IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Barbara EBNER, Bakk.phil. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (im Folgenden: BBU GmBH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA/belangte Behörde) vom 10.10.2024 zu der Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF), eines syrischen Staatsbürgers, auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, der BF habe den Militärdienst in Syrien nicht abgeleistet, sei keiner Militärtauglichkeitsprüfung unterzogen und sei ihm kein Militärbuch ausgestellt worden. Er sei auch keinen Rekrutierungsversuchen ausgesetzt gewesen und bestehe zudem die Möglichkeit sich vom Militärdienst freizukaufen. Der BF sei auch nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt worden. Andere Fluchtgründe als die Militärdienstverweigerung unter dem Assad-Regime habe der BF nicht geltend gemacht.
Auf eine detaillierte Darstellung der Begründung des angefochtenen Bescheides wird an dieser Stelle verzichtet, da das Assad-Regime nun nicht mehr an der Macht ist und die im erstinstanzlichen Verfahren behandelte Militärdienstverweigerung unter besagtem Regime daher nicht mehr verfahrensgegenständlich ist.
2. Mit dem am 06.11.2024 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des vorangeführten Bescheides. Zusammengefasst wurde im Wesentlichen vorgebracht, der BF fürchte im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine Rekrutierung zum Militärdienst im syrischen Militär unter dem Assad-Regime bzw. eine Verfolgung aufgrund der Militärdienstverweigerung, die auch aus politischen Gründen und Gewissensgründen erfolge sowie eine Verfolgung durch das Assad-Regime aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung als Rückkehrer.
Da sich der BF somit auch in der Beschwerde ausschließlich auf eine Verfolgung durch das nunmehr gestürzte Assad-Regime bezog, wird auf eine detaillierte Darstellung des Beschwerdevorbringens verzichtet.
Abschließend stellte der BF die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, alle zu seinen Lasten gehende Rechtswidrigkeiten aufgreifen, den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten zuerkennen, in eventu den Spruchpunkt I. beheben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückverweisen.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden in weiterer Folge vom BFA vorgelegt und sind am 19.11.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Im Rahmen der Beschwerdevorlage wurden die Vorwürfe in Bezug auf die in der Beschwerde vorgebrachten Verfahrensfehler sowie die angeblich mangelhafte Beweiswürdigung zurückgewiesen. Das BFA habe unter Beachtung der zitierten UNHCR-Richtlinien geschlossen, dass es dem BF nicht gelungen sei, ausreichend nachvollziehbar darzulegen, er habe als exponierte Person eine Verfolgung in seinem Herkunftsstaat zu befürchten. Der BF habe schließlich seit seiner Kindheit mit der Familie in Saudi-Arabien gelebt und sei von dort nach Europa gereist.
4. Mit Ladungen vom 07.08.2025 wurden die belangte Behörde, der BF vertreten durch die BBU GmbH und der Dolmetscher für die arabische Sprache zur mündlichen Verhandlung am 03.10.2025 geladen.
5. Mit Schreiben vom 07.08.2025 teilte die belangte Behörde mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der mündlichen Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen, werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
6. Mit Stellungnahme vom 16.09.2025 brachte der BF erstmals vor, er stamme ursprünglich aus der Provinz XXXX . Dies sei auf dem Reisepass und auf dem vorgelegten Familienstandregisterauszug ersichtlich. Seit dem Sturz des Assad-Regime fürchte er Verfolgung aufgrund seiner Herkunft. Einer seiner Onkel sei deshalb bereits verprügelt worden. Daher fürchte auch der BF Opfer von gewaltsamen Übergriffen und Diskriminierungen zu werden.
7. Am 03.10.2025 fand die mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und seiner rechtlichen Vertretung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen
II.1.1. Identität und Herkunftsstaat
Der volljährige BF heißt XXXX und wurde am XXXX in XXXX in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, bekennt sich zum sunnitischen Islam, ist ledig und hat keine Kinder.
Seine Identität steht fest.
Der BF leidet an keiner psychischen oder physischen Beeinträchtigung und ist erwerbsfähig.
II.1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise
Der BF beherrscht die arabische Sprache auf dem Niveau der Muttersprache in Wort und Schrift. Außerdem spricht er Englisch.
Der BF lebte bis 2012 in Syrien, zuletzt im Stadtteil XXXX (auch: XXXX ) in XXXX . In Syrien besuchte er ein Jahr lang die Volksschule.
Die Herkunftsfamilie des BF zog 2012 nach XXXX (auch: XXXX ) in der Region XXXX in Saudi-Arabien. Dort lebte der BF mit der Familie bis Dezember 2023 in einer Mietwohnung. Der BF und seine Angehörigen verfügten über Aufenthaltstitel und waren auch zu einer Arbeitsaufnahme berechtigt.
Der BF besuchte in Saudi-Arabien weitere elf Jahre die Schule und schloss diese mit Matura ab. Der BF hat keine abgeschlossene Berufsausbildung.
II.1.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat
Die Mutter und der Bruder des BF leben nach wie vor in XXXX in Saudi-Arabien. Seine Familie gehört dort zur Mittelschicht, die Mutter arbeitet in einer Schönheitsklinik. In Jordanien lebt und studiert die Schwester des BF.
Der Vater des BF wurde im Juni 2024 von Saudi-Arabien nach Syrien abgeschoben. Er lebt jetzt mit seiner Schwester (der Tante des BF) in der Stadt XXXX und besucht gelegentlich sein früheres Heimatdorf XXXX .
Der BF hat einmal in der Woche Kontakt mit seinem Vater.
II.1.4. Ausreisemodalitäten
Die Familie des BF verkaufte im Jahr 2012 ihre Wohnung in XXXX und zog mit dem BF nach XXXX in der Region XXXX in Saudi-Arabien. Sie verließen Syrien legal mit dem Flugzeug.
Der BF reiste am 14.12.2023 mit dem Flugzeug aus XXXX in Saudi-Arabien kommend über den Flughafen XXXX unter Verwendung seines syrischen Reisepasses nach Österreich ein. Im Rahmen der durchgeführten Grenzkontrolle stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF verließ Saudi-Arabien, weil er Angst hatte nach Syrien abgeschoben zu werden.
II.1.5. Strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bzw. sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl --, Fremdenpolizei und Einwanderungsrechts
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen auf. Das Vorliegen von rechtskräftigen Verwaltungsstrafen wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Polizei bzw. den Verwaltungsstrafbehörden einschließlich dem Bundesamt nicht mitgeteilt und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.
II.1.6. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen; Erlebnisse im Zusammenhang mit staatlichen/nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von dem BF vorgebrachten Problemen, die ihn persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwarten:
Der BF lebte vor seiner Ausreise aus Syrien in XXXX , im Stadtteil XXXX . Der Vater des BF lebt nun in XXXX und wird daher XXXX sowie die umgebende Region als Herkunftsregion des BF angesehen. Diese Region steht aktuell unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung.
Der BF wird bei einer Rückkehr an seinen Herkunftsort in Syrien nicht individuell verfolgt. Insbesondere unterliegt er keiner Verfolgung aufgrund seiner Herkunft, einer unterstellten Zugehörigkeit zur alawitischen Minderheit bzw. seiner angeblich gemäßigt religiösen sunnitischen Lebensweise. Schließlich droht ihm im Falle einer Rückkehr von der Gruppe Dera Al-Sahel (auch: Liwa’ Dara’ al-Sahel bzw. Küstenbrigade) keine Gefahr.
In Syrien bestand zur Zeit, als der BF ausreiste und Präsident Assad noch an der Macht war, ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren, welche bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehr- bzw. Reservedienst eingezogen werden konnten. Der BF ist nunmehr 20 Jahre alt. Die syrische Armee ist seit dem Machtwechsel im Dezember 2024 inaktiv, ihre Soldaten wurden außer Dienst gestellt. Einberufungen erfolgen nicht.
Die neuen Machthaber (HTS) verkündeten eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen und die Abschaffung der Wehrpflicht.
Dem BF wird bei einer Rückkehr nach Syrien von Seiten der Übergangsregierung keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
II.1.7. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat
II.1.7.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI CMS, Version 12, 08.05.2025
Im angefochtenen Bescheid wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11, vom 27.03.2024 zitiert. Nunmehr steht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 12, 08.05.2025 zur Verfügung. Auszugsweise wird daraus soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:

TWI 28.2.2025
In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).
Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).
In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).
Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moschen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).
Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025).
Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).
Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).
Zentralsyrien
Nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Sicherheitslage auch in den Küsten- und Zentralregionen Syriens fragil und stark fragmentiert. Während einige Gebiete weitgehend unter der Kontrolle der neuen islamistischen Machthaber stehen, gibt es weiterhin Widerstand durch lokale Milizen, ehemalige Assad-treue Gruppen und ausländische Akteure (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Innenministerium hat seine Sicherheitsoperationen in verschiedenen Provinzen intensiviert und dabei Elemente des gestürzten Assad-Regimes ins Visier genommen, die ihre Bewegungen in einigen Gebieten verstärkt haben. In mehreren Gebieten, insbesondere in den ländlichen Gebieten von Damaskus, Homs und Tartus, fanden groß angelegte Sicherheitsoperationen statt, bei denen eine Reihe von bewaffneten Kämpfern festgenommen und andere bei direkten Zusammenstößen neutralisiert wurden. Sicherheitsberichte bestätigen, dass diese Gruppierungen die syrische Armee und die Sicherheitskräfte ins Visier genommen hatten, um die Sicherheit zu schwächen und Chaos zu stiften. Dabei nutzen sie die schwierige geografische Lage einiger Gebiete, um sich zu verstecken und ihre Reihen neu zu formieren (AAA 1.3.2025). Damaskus ist unter der Kontrolle islamistischer Gruppierungen. Während in einigen Vierteln eine gewisse Stabilität herrscht, sind Anschläge, Attentate und gezielte Angriffe rivalisierender Gruppen weiterhin an der Tagesordnung. Israelische Luftangriffe auf mutmaßliche Waffenlager oder Stellungen von pro-iranischen Milizen haben zugenommen, während in den Außenbezirken einzelne Widerstandszellen gegen die neuen Machthaber operieren. IS-Zellen und lokale Widerstandsgruppen greifen regelmäßig Kontrollpunkte an, was zu einer angespannten Lage führt (VB Amman 9.2.2025). Bei Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der neuen Machthaber Syriens und bewaffneten Männern der Minderheit der Drusen in der Nähe von Damaskus am 1.3.2025 wurde eine Person getötet und neun weitere verletzt, wie ein syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtet (FR24 1.3.2025). Interne Sicherheitskräfte haben in Begleitung lokaler bewaffneter Gruppen eine Sicherheitskampagne gegen die Wohnhäuser von Offizieren in der Stadt Qatana im Hinterland von Damaskus durchgeführt, bei der Dutzende von Bewohnern der Gegend verhaftet und eine Ausgangssperre verhängt wurden. Es kam wiederholt zu Hausdurchsuchungen, begleitet von Vandalismus, Plünderungen und Verhaftungen einer Reihe von Bewohnern, darunter Männer und Frauen (SOHR 28.2.2025a). Im Umland von Damaskus kam es am 27.2.2025 zu Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, bei denen es Verletzte gab (Shafaq 27.2.2025). Die Zunahme von Gewalt und Kriminalität in den Minderheitengebieten Syriens bleibt die größte Herausforderung für die neuen Behörden seit dem Sturz des alten Regimes im Dezember 2024. Das Land hat einen Anstieg der Angriffe erlebt, sowohl von Überbleibseln des Regimes, deren Interessen nach dem Sturz al-Assads leiden und die versuchen, das Land zu destabilisieren, als auch von allgemeinen Straftätern (AAA 1.3.2025). Die ehemals von der Assad-Regierung gehaltenen Küstenregionen Latakia und Tartus, die als Hochburgen der alawitischen Gemeinschaft galten, sind mittlerweile unter der Kontrolle islamistischer Gruppen gefallen. Der Übergang verlief jedoch nicht ohne Widerstand, da lokale alawitische Milizen, Überreste regierungstreuer Einheiten und vereinzelt russische Kräfte um ihre Einflusszonen kämpften. Während die Küste früher als sicher galt, könnten neue Konflikte zwischen islamistischen Gruppen, Assad-treuen Einheiten und möglicherweise verbleibenden russischen Kräften in den kommenden Monaten entstehen (VB Amman 9.2.2025). In der Küstenregion ist die Sicherheitslage instabil und durch wiederholte Angriffe an Kontrollpunkten und kriminelle Aktivitäten wie Plünderungen, Raubüberfälle und Entführungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, gekennzeichnet (UNOCHA 12.2.2025). Die Region Latakia ist strategisch wichtig und beherbergt wichtige militärische Einrichtungen, die von der Assad-Regierung genutzt wurden. Russland hat hier noch Interessen, insbesondere im Hinblick auf den ehemaligen Militärflughafen Hmeimim. Vereinzelt wurden Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen und zurückgebliebenen pro-Assad-Milizen gemeldet (VB Amman 9.2.2025). In den vergangenen zwei Monaten haben ehemalige Regimegruppierungen vier Operationen im Nordwesten des Landes durchgeführt, bei denen Angehörige der Abteilung für Militäreinsätze getötet und verletzt wurden (AAA 1.3.2025). In Tartus wurde die frühere russische Marinebasis Berichten zufolge von russischen Truppen teilweise geräumt, wobei unklar ist, ob sie vollständig aufgegeben wurde. Islamistische Gruppen haben die Kontrolle über die Stadt übernommen, aber die Präsenz von Untergrundzellen ehemaliger Assad-Anhänger könnte zu weiteren Spannungen führen (VB Amman 9.2.2025). Aufrufe zur Gewalt unter ehemaligen Assad-Anhängern haben viele Alawiten dazu veranlasst, in den syrischen Küstengouvernements Tartus und Latakia sowie in Homs zu den Waffen gegen die von HTS geführten Truppen zu greifen (LWJ 29.1.2025). Bewaffnete Männer auf zwei Motorrädern haben eine Polizeistation in der Stadt Savita in der Provinz Tartus angegriffen und Handgranaten geworfen, was zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen den Angreifern und dem Personal der Station führte, bei dem einer der Mitarbeiter der Station verletzt wurde. Unterdessen wurde ein junger Zivilist aus dem Hinterland von Tartus durch verirrte Kugeln getötet, als er in einem Auto unterwegs war, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR 28.2.2025b). In Homs, Hama und Nordwestsyrien herrscht unterdessen relative Stabilität, abgesehen von einigen Unruhen im ländlichen Homs (UNOCHA 12.2.2025). Die zentrale Region Syriens, bestehend aus Homs und Hama, bleibt nach dem Sturz des Regimes eine Zone mit unklaren Machtverhältnissen. Die Stadt Homs, die einst ein zentrales Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg war, ist nun ein Gebiet mit sporadischen Kämpfen zwischen islamistischen Gruppen und Widerstandsbewegungen, darunter ehemalige regierungstreue Milizen und lokale Stämme. Während die islamistischen Machthaber Kontrolle über die Stadt beanspruchen, gibt es Berichte über vereinzelte Scharmützel und Anschläge (VB Amman 9.2.2025). Kämpfer der Gruppierung Islamischer Staat (IS) haben am 10.12.2024 in der syrischen Region Homs mindestens 54 Menschen getötet, die alle ehemalige Mitglieder der Regierung von Bashar al-Assad gewesen sein sollen und nach deren Zusammenbruch versucht haben sollen zu fliehen (MEE 10.12.2024). Ähnlich wie Homs ist auch Hama von sozialen Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt. Einige ländliche Gebiete außerhalb der Stadt stehen noch unter Einfluss lokaler Gruppierungen oder einzelner Widerstandszellen, die sich der neuen Ordnung widersetzen. Die humanitäre Lage in beiden Städten bleibt kritisch, da die Infrastruktur stark beschädigt ist und viele der ehemaligen staatlichen Versorgungsstrukturen nicht mehr funktionieren. Ar-Raqqa, die ehemalige Hauptstadt des IS, bleibt ein Brennpunkt der Unsicherheit. Teile der Region sind nach wie vor von lokalen kurdischen Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kontrolliert, was die Spannungen zusätzlich erhöht. Nach der Übernahme islamistischer Gruppierungen in anderen Teilen des Landes ist die Lage in ar-Raqqa weiterhin angespannt, da sich verschiedene Gruppen um die Kontrolle streiten. IS-Schläferzellen sind weiterhin aktiv und haben in den letzten Monaten gezielte Anschläge auf islamistische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen verübt. Letztlich bleibt auch die Sicherheitslage in Deir ez-Zour hochgradig instabil. Die Region war bereits zuvor ein zentrales Schlachtfeld gegen den IS, und obwohl sich die Machtdynamik geändert hat, sind Guerilla-Taktiken, Anschläge und bewaffnete Konflikte weiterhin an der Tagesordnung. Die Kontrolle über Deir ez-Zour ist stark fragmentiert, da verschiedene islamistische Gruppierungen, die SDF sowie lokale Stammesmilizen um Einfluss kämpfen. Die neuen islamistischen Machthaber Syriens haben keine einheitliche Kontrolle über die Region, da verschiedene Gruppen um Territorium ringen. HTS und andere Fraktionen versuchen, ihre Positionen zu stärken, was zu Zusammenstößen mit lokalen Stämmen und ehemaligen regierungstreuen Milizen führt. Die SDF hält weiterhin einige Gebiete, insbesondere im nördlichen und östlichen Teil der Provinz, was die Spannungen mit islamistischen Gruppen und türkisch unterstützten Milizen weiter verschärft. Der IS ist weiterhin aktiv und nutzt das Machtvakuum, um Schläferzellen zu reaktivieren. In ländlichen Gebieten verübt der IS regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, Checkpoints und lokale Stammesführer, die mit den neuen Machthabern kooperieren. Die sich verschlechternde Sicherheitslage ermöglicht es dem IS, erneut Rekruten anzuwerben, insbesondere unter den wirtschaftlich benachteiligten Stämmen. Deir ez-Zour war schon vor dem Sturz al-Assads ein Zentrum für Schmuggel und illegalen Ölhandel, eine Situation, die sich nun weiter verschärft hat. Kriminelle Netzwerke, bewaffnete Stämme und ehemalige regierungstreue Gruppen kontrollieren Teile der Ölfelder und Routen für Schmuggelware, was zu bewaffneten Auseinandersetzungen um wirtschaftliche Ressourcen führt. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, da Versorgungslinien unterbrochen wurden und viele Menschen ohne Einkommen oder humanitäre Hilfe auskommen müssen (VB Amman 9.2.2025).
Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Seitdem der friedliche Aufstand gegen das Assad-Regime Ende 2011 in den bewaffneten Konflikt überging, bildeten sich bewaffnete Gruppierungen auf fast der gesamten syrischen Landkarte, angefangen bei Offizieren und Soldaten, die vom Regime übergelaufen waren, bis hin zu Gruppierungen, die sich aus lokalen und religiösen Gruppierungen zusammensetzten. Sie standen im Konkurrenzkampf einerseits untereinander und andererseits kämpften sie gegen die Regimekräfte, die ihnen bis 2018 schwere Verluste zufügten. Danach wurden viele Gruppierungen aufgelöst. Andere übersiedelten unter russischer Schirmherrschaft im Rahmen von Abkommen nach Nordsyrien oder blieben auf der Basis von "Versöhnungsabkommen" unter russischer Schirmherrschaft und Garantien bzw. direkten Abmachungen mit dem Assad-Regime weiter bestehen. Im Zuge der Kampfhandlungen im Spätherbst 2024 schienen die Oppositionskämpfer gut organisiert zu sein und arbeiteten in einem Bündnis unter dem Namen Abteilung für militärische Operationen (Department of Military Operations - DMO) zusammen (Asharq 9.12.2024). Für die Großoffensive "Abschreckung der Aggression", die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet (NYT 1.12.2024). Im Laufe des vergangenen Jahres entwickelten die Kämpfer eine neue Methode, die sich auf die Verwendung von Drohnen stützte (Guardian 8.12.2024). Von den ersten Tagen der Offensive an veröffentlichte die von den Rebellen geführte DMO mehrere Videos von Angriffen auf Militärfahrzeuge und Versammlungen von Soldaten des syrischen Regimes mit sogenannten Shaheen-Drohnen, die eine große Effektivität und Genauigkeit beim Treffen der Ziele zeigten. Für diese Drohnen wurden eigens die Shaheen-Bataillone geschaffen (AJ 10.12.2024). Diese Bataillone sind für ihr hohes Maß an Fachwissen und ihre Präzision bekannt. Sie sollen von Offizieren aus Osteuropa ausgebildet worden sein (IndepAr 5.12.2024). Für die Ausbildung soll die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sogar eine eigene Drohnenakademie betrieben haben (LF 13.12.2024). Zum ersten Mal in der Geschichte des Syrienkonflikts war die bewaffnete Opposition nun in der Lage, den Luftraum zu kontrollieren (IndepAr 5.12.2024). Die verschiedenen Drohnentypen trugen dazu bei, eine Art Gleichgewicht im Luftraum zu erreichen, gemeinsam mit der Tatsache, dass die Russen den Großteil ihres Luftarsenals aus Syrien abgezogen hatten, weil sie mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt waren (AJ 10.12.2024). Die Drohnen, die in niedriger Höhe fliegen, greifen Fahrzeuge und gepanzerte Fahrzeuge an, feuern Raketen auf Soldaten ab, oder es sind Selbstmorddrohnen, die sich schnell auf Fahrzeuge und Panzer stürzen und sich sofort mit jedem Objekt, das mit ihnen kollidiert, in die Luft sprengen. Einer Warnung Russlands zufolge soll die HTS über mehr als 250 fortschrittlicher Drohnen verfügt haben. Gerüchten zufolge unterhielt die HTS im Nordwesten Syriens eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen mit Düsentriebwerken und Sprengbomben gemeinsam mit ausländischer Unterstützung (IndepAr 5.12.2024), wie beispielsweise durch uigurische Ingenieure der Turkistan Islamic Party (TIP, die aus Dschihadisten besteht, die aus China stammen und sich im ländlichen Latakia und Idlib niedergelassen haben). Sie beaufsichtigen die Herstellung der Drohnen für ein monatliches Gehalt von bis zu 4.000 Dollar (Nahar 29.11.2024). Die Entwicklung dieser Waffen soll in kleinen Werkstätten, untergebracht in Garagen, Häusern, ehemaligen Schulgebäuden, Lagerhäusern und anderen Orten, die schwer zu entdecken sind, passiert sein (LF 13.12.2024). HTS hat eine komplexe Infrastruktur aufgebaut, um den Einsatz von Drohnen zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Einsatz von 3-D-Drucktechnologie zur Herstellung von Teilen, die nicht ohne Weiteres aus kommerziellen Quellen bezogen werden können (LF 13.12.2024).
Der Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) fehlt es an ausreichendem Personal, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Es werden entweder andere Gruppierungen mit an Bord geholt werden müssen, oder möglicherweise auch ehemalige Soldaten (PBS 16.12.2024). Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppierungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Associated Press berichtete am 16.12.2024, dass Polizeikräfte des Assad-Regimes verschwunden sind und an ihre Stelle Polizeikräfte der Syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Gouvernements - SSG) - der von der HTS geführten Regierung, die bis zum Sturz al-Assads in Idlib regierte - getreten waren. Sie bearbeiten Fälle von kleineren Diebstählen und Straßenkrawalle (AP 15.12.2024b). Die Polizisten der SSG sollen 4.000 Mann stark sein, wobei die Hälfte davon weiterhin in Idlib operiere, während die andere Hälfte in Damaskus und anderen Teilen Syriens für Ordnung sorgen. Obwohl manche von ihnen religiöse Symbole tragen, ließen sie andersgläubige Minderheiten weitgehend in Ruhe (AP 15.12.2024b).[Weiterführende Informationen zur Behandlung von Minderheiten finden sich im Kapitel Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024) sowie Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad Regimes (seit 8.12.2024).] Die Kräfte, die Syriens neuem Machthaber zur Verfügung stehen, sind unzureichend. Die 30.000 Mann starke HTS ist nun über das ganze Land verteilt (Economist 5.3.2025). In Damaskus ist in den wichtigsten Bereichen nur Militärpersonal der HTS zu sehen, das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt und versucht, den Verkehr zu regeln – allerdings mit begrenztem Erfolg. Dies ist nicht nur eine Folge der begrenzten Kapazitäten der HTS, die nun an ihre Grenzen stoßen, da sie ein ganzes Land und nicht nur einen Teil einer Provinz verwalten müssen. Es ist auch ein Symptom für den abrupten Zusammenbruch der traditionellen Sicherheitsstrukturen. In den meisten Städten wurden in den ersten Tagen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes Polizeistationen und Gerichte geschlossen, und Diebstähle – sowohl von Autos als auch von Häusern – nahmen aufgrund des Mangels an neu ausgebildeten Polizisten zu (AGSIW 4.3.2025). Während des Umsturzes am 8.12.2024 wurden die meisten Polizeistationen in Damaskus von Plünderern verwüstet, wobei Ausrüstung und Unterlagen geplündert oder zerstört wurden. Die Polizei gab an, dass die Hälfte der etwa 20 Polizeistationen inzwischen wiedereröffnet wurde, aber sie jeweils nur mit zehn Beamten besetzt sind, die größtenteils aus Idlib kommen. Zuvor waren es 100 bis 150 Mann (REU 23.1.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei regeln Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). HTS hat sich auf ihre eigenen Einheiten und die ihrer engen Verbündeten verlassen, um die vier von Minderheiten dominierten Gouvernements zu sichern. Zu diesen gehören vor allem die Einheiten der Allgemeinen Sicherheit (auch: General Security) des Innenministeriums der ehemaligen syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG). Diese Kräfte sind im Wesentlichen schwer bewaffnete Polizisten, die eingesprungen sind, um Unterstützung zu leisten, während neue lokale Polizeikräfte noch aufgebaut werden. Die Abteilung für militärische Operationen hat auch Einheiten im ganzen Land eingesetzt, um die überlastete Allgemeine Sicherheit zu unterstützen und weitere Sicherheitslücken zu schließen. DMO-Einheiten führen gezielte Razzien gegen bewaffnete Zellen durch, halfen anfangs bei der Überwachung von Städten und besetzten zeitweise Kontrollpunkte. Ende Dezember 2024 wurden viele Einheiten aus den Küstenstädten abgezogen und auf Kontrollpunkte und Stützpunkte beschränkt, wo sie durch wachsende lokale Polizeikräfte ersetzt wurden. Am problematischsten waren die ausländischen Kämpfergruppen innerhalb der Eliteeinheit Rote Brigaden [mehr dazu s. unten Anm.] von DMO und HTS, die viele der Razzien der neuen Regierung anführt (MEI 21.1.2025). Die Sicherheitskräfte des alten Regimes wurden aufgelöst. Frühere Versprechen, die Polizei auf ihre Posten zurückzurufen, wurden nicht eingehalten. Die Menschen wurden aufgefordert, sich erneut auf ihre Stellen zu bewerben, aber das Verfahren ist undurchsichtig und soll Alawiten abschrecken. Ash-Shara' hat sich größtenteils an die Sicherheitskräfte seiner Verwaltung in Idlib gewandt, um den Personalmangel auszugleichen. Erfahrene Offiziere des alten Regimes sind jetzt Taxifahrer. In diesem Vakuum stellen die örtlichen Gemeinden ihre eigenen Bürgerwehren zusammen (Economist 5.3.2025).
Ash-Shara' versprach, dass die bewaffneten Gruppierungen und Milizen entwaffnet würden (HB 16.12.2024), und kündigte an, dass die bewaffneten Gruppierungen aufgelöst und die Kämpfer ausgebildet werden, um in die Reihen des Verteidigungsministeriums einzutreten. Sie werden dem Gesetz unterworfen sein (DW 17.12.2024). Seit Jänner 2025 haben die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres zügig daran gearbeitet, alle bewaffneten Gruppen unter einer einzigen, mit dem Staat verbundenen Armee und Polizei zu vereinen. Für diesen Prozess wurde der Oberste Ausschuss für die Regulierung der Streitkräfte eingerichtet, der Waffen, Technologie, Militärstützpunkte und Personal überwachen soll. Ein Ausschuss von Offizieren entwirft derzeit die Struktur der neuen syrischen Armee. Die Regierung hat klargestellt, dass alle militärischen Fraktionen aufgelöst und in staatliche Institutionen integriert werden (TNA 3.2.2025). Der Prozess der Bildung einer neuen Armee für Syrien wird auf der Vereinigung mehrerer bewaffneter Gruppierungen beruhen, die über das ganze Land verteilt sind. Einige dieser Gruppierungen waren in Nord- und Westsyrien aktiv, während andere ihren Einfluss auf Südsyrien konzentriert haben, wie die Achte Brigade unter der Führung des ehemaligen Oppositionskommandeurs Ahmad al-'Awda oder andere Formationen, die in der drusischen Mehrheitsprovinz Suweida eingesetzt werden. Diese Formationen, die sich in der nächsten Phase zu einer einzigen Armee vereinigen sollen, sind jedoch über ihre Visionen und Ziele sowie darüber, woher sie Unterstützung erhalten, zerstritten (AlHurra 12.2.2025). Die HTS verhandelte mit Einheiten der aufgelösten Syrischen Arabischen Armee (SAA) über die Zusammenlegung und Integration in eine neue syrische Armee (ISW 16.12.2024). Der neue syrische Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte für deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln. Die zwei größten drusischen Fraktionen aus der südlichen syrischen Provinz Suweida haben daraufhin ihre Bereitschaft erklärt, sich der neuen syrischen Armee anzuschließen (AlHadath 7.1.2025). Die richtungsweisende Entscheidung, die bewaffneten Gruppierungen unter einer einzigen nationalen Armee zusammenzufassen, wurde während eines hochrangigen Treffens in Damaskus formalisiert. Die neu vereinte Truppe wird dem Verteidigungsministerium unterstellt sein und darauf abzielen, die militärische Führung zu zentralisieren und die Ordnung wiederherzustellen. Das Abkommen umfasst nicht alle Fraktionen. Gruppierungen, die in südlichen Regionen wie Dar'aa, Quneitra und Suweida operieren, sowie in at-Tanf stationierte, von den USA ausgebildete Truppen bleiben außerhalb des Geltungsbereichs. Auch die kurdisch dominierten SDF fallen nicht unter das Abkommen. Pläne für eine umfassendere Integration sollen nach dem Ende der Amtszeit der Übergangsregierung im März umgesetzt werden (TR-Today 8.1.2025). Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge waren die bewaffneten Gruppen bereit, sich der neuen Militärstruktur anzuschließen. Das syrische Verteidigungsministerium berichtete, dass die neue syrische Regierung mit Vertretern von mehr als 60 bewaffneten Gruppierungen zusammengetroffen sei, die sich bereit erklärt hätten, sich in das neue Verteidigungsministerium zu integrieren. Es wurde ein Ausschuss eingerichtet, um eine einheitliche Datenbank der Streitkräfte zu erstellen, die Informationen über die Humanressourcen (Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten und akademisches Personal) und über militärische Vermögenswerte (Hauptquartiere, Technologie und Waffen) enthalten soll. Die Informationen würden der Führung des Verteidigungsministeriums vorgelegt, gefolgt von Treffen mit den bewaffneten Organisationen, um die Struktur der Sicherheitskräfte festzulegen und Kommandeure zu ernennen (MAITIC 23.1.2025). Die Bewegung der syrischen Oppositionsfraktionen gegen Assad war schon immer zersplittert, und es gibt eine lange Geschichte von gescheiterten Vereinigungsprojekten, sowohl im Norden als auch im Süden des Landes. Nach dem Sturz von al-Assad hat sich die Lage geändert, aber die Probleme sind nicht völlig verschwunden (AlHurra 12.2.2025). Der Übergangsregierung ist es gelungen, von bewaffneten Gruppen im ganzen Land (mit Ausnahme von Suweida) vorsichtige Zugeständnisse zu erwirken. Die Bildung einer Süddivision deutet darauf hin, dass sie an einer vorübergehenden Lösung gegenüber dem geschäftsführenden Verteidigungsministerium interessiert ist: Bisher scheinen nicht zu HTS gehörende bewaffnete Gruppen bereit zu sein, mit dem Ministerium zusammenzuarbeiten, ohne jedoch ihre Organisationsstrukturen und geografischen Einflusszonen aufzugeben oder sich entwaffnen zu lassen. Tatsächlich werden die Brigaden der Süddivision die Spaltungen, die den Süden seit Jahren prägen – zwischen dem östlichen und westlichen Dara'a, zwischen Dara'a und Suweida und zwischen konkurrierenden Gruppierungen untereinander – aufrechterhalten (Etana 22.2.2025). Obwohl ash-Shara' Fortschritte bei der Bildung eines Verteidigungsministeriums nach al-Assad unter der Kontrolle der von HTS geführten Behörden in Damaskus signalisiert hat, gibt es über Erklärungen gegenüber den Medien und Diplomatenbesuchen hinaus kaum Anzeichen für praktische Fortschritte. Da es keinen transparenten Plan für die Bildung eines neuen Verteidigungsministeriums gibt, haben ehemalige Oppositionsfraktionen ihre Waffen nicht abgegeben (Etana 10.1.2025). Übergangspräsident ash-Shara' und Verteidigungsminister Abu Qasra haben sich noch nicht mit den Einzelheiten befasst, wie diese Armee von innen aussehen wird und ob das neue syrische Verteidigungsministerium in der Lage ist, eine vollständige Harmonie zwischen den Fraktionen und Kämpfern zu erreichen (AlHurra 12.2.2025). [Informationen zur neuen syrischen Armee finden sich auch im Kapitel Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024). Informationen zur Eingliederung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) finden sich im Unterkapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Sicherheitsbehörden in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) Anm.]
Am 29.1.2025 wurde die Auflösung bewaffneter Gruppierungen in Syrien bekannt gegeben, darunter auch die HTS (Sky News 31.1.2025). Einem Journalisten von Sky News zufolge sind viele Gruppierungen, die HTS unterstützten, bereits Teil der Allgemeinen Sicherheit (General Security Force) geworden und tragen alle einheitliche schwarze Uniformen und Kampfanzüge (Sky News 13.2.2025). Die General Security war die wichtigste Polizeitruppe der HTS im Nordwesten Syriens und ist nun zur Gendarmerie der Übergangsregierung in ganz Syrien geworden, um das Sicherheitsvakuum nach dem Sturz des Regimes zu füllen (ISW 16.4.2025). Bereits am 28.1.2025 wurde berichtet, dass sich die der al-Qaida nahestehende Gruppierung Hurras ad-Din aufgelöst hatte. 2018 geriet die Gruppierung mit der HTS in Konflikt, nachdem sich Letztere von der al-Qaida losgesagt und ihren Namen geändert hatte (Araby 28.1.2025). Die verschiedenen Gruppierungen in Südsyrien, darunter die von Russland unterstützte 8. Brigade in Dara'a und drusische Milizen in Suweida, haben bestimmte Bedingungen für den Beitritt zu einer nationalen Armee festgelegt. Dazu gehören die Einrichtung einer wirklich repräsentativen Regierung, eine neue Verfassung und ein nicht konfessionsgebundenes Militär. Diese Forderungen unterstreichen das tief sitzende Misstrauen gegenüber einer zentralisierten Autorität und den Wunsch nach lokaler Autonomie, was die Aufgabe der Armeevereinigung weiter erschwert (DNewsEgy 3.2.2025). Bisher ist es gelungen, die von der Türkei unterstützten Gruppierungen in den nördlichen Teilen Syriens aufzulösen (NLM 25.2.2025). Militärangehörige, darunter hochrangige Offiziere, sagten, dass einige Oppositionsfraktionen weiterhin in den Formationen operieren, die sie vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad im Dezember genutzt haben, während gleichzeitig eine schrittweise Übergabe an Brigaden unter der Führung von Damaskus stattfindet, um eine neue Armee aufzubauen (National 21.2.2025).
