W274 2287080-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Syrien, XXXX , vertreten durch BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4/4. Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 05.01.2024, Zl. 1327799106/223151132, wegen § 3 AsylG, zu Recht:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) reiste ohne gültige Einreisedokumente in Österreich ein und stellte am 07.10.2022 vor der PI Klagenfurt - zunächst unter dem festgehaltenen Namen XXXX - einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen und befürchte eine Einziehung zum Militär.
Am 23.08.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen gab er zu seinen Fluchtgründen an, das syrische Regime würde ihn wegen seiner Wehrdienstverweigerung töten, die Kurden würden ihn zwangsrekrutieren, er möchte einfach nicht kämpfen.
Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Absatz 1 AsylG zu (Spruchpunkt II.) und erteilte gem. § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr (Spruchpunkt III.).
Begründend führte das BFA aus, der BF habe angegeben, in Syrien von keiner Seite rekrutiert worden zu sein. Die Herkunftsregion des BF werde von den Kurden kontrolliert. Im Rahmen des kurdischen Militärdienstes sei eine Teilnahme an Menschenrechtsverletzungen auszuschließen, die Verweigerung habe lediglich eine Bestrafung zur Folge. Eine Rückreise über einen Grenzübergang aus der Türkei oder dem Irak ohne Kontakt mit dem syrischen Regime sei möglich. Allerdings sei die Sicherheitslage in Syrien dergestalt, dass für den BF nicht ausreichend Lebenssicherheit bestehe.
Allein gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde des BF wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhaften Feststellungen und mangelhafter Beweiswürdigung sowie „inhaltlicher“ Rechtswidrigkeit mit dem primären Antrag, dem BF nach Parteienvernehmung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung Asyl zuzuerkennen, hilfsweise, das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Der BF verwies auf seine Befürchtung, durch das syrische Regime aufgrund des unterlassenen Militärdiensts sowie der illegalen Ausreise und Asylantragstellung verfolgt bzw. von den kurdischen Milizen zwangsrekrutiert zu werden, sowie die Unmöglichkeit einer sicheren und legalen Rückreise ohne Kontakt mit dem syrischen Regime.
Mit individuellem Parteiengehör vom 30.12.2024 wurde dem BF aufgetragen, zu den geänderten Verhältnissen (Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad) Stellung zu nehmen.
Mit Stellungnahme vom 13.01.2025 führte der BF aus, er halte alle Anträge aufrecht. Zur Zeit sei nicht abschätzbar, wie sich die Lage in Syrien weiter entwickeln werde, weshalb es an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung fehle, wobei auf die höchstgerichtliche Judikatur zur Machtergreifung der Taliban in Afghanistan verwiesen wurde. Die HTS werde von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Es sei in diesem Zusammenhang nicht vorhersehbar, ob dem BF aufgrund seiner (zugeschriebenen) religiösen Grundhaltung und Praxis Verfolgung drohe. Ebensowenig sei vorhersehbar, ob dem BF im Zusammenhang mit seinem bisherigen Vorbringen Verfolgung von Seiten des Sicherheitsapparates drohe. Voraussetzung wäre das Vorliegen neuer Länderberichte.
Nach Auftrag, binnen Frist konkret auszuführen, welche Umstände im Rahmen einer mündlichen Verhandlung geklärt werden sollen, nahm der BF am 17.01.2025 erneut Stellung und führte neuerlich aus, der Sachverhalt sei aktuell nicht entscheidungsreif. Er verwies dabei auf eine Position von UNHCR vom 16.12.2024.
Nach Erscheinen der Version 12 des LIB erfolgte nach diesbezüglicher Einräumung eines weiteren Parteiengehörs die dritte Stellungnahme vom 22.05.2025. Der BF führte hier aus, er sei auch aus Furcht vor Zwangsrekrutierungen durch die in seinem Herkunftsort ehemals vorherrschenden kurdischen Milizen (SDF) geflüchtet. Zwar stehe das Herkunftsgebietes nicht mehr unter Kontrolle der SDF, sondern unter jener türkisch unterstützter Oppositionskräfte, doch könne daraus nicht ohne weiteres auf das Entfallen der Gefährdungslage geschlossen werden. Nach dem neuen LIB Version 12 sei die Sicherheits- und versorgungspolitische Lage in Syrien nach wie vor von hoher Instabilität und Gewalt geprägt, insbesondere in den kurdisch kontrollierten Gebieten, wo die SDF zuletzt eine Generalmobilmachung ausgerufen habe. Das Vorbringen insbesondere hinsichtlich einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die SDF sei nach wie vor aufrecht.
Im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 01.10.2025 wurde der BF als Partei befragt. Der BF brachte vor, sein Herkunftsort stehe aktuell unter Kontrolle der Syrian National Army (SNA), die durch die Türkei unterstützt werde. Der BF gab an, eine zwangsweise Rekrutierung seitens der SNA zu befürchten. Außerdem könne er das Handeln der aktuellen Übergangsregierung, das von Gewalt, Mord und Ungerechtigkeit geprägt sei, nicht einschätzen.
