JudikaturBVwG

I416 2308949-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
20. August 2025

Spruch

I416 2308949-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Sudan, vertreten durch die BBU - Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2025, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.07.2025, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste mit einem Visum C, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft in Kairo, legal am 02.12.2021 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte nach Ablauf seines Visums am 23.12.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 24.12.2021 wurde der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Antrags auf internationalen Schutz von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab zu seinen Fluchtgründen befragt an wie folgt: „Ich bin ein politischer Mensch und gehörte zur demokratischen Bewegung im Sudan. Ich arbeitete zwar für staatliche Einrichtungen als Chemiker, aber war immer kritisch gegenüber dem Regime in Karthum. Ich organisierte sehr oft Protestaktionen gegen das Regime und trat als Sprecher auf. Am 25.10.2021 stürzte das jetzige Regime die demokratischen Kräfte im Sudan und verfolgt seitdem alle Oppositionellen, lässt sie verhaften und im Schnellverfahren hinrichten. Mir droht dieses Schicksal in meiner Heimat, sollte ich derzeit in den Sudan zurückkehren.“

3. Am 19.12.2024 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) und führte er befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen dieselben Gründe wie in der Erstbefragung in detaillierterer Form an. Als Sprecher der Organisation „ XXXX “ habe er die Bevölkerung aufgeklärt sowie gegen die militärische Regierung aufhetzt.

4.Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 03.02.2025 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Gegen die abweisende Entscheidung hinsichtlich der Gewährung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 03.03.2025 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafte Beweiswürdigung und die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre.

6. Beschwerde und Bezug habender Akt langten am 11.03.2025 in der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

7. Am 29.07.2025 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist sudanesischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Identität steht fest. Er ist geschieden und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX im Nordosten des Sudan geboren, verbrachte dort den überwiegenden Teil seines Lebens und besuchte die Schule. Nicht festgestellt werden konnte, ob er anschließend ein Universitätsstudium im Sudan abgeschlossen hat. Er erwirtschaftete seinen Lebensunterhalt durch seine Tätigkeit bei der sudanesischen Seehafenbehörde, wobei er zudem einen Getränkeladen führte.

Am 02.12.2021 verließ der Beschwerdeführer den Sudan und reiste legal mit einem Visum C nach Österreich, um an einem Seminar der XXXX , teilzunehmen. Der Beschwerdeführer reiste jedoch nach Ablauf seines Visums nicht aus und hält sich seither durchgehend in Österreich auf.

Der Vater des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in der Heimatstadt des Beschwerdeführers im Sudan.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2025 wurde dem Beschwerdeführer in Anbetracht der instabilen Sicherheitslage und humanitären Situation im Sudan der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Sudan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung existenzbedrohenden Verfolgungshandlungen seitens der dem Staat zurechenbaren Organen oder Privaten ausgesetzt war bzw. im Fall seiner Rückkehr in den Sudan der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein würde. Die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung/Verfolgung durch die nunmehrigen sudanesischen Machthaber aufgrund seines politischen Tätigwerdens konnte mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden.

Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Sudan wird der Beschwerdeführer daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (Gesamtaktualisierung am 02.02.2024) wiedergegeben:

Politische Lage

Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär-islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 – Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärischer Übergangsrat (Transitional Military Council – TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change – FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).

Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council – SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).

Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front – RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen – das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People’s Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).

Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in Port Sudan durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).

Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De-facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).

Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069719/country_report_2022_SDN.pdf, Zugriff 2.11.2023

- EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HBS - Heinrich Böll Stiftung (17.7.2023), Der Krieg im Sudan: Schon vergessen?, https://www.boell.de/de/2023/07/17/der-krieg-im-sudan-schon-vergessen, Zugriff 23.10.2023

- UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093601/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 2.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Sicherheitslage

Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).

Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).

Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).

Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023).

Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).

Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes. Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023).

Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).

Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).

Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).

Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).

Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).

Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/203266#content_5, Zugriff 2.2.2024

- AI - Amnesty International (15.10.2023): Sudan: Civilians still being killed and displaced after six months of conflict, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/10/sudan-civilians-still-being-killed-and-displaced-after-six-months-of-conflict/, Zugriff 23.10.2023

- BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (3.5.2023): Reiseinformation Sudan (Republik Sudan), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/sudan, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.4.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw17-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 2.2.2024

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.12.2023) [Deutschland]: Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 13.12.2023

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (19.12.2023): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sudan/reisehinweise-fuerdensudan.html#eda0326b6, Zugriff 2.2.2024

- EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023

- RW - ReliefWeb (13.12.2023): Regionale Sudan-Reaktion Lagebericht, 12. Dezember 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/regional-sudan-response-situation-update-12-december-2023, Zugriff 13.12.2023

- RW - ReliefWeb (9.2023a): Sudan: Überschwemmungen - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/fl-2023-000199-sdn, Zugriff 13.12.2023

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023a): Protection Brief Dafur Region, October 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098689/Protection+Brief+-+Darfur+-+October+2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

Rechtsschutz/Justizwesen

In der Verfassungserklärung und den einschlägigen Gesetzen ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 20.3.2023). Sie ist formal unabhängig und nicht weisungsgebunden, aber der Sudan ist kein Rechtsstaat. Der institutionell schwachen Verwaltung fehlt es häufig an Kompetenz und Mitteln, aber auch am Willen, Zuständigkeiten, Gesetze und Verordnungen transparent auszulegen und anzuwenden. Es gibt weiterhin keine funktionierende Gewaltenteilung. Die Rechtsprechung ist zwar formell nicht an politische Vorgaben gebunden, aber die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss (AA 1.6.2022).

Die Übergangsverfassung von 2019 gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte, darüber hinaus hat Sudan eine Reihe von internationalen Konventionen ratifiziert. Die praktische Umsetzung lief jedoch schleppend und wird angesichts des Militärputsches und dem seither verhängten Ausnahmezustand noch stärker infrage gestellt (AA 1.6.2022).

Die Interimsverfassung beabsichtigte die politisch beeinflusste Justiz der Ära al-Baschir durch eine unabhängige Richterschaft zu ersetzen. Im Mai 2021 setzte der Souveränitätsrat (SC) den Obersten Richter Nemat Abdullah Khair ab und akzeptierte den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Taj al-Ser Ali al-Hebr, der sich über die mangelnde Unabhängigkeit beklagt hatte. Im selben Monat wurden zudem mehr als 20 Staatsanwälte aus ihrem Amt entlassen. Nach dem Coup vom Oktober 2021 ersetzte General Burhan den amtierenden Generalstaatsanwalt wie den Obersten Richter durch ehemalige Funktionäre der Nationalen Kongresspartei (National Congress Party – NCP) [die Partei al-Baschirs, Anm.]. Der neue Oberste Richter, Abdulaziz Fath al-Rahman Abdeen, ordnete im Dezember 2021 die Wiedereinsetzung aller zuvor entlassenen Richter an (FH 2023), wodurch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz untergraben wurde, so das US-amerikanische Außenministerium (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Sicherheitsbehörden

Bis Oktober 2021 trug das Innenministerium die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit. Das Innenministerium hatte die Aufsicht über die Polizeibehörden, das Verteidigungsministerium und den Allgemeinen Nachrichtendienst. Zu diesen Polizeibehörden gehören die Sicherheitspolizei, die Polizeispezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte sog. Zentrale Reservepolizei. Verschiedene Kräfte dieser Polizeieinheiten waren im ganzen Land präsent. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Sicherheitsdienste, einschließlich der SAF, der RSF, des Grenzschutzes und der Verteidigungs- und militärischen Nachrichtendienste. Sie sind auch für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig (USDOS 20.3.2023).

Die Polizei zeichnet sich durch einen Mangel an Personal, Fachkenntnissen und Ausstattung aus. Ein häufiger Wechsel auf Leitungspositionen beeinträchtigt außerdem die Formulierung und Umsetzung strategischer Ziele. Aufgrund geringer Gehälter sind viele Polizisten auf Nebeneinkünfte angewiesen, wodurch sich die Korruptionsgefahr erhöht. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Polizei immer wieder wegen exzessiver Gewaltanwendung. Auf Demonstrationen erleiden Protestierende nicht selten Verletzungen durch Polizisten, in einigen Fällen wurde auch von Vergewaltigungen und Todesfällen berichtet. Angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften kann allerdings nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Täter zur Polizei gehören. Grundsätzlich genießt die sudanesische Polizei kein großes Vertrauen oder hohes Ansehen in der Bevölkerung, weshalb oft keine Strafanzeigen gestellt werden (AA 1.6.2022).

Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vgl. CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren(AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022).

Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vgl. AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vgl. CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau,(CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vgl. UKHO 6.2022).