Die bewaffnete Landschaft Syriens besteht aus einem komplexen Geflecht von über 60 Fraktionen, von denen jede ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Loyalitäten und ihre eigene Agenda hat. Mehr als die Hälfte sind der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) angeschlossen. Andere Fraktionen agieren unabhängig oder innerhalb kleinerer Allianzen, mit Ideologien, die von säkular bis islamistisch reichen, und Finanzierungsquellen, die verschiedene regionale und internationale Akteure umfassen. Dieses Flickwerk an Macht stellt ein erhebliches Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen nationalen Armee dar (DNewsEgy 3.2.2025). Obwohl die Kämpfer nominell unter der Schirmherrschaft der neuen syrischen Regierung stehen, gibt es nach wie vor Milizen, von denen einige in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren und relativ undiszipliniert sind (Guardian 9.3.2025). Die Kernkräfte der Gruppierung, die die neue Regierung anführt, HTS, sind bekanntermaßen weitaus disziplinierter als andere Akteure, was auf jahrelanger Beobachtung ihrer Aktivitäten in der Provinz Idlib und während des Sturzes von al-Assad beruht. Dennoch waren auch einige HTS-Kräfte an den Massakern im März 2025 in der syrischen Küstenregion beteiligt. Darüber hinaus trägt die neue Regierung weiterhin die Verantwortung für alle Tötungen, die von Gruppen unter ihrem formellen Kommando, einschließlich der SNA, begangen wurden. Ihre Unfähigkeit, diese Verbrechen zu verhindern, verdeutlicht, dass sie über Gebiete und Fraktionen außerhalb ihrer traditionellen Basis nach wie vor nur begrenzt befehligen und kontrollieren kann. Nachdem Berichte über Massaker aufgetaucht waren, gab das Innenministerium eine doppelte Erklärung ab, in der es die Zivilbevölkerung aufforderte, sich nicht einzumischen und die Reaktion der Regierung zu überlassen, und allen regierungsfreundlichen Kräften befahl, sich an die Verfahren zu halten, die während der Offensive zum Sturz des Assad-Regimes angewendet wurden, nämlich keine Zivilisten ins Visier zu nehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits zahlreiche Morde verübt worden, und die Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den notwendigen Prozess der Rechenschaftspflicht, der auf solche Vorfälle folgen muss, um weitere Vergeltungsmaßnahmen und Gräueltaten zu verhindern (TWI 10.3.2025). [Details zu den Vorfällen im März 2025 finden sich im Kapitel Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] In den Reihen der neuen syrischen Armee finden sich auch islamistische Kämpfer aus anderen arabischen Staaten, Zentralasien und dem Kaukasus (Standard 9.3.2025). Es gibt große Probleme bei der Integration der Gruppierungen, die bereits unter dem Verteidigungsministerium zusammengelegt wurden. Zu nennen ist hier der Top-Down-Ansatz, bei dem die Priorität auf Loyalität statt auf Leistung gelegt wird. Es gelingt nicht die ideologischen und klassenbasierten Unterschiede zwischen – und innerhalb – der Gruppierungen, die jetzt unter dem Kommando ash-Shara's stehen, abzumildern (NLM 25.2.2025).
Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)
Die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [zu Deutsch: Komitee zur Befreiung der Levante Anm.] ist die stärkste Gruppierung in Syrien (Asharq 9.12.2024). Ihre Mannstärke wird auf 43.000 geschätzt. Die Hälfte dieser Gruppierungen ist nach der Rückeroberung in ihren ursprünglichen Gebieten geblieben, insbesondere in den Gebieten im Norden von Hama, im Süden von Idlib und im Westen und Süden von Aleppo (Quds 11.1.2025). Sie entstand aus dem Zusammenschluss von fünf Gruppierungen, u. a. der Jabhat Fatah ash-Sham, Liwa' al-Haqq, Jabhat Ansar ad-Din und Jaysh as-Sunna und wurde später von mehreren Bataillonen, Brigaden und Einzelpersonen unterstützt (AJ 3.12.2024). Die HTS versuchte ihren militärischen Flügel durch die Einrichtung eines gemeinsamen Einsatzraums namens „Shahba Community“ in Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppierungen, darunter Ahrar ash-Sham, die Nour ad-Din-Zenki-Bewegung und die „50. Division“ zu stärken (UNSC 22.7.2024). 2019 wurde der Operationsraum Fatah al-Mubin gegründet. Dieser war für die Koordinierung und Abteilung für militärische Operationen in Nordsyrien in Idlib und den ländlichen Gebieten von Aleppo, Latakia und Hama verantwortlich. Mitte 2020 schränkte die Hay'at Tahrir ash-Sham alle militärischen Operationen auf den Operationsraum Fatah al-Mubin ein und untersagte die Bildung jeglicher sonstiger militärischer Gruppierungen oder Operationsräume in den von ihr kontrollierten Gebieten. 2023 verkündete die HTS eine neue Struktur für die militärischen Kräfte in ihren Gebieten an (AJ 3.12.2024). Mitglieder der HTS sind nicht nur Syrer, sondern sie umfasst mehrere Nationen (Asharq 8.12.2024). Sie ist in sechs Brigaden, Spezialeinheiten und Elitetruppen unterteilt, die als Rote Brigaden bekannt sind (Quds 11.1.2025) bzw. als Rote Bänder, und welche Berichten zufolge dank ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Ausbildung, Bewaffnung und die Fähigkeit, die Frontlinien zu durchdringen, in der Lage waren, mehrere Kampfhandlungen gegen Assads Streitkräfte zu gewinnen (Asharq 9.12.2024). Die Anzahl der Mitglieder dieser Eliteeinheit ist nicht bekannt, sie soll Berichten zufolge aber aus Hunderten von HTS-Mitgliedern bestehen (Asharq 8.12.2024), die Inghamasiyin genannt werden (AJ 5.12.2024) und von denen einige zu den ideologisch extremsten und kampferfahrendsten Elementen der Rebellenkoalition gehören (Guardian 8.12.2024). Auf ihren Köpfen tragen sie rote Bänder. Die Einheit, die 2018 gegründet wurde, hat einen hohen Ausbildungsstand (AJ 5.12.2024) und verfügt über Spezialwaffen (AlMayadeen 5.12.2024). Daneben gehören auch Gruppen von Scharfschützen zu dieser Eliteeinheit (Asharq 8.12.2024). Auch HTS-Anführer Ahmed ash-Shara' tauchte in einem Video 2020 mit rotem Band am Kopf auf (AlMayadeen 5.12.2024). Die HTS war es, die die Operation "Abschreckung der Aggression" im November und Dezember 2024 anführte (Asharq 9.12.2024).
Ash-Shara' kündigte gegenüber al-'Arabiya und al-Hadath an, dass sich seine Gruppierung bald auflösen wird (Arabiya 6.1.2025b). Am 29.1.2025 wurde die Auflösung der HTS bekannt gegeben (Sky News 31.1.2025).
Ausländische Kämpfer
Ash-Shara' hat sich an eine Gruppe ausländischer Kämpfer gewandt, die aus dem Norden gekommen sind. Ihre Zahl könnte zwischen 400 und 2.500 liegen (Economist 14.1.2025).
Die alawitische Armee
Mehr als 400.000 Mitglieder der alawitischen Gemeinschaft wurden entlassen und sind vom Sturz al-Assads betroffen, darunter Angehörige der Armee, der Sicherheitsabteilungen, Beamte in Einrichtungen, die dem Verteidigungsministerium angegliedert sind, sowie Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen und Milizen. Das bedeutet, dass etwa 85 % der alawitischen Haushalte ohne einen Ernährer dastehen werden und innerhalb weniger Monate eine ganze Gemeinschaft von der Armutsgrenze an die Hungergrenze fallen könnte (Quds 11.1.2025).
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).
Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025).
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).
Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025).
Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Die sunnitischen Muslime machen die Mehrheit der Bevölkerung des Landes aus. Obwohl die offiziellen Bevölkerungsstatistiken keine Angaben zu Religion oder ethnischer Zugehörigkeit enthalten, sind laut dem Bericht des US-Außenministeriums über Religionsfreiheit aus dem Jahr 2022 74 % der Bevölkerung Sunniten, mit einer vielfältigen ethnischen Mischung aus mehrheitlich Arabern, Kurden, Tscherkessen, Tschetschenen und einigen Turkmenen. Sunniten sind in den meisten syrischen Städten und Dörfern vertreten, mit bemerkenswerten Konzentrationen in Damaskus, Aleppo und Homs. Neben den Sunniten gibt es weitere islamische Gruppen, darunter Alawiten, Ismailiten und andere schiitische Sekten, die nach Schätzungen des US-Außenministeriums zusammen 13 % der Bevölkerung ausmachen. Die Vielfalt Syriens beschränkt sich nicht auf die konfessionelle Dimension, sondern erstreckt sich auf zahlreiche ethnische Gruppen wie Kurden, Armenier, Turkmenen, Tscherkessen und andere. Araber sind die überwältigende Mehrheit in Syrien, gefolgt von Kurden (BBC 12.12.2024). Die Übergangsregierung in Syrien will sich nach Aussagen ihres Außenministers ash-Shaybani für die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen im Land einsetzen. Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft, seines sozialen oder religiösen Hintergrunds oder einer Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen bestraft werden, sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos (Zeit Online 23.1.2025). Demografische Daten für Syrien sind unzuverlässig, und die derzeitigen Standorte von Minderheitengemeinschaften sind aufgrund der erheblichen Umwälzungen, die das Land unter der Herrschaft von Bashar al-Assad erlebte, ähnlich schwer zu ermitteln (MRG 1.2025).
Auf folgender Karte von France 24 ist die ethnische und religiöse Zusammensetzung Syriens dargestellt:

FR24 26.12.2024a
Obwohl die Zahlen nicht überprüft werden können, wird geschätzt, dass weit über 500.000 Menschen getötet wurden und über zwölf Millionen innerhalb Syriens oder ins Ausland vertrieben wurden, darunter Alawiten, Christen (einschließlich Armenier und Assyrer), Drusen, Ismailiten, Kurden, Turkmenen, Zwölfer-Schiiten, Jesiden und andere. Al-Assads zynische Mobilisierung von Ängsten innerhalb der Gemeinschaft vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses extremistischer Elemente innerhalb der syrischen Oppositionskräfte führte zu einer zunehmend konfessionell geprägten Landschaft – beschleunigt durch die Vertreibung von Minderheiten durch militante Gruppen in Gebieten, die unter ihrer Kontrolle standen. Infolgedessen hat sich die Demografie des Landes neu geordnet, wobei sich die religiösen Minderheiten in den von der Regierung kontrollierten Gebieten in Zentral- und Südsyrien konzentrieren, während die Bevölkerung im Norden nun größtenteils sunnitisch ist (MRG 1.2025).
Tatsächlich kam es bei dem rasanten Vormarsch auf Damaskus Berichten zufolge nicht zu Racheakten oder Gewalttaten. In seiner ersten Rede in Damaskus trat ash-Shara' ebenfalls mäßigend auf und mahnte den Übergang vom Kampf zum Aufbau der Institutionen an (Rosa Lux 17.12.2024). Insbesondere Alawiten und Christen sind besorgt, dass die Zukunft des neuen Syriens für ihre Gemeinschaften, von denen viele die Revolution im Jahr 2011 und den anschließenden 13-jährigen Bürgerkrieg ablehnten, nicht tolerant sein könnte (Independent 12.12.2024). Von Anfang an zeigten die neuen Behörden bewusst die Absicht, eine Abkehr von den spaltenden Praktiken ihrer Vorgänger zu signalisieren. In Aleppo nahm Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) Kontakt zu prominenten christlichen Führern und Geistlichen verschiedener Konfessionen auf, um die angespannten Beziehungen zu verbessern und ein Gefühl der Sicherheit zu fördern. Diese Treffen waren nicht oberflächlich, sondern beinhalteten Diskussionen über konkrete Missstände, wie die Ungerechtigkeiten, mit denen Christen in Jisr ash-Shughur ein Jahr zuvor konfrontiert waren. Einige dieser Missstände wurden inzwischen angegangen, hauptsächlich durch Rechenschaftspflicht und die Rückgabe von Eigentum an die rechtmäßigen Eigentümer. Dies ist ein beispielloser Schritt, der das Verständnis der Führung für die Notwendigkeit von Inklusion unterstreicht, wenn auch sorgfältig gesteuert (AC 20.12.2024). Anderen Berichten zufolge gab es durchaus gewaltsame Übergriffe, Morde und andere Racheakte von HTS-Kämpfern gegen Andersgläubige (National 6.1.2025). Einem libanesischen Zeitungsbericht zufolge, der Betroffene zitiert, sollen vor allem Nachbarn und Bekannte Racheakte an Andersgläubigen verübt haben. Viele Angehörige verschiedener religiöser Minderheiten sind in den Libanon geflohen (Nahar 1.1.2025).
Ash-Shara' hat Befehle erlassen, Kreuze an Kirchen zu lassen und Weihnachtsdekoration zu schützen und die schiitischen Schreine zu respektieren sowie Bars und Lokale in Ruhe zu lassen, in denen Frauen und Männer miteinander tanzten. Das ist anders als in Idlib, wo solcher vermeintlicher Verderbtheit Schuldige, getötet, bekehrt oder vertrieben und ihre Räumlichkeiten, einschließlich Kirchen, geschlossen würden (Economist 14.1.2025). HTS-Beamte haben umfangreiche Kontaktkampagnen mit Vertretern aller religiösen Glaubensgemeinschaften gestartet, und die christlichen und drusischen Gemeinschaften in ganz Westsyrien scheinen überwiegend in Frieden zu leben. Nur in den alawitischen Gemeinden hat die Jagd nach Kriminellen zu wiederholten Verstößen gegen Zivilisten geführt. Diese werden als Einzelfälle deklariert (MEI 21.1.2025). Als christliche Führer von Problemen berichteten - wie dem Auftauchen einiger islamistischer Prediger, die versuchten, Christen in der Altstadt von Damaskus zu bekehren - habe die neue Regierung schnell gehandelt, um die Ruhe wiederherzustellen (Arabi21 3.2.2025).
Ash-Shara' hat erklärt, dass weder die Kurden noch die Drusen unter dem Vorwand der Angst vor der islamischen Mehrheit Syriens auf Autonomie hinarbeiten dürfen. Er verlangt von ihnen, sich in der neuen Ordnung einzugliedern und ihre Waffen niederzulegen. Die Kurden sollen keine unabhängigen oder individuellen Beziehungen zu ausländischen Akteuren unterhalten (Akhbar 31.12.2024).
Laut Beobachtern hat Iran nach dem Sturz des Regimes eine groß angelegte Desinformationskampagne gestartet, die primär darauf abzielt, religiöse Konflikte in Syrien zu schüren und damit die fragile Lage in dem Land zu destabilisieren. Dabei werden in den sozialen Netzwerken massenhaft falsche oder irreführende Berichte von Gewalttaten gegen Schiiten, Alawiten und Christen verbreitet, die angeblich von Kämpfern der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) verübt wurden. Dass es tatsächlich iranische Akteure sind, die diese Berichte streuen, lässt sich in den wenigsten Fällen nachweisen. Doch die schiere Anzahl von Postings lässt darauf schließen, dass es sich um eine organisierte Kampagne handelt (NZZ 8.1.2025). Auch Enab Baladi berichtet von irreführenden Videos, die in sozialen Medien verbreitet werden, um Zwietracht zu säen und die Sicherheitslage zu gefährden (Enab 10.1.2025).
Obwohl der Rebellenführer mit dem Versprechen angetreten ist, das gesamte syrische Volk zu vertreten, sitzt in der Interimsregierung weder ein Alawit noch ein Schiit, noch ein Druse oder ein Christ (NZZ 24.1.2025). Zudem gab es in den Wochen nach dem Umsturz immer wieder Berichte von Übergriffen gegen diese Minderheiten (ORF 27.1.2025). In einem Interview mit dem Economist versprach ash-Shara', dass nach Ablauf einer dreimonatigen Frist, Anfang März, eine breitere und vielfältigere Regierung etabliert werde, an der alle Teile der Gesellschaft teilhaben werden. Das Auswahlverfahren wird auf Kompetenz und nicht auf ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit basieren (Economist 3.2.2025).
Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025).
Religiöse Minderheiten
Alawiten
Der Alawismus ist eine schiitische Sekte des Islam. Das Wort 'Alawi - علوي bedeutet „Anhänger von Ali“, einem Cousin und Schwiegersohn des Propheten Mohammed. Nach Angaben von Reuters stellen die Alawiten in Syrien mit 10 % der Gesamtbevölkerung die größte religiöse Minderheit dar. Die Alawiten sind seit dem 12. Jahrhundert n. Chr. in Syrien ansässig und leben vor allem an der Mittelmeerküste, in den Städten Latakia und Tartus (BBC 12.12.2024). Dem Alawismus gehören ca. 2-3 Millionen Syrer an (AlMon 11.1.2025). Die Alawiten wurden erst 1932 offiziell als Muslime anerkannt (TWI 31.12.2024).