Folgender Sachverhalt steht fest:
Zur Person des BF:
Der XXXX -jährige BF ist Staatsangehöriger von Syrien, Araber und muslimischen Bekenntnisses. Er ist in XXXX , nördlich von Aleppo etwa auf halbem Weg zur türkischen Grenze, Gouvernement Aleppo, geboren und verließ seinen Heimatort 2012 im Alter von etwa zwölf Jahren mit seiner gesamten Familie in die Türkei. Der BF ist ledig und kinderlos. Er lebte bis zu seiner Einreise nach Österreich im Oktober 2022 über die sogenannte Balkanroute mit seinen Eltern und zahlreichen Geschwistern in der Türkei, teilweise in einem Zeltlager. Er beendete seine Schullaufbahn nach dem neunten Schuljahr in der Türkei und arbeitete als Hilfsarbeiter im Bau- bzw. Kfz-Bereich. Die Eltern, drei Brüder und sechs Schwestern des BF leben in der Türkei. Ein weiterer Bruder ist bereits verstorben. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Heimatort des BF, XXXX , steht aktuell unter der Kontrolle der türkisch dominierten SNA.
Zu den Fluchtgründen des BF:
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, in XXXX durch das (nicht mehr existierende) Assad-Regime zum Militärdienst rekrutiert bzw. wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen bestraft oder zum Kämpfen in die Ukraine überstellt zu werden.
Bei einer Rückkehr nach XXXX droht dem BF keine Einziehung zum kurdischen Selbstverteidigungsdienst, weil die kurdische Selbstverwaltung dort seit der Machtübernahme durch die SNA keine Kontrolle mehr hat. Soweit der BF auf seinem Weg nach XXXX von kurdischen Selbstverteidigungskräften etwa an einem Checkpoint rekrutiert würde, hätte er dort einen Wehrdienst in der Dauer von zwölf Monaten zu erfüllen und würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in Kampfsituationen eingesetzt. Aufgrund seiner Säumigkeit mit der Ableistung des Selbstverteidigungsdienstes müsste der BF ein Monat zusätzlich abdienen. Es drohen aber keine physischen Sanktionen wie Folter oder andere unmenschliche Behandlung. Der BF hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld der kurdischen Streitkräfte gebracht hätten. Er selbst weist auch keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die kurdische Verwaltung oder den Dienst an der Waffe generell auf.
Nicht festgestellt werden konnte, dass dem BF bei Rückkehr nach Syrien eine Zwangsrekrutierung seitens der SNA drohen würde.
Nicht festgestellt werden konnte schließlich, dass der BF durch Veröffentlichung eines Kommentars auf Facebook zu den Ereignissen in Suwaida im Fall einer Rückkehr nach Syrien ernsthaft bedroht wäre.
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen. Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt. Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte. Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war. Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen. Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt. Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten. Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt. Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich, etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS. Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein. Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums.
Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Am 10.3.2025 unterzeichneten der Anführer der kurdisch dominierten SDF Mazloum 'Abdi und Übergangspräsident Ahmad ash-Shara' ein Abkommen über die Integration der SDF in die staatlichen Institutionen Syriens. Das Abkommen sieht die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Vertretung und Beteiligung, einen Waffenstillstand in allen syrischen Gebieten und die Integration aller zivilen und militärischen Institutionen im Nordosten Syriens vor. Das Abkommen sieht auch vor, dass die SDF den syrischen Staat bei der Bekämpfung von Assads Überbleibseln und Drohungen unterstützen und Aufrufe zur Teilung, Hassreden und Versuche, Zwietracht zu säen, zurückweisen werden. Das Abkommen besteht aus acht Klauseln. Gemeinsame Ausschüsse sollen daran arbeiten, die Umsetzung des Abkommens bis Ende des Jahres abzuschließen. Das Abkommen sieht vor, das DAANES-Gebiet unter die volle Kontrolle der syrischen Zentralregierung bringen. Es beinhaltet die Integration der zivilen und militärischen Einrichtungen im Nordosten Syriens in die syrische Staatsverwaltung, einschließlich der Grenzposten, des Flughafens [in Qamishli, Anm.] und der Öl- und Gasfelder, die von den SDF im Nordosten Syriens kontrolliert werden. Kurz nach Bekanntgabe der Vereinbarung sagten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass sich ein Konvoi des syrischen Verteidigungsministeriums in Abstimmung mit den SDF nach al-Hasaka begeben wird und dass die Kräfte des Verteidigungsministeriums die Gefängnisse von den SDF übernehmen werden. Das Wall Street Journal zitierte US-Beamte mit der Aussage, dass US-Militärpersonal zwischen den SDF und den sogenannten Rebellengruppen vermittelt habe. Die Beamten sagten, die Vermittlung schließe auch Gruppierungen ein, die von der Türkei seit dem Sturz des gestürzten Präsidenten Bashar al-Assad unterstützt werden. Das Abkommen könnte den Konflikt der SDF mit der benachbarten Türkei und den von der Türkei unterstützten ehemaligen syrischen Rebellengruppen, die mit der Regierung verbündet sind und versuchen, die SDF aus Gebieten nahe der Grenze zu vertreiben, entschärfen. Das Abkommen macht keine Angaben darüber, wie die militärischen Einheiten der SDF in das syrische Verteidigungsministerium integriert werden sollen, was bisher ein wesentlicher Knackpunkt in den Gesprächen war. Die Vereinbarung bezieht sich weder auf die Übergabe von Waffen noch auf die Auflösung der von der YPG dominierten militärischen Formation. Die Vereinbarung enthält die Bestätigung, dass das kurdische Volk ein integraler Bestandteil Syriens ist und ein Recht auf Staatsbürgerschaft und garantierte verfassungsmäßige Rechte hat, einschließlich der Verwendung und des Unterrichts ihrer Sprache, die unter Assad jahrzehntelang verboten waren. Die Vereinbarung beinhaltet die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Repräsentation und Beteiligung am politischen Prozess und an allen staatlichen Institutionen, unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen Zugehörigkeit (LIB S. 30 f).