Auch aufgrund des im April 2023 ausgebrochenen Konflikts zwischen SAF und RSF leidet die Zivilbevölkerung in Darfur weiterhin unter dem Versagen der sudanesischen Behörden, für Sicherheit zu sorgen. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch sudanesische Regierungstruppen dokumentiert, u. a. rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen, rechtswidrige Zerstörungen von zivilem Eigentum, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen, ethnische Säuberungen und Einsätze chemischer Waffen (AI 24.4.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.4.2023): Sudan: Political Process to Form a Transitional Government and Shifting Disorder Trends, https://acleddata.com/2023/04/14/sudan-situation-update-april-2023-political-process-to-form-a-transitional-civilian-government-and-the-shift-in-disorder-trends/, Zugriff 31.10.2023

- AI - Amensty International (24.4.2023): Sudan: Kein Ende des Leids für die Zivilbevölkerung, https://www.amnesty.at/presse/sudan-kein-ende-des-leids-fuer-die-zivilbevoelkerung/, Zugriff 31.10.2023

- AJ - Al Jazeera (16.4.2023): Sudan unrest: What are the Rapid Support Forces?, https://www.aljazeera.com/news/2023/4/16/sudan-unrest-what-is-the-rapid-support-forces, Zugriff 31.10.2023

- CIA - Central intelligence Agency (23.10.2023): The World Factbook Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/#military-and-security, Zugriff 31.10.2023

- UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1162778/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 31.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassungserklärung von 2019 verbietet zwar Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (USDOS 20.3.2023), Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können jedoch Folter, auch mit Todesfolge, einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle (AA 1.6.2022). Auch gibt es zahlreiche Berichte über gewaltsame Übergriffe auf friedliche Demonstranten unter der Militärjunta (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte haben auch Kinder misshandelt, bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt (HRW 12.1.2023).

Die Übergangsregierung hatte Schritte zur Stärkung einiger Rechte unternommen. Durch Änderungen des Strafgesetzes sind Auspeitschen und andere Formen der Körperstrafe seit 13. Juli 2020 verboten (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst und Haft geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 1.6.2022). Außerdem wird häufig mit Gewalt gegen Aktivisten, politische Gefangene und Journalisten vorgegangen. Diese werden ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt in Isolationshaft gehalten und waren häufig Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung (FH 2023). Auch in Gefängnissen sind außergerichtliche Tötung und tödliche Folter verbreitete Praktiken (BS 2022; vgl. OMCT 30.8.2021, USDOS 20.3.2023).

UN-Experten äußerten sich im August 2023 alarmiert über Berichte über brutale und weitverbreitete Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt durch die Streitkräfte RSF. Dazu gehören Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen und Handlungen wie Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Berichten zufolge wurden Hunderte von Frauen durch die RSF inhaftiert und unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen festgehalten, sexuellen Übergriffen ausgesetzt und sind von sexueller Sklaverei bedroht (OHCHR 17.8.2023). Am 6.12.2023 erklärten die USA offiziell, dass man bestätigen könne, dass die Rapid Support Forces (RSF) und verbündete Milizen Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu zählten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, insbesondere in West-Darfur. Zudem wird die Misshandlung von Inhaftierten in Haftanstalten der sudanesischen Armee (SAF) und der RSF angemahnt. Unmittelbare Konsequenzen für die Kriegsparteien haben diese Feststellungen allerdings nicht (BAMF 11.12.2023).

Von den in der Scharia, die im Sudan als Rechtsquelle Gültigkeit besitzt, festgelegten Köperstrafen ist vor allem die Prügelstrafe weit verbreitet. Es kommt außerdem vor, dass Frauen wegen „unschicklicher Kleidung“ mit Stockhieben bestraft werden. Das einschlägige Gesetz (Public Order Law) wurde Ende November 2019 abgeschafft. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. In bestimmten Fällen können Körperstrafen durch Zahlung von „Blutgeld“ abgewendet werden. Insgesamt ist eine Lockerung der strengen Regeln zu beobachten (AA 1.6.2022).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile amp;v=4, Zugriff 13.12.2023

- BS 2022 - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 Country Report – Sudan, https://bti-project.org/en/reports/country-report/SDN#pos0, Zugriff 2.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023

- OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (17.08.2023): UN experts alarmed by reported widespread use of rape and sexual violence against women and girls by RSF in Sudan, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/08/un-experts-alarmed-reported-widespread-use-rape-and-sexual-violence-against, Zugriff 3.11.2023

- OMCT - OMCT World Organisation Against Torture (30.8.2021), Sudan: Will the Convention against Torture prompt a better detention system?, https://www.omct.org/en/resources/statements/sudan-will-the-convention-against-torture-prompt-a-better-detention-system, Zugriff 2.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Korruption

2022 wurde der Sudan als eines der korruptesten Länder der Welt wahrgenommen, wie es der 162. Platz von 180 untersuchten Ländern im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) belegt (TI 2023 vgl. FH 2023). Im Vergleich zum Vorjahr 2021 stellt dies eine Verbesserung um zwei Ränge dar (TI 2023). Staatsbedienstete sollen zusätzliche Zahlungen für Dienstleistungen verlangen, auf die Einzelpersonen oder Unternehmen Anspruch haben, wodurch ein System entstand, in dem Regierungsbeamte persönliche und indirekte Interessen an verschiedenen Unternehmen verfolgen. Die Korruption behindert zudem Rechtssprechung und Strafverfolgung im Sudan (ACAPS 11.7.2023).

Zwar sieht das Gesetz strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, allerdings wird es nicht wirksam umgesetzt. Korruption ist daher auch in Regierungskreisen weit verbreitet (USDOS 20.3.2023). Die zivil-geführte Übergangsregierung nutzte dieses bestehende Recht und die Verfassungserklärung zur Bekämpfung offizieller Korruption und richtete im Jahr 2021 die „Kommission für Korruptionsbekämpfung und Rückgewinnung öffentlicher Vermögenswerte“ ein (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die Kommission hatte die Aufgabe, korrupte Handlungen zu untersuchen, aufzudecken und zu verhindern. Ein spezieller Antikorruptionsanwalt untersuchte und verfolgte Korruptionsfälle, in die Beamte, ihre Ehepartner oder Kinder verwickelt waren. Zu den Strafen für Beamte bei Verurteilung wegen Unterschlagung zählten Gefängnis bzw. Hinrichtung, obwohl sie fast nie vollstreckt wurden. Nach der Machtübernahme durch das Militär wurde die Antikorruptionskommission jedoch aufgelöst (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- ACAPS - ACAPS (11.7.2023), Sudan: Khartoum pre-crisis profile, https://www.acaps.org/fileadmin/Data_Product/Main_media/20230711_ACAPS_Thematic_report_Sudan_Khartoum_pre-crisis_profile.pdf, Zugriff 3.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- TI - Transparancy International (2023), Corruption Perception Index 2022, https://www.transparency.org/en/cpi/2022/index/sdn, Zugriff: 6.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Übergangsverfassung von 2019 verpflichtet die Übergangsregierung die Menschenrechte aller Bürger ohne Diskriminierung zu wahren und ihre Gleichbehandlung vor dem Gesetz zu gewährleisten. In der Verfassung wird ferner die Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen eingefordert (FH 2023 vgl. AA 1.6.2022). Der Ausnahmezustand, der kurz nach dem Militärputsch verhängt wurde, schränkt jedoch einige bürgerliche Freiheiten ein (AA 1.6.2022).

Im Jahr 2022 gehörten zu den großen Menschenrechtsproblemen rechtswidrige Tötungen, unmenschliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie Korruption in der Regierung. Weitere Probleme sind geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung sexueller Minderheiten und Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitskräfte gehen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor, töten Demonstrierende und verletzen Tausende. Protestteilnehmer, darunter auch Minderjährige, werden rechtswidrig inhaftiert und misshandelt (AI 28.3.2023). Zwar hat die Militärregierung Sonderausschüsse zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingerichtet, bislang aber noch keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Paramilitärische Kräfte und Rebellengruppen verüben nach wie vor Gewalttaten gegen Zivilisten, vor allem in Darfur, Südkordofan und Blue Nile, während lokale Milizen aufgrund von fehlender Militärpräsenz und Straffreiheit weiterhin erheblichen Einfluss ausüben. Interkommunale Gewalt, die auf Landbesitzstreitigkeiten und Ressourcenknappheit beruht, führt zu Todesfällen (USDOS 20.3.2023).