Der alawitischen Minderheit wird unterstellt, dass sie von Assads Regime unterstützt wurde, weil auch er und seine Familie Alawiten sind (PBS 16.12.2024). Unter al-Assad arbeiteten mehr als 80 % der Alawiten für den Staat, sie stellten den Großteil der Armee und des Geheimdienstoffizierskorps, die meisten leitenden Regierungsbeamten und die meisten Führungskräfte in der öffentlichen Industrie. Während des Bürgerkriegs erhielten die Frauen und Kinder getöteter alawitischer Soldaten öffentliche Jobs, um ihre Verluste auszugleichen, wodurch die Zahl derer, die ihren Lebensunterhalt dem Staat und der Familie al-Assad verdankten, noch weiter anstieg (TWI 31.12.2024). Die alawitischen Gemeinschaften besetzten zwar überproportional viele Schlüsselpositionen im Regime, gehören aber auch zu den ärmsten in Syrien (Independent 12.12.2024). Abgesehen von den Familienangehörigen al-Assads und seinen Anhängern litt die alawitische Minderheit unter Armut (PBS 16.12.2024). Die Familie al-Assad verließ sich auf die Alawiten, die seit ihrer Machtübernahme im Jahr 1970 viele Führungspositionen im Regime innehatten. In vielen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass sie in früheren Kriegsjahren überproportional häufig vom Assad-Regime zur Wehrpflicht eingezogen wurden. Die Schätzungen gehen zwar auseinander, aber alle stimmen darin überein, dass in diesem Konflikt mindestens Zehntausende Alawiten getötet wurden (Independent 12.12.2024). In den nach dem Sturz des Regimes zurückgelassenen Geheimdienstdokumenten soll auch eines gefunden worden sein, dass die Hinrichtung von 2.459 alawitischen Soldaten anordnete. Der Grund für die Hinrichtung war die Nichteinhaltung militärischer Befehle. Den Familien soll mitgeteilt worden sein, dass die Soldaten auf dem Schlachtfeld gefallen seien. Das Dokument, das auf den 1.3.2015 datiert, soll auch beinhalten, dass damals 1.796 Soldaten inhaftiert wurden und ihren Familien mitgeteilt wurde, sie seien entführt worden (AlHurra 15.12.2024b). Die neue Regierung soll Berichten zufolge eine Liste mit 250 Namen angelegt haben - die Mehrheit davon Alawiten - welche die neue Regierung als Kriminelle betrachtet, die verhaftet und strafrechtlich verfolgt werden sollten. In Einzelheiten über laufende Treffen mit alawitischen Würdenträgern in großen Städten oder an der syrischen Küste sagt das neue Regierungsteam, dass die Alawiten ihre Loyalität für die neue Regierung unter Beweis stellen und Verbindungen zu al-Assads Unterstützer abbrechen müssen (Akhbar 31.12.2024). Obwohl die neue Regierung es auf ehemalige Regierungsbeamte und Soldaten abgesehen hat, sind die alawitischen Stadtviertel von Angst erfüllt, aufgrund beunruhigender Berichte über Morde und Verschwindenlassen in diesen Gebieten (AlMon 11.1.2025).
Syrienexperte Fabrice Balanche glaubt, dass ash-Shara' unter dem Vorwand, eine „Entba'athifizierung“ innerhalb der Armee und der Regierung durchzuführen, mit ziemlicher Sicherheit einen „Entalawitisierungsprozess“ einleiten wird. Das bedeutet, dass die alawitische Küstenregion ihre Bestimmung als Zufluchtsort wiederentdecken muss. Viele Alawiten, die in Damaskus, Homs und den umliegenden Gebieten im Landesinneren leben, werden sich wahrscheinlich gezwungen sehen, in ihre Heimat zurückzukehren – auf Grundstücke, die sie nicht nur als Urlaubsdomizile, sondern auch als Absicherung für die Zukunft angelegt haben. Wenn sie in anderen Teilen Syriens bleiben, könnte ihr Leben angesichts der Rückkehr vertriebener, potenziell rachsüchtiger Sunniten schnell schwierig und sogar gefährlich werden. Viele Mitglieder der neuen sunnitischen Führung in Damaskus und ihre Anhänger tragen vermutlich ein Erbe religiöser und sozialer Feindseligkeit gegenüber den Alawiten im Allgemeinen in sich. Die Sekte könnte einer kollektiven Bestrafung ausgesetzt sein, selbst jene Alawiten, die sich al-Assad widersetzt haben, anstatt ihm zu helfen (TWI 31.12.2024). Diese Meinung stützen Berichte von "The National", wonach am 6.1.2025 eine Kampagne zur Ergreifung von Regimegegnern intensiviert wurde, obwohl die Befürchtung besteht, dass es zu sektiererischer Vergeltung kommen könnte, die den Staatsaufbau untergraben würde. In den Wochen nach dem Umsturz haben Mitglieder der alawitischen Gemeinschaft in den sozialen Medien Videos veröffentlicht, die angeblich HTS-Mitarbeiter zeigen, wie sie junge alawitische Männer in Homs und Umgebung sowie in der bergigen Küstenregion schlagen und mit Füßen treten. HTS-geführte Formationen sollen bei den Übergriffen etwa 75 Alawiten getötet haben, darunter mehrere Frauen (National 6.1.2025). In der Umgebung von Latakia und Tartus hat HTS Operationen durchgeführt, um Reste des Regimes gefangen zu nehmen, und ist dabei gelegentlich mit Soldaten der Armee zusammengestoßen, die ihre Waffen nicht niedergelegt hatten (Economist 8.1.2025). In Homs, einer mehrheitlich von Sunniten bewohnten Stadt, in die al-Assad massenhaft Alawiten umsiedelte, fordern aus dem Norden zurückkehrende Sunniten gewaltsam ihre Häuser zurück (Economist 14.1.2025).
Die neue Regierung verzichtete darauf, den Alawiten gezielte Zusicherungen zu geben, und verankerte stattdessen ihre Botschaften von Gerechtigkeit und Versöhnung in breiter gefassten Erklärungen. Die neuen Behörden betonten, dass niemand ohne ein ordnungsgemäßes Verfahren und eindeutige Beweise für ein Fehlverhalten mit Vergeltung rechnen müsse. Der Einsatz von Rebellen in Latakia und den umliegenden Bergen erfolgte ohne nennenswerte Gewalt, mit ausdrücklichen Anweisungen, öffentliches Eigentum zu schützen und Vergeltungsangriffe zu verhindern. Solche Maßnahmen deuten darauf hin, dass man versucht, die Angst der Alawiten vor einer Kollektivstrafe zu mildern – eine Gemeinschaft, die durch ihre historische Verbindung mit dem Assad-Regime belastet ist (AC 20.12.2024). The Economist schreibt, dass HTS – eine Gruppe, die von den Alawiten einst als existenzielle Bedrohung angesehen wurde – heute von ihnen oft als die einzige Kraft angesehen wird, die sie vor Extremisten schützen kann. Die Gruppierung aber ist damit beschäftigt, Damaskus zu regieren (Economist 8.1.2025). Anfang Februar wurde der Oberste Alawitische Islamische Rat in Syrien und der Diaspora gegründet, dessen Ziel es ist, sicherzustellen, dass die alawitische Gemeinschaft ein authentischer Teil des syrischen Gefüges ist. Er soll bis zum Ende der Übergangsphase und der Errichtung eines verfassungsmäßigen Staates bestehen. Der Rat soll vom Mufti von Latakia geleitet werden und sich aus 130 Scheichs aus verschiedenen Gouvernements zusammensetzen (Akhbar 4.2.2025).
Alawiten sagen, dass sie seit dem Sturz al-Assads am 8.12.2024 religiös motivierten Angriffen ausgesetzt sind, während die neuen Behörden angaben, dass sie versuchen, die Ängste zu zerstreuen und sich verpflichten, Täter von Verbrechen zu verfolgen, und versprechen, die Sicherheit für Minderheiten wieder herzustellen (FR24 6.2.2025). The Economist erkennt kaum Anzeichen für eine Vergeltung durch HTS gegen die Alawiten. Nach dem Sturz des Assad-Regimes kam es zu einem Sicherheitsvakuum im Gebiet der Alawiten, das durch Rebellengruppierungen, von denen einige von der Türkei unterstützt werden, gefüllt wurde, die sich mit Plünderungen und Entführungen gerächt haben. Dutzende Männer, darunter Studenten ohne Verbindungen zum alten Regime, wurden von solchen Gruppierungen festgenommen, die undiszipliniert sind und sich selten zu erkennen geben. Einheimische berichten, dass HTS-Beamte zwar Verständnis zeigen, aber auch sagen, dass sie keine Ahnung haben, wer die Täter sind (Economist 8.1.2025). Kurz nach dem Sturz des Assad-Regimes kam es zu Vorfällen gegen religiöse Heiligtümer, wie Schreine der alawitschen Gemeinschaft in der Provinz Hama (SOHR 19.12.2024). Ende Dezember 2024 kam es daraufhin zu Protesten in Aleppo (DW 28.12.2024). Seit al-Assads Sturz wurden Aktivisten und Beobachtern zufolge Dutzende Syrer bei Racheakten getötet, die überwiegende Mehrheit von ihnen aus der Minderheit der Alawiten (AP 26.12.2024). Telegram-Kanäle, die vom Iran unterstützte irakische Milizen unterstützen, berichteten von Angriffen auf alawitische Bevölkerungsteile durch dschihadistische Gruppierungen. Alawitische Scheichs verurteilen Raubmord an Gemeinschaftsmitgliedern, fordern das Militäreinsatzkommando auf, Mörder hinzurichten und Räte zum Schutz alawitischer Gebiete zu bilden. Auf dschihadistischen, teilweise der HTS-nahestehenden Social-Media-Kanälen wird gegen Alawiten gehetzt, ihnen gedroht und eine Amnestie für Alawiten verurteilt (MEMRI 17.12.2024). Seit al-Assads Sturz ist es immer wieder zu sektiererischer Gewalt gekommen, aber nicht annähernd in dem Ausmaß, wie es nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg, bei dem schätzungsweise eine halbe Million Menschen getötet wurden, befürchtet wurde (AP 26.12.2024). Es haben sich Berichte über Beleidigungen, Schikanen, Razzien, Verschleppungen und Morde in den sozialen Medien gehäuft. Videos, die angeblich zeigen, wie HTS-Kämpfer Alawiten demütigen, schlagen oder zu Gewalt gegen Alawiten anstiften, kursieren ohne Überprüfung. Von offizieller Seite werden die Vorfälle als Einzelfälle deklariert und erklärt, dass keine Unterschiede zwischen den Gemeinschaften gemacht und zu allen guten Beziehungen unterhalten werden. Das Problem seien diejenigen, die ihren Status nicht geregelt oder Waffen versteckt haben. Andere hätten nichts zu befürchten. Das Problem sei, dass ein Klima der Angst durch die Verbreitung gefälschter Videos geschürt werde (FR24 13.1.2025). Das Middle East Institute schreibt, dass es Gerüchte über religiös motivierte Übergriffe auf Minderheiten durch die neuen Streitkräfte gäbe und diese Gerüchte einerseits durch gefälschte Kampagnen für al-Assad und andererseits durch real stattgefundene Übergriffe in diesen Gemeinschaften angeheizt werden. Viele dieser Gerüchte lassen sich nicht überprüfen, während andere von Faktenprüfungsorganisationen schnell widerlegt werden. Es wird argumentiert, dass viele der bestätigten Verstöße eher auf mangelnde Professionalität bei der Festnahme gesuchter Personen als auf explizit sektiererische Motive zurückzuführen scheinen. Viele Verbrechen werden von Banden und Zivilisten begangen, die nicht mit der neuen Regierung verbunden sind, während einige einfache Soldaten und lokale Befehlshaber an sektiererisch motivierten Schikanen und Entführungen alawitischer Zivilisten beteiligt waren. Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen auch in dieser neuen Ära nach Sicherheits- und Verwaltungslücken, die sie ausnutzen können, was zu vielen Verstößen führt, die eindeutig nicht religiös motiviert sind. Andere, stärker sektiererisch motivierte Verbrechen, die sowohl von Einzelpersonen als auch von Sicherheitskräften begangen wurden, scheinen andere Beweggründe zu haben, wie Vergeltung, was vor allem in Homs und Teilen von Hama ein Problem darstellte, wo lokale Sunniten aus Städten, die Massaker durch benachbarte alawitische Milizen erlitten hatten, Racheakte verübten (MEI 21.1.2025). Angesichts der anhaltenden Repressalien waren zahlreiche Alawiten, die in gemischten Provinzen wie Homs und Hama lebten, gezwungen, in die relative Sicherheit der Küstendörfer zurückzukehren (FR24 6.2.2025).
Am Jahrestag des berüchtigten Massakers von Hama verzeichnete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte die Hinrichtung von zehn Mitgliedern der alawitischen Glaubensgemeinschaft in der Provinz Hama. Hinter den Hinrichtungen soll eine Gruppierung namens Ansar as-Sunna stecken (SOHR 2.2.2025). Seit dem Sturz von Assad sind die Spannungen vor dem Hintergrund konfessioneller Angriffe auf die Alawiten, die Syrien mehr als 50 Jahre lang unter der Familie Assad regiert haben, eskaliert (SOHR 10.3.2025a). An der syrischen Küste und im Latakia-Gebirge kam es Anfang März 2025 zu Liquidierungsaktionen auf sektiererischer und regionaler Basis, bei denen Hunderte von Bürgern, darunter Frauen und Kinder, getötet wurden. Sicherheitskräfte, Mitglieder des Verteidigungsministeriums und die mit ihnen verbündeten Kräfte begingen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen (SOHR 10.3.2025b). Die meisten der Getöteten scheinen der alawitischen Gemeinschaft anzugehören (SOHR 10.3.2025a; vgl. TWI 10.3.2025), die vor allem in den Küstenprovinzen, einschließlich der Städte Latakia und Tartus, lebt. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bei diesen Zusammenstößen Hunderte von Zivilisten getötet wurden. Anwohner der Küstenregion berichteten, dass viele Häuser alawitischer Familien geplündert und niedergebrannt wurden (SOHR 10.3.2025a). Unter den von Aufständischen des ehemaligen Regimes Getöteten, befanden sich Sunniten, Christen, aber auch Alawiten (TWI 10.3.2025).
Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara', der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025).
Bis August 2024 waren schätzungsweise 34.000 Flüchtlinge zurückgekehrt, aber nach der Invasion Israels im Libanon im Oktober 2024 flohen weitere 350.000 aus dem Libanon zurück nach Syrien, um dem Konflikt zu entkommen. Mit weiteren 125.000 Rückkehrern seit dem Sturz al-Assads Anfang Dezember erreichte die Gesamtzahl der Rückkehrer im Jahr 2024 fast eine halbe Million (FA 11.2.2025). Laut UNOCHA wurden bis 15.12.2024 225.000 Rückkehrer in ganz Syrien registriert. Die Mehrheit ist in die Gouvernements Hama und Aleppo zurückgekehrt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die neu vertrieben wurden, von 1,1 Millionen, wie am 12.12.2024 gemeldet, auf 882.000 Menschen am 15.12.2024 gesunken ist. Von dieser Zahl wurden mindestens 150.000 Menschen mehr als einmal vertrieben. Viele Familien sind in frühere Lager in ihren Herkunftsgebieten zurückgekehrt, weil es in ihren Heimatstädten an grundlegenden Versorgungsleistungen mangelt oder die Infrastruktur beschädigt ist. Einige Familien gaben auch an, dass sie auf die Räumung von Kampfmittelrückständen in ihren Herkunftsgebieten warten, bevor sie zurückkehren (UNOCHA 16.12.2024). UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner (UNHCR 2.1.2025). Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen (UNHCR 2.1.2025). Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen (Zeit Online 26.1.2025). Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna' zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa'im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen (Nashra 11.2.2025). Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (Almodon 13.2.2025).
Die Karte von UNHCR zeigt die Aufteilung der seit Anfang 2025 zurückgekehrten Syrer nach Gouvernements:

CNN zufolge gab es nicht nur einen Strom von Rückkehrern, sondern auch zahlreiche Familien, die - meist aufgrund ihrer Konfession - aus Angst vor der neuen Regierung das Land verlassen wollten (CNN 12.12.2024).
Im Jänner 2025 führte UNHCR eine Befragung zu Wahrnehmungen und Absichten von Flüchtlingen in Jordanien, Libanon, Irak und Ägypten durch. Ein zunehmender Anteil erklärte die klare Absicht, zurückzukehren. Insgesamt hoffen 80 % der Flüchtlinge, eines Tages nach Syrien zurückkehren zu können. Dies stellt eine deutliche Veränderung der Rückkehrabsichten der Flüchtlinge im Vergleich zur letzten Umfrage im April 2024 dar, bei der nur 57 % der Flüchtlinge die Hoffnung äußerten, eines Tages zurückkehren zu können. Viele Flüchtlinge weisen auf erhebliche Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter Schulden in den Aufnahmeländern und Schäden an ihren Häusern in Syrien (UNHCR 23.1.2025). In der erwähnten Umfrage gab ein Viertel der Befragten an, in den nächsten zwölf Monaten zurückkehren zu wollen. Mehr als die Hälfte der Befragten, die nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate zurückkehren möchte, hat vor, innerhalb der nächsten fünf Jahre zurückzukehren. Fast alle möchten in ihre Herkunftsregion zurückkehren. Über 60 % der Befragten erachten einen "go and see"-Besuch für essenziell, bevor sie eine endgültige Rückkehrentscheidung treffen. 52 % gaben an, dass al-Assads Sturz ihre Rückkehrentscheidung beeinflusst hat. Aus dem Feedback, das UNHCR durch direkte Kommunikation mit Flüchtlingen erhalten hat, geht hervor, dass die Hauptanliegen derjenigen, die an einer Rückkehr interessiert sind, die Bereitstellung von Transportmitteln und Bargeldzuschüssen zur Deckung der Grundbedürfnisse sowie Unterstützung innerhalb Syriens beim Wiederaufbau ihrer Häuser und ihres Lebens sind. Während immer mehr Syrer ihre Absicht bekundeten, in den nächsten zwölf Monaten zurückzukehren, zeigt die Umfrage auch, dass 55 % der Flüchtlinge noch nicht beabsichtigen, zurückzukehren. Von den 61 % der Flüchtlinge, die ein Haus/Eigentum in Syrien besitzen, geben 81 % an, dass es entweder vollständig zerstört oder teilweise beschädigt und unbewohnbar ist, was nach wie vor ein großes Hindernis für ihre Rückkehr darstellt (UNHCR 6.2.2025). Einer Umfrage zufolge, bei der 1.100 in der Türkei ansässige Syrer zwischen 9. und 11.12.2024 befragt wurden, wollten 70 % nach Syrien zurückkehren, im Vergleich zu 45 % vor dem Sturz al-Assads. Die Studie ergab, dass 45,5 % der Syrer bereit sind, in ihre Heimat zurückzukehren, wenn sich die Lage in Syrien verbessert, während 26,7 % "so schnell wie möglich" zurückkehren möchten (DS 27.12.2024). Das Journal "Just Security" führte zwischen Februar und April 2024 eine Umfrage unter 87 zurückgekehrten Syrern in verschiedenen Regionen Syriens durch. In den von der Türkei kontrollierten Gebieten ist das Misstrauen unter den arabischen Rückkehrern besonders ausgeprägt. 60 % von ihnen haben überhaupt kein Vertrauen in die örtlichen Behörden. Auch unter den turkmenischen Rückkehrern herrscht große Skepsis. 55 % von ihnen haben wenig oder gar kein Vertrauen in diese Behörden (35 % haben wenig Vertrauen und 20 % gar kein Vertrauen). 50,6 % der befragten Rückkehrer aus allen Regionen Syriens berichteten von Erfahrungen mit Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Gewalt. Während in den von Kurden kontrollierten Gebieten der höchste Anteil der Befragten angab, sich in der Lage zu fühlen, ihre Rechte uneingeschränkt auszuüben, berichteten arabische Rückkehrer in den von der Türkei kontrollierten Gebieten am wenigsten, sich in der Lage zu fühlen, ihre Rechte auszuüben (JS 29.1.2025). Das Norwegian Refugee Council führte eine Befragung von 4.206 Vertriebenen im Nordwesten Syriens zu ihren Zukunftsplänen durch und sprach mit Hunderten von Familien, die Jahre nach ihrer Flucht zurückgekehrt sind. In Vertriebenenlagern im Nordwesten gaben nur 8 % der Befragten an, dass sie innerhalb der nächsten drei Monate in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren wollen (NRC 13.2.2025).