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit. HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll. Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll. Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an. In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen. Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt. (…) (LIB S. 140)
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (LIB S. 142).
Wehr- und Reservedienst in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
Der Gesellschaftsvertrag von 2023 regelt in der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) in Abschnitt 5 die Selbstverteidigungspflicht. Artikel 111 besagt, dass Selbstverteidigung eine Garantie und Fortsetzung des Lebens, und basierend auf dem Recht und der Pflicht ist, die Existenz zu verteidigen. Sie erfordert die Einrichtung eines Selbstschutzsystems, das auf dem Bewusstsein der legitimen Selbstverteidigung und der organisierten demokratischen Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien beruht. Einerseits gibt es die Community Protection Forces, die für den Schutz Nord- und Ostsyriens und die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Eigentum der Bürger vor allen Angriffen und Besatzungen verantwortlich sind. Die Community Protection Forces werden unter Beteiligung aller Bürger organisiert. Selbstverteidigung ist ein Recht und eine Pflicht für jeden Bürger. Es ist die Pflicht organisierter ethnischer und religiöser Gruppen, sich wirksam am Selbstverteidigungssystem zu beteiligen, angefangen bei Stadtvierteln, Dörfern, Städten und allen Wohneinheiten. Anderseits erwähnt Artikel 111 auch die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF). Sie sind die legitimen Verteidigungskräfte in der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens. Sie nehmen den freiwilligen Beitritt der Söhne und Töchter des Volkes und die Pflicht zur Selbstverteidigung an. Ihre Aktivitäten werden vom Demokratischen Volksrat und der Verteidigungskommission überwacht. Sie organisieren sich autonom innerhalb des Demokratischen Konföderalen Systems Nord- und Ostsyrien und haben die Aufgabe, die DAANES und alle syrischen Gebiete zu verteidigen und sie vor jeglichen potenziellen Angriffen oder Gefahren von außen zu schützen. Laut Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigung gelten Männer mit Vollendung des 18. Lebensjahres als wehrpflichtig und müssen den Selbstverteidigungsdienst bis zum vierzigsten Lebensjahr vollendet haben (Artikel 13). Wehrpflichtig ist jeder männliche Bewohner der Region Nord- und Ostsyrien, der das gesetzliche Alter für die Ausübung des Selbstverteidigungsdienstes erreicht hat, bzw. jeder, der seit mehr als drei Jahren dauerhaft in Nord- und Ostsyrien ansässig ist und die syrische Staatsangehörigkeit besitzt (Artikel 1). Zwei Quellen, die vom Danish Immigration Service (DIS) befragt wurden, äußerten jedoch Zweifel an der konsequenten Einberufung von Personen von außerhalb der DAANES in allen Regionen. Frauen in den von der Autonomen Verwaltung kontrollierten Gebieten können freiwillig Wehrdienst leisten. Wladimir van Wilgenburg, Journalist und Autor, und ein Experte für syrische Kurden haben noch von keinem Fall gehört, in dem Frauen zwangsweise zur Selbstverteidigung eingezogen wurden (LIB S. 145).
Das sogenannte Verteidigungsbüro des Exekutivrats der „Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien“ hat die für die Wehrpflicht erforderlichen Geburtsjahrgänge festgelegt, während die Verhaftungskampagnen gegen junge Menschen für die Einberufung in die Reihen der SDF weitergehen. Die Erklärung wurde vom Verteidigungsbüro der Autonomen Verwaltung an alle Verteidigungsbüros in der Region verteilt. Darin steht, dass wer zwischen dem 1.1.1998 und dem 31.12.2005 für den Dienst der Selbstverteidigung wehrpflichtig ist. Bereits vier Tage nach dem Erlass der Richtlinien, in der die Geburtsjahrgänge für die Selbstverteidigungspflicht bekannt gemacht wurden, nahmen die SDF eine Rekrutierungskampagne in al-Hasaka im Juni 2024 wieder auf, nachdem sie im Monat zuvor, am 8.5.2024 die Rekrutierungsprozesse eingestellt hatten. Anfang Juli 2024 wurden beispielsweise 240 Personen in den Provinzen Deir ez-Zour, al-Hasaka und ar-Raqqa gefangen genommen, um sie für den Militärdienst zu rekrutieren. Die Dienstzeit im Selbstverteidigungsdienst beträgt laut Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1 über die Selbstverteidigungspflicht zwölf volle Monate beginnend mit dem Datum der Einschreibung des Wehrpflichtigen (LIB S. 146).