Die Menschenrechts- und Schutzsituation im Sudan hat sich 2023 weiter dramatisch verschlechtert, insbesondere in Khartum und Darfur. Die Gewalteskalation in dicht besiedelten Gebieten der umkämpften Städte führt zu einer großen Zahl ziviler Opfern und zur weitgehenden Zerstörungen der Infrastruktur. Zwischen 7.5.2023 und 20.8.2023 dokumentierte die UN-Mission im Sudan 655 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und -Misshandlungen in Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt und bewaffneten Zusammenstößen. Davon waren insgesamt 12.629 Menschen direkt betroffen. Auch in Darfur hat sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, dank gezielter Angriffe und massiver Gewalt. In al-Dschunaina flammte im Kontext des Konflikts zwischen den SAF und den RSF ethnisch motivierte Gewalt ebenfalls wieder auf, ebenso außerhalb der größeren Städte Darfurs. Besorgniserregend, so der UN-Sicherheitsrat, sind die gezielten Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten sowie die Morde an prominenten Persönlichkeiten der Masalit. Die anhaltende Unterbrechung der Telekommunikation erschwert in Darfur die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht (UNSC 31.8.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 7.11.2023

- UNSC - UN Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Sudan, Zugriff 7.11.2023

Meinungs- und Pressefreiheit

Freie Meinungsäußerung und friedlicher Protest waren im Sudan seit der Revolution möglich (AA 1.6.2022). Die Verfassungserklärung von 2019 sieht das uneingeschränkte Recht auf freie Meinungsäußerung und die gesetzlich geregelte Pressefreiheit vor (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 1.6.2022, FH 2023), aber die Militärregierung respektiert diese Rechte nicht (USDOS 20.3.2023). Die Übergangsregierung hat sich des Weiteren verpflichtet, Gesetze zum Schutz von Journalisten zu erarbeiten (FH 2023). Während der Machtübernahme durch das Militär wurde die Pressefreiheit durch Abschaltungen von Internet- und Telefonverbindungen eingeschränkt. Es kam zu Durchsuchungen und Schließungen von Medienhäusern sowie zu kurzzeitigen Festnahmen von Journalisten (AA 1.6.2022). Nach Verhängung des Ausnahmezustands Ende 2021 wurden sowohl Verhaftungen als auch Repressionen mehr wie gewalttätiger (FH 2023). In den ersten neun Monaten 2022 meldeten die UN mindestens 52 Übergriffe auf Journalisten und Medieneinrichtungen (USDOS 20.3.2023).

Die Medien üben Selbstzensur, insbesondere bei der Berichterstattung über Korruption und die Sicherheitsdienste (USDOS 20.3.2023).Das Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität aus dem Jahr 2018, mit dem die Haftstrafen für Straftaten wie die Verbreitung von Falschinformationen erhöht wurden, ist weiterhin in Kraft (FH 2023). Die Regierung schränkt den Zugang zum Internet ein und unterbricht ihn zuweilen, insbesondere während Großdemonstrationen (USDOS 20.3.2023; vgl. AI 28.3.2023).

Im August 2021 veröffentlichte das Ministerium für Kultur und Information den Entwurf eines Medienreformgesetzes zur öffentlichen Konsultation. Er beinhaltet u. a. die Einrichtung einer Kommission zum Schutz des Rechts auf Information und der Unabhängigkeit von Journalisten wie Medienorganisationen, die Einrichtung eines Presserats zum Schutz der Pressefreiheit und zur Qualitätsüberwachung, und die Einrichtung eines Verwaltungsrats der Rundfunk- und Fernsehgesellschaft. Das Gesetz wurde vor dem Staatsstreich im Oktober 2021 nicht verabschiedet und seine Zukunft ist nach wie vor unklar (FH 2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report Sudan 2022, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 19.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Der SC hat das in der Interimsverfassung verankerte Versammlungsrecht, und 2021 kam es auch regelmäßig zu Demonstrationen (FH 2023). Dennoch wird das Recht auf Versammlungsfreiheit von der Regierung eingeschränkt. Friedliche Proteste werden immer wieder von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt (USDOS 20.3.2023).

Nach dem Staatsstreich vom Oktober 2021 nahm die Gewalt der Behörden jedoch zu, als sog. NRCs (Neighbourhood Resistance Committees) begannen, regelmäßig landesweite Demonstrationen gegen den Militärputsch abzuhalten und eine zivile Regierung zu fordern. Wiederholt setzten die Sicherheitskräfte Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein, um diese Demonstrationen aufzulösen. Seit Beginn der Proteste starben über 120 Demonstranten.

Demonstrierende Frauen berichteten überdies, dass sie von Mitgliedern der Sicherheitskräfte vergewaltigt wurden (FH 2023).

Obwohl die Verfassungserklärung von 2019 die Vereinigungsfreiheit vorsieht, enthält das Gesetz zahlreiche Beschränkungen für zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs (USDOS 20.3.2023). Der Militärputsch vom 25.10.2021 markiert eine Zäsur, die direkten Einfluss auf die bürgerlichen Freiheiten hat. Unter dem Deckmantel des Ausnahmezustandes wurden erneut repressive und teils willkürlich erscheinende Maßnahmen gegen politische Aktivisten und die Zivilgesellschaft angewandt (AA 1.6.2022; vgl. HRW 12.1.2023). Der Sudan verfügt auch über kein Gewerkschaftsgesetz (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Haftbedingungen

Die Bedingungen in sudanesischen Gefängnissen sind nach wie vor hart und teilweise lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023). Es gibt verschiedene Arten von Haftanstalten, von Gefängnissen über Untersuchungshaftanstalten, Haftzellen in Polizeistationen und Hafteinrichtungen des Nachrichtendienstes bzw. der Streitkräfte. Der Zustand der Haftanstalten kann nicht unabhängig geprüft werden. Viele sollen überfüllt sein und menschenunwürdige Zustände aufweisen: Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen, unzureichende medizinische Versorgung und keine Trennung von weiblichen und männlichen respektive minderjährigen und erwachsenen Häftlingen (AA 1.6.2022). Auch Beheizung, Belüftung und Beleuchtung sind in den Gefängnissen oft unzureichend. Einige Gefangene haben keinen Zugang zu Medikamenten oder ärztlichen Untersuchungen, und die meisten haben keine Betten. Familienmitglieder oder Freunde versorgen die Gefangenen mit Lebensmitteln und anderen Dingen (USDOS 20.3.2023). Begüterte Gefangene können sich die Haftbedingungen andererseits erträglicher gestalten (AA 1.6.2022).

Grundsätzlich ist es unklar, welche Unterschiede es zwischen Hafteinrichtungen gibt. Aussagen von Menschenrechtsorganisationen und ehemaligen Häftlingen sind hierzu widersprüchlich (AA 1.6.2022). Die Aufsicht über die Gefängnisse liegt bei der Direktion für Gefängnisse und Reformen, eine Polizeiabteilung, die dem Innenministerium untersteht. Das Innenministerium gibt per se keine Informationen über die physischen Bedingungen in den Gefängnissen heraus (USDOS 20.3.2023). Das im Dezember 2009 durch die Nationalversammlung verabschiedete Gesetz über Gefängnisvorschriften und die Behandlung von Insassen („The Regulation of Prisons and Treatment of Inmates Act“) entspricht nach UN-Angaben nicht ihren Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (AA 1.6.2022).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023

Dokumente

Das Urkundenwesen in Sudan ist unzulänglich. Gegen Geldzahlung ist fast jede gewünschte Urkunde erhältlich. Seit 2016 werden keine Beglaubigungen mehr vorgenommen, es findet aber weiterhin eine anwaltliche Urkundenüberprüfung statt. Ältere sudanesische Ausweisdokumente sind in der Regel echt, allerdings können sie unwahre Angaben in Bezug auf Fotos, Namensführung und Alter enthalten. Die Gültigkeit aller nicht maschinenlesbaren Pässe endete am 24.11.2015. Seit 2013 werden biometrische und maschinenlesbare Reisepässe ausgestellt, bei denen eine nachträgliche Verfälschung praktisch nicht mehr möglich ist. Im Zweifelsfall kann ein Kooperationsanwalt eine Überprüfung der Angaben vornehmen. In vielen Gebieten existiert ein nur spärliches Urkunden- und Registerwesen. Es ist weiterhin eine Zunahme an durchgeführten Urkundenüberprüfungen von im Rahmen der Visumverfahren vorgelegten Ehe- und Geburtsurkunden aus der Region zu verzeichnen. Die Echtheit von Dokumenten (Personenstandsurkunden, Gerichtsurteile, Anzeigen, usw.) kann ebenfalls durch einen Kooperationsanwalt überprüft werden (AA 1.6.2022).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023

1.3.2. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen EUAA-Bericht „Sudan: Country Focus Report“ vom Februar 2025 (auszugsweise soweit entscheidungsrelevant) wiedergegeben:

Zur aktuellen Lage des Sudan

Der Sudan hat eine wechselvolle Geschichte, das von Kolonialismus und Militärputschen und -herrschaften geprägt ist. Das Militär hat erheblichen Einfluss nicht nur auf die Politik, sondern auch auf große Teile der Wirtschaft. Der Langzeitherrscher Omar al Bashir, der selbst mit einem Militärputsch an die Macht kam, regierte das Land von 1989 bis 2019 autoritär und etablierte eine islamisch dominierte Regierung. Eine weit verbreitete Verfolgung politscher Gegner, Unterdrückung von Minderheiten und die Anwendung grausamer Strafen, wie Amputationen prägten seine Amtszeit. Gewaltsame Auseinandersetzungen in Darfur und im Südsudan forderten Tausende Opfer und vertrieben Millionen. Vor allem wegen der Vorgänge in Darfur klagte der Internationale Strafgerichtshof, ICC Omar al Bashir und seine Gefolgsleute wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschheit an. Ende 2018 begannen landesweite Proteste gegen das Regime und führten schließlich zum Sturz von Omar al Bashir. Die Proteste dauerten auch nach dem Sturz des Langzeitherrschers an und führten zu gewaltsamen Angriffen auf Demonstranten und der Eskalation der Gewalt in West-Darfur.

