welches die FGM-Praxis verbietet, gebe, steht dieser Umstand nicht mit einem potenziellen Asylgrund des Beschwerdeführers in Zusammenhang. Insbesondere lässt sich keinem der einschlägigen Länderberichte zum Sudan eine systematische, landesweite Verfolgung von Aktivisten, die sich gegen die (ohnedies sogar gesetzlich verbotene) weibliche Genitalverstümmelung engagieren, entnehmen (vgl. Punkt II.1.3.).

Letztlich war den Schilderungen des Beschwerdeführers auch kein fluchtauslösendes Ereignis zu entnehmen. Vor dem BFA antwortete er auf die Frage, was der konkrete Anlass für seine Ausreise gewesen sei, dass er keine Sicherheit gefühlt habe. Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er zunächst – befragt nach seinen Fluchtgründen – die allgemeine Sicherheitslage im Sudan an (Verhandlungsprotokoll vom 01.08.2025, S 4: „Ich habe meine Heimat verlassen, weil ich dort Probleme hatte. Mein Leben war in Gefahr. Aktuell ist die Lage dort nach wie vor schlecht. Es herrscht Krieg dort. Deswegen kommt für mich eine Rückkehr in den Sudan nicht in Frage.“). Befragt nach seinen Problemen im Sudan, führte er – wie oben ausführlich beschrieben – lediglich vage seine Tätigkeit als Aktivist gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen ins Treffen.

In Bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sicherheitsbedenken ist zu betonen, dass das Bundesverwaltungsgericht keineswegs die derzeit überaus volatile Sicherheitslage im Sudan verkennt, jedoch wurde dieser bereits durch die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer adäquat Rechnung getragen. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist indessen, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 12.05.2025, Ra 2022/20/0289, mwN). Die Gefahr einer derartigen Verfolgung zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt ist in Anbetracht des individuellen Profils des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der einschlägigen aktuellen Länderberichte nicht zu erkennen. Da nach der Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl allerdings nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (vgl. VwGH 23.06.2025, Ra 2024/20/0638, mwN). Ebenso wenig genügt die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, zur Dartuung einer asylrelevanten Verfolgungssituation (vgl. VwGH 16.07.2025, Ra 2025/20/0291, mwN) und wurden letztlich keinerlei Umstände aufgezeigt, die nahelegen würden, dass ausgerechnet der Beschwerdeführer infolge eines Konventionsgrundes in höherem Maße von Verfolgungshandlungen betroffen wäre, als andere Zivilpersonen, die im Sudan leben.

In einer Gesamtbetrachtung ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat basieren auf einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung auf die mittlerweile in Kraft getretene Verordnung (EU) 2021/2303 hingewiesen hat, deren Art. 11 Abs. 3 vorsieht, dass bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz einschlägige Länderrichtlinien der EUAA von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151, mwN). Zuletzt erfolgte eine Erörterung der aktuellen Länderberichte – die dem Beschwerdeführer bzw. seiner Rechtsvertretung zugleich mit der Verhandlungsladung übermittelt worden waren – im Rahmen der mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 06.04.2021, Ra 2020/18/0506, mwN).

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Verfahren auch nicht entgegen. Vielmehr wurde in der Beschwerde selbst umfassend aus den der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan vom 02.02.2024; EUAA-Bericht "Sudan: Country Focus Report" vom Februar 2025) zitiert und auf deren Inhalt verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abs. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG 2005 erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233, mwN).

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2. umfassend dargelegt, konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall keine Gründe glaubhaft machen, die für eine asylrelevante Verfolgung sprächen. Er ist im Sudan nicht der Gefahr einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung aufgrund seines Aktivismus gegen weibliche Genitalverstümmelung ausgesetzt.

Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde weder von Seiten des Beschwerdeführers behauptet, noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

Der nach wie vor volatilen allgemeinen Sicherheitslage im Sudan und dem Schutz vor (mit realem Risiko drohenden) willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines kausalen Konnexes zu einem in der GFK genannten Grund wurde seitens der belangten Behörde bereits durch die Zuerkennung von subsidiärem Schutz an den Beschwerdeführer adäquat entsprochen und ist die allgemeine Lage im Sudan auch nicht dergestalt, dass automatisch jedem Antragsteller aus dem Sudan der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. zuletzt VwGH 23.12.2024, Ra 2024/19/0385).

Dem Beschwerdeführer ist es damit im gesamten Verfahren nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Sudan keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.