Araber und Kurden werden laut von ACCORD befragten Experten vor dem Gesetz gleichbehandelt. Fabrice Balanche erklärt jedoch, dass mehr Flexibilität gegenüber Arabern gezeigt werden würde, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken. Einem Syrienexperten zufolge seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete stünden unter derselben Art von Kontrolle. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir ez-Zour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz al-Hasaka durchzusetzen. Anders als Balanche meint Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, dass arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein könnten. Quellen des Danish Immigration Service (DIS) zufolge ist DAANES bei der Umsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung in Gebieten mit überwiegend arabischer Bevölkerung vorsichtig. Ebenso werden Christen in der Praxis nicht der gleichen Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigung unterworfen wie Kurden, so eine weitere Quelle. Daher nehmen christliche Jugendliche in der Regel nicht an der Selbstverteidigungspflicht teil, sondern treten stattdessen für drei Jahre der christlichen Polizeitruppe Sutoro bei. Dieser Dienst befreit sie von der Selbstverteidigungspflicht (LIB S. 146).
Mehrere Quellen des DIS, darunter ein ehemaliger Rekrut, der seine Wehrpflicht vor zwei Jahren erfüllt hat, berichteten, dass der Selbstverteidigungsdienst mit einem grundlegenden theoretischen und praktischen militärischen Ausbildungsprogramm beginnt. Während des theoretischen Teils erhalten die Wehrpflichtigen Unterricht in allgemeiner Geschichte der Nationalen Streitkräfte sowie in Kultur und Ethik. Sie erhalten auch eine theoretische Einführung in militärische Themen, einschließlich militärischer Begriffe und Waffen. Im praktischen Teil des Ausbildungsprogramms absolvieren die Wehrpflichtigen ein körperliches Training und eine Waffenausbildung. Während der ersten Phase der Grundausbildung haben die Wehrpflichtigen keinen einzigen Tag frei. Nach Abschluss ihrer Ausbildung haben sie acht bis zehn Tage frei, bevor sie in ihren jeweiligen Einheiten und Aufgabenbereichen eingesetzt werden. Anschließend haben die Wehrpflichtigen für den Rest ihres Dienstes alle zehn Tage einen Tag frei. Nach der Ausbildungszeit, die bis zu zwei Monate dauert, werden die Wehrpflichtigen verschiedenen Aufgaben in unterschiedlichen Zentren oder Einheiten zugewiesen, wo sie für den Rest ihres Dienstes tätig sind. Die Ausbildung oder Qualifikationen der Wehrpflichtigen werden bei der Zuweisung ihrer Aufgaben oft berücksichtigt. So werden beispielsweise diejenigen mit einem besseren Bildungshintergrund und besseren Fähigkeiten Aufgaben in Büros oder Einrichtungen zugewiesen, die von ihren Fähigkeiten profitieren könnten. Wehrpflichtige mit niedrigem oder ohne Bildungshintergrund werden oft für Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewachung oder dem Schutz öffentlicher Gebäude eingesetzt. Im Allgemeinen werden die Wehrpflichtigen nicht in Kampfsituationen eingesetzt. Es gab jedoch Fälle, in denen die Wehrpflichtigen in Kampfsituationen verwickelt waren, z. B. während der Schlacht um Afrin im Jahr 2018, bei schweren Kämpfen in Deir ez-Zour im Sommer 2023, bei den Kämpfen in Tell Abyad und bei Angriffen des Islamischen Staats (IS) auf das Gefängnis von al-Hasaka (2022), das hauptsächlich von Wehrpflichtigen bewacht wurde (LIB S. 146 f).