Nach dem Putsch von 2019 versuchten die Militärführer al-Burhan und RSF-Chef Hemedti, die Kontrolle zu behalten. Sie vereinbarten, die Macht mit der „Kräften für Freiheit und Wandel“ (FFC) zu teilen, einer Koalition von Oppositionsparteien, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Widerstandskomitees. Dies führte zur Bildung eines Übergangsrates (TSC) mit dem Ziel, die Macht bis November 2021 an eine zivile Regierung zu übertragen. Doch politische Spannungen, insbesondere über die Vertretung im Gesetzgebungsorgan und die wachsende Kritik des Militärs an zivilen Beamten, führten zu einem Zerfall der Koalition.

Der ernannte Premierminister, Abdalla Hamdok, ein Wirtschaftsexperte, wurde im Oktober 2021 verhaftet und abgesetzt, nachdem er zugestimmt hatte, mehr Macht an Burhan, Hemedti und den Sicherheitssektor abzugeben. Er wurde zwar im November 2021 wieder eingesetzt, doch die Pro-Demokratie-Proteste, die insbesondere von Frauen angeführt wurden, hielten in mehreren Städten an und führten zu weiteren Gewalttaten. Hamdok trat schließlich im Januar 2022 zurück, und Burhan übernahm die de facto Kontrolle als Staatsoberhaupt, mit Hemedti als Stellvertreter.

Trotz weiterer Verhandlungen wurde im Dezember 2022 ein Übergabevertrag zur zivilen Führung und nationalen Wahlen beschlossen, der jedoch auf massiven Widerstand stieß, als Tausende gegen das Abkommen protestierten und den sofortigen Machtübergang an Zivilisten forderten. Diese Proteste hielten bis Anfang 2023 an. Nachdem Verhandlungen über die Bildung einer zivilen Regierung und die Durchführung von Workshops zur Sicherheitssektor-Reform gescheitert waren, eskalierten die Spannungen zwischen den beiden großen Sicherheitskräften im Land, was letztlich zum Ausbruch des Konflikts zwischen der SAF und der RSF führte.

Die 2019 unterzeichnete Verfassungsdeklaration setzte einen Schwerpunkt auf den Friedensprozess, der 2020 im Juba-Friedensabkommen (JPA) mündete und nationale sowie regionale Vereinbarungen zu Themen wie Machtteilung, Sicherheit, Landbesitz und Übergangsjustiz beinhaltete. Das Abkommen führte zu sechs bilateralen Friedensabkommen mit bewaffneten Gruppen, jedoch unterschrieben nicht alle relevanten Gruppen. Nach dem Staatsstreich 2019 wurde das Parlament aufgelöst, und 2021 wurde ein Verfassungsdekret für ein föderales System erlassen, doch die Übergangsregierung blieb unvollständig. Ein Rahmenabkommen von 2022 setzte eine Übergangszeit von zwei Jahren und legte Schwerpunkte wie Rechenschaftspflicht und Sicherheitssektor-Reformen fest. Wahlen, die für 2022 geplant waren, wurden auf 2024 verschoben. Im Mai 2023 entließ Präsident al-Burhan Hemedti und ernannte Malik Agar als neuen Stellvertreter, während gleichzeitig zivile und gewerkschaftliche Gruppen durch ministerielle Dekrete aufgelöst wurden. Ende 2024 bildeten die Rapid Support Forces (RSF) eine parallele zivile Regierung in Khartum unter Abdul Latif Abdullah al-Amin al-Hassan.

Zur Rechtsstaatlichkeit und zur Durchsetzung des Rechts

Die Rechtsstaatlichkeit und Verwaltung der Justiz im Sudan sind seit dem Ausbruch des Konflikts 2023 stark beeinträchtigt. Laut dem UN-Forschungsmechanismus für den Sudan (UN FFM) wurde die rechtliche Infrastruktur zerstört und die Polizei sowie die Justizfunktionen gestört, was zu einer weit verbreiteten Kultur der Gewalt und Straflosigkeit führte. Die Regierung verhängte einen Ausnahmezustand, der den Sicherheitskräften erweiterte Befugnisse und Immunität verschaffte. Die diesbezügliche Missachtung der Rechtsstaatlichkeit wurde durch den World Justice Rule of Law Index 2024 bestätigt, der einen erheblichen Rückgang der Gesamtbewertung des Sudan dokumentierte. Die Gesetze erlauben Festnahmen ohne Haftbefehl und die Inhaftierung von Personen ohne Anklage für längere Zeiträume, während viele Menschenrechtsverletzungen wie Folter und willkürliche Verhaftungen weiterhin stattfinden. Die Justiz ist größtenteils von der Exekutive kontrolliert, und Anwälte, die Menschen in Fällen von Menschenrechtsverletzungen vertreten, sehen sich mit Bedrohungen und Hindernissen konfrontiert.

Sudan hat ein gemischtes Rechtssystem, das islamisches Recht und englisches Common Law kombiniert, wobei die Scharia in vielen Gesetzen verankert ist. Einige Reformen, wie das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung und das Ende öffentlicher Auspeitschungen, wurden 2020 eingeführt. Dennoch bleibt das Rechtssystem lückenhaft, insbesondere bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und der Strafverfolgung von Verantwortlichen. Auch die rechtliche Anerkennung von Verbrechen wie erzwungenen Verschwindenlassen ist nicht gegeben. Zudem sind die Rechte von Frauen in vielen Bereichen weiterhin benachteiligt.

Das Justizsystem des Sudan, das 2019 mit der Verfassungsdeklaration reformiert werden sollte, ist größtenteils inaktiv. Bis 2022 war nur das Oberste Gericht etabliert, während das Verfassungsgericht unbesetzt blieb. Die richterliche Unabhängigkeit ist eingeschränkt, da die Exekutive Einfluss auf die Justiz ausübt. Der Konflikt hat zu gezielten Angriffen auf Justizinstitutionen und die Zerstörung wichtiger gerichtlicher Aufzeichnungen geführt. Die Bemühungen, eine funktionierende Justiz zu schaffen, wurden durch die bewaffneten Gruppen und die Zerstörung der Infrastruktur weiter behindert.

Die Staatsanwaltschaft hat nach der militärischen Übernahme 2023 eine nationale Untersuchungskommission für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt, jedoch gibt es zahlreiche Hindernisse, insbesondere für die Verfolgung von sexueller Gewalt. Opfer von sexueller Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, sind häufig mit rechtlichen und gesellschaftlichen Barrieren konfrontiert. Während die RSF versuchten, ein eigenes Justizsystem und ein militärisches Gericht zu etablieren, wurde die Umsetzung von Gerechtigkeit durch diese Strukturen in der Praxis weitgehend verhindert.

Die Polizei hat ihre Rolle aufgrund des Konflikts weitgehend verloren, und in vielen Konfliktgebieten gibt es keine funktionierenden Polizeikräfte. Die Sicherheitsbehörden, darunter die RSF, haben die Polizei in vielen Regionen ersetzt und setzen den Ausnahmezustand durch, der den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse verleiht. Die Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung sind jedoch durch die anhaltende Gewalt und die Zerstörung der rechtlichen Infrastruktur stark eingeschränkt.

Zur Menschenrechtssituation

Die Verfassungsdeklaration von 2019 legte fest, dass alle Rechte und Freiheiten, die in internationalen Menschenrechtsabkommen enthalten sind und von Sudan ratifiziert wurden, ein integraler Bestandteil der neuen Verfassung sind. Auf regionaler Ebene ist Sudan unter anderem Vertragsstaat der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (ACHPR) und der Afrikanischen Charta der Rechte und des Wohlergehens des Kindes (ACRWC). Sudan hat jedoch das Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen (CEDAW) und das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen nicht ratifiziert. Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter und sexueller Gewalt, wurden von der UN und Human Rights Watch (HRW) dokumentiert. Sowohl die Sudanese Armed Forces (SAF) als auch die Rapid Support Forces (RSF) sind an zahlreichen Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Migranten, Flüchtlinge, Asylsuchende und intern Vertriebene (IDPs) sind besonders anfällig für sexuelle und Arbeitsausbeutung, auch durch kriminelle Netzwerke, die mit Menschenhandel beschäftigt sind.8

(a) Exekutionen ohne Gerichtsverfahren

Die UN, internationale Menschenrechtsorganisationen und Medien berichteten von weit verbreiteten extralegalen Tötungen durch die SAF, RSF und verbündete Milizen. Beide Parteien haben Hinrichtungen von Kriegsgefangenen aus den Reihen der gegnerischen Kräfte durchgeführt. Im Oktober 2024 wurden in Al Jazeera Massenmorde an Zivilisten gemeldet, denen die RSF zugeschrieben wurden, und ähnliche Vorfälle wurden in Khartum beobachtet. Die Emergency Lawyers Group dokumentierte willkürliche Verhaftungen und extralegale Tötungen, insbesondere in Port Sudan. Visuelle Beweise bestätigten die Beteiligung der RSF an den extralegalen Tötungen von wehrlosen Zivilisten in Nord-Darfur im Juni 2023.