Das Land, in das die Menschen zurückkehren, unterscheidet sich grundlegend von jenem, das sie verlassen haben. Die Zerstörung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, vermisste Angehörige, weitverbreitete Armut, das Risiko wieder aufflammender Gewalt und die Unsicherheit über die unerfahrenen neuen Staats- und Regierungschefs des Landes – zusätzlich zu der anhaltenden humanitären Krise des letzten Jahrzehnts – sind zu nennen (FA 11.2.2025). Die anhaltende Unsicherheit – einschließlich bewaffneter Zusammenstöße, zunehmender krimineller Aktivitäten und nicht-explodierter Kampfmittel – stellt die Zivilbevölkerung weiterhin vor Herausforderungen und wird wahrscheinlich die potenzielle Entscheidung der außerhalb des Landes lebenden Syrer, nach Hause zurückzukehren, beeinflussen (UNHCR 2.1.2025). Neben den Sicherheitsbedenken beeinflussen auch die Zerstörung von Eigentum und eine unzureichende Infrastruktur die Rückkehrentscheidungen von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen (UNOCHA 30.1.2025). Viele wollen auch wegen des Mangels an Arbeitsplätzen und grundlegenden Dienstleistungen nicht zurückkehren. Viele Flüchtlinge haben auch kein Zuhause, in das sie zurückkehren können. Einige Häuser wurden während des Krieges zerstört, in anderen leben neue Bewohner und viele Flüchtlinge haben keine Dokumente, die ihre Besitzansprüche belegen (CSIS 11.12.2024). Viele Flüchtlinge und Vertriebene sind nach dem Sturz des Regimes bei der Rückkehr in ihre Gebiete, Städte und Dörfer schockiert, wenn sie feststellen, dass andere in ihren Häusern wohnen. In einigen Fällen besitzen diese derzeitigen Bewohner Dokumente, die belegen, dass sie die Immobilien gekauft haben, aber Untersuchungen zeigen, dass es sich oft um Fälschungen handelt, einschließlich gefälschter Eigentumsnachweise und Gerichtsurteile, die äußerst schwer aufzuspüren sind (HLP Syria 20.1.2025). [Weitere Informationen zu Problemen im Zusammenhang mit Besitz- bzw. Wohnverhältnissen finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen (Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024)) und Grundversorgung und Wirtschaft / Wohnsituation und Infrastruktur]. Die Rückkehr im Winter ist besonders schwierig, da die Flüchtlinge nicht wissen, ob ihre Häuser Schutz vor der Kälte bieten oder nicht. Es ist unklar, an wen sich Flüchtlinge wenden können, wenn sie nach ihrer Rückkehr Probleme mit Wohnraum oder Eigentumsrechten haben, und ob die Übergangsregierung in der Lage sein wird, grundlegende Dienstleistungen bereitzustellen (CSIS 11.12.2024). Partnerorganisationen von UNOCHA betonen auch, dass der Zugang zu zivilen Dokumenten und Rechtsdienstleistungen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit Fragen zu Wohnraum, Land und Eigentum, entscheidende Hindernisse für die Rückkehr darstellt. Gegenwärtig sind nicht alle Standesämter und Gerichte im ganzen Land funktionsfähig oder teilweise funktionsfähig, was den Zugang erschwert (UNOCHA 30.1.2025). Es ist unrealistisch zu erwarten, dass die bestehenden Probleme allein durch die Absetzung al-Assads gelöst werden. Es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass Syrien einen einzigartigen oder anderen Weg einschlagen wird als andere vergleichbare Fälle (JS 29.1.2025). Einem Wirtschaftswissenschaftler zufolge ist das größte Hindernis für die Rückkehrer das Fehlen staatlicher Institutionen, die in der Lage sind, grundlegende Dienstleistungen wie Strom und Wasser bereitzustellen, was das tägliche Leben kostspielig und schwierig macht. Das Fehlen von organisierten Märkten, die grundlegende Waren anbieten, und das Fehlen einer Angebotskontrolle haben zu einem wirtschaftlichen Chaos geführt, wodurch sich die Rückkehrer in einem finanziell instabilen Umfeld wiederfinden. Der dramatische Anstieg der Preise, sowohl bei den Mieten als auch bei den Grundversorgungsleistungen, stellt eine zusätzliche Belastung für die Rückkehrer dar, da sie bei begrenztem Einkommen hohe Lebenshaltungskosten zu tragen haben. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen erleben viele Rückkehrer aufgrund der großen Kluft zwischen ihren Hoffnungen und der Realität, die sie vorgefunden haben, eine psychische Krise (AlHurra 11.2.2025). Die meisten Flüchtlinge, die sich in die neuen Gesellschaften im Ausland integriert und Arbeitsmöglichkeiten und ein angemessenes Einkommen gefunden haben, wollen nicht zurückkehren, andere fürchten sich vor der Sicherheitslage, dabei zögern die Minderheiten am meisten, zurückzukehren (Almodon 13.2.2025). Eine schlecht organisierte Massenrückkehr werde die bereits begrenzten Ressourcen des Landes belasten und die syrischen Übergangsbehörden, die UN-Organisationen und die syrische Zivilgesellschaft unter enormen Druck setzen, schreibt das Magazin Foreign Affairs (FA 11.2.2025). Es gibt derzeit vor Ort moderate UN-Hilfen, etwa zum Wiederaufbau der Häuser (ÖB Amman 6.2.2025).
Viele vertriebene Familien, die sich auf die Rückkehr vorbereiten, äußerten auch Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit der Kontaminierung durch explosive Kampfmittel. Seit November 2024 wurden in Idlib, Aleppo, Hama, Deir ez-Zour und Latakia insgesamt 136 Landminenfelder und Minenpräsenzpunkte neu identifiziert. Allein in den ersten drei Januarwochen wurden bei 87 Vorfällen mit explosiven Kampfmitteln im ganzen Land nach Angaben von Partnerorganisationen von UNOCHA mindestens 51 Menschen getötet und 75 weitere verletzt(UNOCHA 30.1.2025).
II.1.7.2. UNHCR position on returns to the Syrian Arab Republic
Der Standpunkt des United Nations High Commissioner for Refugees (in der Folge: UNHCR) von Dezember 2024 beinhaltet in Punkt 5. folgende (aus dem Englischen übersetzte) Empfehlung:
„Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert das UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Bescheide über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder staatenlosen Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen.“
II.1.7.3. UNHCR: Persons in need of international protection
Das UNHCR zählt zu den Personen, die internationalen Schutz benötigen, die folgendermaßen definierten Flüchtlinge (aus dem Englischen übersetzt):
„Als Flüchtlinge gelten im weitesten Sinne alle Personen, die sich außerhalb ihres Herkunftslandes befinden und aufgrund einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens, ihrer körperlichen Unversehrtheit oder ihrer Freiheit in ihrem Herkunftsland infolge von Verfolgung, bewaffneten Konflikten, Gewalt oder schweren öffentlichen Unruhen internationalen Schutzes bedürfen.“
II.1.7.4 Interim Country Guidance: Syria der EUAA von Juni 2025
Die Analyse Interim Country Guidance: Syria der European Union Agency for Asylum (in der Folge: EUAA) von Juni 2025 beinhaltet aus dem Englischen übersetzt) folgende Ausführungen (Hervorhebungen wie im Original):
Jüngste Entwicklungen in Syrien
Ende November 2024 starteten syrische Rebellen unter der Führung von Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) eine bedeutende Offensive, die am 8. Dezember 2024 zum Sturz des Assad-Regimes führte. Die Rebellen eroberten rasch wichtige Städte wie Aleppo, Hama und Damaskus und führten damit zum Ende der jahrzehntelangen Herrschaft der Assad-Familie, die ins Ausland floh.
Eine von HTS und anderen Milizen gebildete Übergangsregierung versprach, das Land zu stabilisieren und innerhalb von drei Jahren eine neue Verfassung auszuarbeiten. Ahmad al-Sharaa, auch bekannt als Abu Mohamed al-Jolani, wurde am 29. Januar 2025 zum Übergangspräsidenten ernannt und skizzierte Pläne zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität, wobei er gleichzeitig die Bedeutung der Wahrung der nationalen Einheit betonte. Ende Januar annullierte die Übergangsregierung die syrische Verfassung von 2012 und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsbehörden der ehemaligen Regierung auf. Al-Sharaa kündigte die Einrichtung eines Übergangsgesetzgebungsrates an, verhängte eine Generalamnestie für syrische Armeesoldaten, schaffte die Wehrpflicht ab und leitete einen Reintegrationsprozess für ehemalige Regierungs- und Militärangehörige, darunter auch hochrangige Beamte, ein.
Am 13. März unterzeichnete der syrische Interimspräsident Ahmad al-Sharaa eine Verfassungserklärung, die eine fünfjährige Übergangszeit vorsah. Die Erklärung legt fest, dass der Islam die Religion des Präsidenten und die islamische Rechtsprechung die wichtigste Quelle der Gesetzgebung ist. Sie garantiert außerdem die Unabhängigkeit der Justiz, Meinungs- und Medienfreiheit sowie politische, bildungsbezogene und arbeitsrechtliche Rechte für Frauen. Am 29. März kündigte Sharaa die Bildung einer Übergangsregierung an, die sich aus 23 Ministern unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft zusammensetzt, darunter Alawiten, Christen, Drusen und Kurden. Eine Frau wurde zur Ministerin für Soziales und Arbeit ernannt. Die Übergangsregierung hat keinen Premierminister, und Sharaa wird voraussichtlich in seiner Rolle als Interimspräsident die Exekutive führen.6). Die Regierung wird von Ministern dominiert, die mit HTS in Verbindung stehen. Dazu gehören auch Minister, die vor 2011 in der Assad-Regierung dienten. Kein Mitglied der Demokratischen Autonomen Verwaltung für Nord- und Ostsyrien (DAANES) oder der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) ist im Kabinett vertreten.7).
Die politische Zukunft Syriens bleibt aufgrund ethnischer Spannungen und der Integration verschiedener Milizen ungewiss. Berichte über Angriffe auf ethnische und religiöse Minderheiten, insbesondere in der Küstenregion sowie den Provinzen Homs und Hama, haben zugenommen. Im Norden ringen Fraktionen um Einfluss und Kontrolle. Es kommt zu anhaltenden Zusammenstößen zwischen den von der Türkei unterstützten Milizen der Syrischen Nationalarmee (SNA) und den von den USA unterstützten, kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF). Im März 2025 einigten sich die SDF-Führer darauf, ihre Streitkräfte und Institutionen in die neue syrische Regierung zu integrieren. Zuvor hatte die Übergangsregierung bis Ende Januar alle Oppositionsparteien und Militärgruppen aufgelöst. Im Nordosten Syriens kam es zu Angriffen des Islamischen Staates im Irak und der Levante (ISIL) auf SDF-Truppen.
Der Bürgerkrieg und die Rebellenoffensive haben zu erheblichen Binnenvertreibungen geführt (siehe Verschiebe- und Rückbewegungen). Die Übergangsregierung hat Wirtschaftsreformen eingeleitet, darunter Stellenabbau im öffentlichen Dienst, Steuerreformen und die Wiedereröffnung von Grenzübergängen. Die Vereinigten Staaten und der EU-Rat haben verschiedene Sanktionen aufgehoben, um humanitäre Hilfe und die wirtschaftliche Erholung zu erleichtern.
Die humanitäre Lage in Syrien ist nach wie vor äußerst kritisch. Nach mehr als 13 Jahren Bürgerkrieg leben rund 90 % der Bevölkerung in Armut und sind weitgehend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Hälfte der Infrastruktur des Landes, darunter Krankenhäuser, Schulen und Wasserversorgungssysteme, wurde schwer beschädigt oder zerstört. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung ist vielerorts eingeschränkt. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und NGOs leisten Nothilfe, doch die finanziellen Mittel sind begrenzt. Letztlich hängen die langfristige Stabilisierung und der Wiederaufbau Syriens von politischen Entwicklungen und internationaler Unterstützung ab.
Akteure der Verfolgung oder der ernsthaften Bedrohung
In Syrien kommt ein breites Spektrum an Gruppen und Einzelpersonen in Betracht, die als Täter gelten, die Verfolgung oder schweren Schaden anrichten. Dazu gehört eine Vielzahl interner und externer Akteure, die jeweils eigene Interessen und Ziele verfolgen.
Das Assad-Regime, das als Hauptverursacher von Verfolgung und schwerem Schaden in Syrien galt, ist verschwunden. Am 27. November 2024 führte die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) unter der Führung von Ahmad Al-Sharaa eine groß angelegte Offensive im Nordwesten Syriens durch. Sie stieß auf minimalen Widerstand, da die syrischen Streitkräfte ihre Stellungen aufgaben. HTS und ihre Verbündeten Fraktionen erlangten am 8. Dezember 2024 die Kontrolle über die Hauptstadt.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts kontrollierte die von der HTS geführte Koalition die meisten Gebiete, die zuvor vom Assad-Regime kontrolliert wurden, und damit etwas mehr als 60 Prozent des syrischen Territoriums. Im Norden kämpften verschiedene Fraktionen um Einfluss und Kontrolle. Die Zusammenstöße zwischen von der Türkei unterstützten Milizen, die unter dem Dach der Syrischen Nationalarmee (SNA) operieren, und den von den USA unterstützten, kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) dauerten an.
Nach der Machtübernahme etablierte die HTS eine Übergangsregierung, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte [siehe Sicherheitslage 2023, 2.1.2(a)]. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung rund hundert bewaffnete Gruppierungen, darunter die von den USA unterstützte Freie Syrische Armee, erfolgreich in ein neues syrisches Militär und Verteidigungsministerium integriert. Einige Gruppierungen leisten weiterhin Widerstand. Anfang März 2025 unterzeichneten die SDF ein Abkommen zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung.
Kurz nach dem Sturz des Assad-Regimes rückte das israelische Militär in die von den Vereinten Nationen patrouillierte Pufferzone auf den Golanhöhen und darüber hinaus auf syrisches Gebiet im Süden von Quneitra und im Südwesten von Dar'a ein. Darüber hinaus führte Israel Anfang Dezember Hunderte von Luftangriffen zur Zerstörung von Waffenstandorten in ganz Syrien durch, mehr als die Hälfte davon in den Gouvernements Dar'a, Damaskus, Damaskus-Umland und Latakia. Bis zum 20. Februar 2025 dauerten die israelischen Einfälle in und außerhalb der Pufferzone an.
Die untenstehende Karte (Abbildung 1. © The Washington Institute for Near East Policy, Fabrice Balanche, Syrien, Kontrollgebiete, 28. Februar 2025) zeigt die ungefähren Kontroll- und Einflussgebiete in Syrien am 3. März 2025. Diese Karte stellt lediglich eine Orientierung dar und kann nicht als absolute Darstellung der Situation hinsichtlich räumlicher oder zeitlicher Genauigkeit angesehen werden. Die Darstellungen auf dieser Karte stellen keine Meinung der EUAA zum Rechtsstatus oder zur effektiven Kontrolle über ein Gebiet des Landes dar.

Die Übergangsregierung
HTS und seine verbündeten Fraktionen gründeten im Zuge ihrer Offensive gegen das Assad-Regime die Militäroperationsverwaltung (MOA). Nach dem Sturz von Bashar Al-Assad wurden die Truppen der MOA zur wichtigsten militärischen Kraft vor Ort. Am 24. Dezember 2024 verkündete die MOA die Auflösung aller militärischen Fraktionen und ihre Eingliederung in das Verteidigungsministerium. HTS selbst kündigte an, mit gutem Beispiel voranzugehen, sich als bewaffnete Gruppe aufzulösen und in die Streitkräfte zu integrieren.
HTS erklärte, sie hätten während ihrer Offensive versucht, die Zivilbevölkerung zu schonen. Einige Gebiete, die zuvor von den SDF kontrolliert wurden, wurden aufgrund von Vereinbarungen übernommen. Nach ihrer Machtübernahme führte die Übergangsregierung umfangreiche Militäroperationen durch, die auf (Ehemalige) Mitglieder der Streitkräfte Assads und pro-Assad bewaffneter Gruppen, die zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen führte, darunter gemeldete Todesfälle in Gewahrsam sowie Foltervorwürfe. Anfang März 2025 wurde von standrechtlichen Hinrichtungen von Zivilisten, von denen die meisten Alawiten waren, berichtet.