Gemäß Artikel 15 des Gesetzes Nr. 1. über die Selbstverteidigungspflicht wird jeder säumige Soldat, der eingezogen wird, bestraft, indem er einen Monat auf das Ende seiner Dienstzeit angerechnet bekommt. Dass die Bestrafung mit einem zusätzlichen Monat auch in der Praxis so gehandhabt wird, bestätigten die von der Danish Immigration Service befragten Quellen. Die Namen der Wehrdienstverweigerer werden veröffentlicht und an Checkpoints weitergegeben. Dort wird nach ihnen gesucht, nicht aber in ihren Wohnhäusern. Diejenigen, die auf frischer Tat beim illegalen Überschreiten der Grenze ertappt werden, werden direkt in das Ausbildungszentrum gebracht, um ihre Pflicht zur Selbstverteidigung zu erfüllen, besagt Artikel 28 im Gesetz Nr. 1 zur Selbstverteidigungspflicht. Gemäß Quellen des Danish Immigration Service (DIS) werden Wehrdienstverweigerer, wenn sie an Checkpoints aufgegriffen werden, vorübergehend festgenommen und zur Ableistung ihres Dienstes geschickt. Die Familie des Betroffenen wird über seine Festnahme und Einberufung informiert. Den Quellen des DIS waren keine Fälle von Gewalt oder Misshandlung von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren bekannt, die an Kontrollpunkten gefasst wurden. Das Leben ist für diejenigen, die sich der Selbstverteidigungspflicht in den Nationalen Sicherheitskräften entziehen, eine Herausforderung, da viele junge Männer Kontrollpunkte meiden und auf Fluchtmöglichkeiten warten. Quellen berichteten von Entflohenen, die sich jahrelang versteckt hielten. In arabisch dominierten Gebieten kann die Flucht länger andauern, da die Behörden vorsichtig vorgehen, um keine Spannungen zu provozieren, indem sie diejenigen suchen und verhaften, die ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind. Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom September 2023, dass alle Wehrdienstverweigerer unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht fallen würden und dem Gesetz entsprechend behandelt würden. Die Assayish würden den Wohnort von zum Dienst gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleiben, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft. Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte gibt in einer E-Mail-Auskunft vom August 2023 an, dass die Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften vom Profil des Wehrpflichtigen und der Region, aus der er stamme, abhingen. Je strenger die kurdische Kontrolle, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Rekruten nicht das Risiko eingehen würden, offen Einwände gegen den Selbstverteidigungsdienst zu zeigen. In al-Hasaka beispielsweise könnten Personen im dienstfähigen Alter verhaftet und zum Dienst gezwungen werden (LIB S. 149 f).
Familienangehörige von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren werden nicht bestraft. Den Quellen des DIS waren keine Fälle bekannt, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren aufgrund der Wehrdienstverweigerung oder Desertion ihrer Verwandten Schikanen oder anderen Verstößen ausgesetzt waren, selbst in Fällen, in denen der Wehrdienstverweigerer an einem Checkpoint festgenommen wurden (LIB S. 150).
Beweiswürdigung:
Zur Person des BF:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinem Aufwachsen in Syrien, seiner Ausreise in die Türkei sowie seiner familiären Situation gründen auf den glaubhaften Angaben des BF im behördlichen/gerichtlichen Verfahren sowie den vorgelegten Urkunden.
Der Umstand, dass XXXX aktuell unter Kontrolle der SNA steht, beruht auf der Aussage des BF in der mündlichen Verhandlung, die von syria.liveuamap.com bestätigt wird.
Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF beruhen auf dem eingeholten Auszug des Strafregisters.
Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF erstattete zusammengefasst folgendes Fluchtvorbringen:
Im Rahmen der Erstbefragung vor der Polizei gab er an, er fürchte die Einrückung zum Militär und sei wegen des Krieges geflüchtet.
Im Rahmen der Befragung vor dem BFA verwies er über Frage nach seinen Asylgründen auf die allgemeine Kriegslage, zumal er im Zeitpunkt seiner Ausreise erst zwölf Jahre alt gewesen sei. Im Falle einer Rückkehr fürchte er aber, dass ihn das Regime töten werde, weil er keinen Grundwehrdienst geleistet habe und als Verräter angesehen werde. Außerdem würden ihn in seiner Heimatregion die Kurden rekrutieren, er wolle aber nicht kämpfen.
Im Rahmen der Beschwerde gab der BF an, Zwangsrekrutierung sowohl durch die syrische Armee als auch die kurdischen Milizen zu befürchten, wobei viele Wehrpflichtige im Zuge des Militärdienstes auch in die Ukraine in den Krieg geschickt würden und die Kurden Wehrpflichtige auch an das Regime übergäben.
In den ersten beiden Stellungnahmen nach dem Sturz des Assad-Regimes führte der BF im Wesentlichen aus, aufgrund der noch nicht gefestigten Lage sei der Sachverhalt noch nicht entscheidungsreif und es sei insbesondere nicht vorhersehbar, ob dem BF aufgrund seiner (zugeschriebenen) religiösen Grundhaltung und Praxis Verfolgung drohe.
In der letzten Stellungnahme vom 22.05.2025 berief sich der BF in erster Linie auf eine drohende Zwangsrekrutierung durch die SDF, obzwar sein Heimatgebiet nicht mehr unter deren Kontrolle, sondern jener der türkisch unterstützten Oppositionskräfte stehe.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst brachte der BF im Hinblick auf seinen Asylantrag vor, er befürchte weiterhin Verfolgung, da er das Handeln der aktuellen Übergangsregierung nicht einschätzen könne. Zudem könnte die in seinem Heimatort herrschende SNA ihn zwangsrekrutieren.
Der BF brachte also zum einen vor, durch das Assad-Regime verfolgt zu werden, weil er sich dem verpflichtenden Militärdienst entzogen habe, aus Syrien illegal ausgereist sei und im Ausland einen Asylantrag gestellt habe. Ihm drohe auch eine Überstellung in die Ukraine, um am dortigen Krieg teilzunehmen.