(b) Willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen

Obwohl die Übergangsverfassung das Recht auf ein faires Verfahren garantiert, haben Sicherheitskräfte weiterhin Verhaftungen und Inhaftierungen ohne Haftbefehl oder rechtliche Begründung vorgenommen. Sowohl die SAF als auch die RSF haben Personen aufgrund vermuteter politischer Zugehörigkeit oder ethnischer Herkunft inhaftiert. Die SAF hat das "Gesetz über unbekannte Gesichter" eingeführt, das Personen aufgrund vermuteter sozialer Zugehörigkeit ohne Beweise ins Visier nimmt. Im Mai und Juni 2024 wurden Verhaftungen von Zivilisten und politischen Aktivisten in verschiedenen Teilen Sudans gemeldet, insbesondere in von der RSF besetzten Gebieten. Im Oktober 2024 wurden Nuba-Mitglieder der Sudanischen Christlichen Kirche in Shendi, im Bundesstaat River Nile, verhaftet und von der SAF misshandelt, weil sie verdächtigt wurden, mit der RSF zusammenzuarbeiten.

(c) Erzwungenes Verschwindenlassen

Die Sudanese Group of Victims of Enforced Disappearance (SGVED) bestätigte Anfang 2024 das Verschwinden von 993 Personen, darunter 897 Männer und 96 Frauen, mit Berichten über weitere Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen in Khartum und anderen Bundesstaaten. Das African Centre for Justice and Peace Studies (ACJPS) berichtete von 1.140 Fällen von erzwungenem Verschwindenlassen im ersten Jahr des Krieges. Die UN-Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen identifizierte bis 2024 177 noch ungelöste Fälle. In von der RSF kontrollierten Gebieten wurden Familien gezwungen, Lösegelder für die Freilassung ihrer verschwundenen Angehörigen zu zahlen. Kulturelle und gesellschaftliche Druckfaktoren hinderten viele daran, das Verschwinden von Frauen zu melden.

(d) Behandlung in Haft und Haftbedingungen

Sowohl die SAF als auch die RSF betrieben Haftzentren in Khartum und den umliegenden Gebieten. Häftlinge leiden unter Überfüllung, Nahrungsmittelknappheit, unzureichender Gesundheitsversorgung und körperlicher Misshandlung. Die Bedingungen sind menschenunwürdig, mit Berichten über Hunger, sexuelle Gewalt und Schläge. Internationale Beobachter hatten seit Beginn des Konflikts keinen Zugang zu den Haftanstalten. Im Juni 2024 führten regionale Profiling-Politiken zur Inhaftierung von Personen aus westlichen sudanesischen Staaten, die in den Haftzentren misshandelt wurden. Gefängnisse wurden angegriffen, was zur Freilassung von Häftlingen führte, von denen einige sich den militärischen Operationen anschlossen oder kriminelle Aktivitäten begannen.

(e) Folter und körperliche Misshandlung

Sowohl die SAF als auch die RSF waren an der Folter und Misshandlung von Zivilisten beteiligt. Foltermethoden umfassen körperliche Gewalt, psychische Misshandlung und sexuelle Gewalt. Berichte über Schläge, Elektroschocks und andere Foltermethoden wurden insbesondere aus Khartum, Al Jazirah, Nord- und West-Kordofan gemeldet. Die Verfassungsurkunde von 2019 verbietet Folter, doch Gesetze wie die Übergangsverfassung von 2005 und das National Security Act von 2010 ermöglichen Praktiken, die Häftlinge der Folter aussetzen.

(f) Todesstrafe

Sudan behält die Todesstrafe für schwere Straftaten gemäß Artikel 27 des Sudanese Criminal Act bei. Obwohl die Todesstrafe für Apostasie 2020 abgeschafft wurde, bleibt sie für schwere Straftaten wie Verbrechen gegen den Staat gültig. Seit Beginn des Konflikts wurden Zivilisten, die sich gegen den Krieg stellen oder die RSF unterstützen, des Spionierens beschuldigt und mit der Todesstrafe belegt. Im Jahr 2024 wurden mehrere Todesurteile in den von der SAF kontrollierten Gebieten gegen Personen verhängt, die der RSF Unterstützung oder der Untergrabung des Verfassungssystems beschuldigt wurden.

Zur Behandlung politisch oppositioneller Personen

Quellen berichteten, dass politische Gegner weiterhin sowohl von den Sudanese Armed Forces (SAF) als auch den Rapid Support Forces (RSF) ins Visier genommen wurden. In einem Interview mit der EUAA erklärte ein Menschenrechtsexperte mit umfassender Erfahrung zu Sudan, dass in von den RSF kontrollierten Gebieten politische Aktivisten als Kollaborateure der SAF betrachtet werden, während in von der SAF kontrollierten Gebieten Aktivisten festgenommen werden, wenn sie aus von den RSF kontrollierten Gebieten stammen. Freedom House berichtete, dass "politische Gefangene, Aktivisten und Journalisten festgehalten wurden, ohne Zugang zu rechtlicher Vertretung, und dass sie wahrscheinlich Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt waren". Der stellvertretende Hohe Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen erklärte im September 2024, dass in Sudan Notstandsregelungen eingesetzt werden, um die Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Journalisten und der politischen Opposition einzuschränken.

Ein von der EUAA interviewter Menschenrechtsexperte wies auf Fälle hin, bei denen Individuen vor Gericht gestellt und zum Todesurteil verurteilt wurden, nachdem sie beschuldigt wurden, mit den RSF zusammengearbeitet zu haben, was die Quelle als "besorgniserregende Tendenz" ohne ordnungsgemäßen Rechtsprozess bezeichnete. Die Sudan Tribune berichtete, dass laut einem lokalen Anwalt 250 Personen in verschiedenen Orten, darunter Al Damazin und der Bundesstaat Blue Nile, zum Tode oder zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, weil sie die RSF unterstützten.

Sowohl die SAF als auch die RSF werden beschuldigt, willkürliche und illegale Inhaftierungen von Personen vorzunehmen, die beschuldigt werden, die jeweils andere Partei des Konflikts zu unterstützen. Die RSF nutzen Berichten zufolge in Khartum und Darfur inoffizielle und geheime Haftzentren in Orten wie Universitäten, Schulen, privaten Häusern, Gebäuden, Tankstellen, Polizeistationen und Bereichen in der Nähe von Kontrollpunkten, während die SAF Berichten zufolge illegale Haftzentren in Khartum betreiben. Der Sudan War Monitor berichtete im Mai 2024, dass die RSF eine "Kampagne massenhafter Verhaftungen" von wahrgenommenen politischen Gegnern durchführten und dabei über 80 Personen innerhalb von zwei Wochen festnahmen. Al Jazeera berichtete, dass laut den Vereinten Nationen und lokalen Quellen die SAF beschuldigt wird, Personen, die sie als politische Gegner wahrnimmt, willkürlich zu verhaften und ohne Gerichtsverfahren hinzurichten, als sie Khartum zurückeroberten.

Der UN FFM-Bericht von Oktober 2024 stellte fest, dass, basierend auf der Aussage eines Zeugen, die systematische Zielgerichtetheit auf die Zivilgesellschaft, insbesondere auf Einzelpersonen, die neutral blieben oder gegen den Krieg waren, stattfindet. Laut derselben Quelle hat dies zahlreiche Fachkräfte dazu gezwungen, das Land zu verlassen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in die zitierten Länderberichte zum Sudan, in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und in seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 29.07.2025.

Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister der Republik Österreich, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Glaubenszugehörigkeit, seines Familienstands und der Kinderlosigkeit, seines Herkunftsortes, seiner Schulbildung und Arbeitserfahrung, seinen Familienverhältnissen im Sudan sowie seiner Ausreise aus dem Sudan nach Europa gründen auf den diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (AS 73 ff) und dem erkennenden Gericht (OZ 5).

Aufgrund der im IZR-Auszug ersichtlichen Eintragung seines sudanesischen Reisepasses, welcher als authentisch (echt) deklariert wurde, sowie der Visumserteilung durch die österreichische Botschaft in Kairo war seine Identität festzustellen.