Der Sturz des Assad-Regimes und die de facto-Herrschaft der von der HTS dominierten Übergangsregierung über Syrien führte zu einer unerwarteten und beispiellosen Situation. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts sind die Absichten und die Regierungsform der neuen Behörden noch unklar.
Andere nichtstaatliche Akteure
Auch andere nichtstaatliche Akteure wie etwa Familienmitglieder, die Gesellschaft als Ganzes, kriminelle Banden, unabhängige bewaffnete Einzelpersonen und andere bewaffnete Gruppen begingen Menschenrechtsverletzungen.
Flüchtlingsstatus
Der Regimewechsel in Syrien könnte für viele Antragsteller die Angst vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden beeinflusst haben. Dennoch sollten nicht alle vor dem Zusammenbruch des Assad-Regimes gestellten Anträge als hinfällig betrachtet werden, insbesondere wenn nicht das Assad-Regime, sondern andere Akteure der Verfolgung oder des ernsthaften Schadens involviert waren. In solchen Fällen könnte das Risiko fortbestehen, sich verringert oder erhöht haben. Auch die Situation im Syrien nach dem Sturz Assads könnte zu neuen Risiken der Verfolgung oder des ernsthaften Schadens führen.
Dementsprechend wird im Kapitel zum Flüchtlingsstatus zwischen drei Kategorien von Personengruppen unterschieden: Personengruppen, für die das Assad-Regime als einziger Akteur der Verfolgung galt, Personengruppen, die von Verfolgung durch mehrere Akteure bedroht sind (einschließlich des Assad-Regimes), und Personengruppen, die von Verfolgung durch andere Akteure als das Assad-Regime bedroht sind (wobei das Assad-Regime nicht als Verfolger angesehen wurde).
Der Sturz des Assad-Regimes und die de facto Die Herrschaft von HTS und der Übergangsverwaltung über Syrien hat eine unerwartete und beispiellose Situation geschaffen. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts sind die Absichten und die Regierungsform der neuen Behörden noch unklar.
In dieser sich entwickelnden politischen Situation Syriens (siehe auch Jüngste Entwicklungen in Syrien) können bestimmte Elemente für die Beurteilung des Bedarfs an internationalem Schutz besonders relevant sein und sollten daher berücksichtigt werden. So sollte beispielsweise die politische Meinung des Antragstellers oder die ihm zugeschriebene politische Einstellung sowie jegliches Verhalten, das als Verstoß gegen islamische Normen oder Gesetze wahrgenommen wird, gebührend berücksichtigt werden. Ebenso sollte die Situation von Frauen und Mädchen im Hinblick auf die sie betreffenden politischen Maßnahmen beobachtet werden, um ihren potenziellen Bedarf an internationalem Schutz zu beurteilen.
Wehrdienstverweigerer
Personen dieses Unterprofils waren der Verfolgung durch das Assad-Regime ausgesetzt (siehe „EUAA“,4.2.2. Wehrdienstverweigerer', in Country Guidance: Syria, April 2024‘). Wie bereits erwähnt, liegt das mit dem Assad-Regime verbundene Risiko nicht mehr vor.
Die Übergangsregierung hat die Wehrpflicht außer in Notfällen abgeschafft. Die syrische Armee soll eine Freiwilligenarmee werden, an der die Bevölkerung teilnehmen soll, um die Landesgrenzen zu sichern. Im Falle eines nationalen Notstands ist jedoch eine mögliche Wehrpflichtkampagne möglich.
Zwar gibt es keine Quellen, die von einer Wehrpflicht durch die Übergangsregierung berichten, doch muss darauf hingewiesen werden, dass die Wehrpflicht selbst, die ein legitimes Recht eines Staates darstellt, im Allgemeinen nicht den Anforderungen des Artikels 9 Statusrichtlinie entspricht.
Wehrdienstverweigerer haben grundsätzlich keine begründete Furcht vor Verfolgung.
Sunnitische Araber
Sunnitische Araber waren der Verfolgung durch das Assad-Regime (z. B. Verhaftung, Folter, Hinrichtung) und Diskriminierung ausgesetzt, weiters auch der Verfolgung durch den Islamischen Staat im Irak und der Levante (ISIL) und durch Dschaisch al-Islam. Wie bereits erwähnt, ist die Gefahr durch das Assad-Regime verschwunden. ISIL und Dschaisch al-Islam sind weiterhin präsent und aktiv, und es gibt keine Informationen, die darauf hindeuten, dass sich ihr Umgang mit sunnitischen Arabern, die ihrer Interpretation der Scharia nicht folgen, geändert hat.
Während HTS auch sunnitische Muslime ins Visier genommen hatte, die sich nicht an ihre Auslegung der Scharia hielten, wurden die meisten hochrangigen Positionen in der Übergangsregierung mit sunnitischen Arabern besetzt, und es gibt zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts keine konkreten Informationen über die Behandlung von sunnitischen Muslimen, die sich nicht an dieselbe Auslegung der Scharia halten, durch die Übergangsregierung. Auch gibt es keine Berichte über gezielte Angriffe von irgendwelchen Akteuren auf sunnitische Araber, nur weil sie sunnitische Araber sind.
Daher kann man daraus schlussfolgern:
Allein die Tatsache, ein sunnitischer Araber zu sein, stellt für sich genommen kein Risiko dar, das ausreicht, um eine begründete Furcht vor Verfolgung zu begründen. Sollte ein sunnitischer Araber zum Ziel werden, hätte dies mit anderen Umständen zu tun. Zum Beispiel Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL)und Dschaisch al-Islam (eine mit der SNA verbundene bewaffnete Gruppe) haben sunnitische Muslime ins Visier genommen, die sich nicht an ihre Interpretation der Scharia halten.
Bei der individuellen Beurteilung sollten risikobeeinflussende Umstände berücksichtigt werden, wie etwa die regionalen Besonderheiten (z. B. das Leben in Gebieten, in denen ISL und Dschaisch al-Islam operativ tätig sind).
Wenn für einen Antragsteller mit diesem Profil eine begründete Furcht vor Verfolgung vorliegt, kann dies aus religiösen Gründen der Fall sein.
II.1.7.5. Syria: Country Focus der EUAA von Juli 2025
Aus dem (englischsprachigen) Bericht „Syria: Country Focus” der EUAA von Juli 2025 wird übersetzt Folgendes festgestellt:
Integration bewaffneter Gruppen
Im Januar 2025 begann das Verteidigungsministerium mit der Bildung einer neuen syrischen Armee, indem es ehemalige Oppositionsfraktionen integrierte. Viele dieser Gruppen, darunter auch solche, die mit HTS verbunden sind, haben sich der Struktur des Verteidigungsministeriums angeschlossen. Anstatt Reformen oder Umstrukturierungen zu verlangen, hat das Verteidigungsministerium diese Fraktionen weitgehend als offizielle Armeedivisionen oder Brigaden umbenannt. Das Verteidigungsministerium vereint verschiedene militärische Fraktionen wie Kernverbände von HTS, mit HTS verbündete Gruppen, von der Türkei unterstützte Einheiten der Syrischen Nationalarmee (SNA) und neu gegründete Divisionen des Verteidigungsministeriums. Diese Streitkräfte operieren unter einer fragmentierten und komplexen Befehlskette und sind in unterschiedlichem Maße mit dem Verteidigungsministerium koordiniert. Trotz der Bemühungen der Regierung, bewaffnete Gruppen in das neue Ministerium zu integrieren, haben sich die meisten einer Fusion widersetzt. Die bekanntesten davon werden in den folgenden Abschnitten behandelt.
Im Mai gab das Verteidigungsministerium bekannt, dass alle bewaffneten Gruppen in seine Struktur integriert worden seien, und erklärte, dass „verbleibende kleine militärische Gruppen“ zehn Tage Zeit hätten, um den Prozess abzuschließen, ohne jedoch zu nennen, welche Gruppen sich noch nicht daran gehalten hätten. Ende Mai kam das Institute for the Study of War (ISW) jedoch zu dem Schluss, dass die Übergangsregierung „keine vollständige Kontrolle über die verschiedenen bewaffneten Fraktionen, aus denen sich das Verteidigungsministerium zusammensetzt“, ausübe.
Sicherheitslage

Jüngste Sicherheitsentwicklungen
Die syrische Übergangsregierung festigte ihre Kontrolle über Teile des Landes, darunter die Städte Damaskus, Aleppo und Hama, und dehnte ihre Präsenz in Gebieten im Zentrum, Norden und Süden Syriens aus. In vielen Teilen des Landes herrschte jedoch weiterhin Unsicherheit. Anfang März starteten Assad-treue Loyalisten vor allem in den Küstengebieten von Tartus und Latakia einen Aufstand gegen die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung. Die Eskalation löste heftige Feindseligkeiten und sektiererische Gewalt aus, die zum Tod von Hunderten Zivilisten und zur Vertreibung von Zehntausenden führten. Seit ihrem Höhepunkt im März haben die Angriffe der Assad-treuen Rebellen deutlich nachgelassen.
Die Streitkräfte der Übergangsregierung sind Berichten zufolge überlastet, nur begrenzt einsatzfähig und sehen sich Herausforderungen durch bewaffnete Gruppen gegenüber, die zwar nominell in ihre Struktur integriert sind, aber halb unabhängig operieren. Zeitweise sollen mit der Übergangsregierung verbündete bewaffnete Gruppen außerhalb ihrer Kontrolle operiert und Gewalt gegen Zivilisten ausgeübt haben, insbesondere während der Ausschreitungen in den Küstengebieten Anfang März und in den mehrheitlich von Drusen bewohnten Gebieten Ende April. Die Streitkräfte der Übergangsregierung hatten Schwierigkeiten, auf sektiererische Gewalt, Entführungen und Plünderungen zu reagieren. In mehreren Provinzen wurde weiterhin von Rachemorden an Personen berichtet, die mit dem Sicherheitsapparat des ehemaligen Assad-Regimes und der alawitischen Gemeinschaft in Verbindung stehen und von unbekannten Tätern verübt wurden. Besonders auffällig waren konfessionell motivierte Morde an Alawiten in der Provinz Homs. Aus den von der Übergangsregierung kontrollierten Gebieten wird über eine Zunahme krimineller Aktivitäten und Gesetzlosigkeit berichtet, darunter Entführungen und Morde. Diese Situation wird zum Teil auf das Sicherheitsvakuum nach Assad, tiefe gesellschaftliche Spaltungen, die durch den Bürgerkrieg verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie auf Mängel bei der Kontrolle konkurrierender bewaffneter Gruppen durch die Übergangsregierung und das Fehlen wirksamer Mechanismen der Übergangsjustiz zurückgeführt.
Provinz Latakia
Territoriale Kontrolle und wichtigste bewaffnete Akteure Ende Mai 2025 wurde die Provinz Latakia vom ISW und CTP als vollständig unter der Kontrolle der Übergangsverwaltung kartiert, obwohl es in der gesamten Provinz mehrere Enklaven gab, in denen pro-Assad-Kräfte weiterhin präsent waren. Zu den in der Provinz präsenten Streitkräften der neuen syrischen Armee gehörten die 400. Division (bestehend aus ehemaligen HTS-Einheiten), die Küstendivision (ehemalige NLF Einheiten) und die neu geschaffene 56. Reservedivision.
Zu den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen in der Provinz, über deren Aktivitäten im Berichtszeitraum berichtet wurde, gehört Saraya Ansar al Sunnah, eine sunnitische Sekte, die Anschläge auf Alawiten verübt hat. In der Provinz operierten mehrere Assad-treue Rebellengruppen, darunter der sogenannte Militärrat zur Befreiung Syriens, der Syrische Volkswiderstand die Liwa’ Dara’ al-Sahel (Küstenbrigade) und Gruppen, die mit Suheil al-Hassan dem ehemaligen Kommandeur der 25. Spezialeinheit der SAA, in Verbindung stehen.
Während eines großen Aufstands von Assad-treuen Restkräften, der am 6. März 2025 ausbrach, dehnten diese Gruppen ihren Aktionsradius auf die Städte aus, obwohl die Streitkräfte der Übergangsregierung anschließend die meisten städtischen Gebiete sichern konnten und diese Gruppen nach und nach aus den Städten verdrängten, wie Anfang April berichtet wurde. Während ISW und CTP das Gebiet um Al-Qardaha im April 2024 noch als wahrscheinliche Unterstützungszone für Assad bezeichneten, gaben sie Mitte Mai an, dass angesichts des Ausbleibens weiterer Angriffe von Aufständischen an der syrischen Küste unklar sei, ob dies noch der Fall sei. Dennoch wurde berichtet, dass sich Ende Mai noch einige Überreste in der Provinz befanden.
Die allgemeine Mobilmachung, die als Reaktion auf den Aufstand vom März 2025 im ganzen Land eingeleitet wurde, führte zum Einsatz von MOA-, General Security-, HTS- und SNA-Truppen sowie dem Einsatz nicht-offizieller Kämpfer in der Küstenregion, inklusive in den Städten Latakia und Jablah. Während das MOA behauptete, dass bis zu 500.000 Soldaten mobilisiert worden seien, schätzte Etana Syria diese Zahlen auf etwa 70.000. Anschließend richtete die Übergangsverwaltung etwa 150 Sicherheitskontrollpunkte in ganz Westsyrien ein.
Sicherheitslage
Im Bezugszeitraum kam es in den Küstengebieten zu einer neuen Konfliktdynamik, die durch einen deutlichen Anstieg von Verbrechen und Gewalt aufgrund konfessioneller Differenzen oder vermeintlicher Verbindungen zur ehemaligen Assad-Regierung ausgelöst wurde.
In Fortsetzung eines seit der zweiten Februarhälfte zu beobachtenden Trends kam es in den ersten Tagen des Berichtszeitraums zu einer steigenden Zahl von Anschlägen mit Fahrerflucht, die ehemaligen Angehörigen des Assad-Militärs zugeschrieben werden und sich gegen Kontrollpunkte und Sicherheitspatrouillen in mehreren Städten richteten, darunter auch in Latakia. Zwischen dem 6. und 10. März 2025 verschlechterte sich die Sicherheitslage erheblich, als schätzungsweise 5.000 gut bewaffnete pro-Assad-Kämpfer koordinierte Angriffe auf Militär- und Sicherheitskräfte in der Küstenregion und mehrere Ziele in den Städten Latakia, Jablah, Al-Qardaha sowie in ländlichen Gebieten der Provinz angriffen. Die darauffolgenden groß angelegten Sicherheitsoperationen gegen die Urheber der Angriffe gingen mit Vergeltungs- und sektiererischen Morden einher, darunter auch an Zivilisten in der Stadt Latakia und im Dorf Mukhtariya, vor allem da Gemeinden mit alawitischer Mehrheit ins Visier genommen wurden. Mitte April bezifferte das SNHR die Gesamtzahl der bei den Feindseligkeiten in Latakia und anderen Teilen der Küstenregion zwischen dem 6. und 10. März getöteten Personen auf 1.662. Unter den Toten befanden sich mindestens 231 Zivilisten, die von Pro-Assad-Gruppen getötet wurden und mindestens 1.217 Personen, darunter Zivilisten und entwaffnete Assad-Anhänger, die bei Sicherheitsoperationen getötet wurden. Hauptsächlich durch Kämpfer zweier ehemaliger Rebellengruppen nämlich der SNA, der Sultan-Suleiman-Shah-Brigade und der Hamzat-Division.
Während die groß angelegten Operationen gegen Assad-Anhänger offiziell am 10. März 2025 für beendet erklärt wurden und tatsächlich eingestellt wurden, dauerten einige gezielte Razzien der GSS gegen Assad-treue Zellen an. Mitte April führte die GSS eine groß angelegte Suchaktion durch, deren erklärtes Ziel die Zerschlagung mutmaßlicher „krimineller“ Netzwerke in der Stadt Latakia war. Gezielte Razzien gegen Assad-Anhänger wurden bis Ende Mai 2025 gemeldet. Auch nach dem 10. März kam es weiterhin zu sporadischen Angriffen von Assad-Anhängern auf die Sicherheitskräfte, doch die allgemeine Sicherheitslage soll sich Ende März und Anfang April 2025 deutlich beruhigt haben. Ende Mai erklärte der Gouverneur von Latakia, die Lage in der Stadt Latakia habe sich seit März erheblich verbessert. New Arab berichtete jedoch, dass in einigen Teilen Latakias, insbesondere auf dem Land, weiterhin Gewalt und Instabilität herrschten.
Es gab weiterhin Berichte über „sektiererische Angriffe, Hinrichtungen und andere Übergriffe auf Zivilisten” durch Gruppen, die nominell dem Militär und den Sicherheitskräften angehörten, darunter in der Stadt Latakia, in der Stadt Saqoubin und in der Umgebung von Masaytara. In der Provinz kam es außerdem zu mehreren Tötungen von Zivilisten durch unbekannte Bewaffnete, Entführungen, und Verschleppungen. Es gab zahlreiche Berichte über Gewaltakte im Westen Syriens, die angeblich gegen die alawitische Gemeinschaft verübt wurden, allerdings konnten nicht alle diese Berichte überprüft werden. Militante griffen im Mai 2025 den russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim an und töteten zwei Soldaten.
II.2. Beweiswürdigung
Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, der von ihm vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuellen Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF.
Auskünfte aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, der Grundversorgungsdatenbank, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt, zuletzt am 25.09.2025. Wenn in der Beweiswürdigung auf diese Auszüge verwiesen wird, dann – außer es wird explizit anders erwähnt – auf diese aktuellste Version der im Akt befindlichen Auszüge.
Die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen des BF liefern den vollen Beweis im Sinne des § 15 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. 51/1991 in der geltenden Fassung (in der Folge: AVG) über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung und können mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden. Der BF traten den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.