Eine Verfolgungsgefahr aus diesem Grund ist aber schon deshalb auszuschließen, weil sich aus den angeführten Länderinformationen ergibt, dass das syrische Regime unter Präsident Assad infolge der erfolgreichen Großoffensive der HTS Ende November/Anfang Dezember 2024 nicht mehr existiert. Es gibt derzeit nach den Länderinformationen (LIB S. 140) auch keine staatliche Wehrpflicht in Syrien. Dem vermochte der BF in seinen Stellungnahmen im Beschwerdeverfahren und in der mündlichen Verhandlung nichts Substantiiertes entgegen zu halten. Zur behaupteten drohenden Überstellung in die Ukraine ist festzuhalten, dass diese Behauptungen in keinster Weise belegt oder näher ausgeführt wurden, obwohl angesichts der behaupteten generellen Vorgangsweise Nachweise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffbar sein müssten, sodass auf diese Behauptungen nicht näher eingegangen zu werden braucht. Im Übrigen ergibt sich insofern schon deshalb keine Bedrohung für den BF, weil das Assad-Regime, wie ausgeführt, nicht mehr existiert.
Das weitere Fluchtvorbringen des BF betrifft im Wesentlichen die Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht. Hier ist zunächst auf den Geburtsjahrgang des BF XXXX zu verweisen: Mit aktuellem Stand sind volljährige Männer, die in den Jahren 1998 bis 2005 geboren wurden, zur Ableistung der „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ verpflichtet (LIB S. 146). Der BF wäre also aufgrund seines Alters grundsätzlich zur Ableistung der „Selbstverteidigungspflicht“ verpflichtet.
Da der Heimatort des BF, XXXX , mittlerweile nicht mehr von den kurdischen Milizen beherrscht wird, kommt ein Aufgriff samt Zwangsrekrutierung durch diese höchstens auf dem Weg dorthin in Betracht. Was die Konsequenzen im Fall eines Aufgriffs durch die kurdischen Milizen zwecks Rekrutierung im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht betrifft, ist auf die Länderinformationen (siehe LIB S. 149, sowie etwa die ACCORD-Anfragebeantwortung v. 6.9.2023, a-12188-2) zu verweisen: Demnach führt der Aufgriff von Wehrdienstverweigerern höchstens zu einer ein- bis zweiwöchigen Haft, um einen passenden Einsatzort zu finden; danach ist der Wehrdienst (um ein Monat verlängert) abzuleisten. Es gibt jedoch keine Hinweise auf Folter oder andere unmenschliche Behandlung im Zusammenhang mit Wehrdienstverweigerern. Außerdem werden Wehrpflichtige grundsätzlich nicht im aktiven Kampf (sondern, sofern kein höherer Bildungshintergrund vorliegt, in Bereichen wie etwa Objektschutz) eingesetzt (LIB S. 147) und ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen bzw. sonstigen Kampfhandlungen zu befürchten.
Aus der Bestrafung von Wehrdienstverweigerern durch Verlängerung des Wehrdiensts um einen Monat, ohne dass es zu Misshandlungen gegen Wehrdienstverweigerer käme, ist auch abzuleiten, dass die kurdische Selbstverwaltung Wehrdienstverweigerern ohne besondere Umstände keine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt; individuelle Umstände, die im konkreten Fall zu einer anderen Beurteilung führen könnten, wurden nicht vorgebracht.
Die Angaben des BF, warum er für die Kurden keinen Militärdienst leisten würde, blieben vage: „Ich weiß nicht wie der Dienst für die Kurden aussieht, ich möchte einfach nicht kämpfen müssen und auch niemanden töten“ (vor der belangten Behörde). In der mündlichen Verhandlung beschränkte sich der BF auf die Aussagen, das ganze Militär und die bewaffneten Milizen seien für ihn sehr rückständig und es gebe keinen Rechtsstaat. Er habe aber (auf Nachfrage) niemanden in Syrien, der ihm aktuelle Informationen liefere (Protokoll S. 6, 7).
Konkretere Ausführungen dazu, weshalb er nicht für die kurdischen Milizen Wehrdienst leisten wolle, tätigte der BF nicht. Eine tatsächliche verinnerlichte politische Überzeugung gegen den kurdischen Militärdienst oder die kurdische Verwaltung vermochte er daher nicht glaubhaft vorzubringen. Dass der BF generell aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten könnte, wurde ebenso nicht substantiiert vorgebracht.
Eine Zwangsrekrutierung des BF seitens der SNA in XXXX ist nicht zu erwarten, weil sich derartige Rekrutierungsversuche aus den Länderberichten nicht ergeben. Zwangsweise Rekrutierungen durch die SNA sind auch deshalb unwahrscheinlich, weil diese Fraktion schon vor dem Sturz Assads auf freiwillige Kämpfer gesetzt hatte (LIB Version 11 vom 27.03.2024, S. 155). Der BF führte im Übrigen seine erstmals in der mündlichen Verhandlung (und nicht in den drei vorhergehenden Stellungnahmen) vorgebrachte Behauptung einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die SNA nicht näher aus, sodass im Ergebnis eine Negativfeststellung zu ergehen hatte.