Es war eine Negativfeststellung hinsichtlich der Absolvierung eines Universitätsstudiums zu treffen, nachdem der Beschwerdeführer im Behördenverfahren ein Zertifikat der „Red Sea University“ datiert mit 29.12.2023 in Vorlage brachte (AS 41). Das Zertifikat wurde auf den Namen „ XXXX “ ausgestellt, wobei sein aus seinem Visum ersichtlicher Nachname fehlt und der Beschwerdeführer diesen Umstand auch nicht plausibel erklärten vermochte (S. 5 des Protokolls in OZ 5). Unter Berücksichtigung der Länderberichte hinsichtlich der Beschaffung von Dokumenten im Sudan war letztlich eine Negativfeststellung zu treffen.

Das Datum der Asylantragstellung in Österreich ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Behördenakt und ist im Erstbefragungsprotokoll vermerkt (AS 24). Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Österreich lassen sich dem eingeholten aktuellen ZMR-Auszug entnehmen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lässt sich dem aktenkundigen Bescheid der belangten Behörde vom 03.02.2025 zweifelsfrei entnehmen.

2.3. Zu den Fluchtmotiven und Rückkehrgefährdungen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Sudan aufgrund seiner früheren politischen Aktivitäten einer Verfolgung durch die sudanesischen Machthaber ausgesetzt sei.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie insbesondere des persönlichen Eindrucks, der vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.07.2025 gewonnen werden konnte, zum Schluss, dass es ihm mit seinem Vorbringen nicht gelungen ist, die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung seiner Person im Sudan glaubhaft zu machen.

Bereits eingangs ist auf die in Zweifel zu ziehende Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinzuweisen, nachdem er sich nicht direkt nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 02.12.2021 an die österreichischen Behörden gewandt, sondern erst nach Ablauf seines Visums den gegenständlichen Asylantrag gestellt hat. Zudem habe er seinen Reisepass in Österreich vernichtet, um eigenen Angaben zufolge eine Rücküberstellung in den Sudan zu erschweren (S. 4 des Protokolls in O 5) und seinen Aufenthalt im Schengengebiet dadurch – kalkulierbar –zu verlängern.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Generell ist zur Glaubwürdigkeit eines Vorbringens auszuführen, dass eine Aussage grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren ist, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Beschwerdeführer sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Beschwerdeführer den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

Es ist anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Zunächst ist festzuhalten, dass es in Anbetracht der gleichbleibenden Schilderungen des Beschwerdeführers zwar glaubhaft anmutet, dass dieser unter anderem im Sudan an diversen Demonstrationen teilgenommen haben mag oder diese zumindest in seinem Umfeld beobachtet und wahrgenommen hat, da er grundsätzliche Handlungsabläufe und handelnde Akteure in nachvollziehbarer Weise und in Einklang mit den allgemeinen Länderberichten zu schildern vermochte. Das erkennende Gericht verkennt überdies nicht, dass die grundsätzliche Behauptung des Beschwerdeführers einer Verhaftung nach der Teilnahme an einer Demonstration im September 2013 (AS 85, S. 8 des Protokolls in OZ 5) ebenso im Einklang mit den eingeführten Länderdokumenten steht, wonach das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Sudan eingeschränkt wird und auch friedliche Proteste immer wieder von den sudanesischen Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt wurden.

Allerdings ist gegenständlich besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde, noch vor dem erkennenden Gericht sein politisches Wirken sowie seine damit zusammenhängenden Erlebnisse im Sudan in detaillierter Art und Weise darstellen vermochte. Zunächst fällt auf, dass sich die diesbezüglichen Schilderungen des Beschwerdeführers im gesamten Asylverfahren vage und oberflächlich gestalten. So gab er vor der belangten Behörde im Wesentlichen an, dass er Menschen gegen die militärische Regierung aufgehetzt habe und politisch tätig gewesen sei (AS 88). Soweit der Beschwerdeführer vor dem erkennenden Gericht ausführte, dass er in der Vernehmung vor der belangten Behörde lediglich aufgefordert worden sei seinen Fluchtgrund zu nennen, ohne Details anzugeben (S. 4 des Protokolls in OZ 5), war dies nach Durchsicht des Einvernahmeprotokolls als reine Schutzbehauptung zu werten (AS 89). Befragt nach seinem politischen Tätigwerden im Sudan führte er vor dem erkennenden Gericht an wie folgt (S. 8 des Protokolls in OZ 5):

„RI: Sie haben vor der belangten Behörde ausgesagt, dass sie politisch tätig gewesen sind, wann war das genau und wie hat lhre Tätigkeit ausgesehen?

BF: Wir haben diese Organisation organisiert. Wir Sudanesen vom Ost-Sudan wurden immer diskriminiert, unsere Bodenschätze wurden uns immer weggenommen und deswegen haben wir versucht die einfachen Menschen dort darauf aufmerksam zu machen, dass wir Rechte haben.

RI: Hatten Sie aufgrund Ihrer politischen Tätigkeit Probleme mit den Behörden oder der Polizei, wenn ja wie haben diese Probleme genau ausgesehen?

BF: Ja, aber mit der ehemaligen Regierung von Al Bashir, speziell mit der Polizei dieser Regierung hatten wir Probleme.

RI: Was waren das für Probleme und wann waren diese?

BF: Bereits als ich noch Student an der Universität war, hatte ich Probleme. Also seitdem war ich gegen eine Militärregierung eingestellt.

RI wiederholt die Frage.

BF: Ich wurde für zwei Wochen festgenommen. Das war bereits im September 2013. Das war damals. Nach dem Sturz dieser Regierung ist es uns gelungen unsere Meinung zu äußern.

RI: Sie haben ausgesagt, dass Sie von der militärischen Regierung verfolgt werden, wie hat diese Verfolgung ausgesehen und wann war das?

BF: Die Regierung von Al Bashir war eine militärische Regierung. Nach dem Sturz dieser Regierung gab es eine demokratische Übergangsregierung, aber danach kam es zu einem Putsch seitens Abdel Fattah Al Borhan.

RI: Wie hat diese Verfolgung lhnen gegenüber ausgesehen?

BF: Nach dem Sturz der Regierung von Al Bashir; das war damals eine militärische Regierung, hatten wir im Sudan zum ersten Mal eine demokratische Übergangsregierung. Es ist uns nur in diesem Zeitraum unsere Meinung zu sagen, über die Politik zu sprechen. Bis Oktober 2021, als Al Borhan den militärischen Putsch gemacht hat. Seitdem werden alle Sudanesen verfolgt, die während der Übergangsregierung ihre Meinung geteilt haben.“

Aus der zitierten Passage des Einvernahmeprotokolls wird im Besonderen ersichtlich, dass er keine konkreten Verfolgungshandlungen durch die nunmehrigen Machthaber gegen seine Person zu schildern vermochte. Zunächst bezog er sich auf vergangene Problematiken mit dem ehemaligen Regime, wobei er erst auf mehrere konkrete Nachfragen hin eine allgemeine aktuelle Bedrohung aller sudanesischen Staatsbürger, die ihr Meinung geteilt hätten, zu Protokoll zu gab. Inwieweit die nunmehrigen Machthaber konkret an der Person des Beschwerdeführers interessiert sein sollten, führte er an dieser Stelle seiner Einvernahme nicht an.

Unglaubhaft erwiesen sich auch seine Angaben, wonach er selbst im Jahr 2020 eine Organisation namens „ XXXX “ gegründet habe bzw. Mitglied dieser Organisation gewesen sei. Der Beschwerdeführer machte im Zuge seiner Befragungen vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht vage, unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass von der Konstruiertheit dieses Fluchtvorbringens auszugehen und diesem die Glaubhaftigkeit zu versagen war. Soweit er vor der belangten Behörde behauptete, dass er im Sudan Mitglied der Organisation „ XXXX “ gewesen sei, erklärte er vor dem erkennenden Gericht erstmals, diese Organisation gegründet zu haben (S. 5f des Protokolls in OZ 5):

„RI: Seit wann sind Sie Mitglied in der von Ihnen genannten Organisation und wie heißt diese genau?

BF: Diese Organisation habe ich mit anderen am 31.08.2020 gegründet. Sie heißt „ XXXX “.

RI: Was ist der Zweck dieser Organisation und welche Funktion hatten Sie dort?

BF: Unser Ziel ist das Gouvernement Ost-Sudan zu verteidigen. lch war der zweite Mann. Es gab den Vorsitzenden und den Vize Vorsitzenden.

RI: Was hat diese Organisation genau gemacht?

BF: Wir haben versucht die Menschen dort darauf aufmerksam zu machen, dass man dort politische Rechte hat. Nach dem Sturz der ehemaligen Regierung im Jahr 2019 wollten die Sudanesen eine interne Zivilregierung haben. Sie wollten, dass das Militär sich zurückzieht und dass die Zivilisten wieder an die Macht kommen. Aber am 31.08.2019 hat die Militärregierung eine Vereinbarung mit den bewaffneten Milizen in Dafur unterschrieben.