Im erstinstanzlichen Akt finden sich folgende Beweisurkunden bzw. wesentliche Dokumente:
- Daten zum Flug XXXX mit Ankunft in XXXX am 14.12.2023, 22:35 Uhr (s. Aktenseite 29);
- Syrischer Reisepass (Kopie des Originals s. Aktenseite 45, vollständige Kopie Aktenseite 135ff; vollständige Farbkopie Aktenseite 143ff) der nach dem Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 18.09.2024 authentisch ist (s. Aktenseite 141f);
- Abschnitt Flugticket betreffend die Einreise nach Österreich in Kopie (s. Aktenseite 47);
- E-Mail der BBU GmbH vom 15.12.2023, wonach der BF bei der Erstaufnahme keine Erkrankung angegeben habe (s. Aktenseite 53ff);
- Bericht über die medizinische Untersuchung im Sondertransit am Flughafen XXXX und E-Mail der BBU GmbH vom 15.12.2023 (s. Aktenseite 57);
- Fünf Diplome aus Saudi-Arabien teilweise mit englischer Übersetzung (s. Aktenseite 111ff);
- Auszug aus dem Familienregister in arabischsprachiger Kopie (s. Aktenseite 129).
Mit Stellungnahme vom 16.09.2025 legte der BF folgendes Dokument vor:
- Undatiertes Social-Media Posting samt Lichtbild eines - dem Vorbringen nach - Onkels des BF.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der Ausdruck einer Karte von XXXX und Umgebung mit dem von der Richterin eingezeichneten und vom BF bestätigten letzten Aufenthaltsort des BF zum Akt genommen (s. Verhandlungsprotokoll [in der Folge: VH-P] Seite 4 und Beilage A zum VH-P).
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
II.2.1. Identität und Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Identität, zum Herkunftsstaat, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zum Familienstand des BF stützen sich auf seine Angaben im erstinstanzlichen Verfahren (s. Bericht des BFA vom 15.12.2023 Seite 1, Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 5) und bestätigte der BF diese Angaben nochmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 4).
Dass die Identität des BF feststeht, wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, da der BF im erstinstanzlichen Verfahren einen für authentisch befundenen syrischen Reisepass im Original vorlegen konnte. Da auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Bedenken hinsichtlich der Identität des BF hervorgekommen sind, schließt sich das Gericht dieser Feststellung an.
Dass der BF gesund ist, gab er im erstinstanzlichen Verfahren an (s. E-Mail der BBU GmbH vom 15.12.2025 an das BFA, wonach der BF keine Erkrankungen angegeben habe und derzeit keine Medikamente einnehme [Aktenseite 53]; Bericht über die medizinische Untersuchung im Sondertransit Schwechat Wien [Aktenseite 57], wonach der BF gesund sei; Niederschrift BFA Seite 2) und bestätigte er dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung, indem er chronische Krankheiten und sonstige gesundheitliche Probleme verneinte (s. VH-P Seite 3).
II.2.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise
Die Sprachkenntnisse des BF wurden auf Basis seiner Angaben im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt (s. Ersteinvernahme, AIS-Datenblatt vom 15.12.2023 Seite 2 [Aktenseite 32], Niederschrift BFA Seite 2). Der BF bestätigte seine Sprachkenntnisse in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 4). Die Ersteinvernahme, die Einvernahme vor dem BFA und die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden unter Beiziehung von Dolmetschern bzw. Dolmetscherinnen für die arabische Sprache durchgeführt. Der BF hat seine diesbezüglichen Sprachkenntnisse somit unter Beweis gestellt.
Die Feststellungen zum Lebenslauf des BF stützen sich auf seine Angaben im erstinstanzlichen Verfahren (s. Bericht des BFA vom 15.12.2023 [Aktenseite 1], Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 6f) und bestätigte der BF seine Angaben nochmals in der mündlichen Verhandlung (s. VH-P Seite 4).
Dass der Vater des BF ursprünglich aus XXXX stamme, nunmehr dort sei und mit dessen Schwester lebe, wurde vom BF in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgebracht. Der BF selbst gab an, er sei – wie im vorgelegten Reisepass ersichtlich – in XXXX geboren und habe dort bis 2012 gelebt (s. Ersteinvernahme, Niederschrift BFA Seite 5, VH-P Seite 4ff). Daher ist diese gleichlautende Verantwortung des BF den Feststellungen zugrunde gelegt worden. Die Angabe des BF in der mündlichen Verhandlung, er komme selbst „ursprünglich aus XXXX “ ist dagegen so zu verstehen, dass seine Familie väterlicherseits von dort stamme.
II.2.3. Aktuelles familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zum familiären Netzwerk des BF in Saudi-Arabien, Jordanien und Syrien und zu den Lebensverhältnissen seiner Angehörigen stützen sich auf die Angaben des BF im erstinstanzlichen Verfahren (s. Ersteinvernahme und Niederschrift BFA Seite 6ff). Der BF bestätigte diese Angaben nochmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung und aktualisierte die schon in der Einvernahme vor dem BFA geschilderten Probleme mit dem Bürgen des Vaters in Saudi-Arabien dahingehend, dass sein Vater mittlerweile von Saudi-Arabien nach Syrien abgeschoben worden sei, nunmehr in XXXX mit einer Tante des BF lebe und gelegentlich sein früheres Heimatdorf besuche (s. Niederschrift BFA Seite 8, VH-P Seite 4ff).
Dass der BF wöchentlich im Kontakt mit dem Vater sei, gab er in der mündlichen Verhandlung an (s. VH-P Seite 5).
II.2.4. Ausreisemodalitäten
Die Feststellungen zur legalen Ausreise per Flugzeug gründen sich im Wesentlichen auf die Angaben des BF im erstinstanzlichen Verfahren. Der BF sprach nur in der Ersteinvernahme von einer Flucht nach Saudi-Arabien, danach weder in der Einvernahme vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung von einer solchen (s. Ersteinvernahme, Niederschrift BFA Seite 7, VH-P Seite 5). In der mündlichen Verhandlung präzisierte er, es sei 2012 zunächst die Wohnung in XXXX verkauft worden, was länger gedauert habe und sei die Familie „nach Saudi-Arabien gezogen“. Deshalb wurde entsprechend den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung ein Umzug nach Saudi-Arabien festgestellt (s. VH-P Seite 5).
Dass der BF am 14.12.2023 mit dem Flugzeug nach Österreich einreiste und sich dabei seines syrischen Reisepasses bediente, ergibt sich aus dem mit diesem Datum versehenen Flugticket, der im Akt befindlichen Bestätigung über die Sicherstellung betreffend den Reisepass und das Flugticket am 14.12.2023, 23:40 Uhr (s. Aktenseite 50) sowie der in der Ersteinvernahme unter Punkt 15. dokumentierten Daten zum Flug XXXX , die als Ausdruck auch zum Akt genommen wurden (s. Aktenseite 29). Die unmittelbar darauffolgende Asylantragstellung durch den BF ergibt sich aus dem Bericht des BFA vom 15.12.2023, wonach der BF nach der Antragstellung entsprechend einer Weisung vom 14.12.2023, 23:44 Uhr, in den Sondertransit zu verbringen sei (Aktenseite 3).
Im erstinstanzlichen Verfahren gab der BF seine Befürchtung der Abschiebung von Saudi-Arabien nach Syrien an. In der Einvernahme vor dem BFA schilderte er, für den Aufenthalt in Saudi-Arabien sei ein saudi-arabischer Staatsangehöriger als Bürge erforderlich. Der Bürge des Vaters des BF habe Probleme bereitet, weil dieser mit Abschiebung gedroht habe. Da der BF seinem Vater „zugeteilt“ sei, habe er Angst vor der Abschiebung gehabt (s. Niederschrift BFA Seite 8). In der mündlichen Verhandlung bekräftigte der BF diese Befürchtung, indem er die Abschiebung des Vaters nach Syrien einen Monat nach der Einvernahme vor dem BFA, somit im Juni 2024, angab (s. VH-P Seite 5f). Die Befürchtung des BF war deshalb entsprechend seiner gleichlautenden Verantwortung im gesamten Verfahren festzustellen.
II.2.5. Strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bzw. sonstige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl --, Fremdenpolizei und Einwanderungsrechts
Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des BF ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem vorliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
II.2.6. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen; Erlebnisse im Zusammenhang mit staatlichen/nichtstaatlichen Akteuren bzw. den von dem BF vorgebrachten Problemen, die ihn persönlich im Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat erwarten:
Dass der BF vor seiner Ausreise aus Syrien in XXXX gelebt hat und sein Vater nun in der Region XXXX aufhältig ist, wurde bereits festgestellt (Beweiswürdigung s. II.2.2. und II.2.3.). Dass als Herkunftsregion in Bezug auf den BF nunmehr die Region XXXX anzusehen ist, ergibt sich daraus, dass der BF Syrien bereits als Kind verlassen hat und somit über keine maßgeblichen sozialen Anbindungen bzw. Ortskenntnisse mehr verfügt. Es ist daher anzunehmen, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Syrien zu seinem Vater ziehen würde, da dieser den einzigen sozialen Anknüpfungspunkt in Syrien darstellt.
Die Feststellung zur Kontrolle in der Herkunftsregion des BF gründen sich auf die Übersichtskarte und den Ausführungen im aktuellen Länderinformationsblatt (LIB Seite 12f, 22f) und der damit übereinstimmenden, vom Institute for the study of war (ISW) erstellten Übersichtskarte vom 05.06.2025, die sowohl im Bericht Syria: Country Focus der EUAA von Juli 2025 übernommen (Seite 85) als auch im Internet (https://www.understandingwar.org/backgrounder/iran-update-june-5-2025; abgerufen am 23.10.2025) abrufbar ist. Diese Karten stellen, wie eine Einsicht in die Websites des „Carter Center“ sowie syria.liveuamap veröffentlichten Übersichtskarten zeigte, den nach wie vor aktuellen Stand dar (https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html; Stand 01.10.2025; https://syria.liveuamap.com/; jeweils abgerufen am 23.10.2025), wobei nunmehr die Kontrolle in der Region von der syrischen Übergangsregierung ausgeübt wird, weshalb die Feststellungen dementsprechend zu treffen waren.
Im Rahmen erstinstanzlichen Verfahren gab der BF an, er sei vor dem Krieg in Syrien geflüchtet, da er dort Angst um sein Leben haben würde. Er finde in Syrien und in Saudi-Arabien keinen Studienplatz und wolle in Europa studieren (s. Bericht des BFA vom 15.12.2023 Seite 2). Im Rahmen der Ersteinvernahme bestätigte der BF diese Angaben nochmals indem er ausführte, er wolle in Österreich studieren und in Sicherheit leben. In Saudi-Arabien würde die Gefahr bestehen, dass der BF nach Syrien abgeschoben werde.
Vor dem BFA gab der BF an, er sei im wehrpflichtigen Alter und habe er keine Angehörigen mehr in Syrien (s. Niederschrift BFA Seite 7). Er habe Angst gehabt von Saudi-Arabien nach Syrien abgeschoben zu werden und dann zum Militär zu müssen. Es sei in Syrien nicht so einfach, wie es erzählt werde. Das Leben in Syrien sei extrem schwer, es gäbe keinen Strom, kein Wasser und wenige Krankenhäuser. Er könne dort aus seinem Leben nichts machen, kein Studium, keine Arbeit, es gäbe keine Sicherheit. Er könne sich aufgrund fehlender Mittel auch nicht vom Militärdienst freikaufen. Darauf, dass er beim Militär einen Job bekomme, könne er nicht vertrauen (s. Niederschrift BFA Seite 8). Der BF sei nie bei einer politischen Partei gewesen, habe an keinen Demonstrationen teilgenommen und sei nicht politisch aktiv. Er habe auch nie Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit gehabt. Es sei auch kein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig (s. Niederschrift BFA Seite 9).
Mit der Stellungnahme vom 16.09.2025 wurde vorgebracht, der BF fürchte nun – nach dem Sturz des Assad-Regimes - Verfolgung aufgrund der Herkunft seiner Familie aus der Provinz XXXX . Ein Onkel des BF sei verprügelt worden, ein weiterer Onkel mit Namen XXXX habe daraufhin einen (zufolge der Übersetzung in der mündlichen Verhandlung [s. VH-P Seite 3]), an den Übergangspräsidenten gerichteten Social-Media-Post verfasst, in welchem er um Hilfe im Zusammenhang mit einer gewalttätigen „Gruppierung der Marine“ bitte.
In der mündlichen Verhandlung ergänzte der BF sein Vorbringen dahingehend, dass die Bewohner von XXXX von Streitkräften bzw. der „allgemeinen Sicherheit“ und der Al Nusra Front beschimpft würden und gesagt werde, XXXX sei befreit worden. Die Kräfte der allgemeinen Sicherheit beschrieb der BF als streng religiös und Arabisch sprechend, während die Al Nusra Front, die aus seiner Sicht mit der HTS zusammenarbeite, aus (nicht Arabisch sprechenden) Afghanen und Tschetschenen bestehe und ebenfalls sehr radikal sei. Mit einem Kurzhaarschnitt oder dem Tragen kurzer Hosen handle man sich Probleme ein. Aus XXXX stammende Menschen würden getötet werden, wobei nicht zwischen Sunniten und Alawiten unterschieden werde. Letzteres sei einerseits auf die erschwerte Kommunikation mit ausländischen Kämpfern der Al Nusra Front zurückzuführen, denen man beim Kontrollpunkt nicht das eigene (sunnitische oder schiitische) Bekenntnis vermitteln könne. Andererseits würde dem BF auch nicht geglaubt werden, wenn er sage, er sei Sunnit. Der BF fürchte daher im Falle einer Rückkehr nach XXXX eine Tötung oder Entführung. Dies fürchte er auch wegen seiner – verglichen mit den Sicherheitskräften vor Ort – nicht streng religiösen Lebensweise. Schließlich würde ihm von der Gruppierung „Dera Al-Sahel“ nicht geglaubt, er sei Sunnit (s. VH-P Seite 5ff).
Die Provinz XXXX ist neben der Provinz XXXX ein wesentliches Siedlungsgebiet der religiösen Minderheit der Alawiten, der etwa 10% der syrischen Staatsbürger angehören. Die alawitische Gemeinschaft wird sehr oft mit dem entmachteten syrischen Staatspräsidenten Al-Assad in Verbindung gebracht, da auch er dieser Minderheit entstammt. In der Zeit seiner Regentschaft wurden die Alawiten überproportional oft in leitende Positionen etwa in Armee, Geheimdienst, öffentliche Industrie und als Regierungsbeamte, jedoch auch zum Wehrdienst berufen. Daraus wird geschlossen, dass sich die Familie Al-Assad stark auf die Alawiten verlassen hat (s. LIB Seite 44, 194, 198f).
Infolge des Machtwechsels mit Dezember 2024 in Syrien gibt es einerseits Bestrebungen die Al-Assad-treuen Strukturen, etwa die Mitglieder der Ba’ath-Partei und zwangsläufig auch die von Al-Assad eingesetzten Alawiten, innerhalb des Staatsapparates zu ersetzen. Andererseits ist die syrische Übergangsregierung dabei bestrebt, die alawitische Minderheit nicht kollektiv zu bestrafen. Die Alawiten sind nämlich seit dem Machtwechsel konfessionellen Angriffen und aufgrund ihrer (zum Teil unterstellten) Al-Assad-Treue Vergeltungsaktionen bis hin zu den Massakern im syrischen Küstengebiet im März 2025 ausgesetzt gewesen. Diesen im Wesentlichen von Einzelnen, früheren und nun in das Verteidigungsministerium integrierten bewaffneten SNA-Gruppierungen (z.B. Suleiman Shah Division, Hamza Division) aber auch ausländischen Kämpfern (z.B. Usbeken, Tschetschenen) ausgehenden Vorfällen versucht die Übergangsregierung soweit möglich beizukommen, da die Vergeltung gegenüber einer Gemeinschaft den Staatsaufbau untergraben würde. In Bezug auf die Massaker Anfang März 2025 in der Küstenregion ist das nicht gelungen. Diesbezüglich war die Übergangsregierung aufgrund der mehreren Quellen zufolge aus dem Ausland (insbesondere dem Iran) finanzierten und koordinierten Angriffe der Al-Assad-treuer Gruppen auf die Hilfe von Gruppen angewiesen, über die sie in Wahrheit nur begrenzte Kontrolle hat (s. LIB Seite 46ff, 101, 194, 198ff).
Den aktuellen Länderinformationen ist nicht zu entnehmen, dass sämtliche Bewohner von XXXX unterschiedslos – d.h. gerade nicht z.B. nach der Konfession unterscheidend – als Gruppe marginalisiert würden. Aus dem Länderinformationsbericht ergibt sich wie zuvor ausgeführt nicht einmal eine Gruppenverfolgung der Alawiten in den Provinzen XXXX und XXXX . Dies wurde zuletzt auch in der Analyse Interim Country Guidance: Syria der EUAA von Juni 2025 insofern bestätigt, als eine individuelle Verfolgung von Zugehörigen der alawitischen Minderheit nur bei risikoerhöhenden Umständen vorliegt (s. Interim Country Guidance: Syria Seite 46f).
Im vorliegenden Fall ist der BF nicht Alawit sondern bekennt sich zum sunnitischen Islam. Der BF lebte vor seiner Ausreise aus Syrien in XXXX , im Stadtteil XXXX . Selbst wenn im gegenständlichen Fall anzunehmen ist, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Syrien in der Region XXXX bei seinem Vater leben würde, da dieser der einzige Anknüpfungspunkt für den bereits seit seiner Kindheit nicht mehr in Syrien aufhältigen BF ist, ist den Länderinformationen nicht zu entnehmen, dass sämtliche Personen aus dieser Region einer tatsächlichen asylrelevanten Verfolgung unterliegen würden. Dies erscheint dem erkennenden Gericht auch in Bezug auf die Familie des BF Gültigkeit zu haben. Schließlich entschied sich der Vater des BF nach seiner Rückkehr nach Syrien in dieser Region seinen Wohnsitz zu nehmen, obwohl er auch in den letzten Wohnort ( XXXX ) hätte zurückkehren können. Wäre die Familie des BF in der Region XXXX wohnhaften Personen tatsächlich von massiven Verfolgungshandlungen betroffen, wäre wohl anzunehmen, dass der Vater des BF nicht gerade dort seinen Wohnsitz genommen hätte, insbesondere, da die Familie vor der Ausreise überhaupt nicht in dieser Region ansässig war.