Was schließlich den vom BF in der Verhandlung erwähnten Facebook-Kommentar zu den Ereignissen in Suwaida betrifft, auf den hin er zahlreiche Bedrohungen erhalten habe, so brachte der BF selbst nicht vor, dass er wegen dieses Kommentars bei der Rückkehr nach Syrien gefährdet wäre. Dass etwa die neue syrische Regierung ihn deshalb verfolgen sollte, ist nicht anzunehmen, zumal gar nicht feststeht, dass der BF auf Facebook als Person identifizierbar war und nicht ersichtlich ist, dass der bloße Hinweis auf eine subjektiv empfundene Ungerechtigkeit in Syrien eine Bestrafung nach sich ziehen würde.
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen stützen sich auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen des LIB Syrien in der aktuellsten Fassung. Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen dort wiedergegebenen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
Rechtlich folgt:
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.
Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.
Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:
Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,
gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt AZ 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht.
Für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch die seitens der Verfolger dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant.
Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Dabei kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. zum Ganzen VwGH 28.3.2023, Ra 2023/20/0027, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. etwa VwGH 23.5.2023, Ra 2023/20/0110, mwN).
Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm - sollte dies der Fall sein - im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. etwa VwGH 25.08.2022, Zl. Ra 2021/19/0442). Zur Bestimmung der Heimatregion kommt in diesem Sinn der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. EUAA, Richterliche Analyse, Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes [2018], 83; vgl. idS auch VwGH 27.6.2016, Ra 2016/18/0055). Das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Hinblick auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erst dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber „in der Heimatregion seines Herkunftsstaats“ Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. etwa VwGH 25.05.2020, Zl. Ra 2019/19/0192).
Wie festgestellt, existiert das Regime unter Baschar al-Assad seit dem Umsturz im Dezember 2024 nicht mehr. Der Befürchtung der Einberufung zum Militärdienst beim Assad-Regime mit der Gefahr der Beteiligung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist damit der Boden entzogen. Eine Verfolgung (aus welchen Gründen immer) seitens des nicht mehr vorhandenen Assad-Regimes ist daher nicht anzunehmen.
Bezüglich der kurdischen Selbstverteidigungspflicht ist voranzuschicken, dass der Wehrdienst prinzipiell eine legitime, von Staaten auferlegte Pflicht ist, wobei die bloße Furcht, sich den Gefahren auszusetzen, die die Ableistung des Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konflikts mit sich bringt, also damit auch im Rahmen dieses Dienstes getötet zu werden, noch keinen Verfolgungsgrund nach der GFK darstellt (VwGH Ra 2023/18/0108). Nun ist die kurdische Selbstverwaltung auch nach ihrem Selbstverständnis kein Staat, und die von ihr auferlegte Selbstverteidigungspflicht damit keine legitime Wehrpflicht im eigentlichen Sinn, sondern eine Zwangsrekrutierung. Doch auch wenn man die Selbstverteidigungspflicht deshalb grundsätzlich als illegitim ansieht, bleibt festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des VwGH die Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei für sich genommen noch keine asylrelevante Verfolgung bedeutet, sondern entscheidend ist, mit welchen Sanktionen ein Verweigerer zu rechnen hat (Ra 2015/01/0079, Ra 2015/01/0069).
Angesichts der Feststellungen ist bereits eine drohende Verfolgung des BF seitens der kurdischen Milizen im Falle eines Aufgriffs zu verneinen, weil zu dem jedenfalls abzudienenden, nicht asylrelevanten „Wehrdienst“ von einem Jahr nur eine vergleichsweise kurze Verlängerung (von einem Monat) als Sanktion hinzutreten würde; gleichfalls von nur kurzer Dauer wäre eine allfällige (höchstens zweiwöchige) Inhaftierung, um einen passenden Einsatzort zu finden. In diesen „Sanktionen“ kann noch keine Verfolgung im Sinne einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte (Art. 9 Abs 1 der Statusrichtlinie) erblickt werden. So gehört das Verbot der Zwangsarbeit gemäß Art 4 Abs 2 EMRK auch nicht zu den gemäß Art 15 Abs 2 „notstandsfesten“ Rechten, auf die in Art 9 Abs 1 der Statusrichtlinie Bezug genommen wird.