RI wiederholt die Frage.

BF: Ich wollte Ihnen erklären, warum wir diese Organisation überhaupt gegründet haben.

RI: Die Frage war aber, was genau diese Organisation macht.

BF: Wir haben mit den Männern im Ost-Sudan gesprochen. Wir haben immer gesagt, dass wir die Juba Vereinbarung ablehnen, weil diese Vereinbarung der bewaffneten Milizen von Dafur das Recht gibt Ost-Sudan unter Kontrolle zu nehmen und uns, damit meine ich unser Gebiet Ost-Sudan, zu kontrollieren.“

Dahingehend fällt auf, dass sich die diesbezüglichen Schilderungen des Beschwerdeführers im gesamten Asylverfahren im Allgemeinen oberflächlich gestalten und er mehrmals erst auf Nachfrage konkreten Angaben tätigte. So war auch die mehrmalige Nachfrage des erkennenden Richters nötig, bis der Beschwerdeführer die ihm gestellte Frage, ob er seit seiner Mitgliedschaft Probleme mit den sudanesischen Behörden gehabt habe, verneinte (S. 7 des Protokolls in OZ 5). Darüber hinaus schilderte er erst auf explizite Nachfragen seines Rechtsvertreters, welche Aufgaben er in dieser Organisation übernommen habe, wobei er ergänzend anführte, dass auch der Vorsitzende der Organisation in der Öffentlichkeit tätig gewesen sei (S. 10f des Protokolls in OZ 5). Es stellt es sich als nicht plausibel dar, dass der Vorsitzende der Organisation – wie vom Beschwerdeführer mehrmals explizit geschildert – jedoch nach wie vor unbehelligt im Sudan leben könne (S. 6 des Protokolls in OZ 5). Den nachfolgend zitierten rechtfertigenden Äußerungen des Beschwerdeführers mangelte es vielmehr an Nachvollziehbarkeit: „Er war deswegen Vorsitzender, weil er ein ganz einfacher Mensch ist. Er konnte den einfachen normalen Menschen ansprechen und ihnen erklären, welche Ziele unsere Organisation hat, im Gegensatz zu mir. lch bin ein gebildeter Mann und mit politischen Themen war ich immer sehr aktiv.“ Wenn der Beschwerdeführer an anderer Stelle erst auf mehrmalige gezielte Nachfrage seines Rechtsvertreters erwähnte, dass der Vorsitzende keine Reden vor einem großen Publikum gehalten habe und er selbst bekannter gewesen sei, wobei der Bekanntheitsgrad im Zusammenhang mit einer Verfolgung stehen würde (S. 11 des Protokolls in OZ 5), wird auch daraus für ihn nichts gewonnen. Dass ein Gründungsmitglied und Vorsitzender einer politisch oppositionellen Organisation, der auch Öffentlichkeitsarbeit – wenn auch auf niederschwelliger Ebene – verrichtete, keinerlei Problemen im Sudan entgegenblickt, wird nach Durchsicht der Länderberichte unter Berücksichtigung der dort geschilderten Maßnahmen gegen politische Aktivisten jedenfalls nicht gefolgt. Soweit der Beschwerdeführer überdies anführte, dass die politischen Aktivitäten der Organisation nach dem militärischen Putsch im Oktober 2021 gestoppt worden seien (S. 6 des Protokolls in OZ 5), wird damit seinen geschilderten Rückkehrbefürchtungen ebenso kein Gewicht verliehen. Vielmehr führte der Beschwerdeführer in weiterer Folge aus, dass der Vorsitzende unter anderem aufgrund des militärischen Putsches nach wie vor im Sudan leben könne (S. 11 des Protokolls in OZ 5).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt überdies nicht, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Asylverfahren zahlreiche Lichtbilder, Videoaufnahmen sowie einen Mitgliedsausweis in Vorlage brachte, wobei diese im Rahmen der Beschwerdeverhandlung in Augenschein genommen wurden (S. 14 des Protokolls in OZ 5). Die in Kopie in Vorlage gebrachten Beweismittel sind jedoch keiner zuverlässigen Echtheitsüberprüfung zugänglich, wobei im Sudan nach den Länderinformationen überdies fast jede gewünschte Urkunde käuflich erwerbbar ist. Hinsichtlich der eingebrachten Lichtbilder und Videoaufnahmen (unter anderem aus dem Jahr 2021) bleibt festzuhalten, dass für den erkennenden Richter nicht zweifelsfrei eruierbar ist, in welchem Kontext diese aufgenommen wurden und um welche Personen es sich in den Aufnahmen handelt, weshalb auch diesen keine besondere Beweiskraft zugeschrieben werden konnte (vgl. ergänzend AS 197). Der Beschwerdeführer vermochte seine Mitgliedschaft/exponierte Stellung in einer oppositionellen Organisation sohin nach ganzheitlicher Betrachtung nicht glaubhaft zu machen.

Nicht zuletzt ist – wie seitens der belangten Behörde ebenfalls zutreffend aufgezeigt - zu betonen, dass sich der Beschwerdeführer am 30.11.2020 seitens der zuständigen Passbehörde einen sudanesischen Reisepass ausstellen hat lassen, ehe er den Sudan legal im November 2021 auf dem Luftweg verließ und hierbei offenkundig unbehelligt die Grenzkontrollen auf einem Flughafen seines Herkunftsstaates passieren konnte. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich, wie im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme behauptet (AS 88), nach dem 25.10.2021 untergetaucht sei, ist somit als Schutzbehauptung zu werten. Vielmehr reiste er legal aus dem Sudan aus, da ihm von seinem Arbeitgeber, der Seebehörde, eine Dienstreise zu einer Konferenz nach Österreich ermöglicht worden sei (S. 7 des Protokolls in OZ 5); es ergibt sich sohin eine Diskrepanz zur Schilderung seines Untertauchens. Auffallend gestaltete sich jedoch auch sein Aussageverhalten befragt zu seiner Arbeitstätigkeit im Sudan, wie folgender Ausschnitt aus dem Einvernahmeprotokoll zeigt (S. 6f des Protokolls in OZ 5):

„RI: Wie viel Zeit hat lhre Aufgabe (Anm: im Rahmen der politischen Organisation) in Anspruch genommen?

BF: Mehrere Stunden, hauptsächlich nachmittags bis abends.

RI: Wie ist sich das neben Ihrer Arbeit ausgegangen?

BF: Es ist gegangen, ich habe ein paar Stunden gearbeitet, dann habe ich die Arbeitsstelle verlassen und bin gegangen.

RI: Was haben Sie gearbeitet?

BF: 2017 habe ich bei der Seehafenbehörde im Sudan gearbeitet. Das ist die letzte Arbeit die ich dort gemacht habe. Danach habe ich keine Arbeit mehr ausgeübt.

RI: Wann haben sie aufgehört bei der Seehafenbehörde zu arbeiten?

BF: Nach dem militärischen Putsch bin ich direkt untergetaucht und bin danach ausgereist.

RI: Haben Sie während lhrer Arbeitszeit bei der Seehafenbehörde noch andere Arbeiten ausgeübt oder war das alles?

BF: Ja, ich hatte einen Laden für Getränke.

Rl: Hat das alles funktioniert? lhr Laden, lhre Arbeit und Ihre Tätigkeit bei der Organisation?

BF: Den Laden für die Getränke habe ich erst 2019 gehabt.“

Überdies schilderte der Beschwerdeführer die Details hinsichtlich der Organisation seiner Ausreise aus dem Sudan nicht plausibel und nachvollziehbar. Vor der belangten Behörde erklärte er noch, dass der Chef der demokratischen Regierung versucht habe für den Beschwerdeführer mithilfe der Seehafenbehörde einen Weg aus dem Sudan zu finden (AS 88), wobei er vor dem erkennenden Gericht erklärte, dass der Bürgermeister für die Provinz XXXX seinen Kursbesuch organisiert habe, damit er aus dem Sudan fliehen könne (S. 8 des Protokolls in OZ 5).

Der Beschwerdeführer selbst konnte dem erkennenden Gericht nicht nachvollziehbar schildern, weshalb er im Falle einer – hypothetischen – Rückkehr in den Sudan in den Fokus der SAF rücken sollte, insbesondere unter der Prämisse, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bislang niemals persönlich mit den Behörden oder Gerichten im Sudan zu tun gehabt habe (AS 85) und auch mit der SAF bislang nicht in Berührung gekommen sei. Auf Nachfrage, ob gegen ihn bereits Fahndungsmaßnahmen bestehen würden, erklärte er, dass er gesucht werde, wobei er dies aufgrund seiner Erfahrung wissen würde (S. 9 des Protokolls in OZ 5). Es ist vielmehr festzuhalten, dass auch der Vater des Beschwerdeführers weiterhin im damaligen Wohnort des Beschwerdeführers leben könne (S. 10 des Protokolls in OZ 5), ohne einer gegenwärtigen Bedrohung durch die sudanesische Regierung aufgrund der Verwandtschaft zum Beschwerdeführer ausgesetzt zu sein bzw. ohne mit der sudanesischen Regierung in Kontakt aufgrund seiner damaligen politischen Aktivitäten zu stehen. Einen Nachweis dafür, dass im Sudan nach ihm gesucht werde, konnte der Beschwerdeführer überdies nicht vorlegen und mangelte es auch seiner Angabe, er würde im Falle seiner Rückkehr sofort festgenommen und liquidiert werden, an Nachvollziehbarkeit (S. 10 des Protokolls in OZ 5).