Auch dem von einem Onkel des BF abgesetzten Social-Media-Post ist keine Gruppenverfolgung der Bevölkerung von XXXX bzw. eine tatsächliche Verfolgung von Familienangehörigen des BF zu entnehmen. Das Posting, dessen Urheberschaft vom Gericht nicht verifiziert werden konnte, zeigt im Wesentlichen die volatile Sicherheitslage in Syrien und richte sich dem Inhalt nach an den syrischen Übergangspräsidenten. Es werde um Hilfe im Zusammenhang mit einer „Gruppierung der Marine“ ersucht (s. VH-P Seite 3). Da der BF selbst von der Gruppe „Dera Al-Sahel“ (auch Liwa’ Dara’ al-Sahel bzw. Küstenbrigade), einer Al-Assad-treuen Gruppierung sprach, ist davon auszugehen, dass die im Posting behauptete Gewalt an einem weiteren Onkel des BF jedenfalls nicht von der Übergangsregierung ausgegangen ist (s. VH-P Seite 7; s. Bericht Country Focus: Syria Seite 124).
Bezogen auf seinen Vater schilderte der BF keine individuellen Probleme: Es gäbe keine Arbeit für die Bewohner XXXX , die Leute würden von Sicherheitsbehörden schlecht behandelt und von Streitkräften beschimpft werden. Eine Person mit Kurzhaarschnitt seien zufolge den Erzählungen des Vaters des BF angehalten und geschlagen worden (s. VH-P Seite 5, 7). Dieses Vorbringen bezieht sich somit ausschließlich auf die angespannte Sicherheitslage in der Provinz XXXX , beinhaltet jedoch keine konkret die Familie des BF betreffenden Probleme. Die allgemeine Sicherheitslage hat sich dem Bericht Country Focus: Syria nach großangelegten Razzien gegen Assad-Anhänger Ende März bzw. Anfang April 2025 in der Provinz XXXX deutlich beruhigt (s. Bericht Country Focus: Syria Seite 126). Insgesamt war somit festzustellen, dass der BF bei hypothetischer Rückkehr an seinen Herkunftsort in Syrien insbesondere nicht wegen seiner Herkunft verfolgt wird.
Überdies bringt der BF vor, er würde im Herkunftsstaat verfolgt, weil die Sicherheitskräfte in XXXX ihm das sunnitische Bekenntnis nicht glauben würden bzw. den BF aufgrund deren ausländischer Nationalität nicht verstehen würden.
Der vorgebrachte Einsatz von Kämpfern anderer Nationalitäten in der Provinz XXXX deckt sich insofern mit den Länderinformationen, als an den Massakern im März 2025 in den Provinzen XXXX und XXXX auch ausländische Kämpfer beteiligt waren. Deren Zahl ist in den Länderinformationen allerdings mit lediglich 400 bis 2.500 angegeben (s. LIB Seite 47, 101f), sodass ein Zusammentreffen mit ausländischen Kämpfern in Syrien bereits grundsätzlich als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Dass dem BF in XXXX bei einem Kontrollpunkt von den Sicherheitskräften das sunnitische Bekenntnis nicht geglaubt oder er von ausländischen Kämpfern nicht verstanden würde, ist in Anbetracht der Zahl der ausländischen Kämpfer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Der BF brachte auch nicht vor, aufgrund welcher Umstände ihm das religiöse Bekenntnis nicht geglaubt werden sollte. Da diese Behauptung somit unsubstantiiert aufgestellt wurde und der BF selbst nicht angab, warum dies gerade in Bezug auf ihn der Fall sein sollte, erscheint dem Gericht dieses Vorbringen nicht glaubhaft. Es war daher festzustellen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr keine Verfolgung aufgrund Unterstellung einer Zugehörigkeit zur alawitischen Minderheit droht.
Der BF brachte zudem vor, er würde aufgrund seiner angeblich nur gemäßigt sunnitischen Lebensweise verfolgt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass den Länderinformationen in Syrien keine gezielte Verfolgung der Angehörigen der sunnitischen Mehrheitsreligion entnommen werden kann. Vielmehr will sich die aktuelle syrische Übergangsregierung für die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen einsetzen (s. LIB Seite 193). Die Anfang März 2025 verübten Massaker in der Küstenregion (in den Provinzen XXXX und XXXX ) an vorwiegend Angehörigen der alawitischen Minderheit, sind wie oben dargelegt von der syrischen Übergangsregierung nicht intendiert gewesen und durch zum damaligen Zeitpunkt nicht unter voller Kontrolle der Regierung stehende Gruppen verübt worden. Andere schwerwiegende Vorfälle sind seit dem Machtwechsel im Dezember 2024 – insbesondere bezogen auf Sunniten – nicht vorgefallen.
Ergänzend ist anzumerken, dass der BF seit 2012 in Saudi-Arabien einem überwiegend vom sunnitischen Islam geprägten Land lebte. Es ist allgemein bekannt, dass der sunnitische Islam in Saudi-Arabien streng interpretiert und gelebt wird. Wenn der BF in Saudi-Arabien keine Probleme wegen seiner Religionsausübung hatte (dies wurde vom BF im gesamten Verfahren nicht vorgebracht), ist es aus Sicht des Gerichts nicht glaubhaft, dass er den sunnitischen Islam derart „locker“ praktiziert, dass er diesbezüglich in Syrien auffallen würde. Es war daher festzustellen, dass der BF im Falle einer hypothetischen Rückkehr an seinen Herkunftsort auch nicht wegen seiner gemäßigt religiösen Lebensweise verfolgt werden würde.
Der BF brachte schließlich vor, er würde von der alawitischen Gruppierung „Dera Al-Sahel“ angehalten werden und könne es sein, dass ihm sein tatsächlicher sunnitischer Glaube nicht geglaubt werden würde (s. VH-P Seite 7). Festzuhalten ist, dass dem Bericht Country Focus: Syria nur entnommen werden kann, dass es sich bei Liwa’ Dara’ al-Sahel bzw. der „Küstenbrigade“ (bzw. zufolge der Quelle auch der „Coastal Shield Brigade“ [https://www.harmoon.org/en/researches/syria-10/]; abgerufen am 23.10.2025) um eine Al-Assad-treue Gruppierung handle (s. Bericht Country Focus: Syria der EuAA von Juli 2025 Seite 124). Ob diese Gruppierung, wie vorgebracht, der alawitischen Minderheit angehöre, kann nicht festgestellt werden. Allerdings ist das Vorbringen des BF per se nicht nachvollziehbar. Wenn diese Gruppierung dem BF nicht glauben würde, er sei Sunnit, würden sie annehmen, er sei Alawit - wie sie. Inwiefern daraus und der befürchteten Anhaltung eine Gefahr für den BF konstruiert werden könnte, ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar. Was diese Gruppe dem BF antun würde, sagte er nämlich nicht. Insgesamt geht das erkennende Gericht davon aus, dass dem BF von der Gruppierung Liwa’ Dara’ al-Sahel keine Gefahr droht. Insbesondere auch deshalb, weil der BF dieses Fluchtvorbringen auch schon im erstinstanzlichen Verfahren hätte erstatten können, er diese Gruppe als potentiellen Verfolger jedoch erst im Beschwerdeverfahren erwähnte. Aus diesem Grund wurde festgestellt, dass dem BF bei einer Rückkehr von dieser Gruppe keine Gefahr droht.
Die Feststellung zum unter Assad bestehenden Wehrdienst kann aus den Länderfeststellungen nachvollzogen werden. Die frühere Wehrpflicht in Syrien ist als notorisch bekannt anzusehen. Die Inaktivität der syrischen Armee und die Generalamnestie der neuen Machthaber gegenüber Wehrpflichtigen ergeben sich aus den Entwicklungen seit Dezember 2024 und sind im aktuellen Länderbericht festgehalten. Eine Einziehung zum Wehrdienst des Assad-Regimes ist somit nicht mehr möglich.
Der BF brachte in seiner Beschwerde vor, dass er im Herkunftsstaat im Zusammenhang mit dem Wehrdienst verfolgt würde (s. Beschwerde Seite 22, Aktenseite 362). Diese Befürchtung äußerte er zuletzt weder in seiner Stellungnahme vom 16.09.2025 noch in der mündlichen Verhandlung, als er dazu befragt wurde, aus welchem Grund er im Herkunftsstaat noch immer verfolgt würde. Sein Fluchtvorbringen beschränkte sich vielmehr auf die Verfolgung wegen seiner vermeintlichen Herkunft XXXX , die Unterstellung der Zugehörigkeit zur alawitischen Minderheit, da ihm sein sunnitisches Bekenntnis nicht geglaubt bzw. dieses infolge von Verständigungsschwierigkeiten mit ausländischen Kämpfern nicht verstanden würde, außerdem die Verfolgung wegen seiner nicht streng religiösen sunnitischen Lebensweise und jene durch die Gruppe „Dera Al-Sahel“ (s. VH-P Seite 5ff). Entsprechend dem Länderbericht besteht in Syrien aktuell kein Wehrdienst und war daher die Abschaffung desselben durch die neuen Machthaber festzustellen. In Übereinstimmung damit, äußerte der BF keine Befürchtung, er müsse seinen Wehrdienst aktuell noch ableisten.
In der Beschwerde wurde vorgebracht, dem BF würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Asylantragstellung im Ausland als Zeichen der Ablehnung der früheren syrischen Regierung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt (s. Beschwerde Seite 12f, 22, Aktenseite 352f, 362). Von Amts wegen prüft das Gericht, ob dem BF eine oppositionelle Gesinnung auch von der aktuellen syrischen Regierung unterstellt würde.
Dem Länderbericht ist nicht zu entnehmen, dass syrischen Staatsangehörigen, die vor dem Al-Assad-Regime bzw. den kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrem Heimatland flohen, bei Rückkehr von der syrischen Übergangsregierung automatisch eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Vielmehr stand die aktuelle Übergangsregierung mit dem früheren Al-Assad-Regime im Konkurrenzkampf und decken sich als oppositionell betrachtete Personen und Gruppierungen somit nicht. Der BF selbst äußerte in der mündlichen Verhandlung keine Befürchtung der Unterstellung der oppositionellen Gesinnung. Mit den Länderinformationen steht dies im Einklang. Es wird zwar einerseits von vielen rückkehrenden Personen berichtet, andererseits aber auch trotz geänderter Stimmungslage in Bezug auf eine Rückkehr – 80% der Flüchtlinge hoffen nach Syrien zurückkehren zu können – die Sicherheitsbedenken von nach wie vor im Ausland befindlichen syrischen Staatsangehörigen thematisiert (s. LIB Seite 322ff). Von einer gezielten politischen Verfolgung von Rückkehrern ist hingegen nicht die Rede. Daher war festzustellen, dass dem BF bei hypothetischer Rückkehr nach Syrien von Seiten der Übergangsregierung keine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird.
II.2.7. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material.
Der BF trat den Quellen und deren Kernaussagen im Verfahren nicht entgegen. Insbesondere verzichtete er im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA auf eine Stellungnahme und gab an, diesbezüglich vertraue er Österreich, zitierte in der Beschwerde zum Teil aus dem damals aktuellen Länderinformationsblatt und behauptete in der mündlichen Verhandlung lediglich pauschal und unsubstantiiert, was seinem Vater und seinem Onkel passiert sei, sei mit den Informationen im aktuellen Länderinformationsblatt nicht vereinbar (s. Niederschrift BFA Seite, VH-P Seite 8).
Die weiteren unter II.1.7.2 bis II.1.7.5. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den öffentlich zugänglichen Positionierungen, Analysen bzw. Berichten des UNHCR und der EUAA (abgerufen jeweils am 23.10.2025), namentlich
- dem Dokument „UNHCR position on returns to the Syrian Arab Republic“ (https://data.unhcr.org/en/documents/details/113771);
- dem Dokument des UNHCR betreffend „Persons in need of international protection“ (https://emergency.unhcr.org/sites/default/files/2023-05/UNHCR%2C%20Persons%20in%20need%20of%20international%20protection%2C%20June%202017.pdf);
- der Analyse „Interim Country Guidance: Syria“ der EUAA von Juni 2025 (https://www.ecoi.net/en/file/local/2126443/2025_Country_Guidance_Syria_interim_guidance.pdf) und
- dem Bericht „Syria: Country Focus“ der EUAA von Juli 2025 (https://www.ecoi.net/en/file/local/2127045/2025_07_EUAA_COI_Report_Syria_Country_Focus.pdf).
Aufgrund der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist den Richtlinien des UNHCR und der EUAA (früher: EASO) besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung“). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden bzw. das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen in den Richtlinien internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das Bundesverwaltungsgericht) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen in den Richtlinien des UNHCR und der EUAA auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche gegenständlichen Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (VwGH 18.4.2023, Ra 2022/18/0219, mwN). Auch nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist den Länderberichten des UNHCR sowie der EUAA bei der Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz besondere Beachtung zu schenken (für viele etwa VfGH 19.09.2023, E 1668/2022 ua.).
II.3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.
Der BF befindet sich unzweifelhaft außerhalb des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Zur Beantwortung der Frage, wo sich die Heimatregion des Asylwerbers befindet, bedarf es einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Städten – etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse – aufweist (vgl. VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317, Rz. 10, mwN). In Bezug auf den BF wurde aufgrund dieser Rechtsprechung die Region XXXX als Herkunftsregion festgestellt (s. Beweiswürdigung II.2.2.6.).
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl. 95/20/0380).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rz. 16f, mwN).
Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichts vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, Rz. 22 mwN).
Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon – wie in ähnlicher beschriebenen Weise – betroffen ist.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 25.03.2024, Ra 2024/20/0090, Rz. 11 mwN).
Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes).
Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des VwGH, des VfGH und des EuGH sowie unter Berücksichtigung der Richtlinie des UNHCR und der EUAA - denen Indizwirkung zukommt und deswegen im verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsfindungsprozess besondere Beachtung zu schenken ist (VwGH 31.01.2023, Ra 2022/20/0347; 03.07.2023, Ra 2023/14/0182) ist zu beurteilen, ob dem BF mit zumindest maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei angenommener Rückkehr in die Heimatregion eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. e Statusrichtlinie droht (VwGH 15.04.2024, Ra 2024/14/0139).
Wie unter II.2.6. beweiswürdigend dargelegt, konnte der BF eine individuelle und somit asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen und konnte das erkennende Gericht auch von Amts wegen keine Hinweise auf eine solche Verfolgung finden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 14.03.2025, Ra 2023/14/0144, Rz. 11, mwN).
Auch in Bezug auf die im erstinstanzlichen Verfahren und in der Beschwerde vorgebrachte angeblich drohende Einziehung zum Militärdienst in der syrischen Armee wurde unter Punkt II.2.6. dargelegt, dass dem BF nunmehr diesbezüglich keine Gefahr droht. Auf das Beschwerdevorbringen, der BF würde den Militärdienst aus politischen Gründen und Gewissensgründen verweigern und der Militärdienst berge die Gefahr der erzwungenen Beteiligung an Kriegsverbrechen war – auch wenn es im Sinne der oben zitierten Judikatur für den Status des Asylberechtigten maßgeblich wäre – im Rahmen der Feststellungen folglich nicht einzugehen: Droht keine (zwangsweise) Einziehung zum Militär, ist auch die Verweigerung desselben aus politischen Gründen und aus Gewissensgründen oder eine erzwungene Beteiligung an Kriegsverbrechen nicht möglich.
Eine Verfolgung aus einem anderen Konventionsgrund war insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der BF als Sunnit der Mehrheitsreligion in Syrien angehört, nicht ersichtlich.
Die allgemeine Lage in Syrien ist auch nicht dergestalt, dass automatisch jedem Antragsteller der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Vielmehr ist insbesondere bei Asylwerbern, welche die Einziehung zum syrischen Wehrdienst als Fluchtmotiv vorbringen, im Dezember 2024 der Verfolger weggefallen. Der VwGH hat zudem bereits darauf hingewiesen, dass dem Schutz vor (mit realem Risiko drohenden) willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines kausalen Konnexes zu einem in der GFK genannten Grund die Gewährung subsidiären Schutzes dient (VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden (somit auch das Bundesverwaltungsgericht) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen in den Richtlinien des UNHCR und der EUAA auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (VwGH 22.07.2024, Ra 2023/14/0460, Rz 15, mwN; VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151, Rz. 20, mwN).
Angesichts der Flüchtlingsdefinition des UNHCR unterfallen auch die im Sinn des § 8 AsylG 2005 subsidiär Schutzberechtigten (deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß dieser Bestimmung eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde) dieser Gruppe, womit der Status der subsidiären Schutzberechtigung als Form des vom UNHCR angesprochenen internationalen Schutzes anzusehen ist.
Der Aufforderung des UNHCR, keine negativen Bescheide über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen zu erlassen, wird damit auch in jenen Fällen Rechnung getragen, in denen (lediglich) der subsidiäre Schutz zuerkannt wird.
Auch der Analyse Interim Country Guidance: Syria der EUAA von Juni 2025 und dem Bericht Syria: Country Focus sind keine Gründe zu entnehmen, die einer abweisenden Entscheidung in Bezug auf den Asylstatus betreffend den BF entgegenstehen würden.
Es war daher unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände in Bezug auf den BF zu Recht kein Status des Asylberechtigten zu gewähren, die Entscheidungen des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. 10/1985 (in der Folge: VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich im Wesentlichen auf die Tatsache, dass der BF keinen Fluchtgrund glaubhaft machen konnte.
Rückverweise