Außerdem scheitert die Asylgewährung an der notwendigen Verknüpfung mit dem Konventionsgrund der politischen Gesinnung, wobei auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen ist: Es ist für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten für sich genommen auch nicht ausreichend, wenn der asylwerbende Fremde, der in der Verhandlung angegeben hat, dass er keine Waffe tragen und keine Menschen töten wolle, Gründe, warum er den Militärdienst nicht ableisten möchte, ins Treffen führt, die Ausdruck einer politischen oder religiösen Gesinnung sein können (Ra 2023/20/0619). Damit bringt der Gerichtshof zum Ausdruck, dass Pauschalbehauptungen, wie auch der BF sie im konkreten Fall tätigte, noch nicht zur Annahme eines asylrelevanten Verfolgungsgrundes im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention führen können. Mangels einer glaubhaft verinnerlichten politischen Überzeugung gegen die kurdische Selbstverwaltung oder den Dienst an der Waffe generell, sowie mangels einer unterstellten oppositionellen Gesinnung durch die Kurden ist aber auch die Verknüpfung mit einem Konventionsgrund nicht gegeben. Im Übrigen besteht im Heimatort des BF keine Gebietskontrolle der Kurden mehr, sodass ein Aufgriff schon deshalb als unwahrscheinlich anzusehen ist.
Im Ergebnis kann also eine drohende asylrelevante Verfolgung wegen einer Zwangsrekrutierung durch die Kurden nicht erkannt werden.
Schließlich konnte, wie festgestellt und in der Beweiswürdigung erläutert, auch keine drohende Zwangsrekrutierung seitens der SNA oder auch eine Bedrohung des BF aufgrund seines (erst in der Verhandlung erwähnten) Facebook-Kommentars zu den Ereignissen in Suwaida glaubhaft gemacht werden.
Im Umstand, dass im Heimatland des BF eine desolate Lage unmittelbar nach einem Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.
Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass es vor der zum Sturz des syrischen Regimes führenden Offensive in den HTS-beherrschten Gebieten im Nordwesten Syriens (in der Provinz Idlib und angrenzenden Provinzen) zu Menschenrechtsverletzungen seitens der HTS-Machthaber kam. Die der HTS-Regierung in Idlib vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen betrafen vor allem Frauen, (vermeintliche) Oppositionelle und Angehörige von religiösen Minderheiten (z.B. Christen). Dass der männliche BF, der Araber, Sunnit und nicht durch oppositionelle Aktivitäten gegen die HTS in Erscheinung getreten ist, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsort Opfer derartiger Menschenrechtsverletzungen werden könnte, ist nicht zu erwarten. Der BF hat diesbezüglich auch nichts Konkretes vorgebracht.
Zur Volatilität der Lage in Syrien:
Der BF verwies auch darauf, dass infolge des Sturzes des Assad-Regimes gegenwärtig nicht absehbar sei, wie sich die Lage in Syrien entwickeln werde, weshalb es an einer wesentlichen Grundlage für eine Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen fehle. Er berief sich dabei auf ein zur Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 19.09.2022, E 3015/2021), demzufolge das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet sei, die laufende Entwicklung zu prüfen, und das UNHCR-Positionspapier zur Rückkehr nach Syrien vom Dezember 2024, wonach UNHCR dazu aufrufe, bis auf weiteres keine zwangsweisen Rückführungen nach Syrien vorzunehmen.
Zunächst kommt den UNHCR-Richtlinien zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zu, doch ergibt sich daraus nicht, dass diese für das Verwaltungsgericht bindend wären, sondern lediglich, dass es sich mit diesen auseinandersetzen muss und eine etwaige Abweichung von ihnen zu begründen hat (dazu beispielsweise VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151). Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um eine Rückführung des BF, sodass der genannte Appell im zitierten UNHCR-Papier im konkreten Fall nicht relevant ist.
Das vom BF angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Lage nach der (letzten) Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bezieht sich indes auf die Zurückweisung von Anträgen auf subsidiären Schutz und auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich nicht auf die aktuelle Version der relevanten Länderberichte gestützt hat. Im gegenständlichen Verfahren gibt es jedoch keine neueren oder umfassenderen Berichte als jene, die in den Feststellungen referiert werden, und ist dem BF ohnehin subsidiärer Schutz gewährt worden.
Zwar hat sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert, eine neuerliche Lageveränderung ist durchaus möglich und es bleibt auch zu einem gewissen Maß unklar, wie sich die Lage in den kommenden Jahren entwickeln wird. Es wäre aber untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wurde durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.
Die Gewalteskalationen im vergangenen Frühjahr in der syrischen Küstenregion hatten in erster Linie regional begrenzte Konflikte (in den Gouvernements Latakia, Tartus, Hama und Homs) zwischen alawitischen und sunnitischen Milizen zum Gegenstand. Diese Entwicklungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass dem zuletzt in der Provinz Aleppo aufhältig gewesenen BF asylrelevante Verfolgung drohe. Ähnliches gilt für die Anfang Mai 2025 ausgebrochenen Auseinandersetzungen zwischen drusischen und sunnitischen Milizen im Gouvernement Suweida.
Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Darlegung der entfernten Möglichkeit einer Verfolgung nicht für eine nach § 3 Abs. 1 AsylG erforderliche Glaubhaftmachung einer Verfolgung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, m.w.N.; VwGH 22.01.2021, Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten BF kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten BF in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.
Dem BF ist es daher nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides kommt daher insgesamt gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 kein Erfolg zu.
Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren und im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH entschieden wurde.
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