Im Allgemeinen kann es auch nicht als Aufgabe des erkennenden Richters bzw. der belangten Behörde gesehen werden, jede der vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es am Beschwerdeführer ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es einem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (VwGH 20.01.1993, 92/01/0752; 19.05.1994, 94/19/0465) und dass weder die erstinstanzliche Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.

Nach Durchsicht sämtlicher Einvernahmeprotokolle des Beschwerdeführers wird somit klar, dass Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt substantiierte bzw. nachvollziehbare Informationen zu seinen politischen Aktivitäten vorbrachte. Der Beschwerdeführer berichtet somit nicht von sich aus über die Geschehnisse im Rahmen einer narrativen und konkludenten Wiedergabe, so wie eben Menschen berichten, welche das Erzählte tatsächlich erlebt haben. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers lässt sich sohin nicht auf eine derart exponierte politische Tätigkeit seinerseits schließen. Für das erkennende Gericht stellt es sich als zweifelhaft dar, dass die nunmehrigen Machthaber den Beschwerdeführer tatsächlich als ernstzunehmenden Gegner einstufen und ihn bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Visier haben würde, zumal – unter Wahrstellung seiner Angaben – seine politischen Aktivitäten lediglich eine kurze Zeitspanne betrafen und über vier Jahre zurückliegen. Es ergibt sich in einer Gesamtschau daher nicht, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise eine derart exponierte Stellung innegehabt hätte, woraus sich im Falle seiner Rückkehr zwangsläufig die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung seiner Person aus politischen Gründen ableiten lässt.

Sofern auch noch im Rahmen der Beschwerde auf das brutale Vorgehen der Bürgerkriegsparteien gegenüber der Zivilbevölkerung sowie eklatante Defizite in Rechtsstaatlichkeit sowie der derzeitigen Menschenrechtssituation im Sudan hingewiesen wird (AS 338), ist zu betonen, dass das Bundesverwaltungsgericht keineswegs die derzeit überaus volatile Sicherheits- und Versorgungslage im Sudan verkennt, jedoch wurde dieser bereits durch die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer adäquat Rechnung getragen. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist indessen, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 03.05.2018, Ra 2018/19/0171).

Die Gefahr einer derartigen Verfolgung zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt ist in Anbetracht des individuellen Profils des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der einschlägigen aktuellen Länderberichte nicht zu erkennen. Da nach der Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl allerdings nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (vgl. VwGH 24.04.2024, Ra 2024/20/0111, mwN). Ebenso wenig genügt die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, zur Dartuung einer asylrelevanten Verfolgungssituation (vgl. VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056, mwN) und wurden letztlich auch in der Beschwerde keinerlei Umstände aufgezeigt, die nahelegen würden, dass ausgerechnet der Beschwerdeführer infolge eines Konventionsgrundes in höherem Maße von Verfolgungshandlungen betroffen wäre, als andere Zivilpersonen, die im Sudan leben.

In einer Gesamtbetrachtung ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen neben dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation zu Sudan vom 02.02.2024 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen auf den folgenden Berichten des EUAA: „Country Focus_Sudan“, Februar 2025 sowie „Sudan security Situation“ von Februar 2025.

Die unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat basieren auf einer ausgewogenen Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung auf die mittlerweile in Kraft getretene Verordnung (EU) 2021/2303 hingewiesen hat, deren Art. 11 Abs. 3 vorsieht, dass bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz einschlägige Länderrichtlinien der EUAA von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 25.06.2024, Ra 2024/18/0151, mwN).

Zuletzt erfolgte eine Erörterung der aktuellen Länderberichte im Rahmen der mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 06.04.2021, Ra 2020/18/0506). Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Verfahren auch nicht entgegen, weshalb die Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten. Weder der Beschwerdeführer, noch dessen Rechtsvertretung sind letztlich den getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, substantiiert entgegengetreten.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen, sodass diese der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).

3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie bereits dargestellt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, individuelle Gründe für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung seiner Person glaubhaft zu machen. Seinem Vorbringen, aufgrund seines politischen Tätigwerdens einer staatlichen Verfolgung im Sudan ausgesetzt zu sein, war aus den ausgeführten Gründen die Glaubhaftigkeit zu versagen. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Es ist zudem nicht ableitbar, dass der Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft in seinem Herkunftsstaat Sudan konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätte.

Die allgemeine Lage im Sudan ist auch nicht dergestalt, dass automatisch jedem Antragsteller aus dem Sudan der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Der Schutz des Beschwerdeführers vor den mit der aktuell schlechten Sicherheitslage und der aktuellen allgemeinen Unsicherheit im Sudan einhergehenden Gefahren wird durch die – dem Beschwerdeführer bereits rechtskräftig zuteil gewordene – Gewährung subsidiären Schutzes gewährleistet (vgl. VwGH 29.02.2024, Ra 2023/20/0619).

Der Beschwerdeführer hat somit mit seinem Vorbringen insgesamt nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Sudan zum gegenwärtigen Zeitpunkt, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dort individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung oder Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein wird, oder ihm aus einem dieser Motive Schutz durch die gegenwärtigen Machthaber im Sudan verweigert werden würde.

Im gegenständlichen Fall liegen somit keine substantiellen stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vor.

Es sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist Richtlinien des UNHCR und der EUAA (früher: EASO) besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung“; vgl. VwGH 26.11.2024, Ro 2023/14/0001; 25.06.2024, Ra 2024/18/0151). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden oder das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen in den Richtlinien internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das Bundesverwaltungsgericht) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen in den Richtlinien des UNHCR und der EUAA auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche gegenständlichen Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (VwGH 18.04.2023, Ra 2022/18/0219). Auch nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist den Länderberichten des UNHCR sowie der EUAA bei der Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz besondere Beachtung zu schenken (vgl. VfGH 19.09.2023, E 1668/2022).

Die Position des UNHCR, wonach keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von sudanesischen Staatsangehörigen getroffen werden sollen, ist an weltweite Anwender adressiert und lässt dabei – nachvollziehbarerweise – länderspezifische Regelungen im Asylrecht außer Acht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in Österreich die Zuerkennung von internationalem Schutz auf zweierlei Arten erfolgen kann, nämlich einmal in Form des Status des Asylberechtigen, der auf die in der GFK gelisteten Fluchtgründe Bezug nimmt. Daneben besteht auch das Instrument des subsidiären Schutzes, das an die EMRK und die Zusatzprotokolle der Konvention anknüpft und dabei die generelle Sicherheitslage in einem Staat (mit)berücksichtigt. Die Position des UNHCR unterscheidet in seiner Aussage nicht zwischen dem Status des Asylberechtigten und dem subsidiär Schutzberechtigten, wie das österreichische Asylrecht, sondern stellt ausschließlich generell auf internationalem Schutz („international protection“) ab, dem in Österreich durch die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten Sorge getragen wurde.

Gegenständlich erwuchs die mit Bescheid vom 03.02.2025 ausgesprochene Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Rechtskraft, sodass durch die Verleihung einer auf ein Jahr befristeten Aufenthaltsberechtigung die Frage einer Rückkehr in den Sudan nicht Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist. Schließlich ändert ein negativer Ausgang des gegenständlichen Verfahrens den Schutzstatus des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine Rückkehr in den Sudan nicht. Der Beschwerdeführer ist zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und nicht zur Rückkehr in den Sudan verpflichtet. Der Position des UNHCR, die klar darauf gerichtet ist, dass aktuell keine Rückkehr in den Sudan erzwungen wird, ist damit im Falle des Beschwerdeführers ausreichend Rechnung getragen und ist eine Aberkennung dieses Status angesichts der Länderfeststellungen im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage und der sonstigen humanitären und sozioökonomischen Lage im Herkunftsstaat eingetreten sein muss, die auch von einer gewissen Dauer und nicht vorübergehend sein muss (vgl. VwGH 21.06.2021, Ra 2021/20/0024; 17.12.2019, Ra 2029/1870391), aktuell nicht durchsetzbar. Nach den vorliegenden Berichten kann nach Einschätzung des erkennenden Richters hiervon aktuell keine Rede sein, wie dies auch in der Position des UNHCR deutlich wird.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.