JudikaturVwGH

Ro 2024/10/0019 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
24. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Bildungsdirektion für Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. August 2024, Zl. W128 2297455 1/2E, betreffend Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht (mitbeteiligte Parteien: 1. mj. E A, vertreten durch die Erziehungsberechtigte V A, und 2. V A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

1 Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Wien der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin vom 4. Juli 2024 wurde ausgesprochen, dass die im August 2012 geborene Erstmitbeteiligte ihre Schulpflicht fortan an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 5 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) zu erfüllen habe (Spruchpunkt I.) und die Zweitmitbeteiligte verpflichtet sei, für die Erfüllung der Schulpflicht iSd Spruchpunktes I. zu sorgen (Spruchpunkt II.).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. August 2024 wurde die dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchteil I. des bekämpften Bescheides dahin zu lauten habe, dass die Erstmitbeteiligte gemäß § 11 Abs. 4 und Abs. 6 Z 6 SchPflG im Schuljahr 2024/25 eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Privatschule iSd § 5 SchPflG zu besuchen habe (Spruchteil A). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei (Spruchteil B).

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die schulpflichtige Erstmitbeteiligte im Schuljahr 2023/2024 an häuslichem Unterricht auf der 5. Schulstufe teilgenommen habe, am 14. Juni 2024 bei der Prüfungskommission eines näher genannten Gymnasiums in Wien zur Externistenprüfung über die 5. Schulstufe in den Pflichtgegenständen Englisch, Mathematik, digitale Grundbildung, Biologie und Umweltbildung, Geographie und wirtschaftliche Bildung sowie Kunst und Gestaltung angetreten sei und diese bestanden habe. Zu den Prüfungen in den Pflichtgegenständen Deutsch und Musik sei sie nicht angetreten; sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, zur Gänze an der Externistenprüfung teilzunehmen. Der zureichende Erfolg im Schuljahr 2023/2024 sei daher nicht durch eine mit „bestanden“ beurkundete Prüfung nachgewiesen worden.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe von Rechtsnormen sowie höchstgerichtlicher Rechtsprechung im Wesentlichen aus, § 11 Abs. 6 Z 6 SchPflG sehe die zwingende Anordnung vor, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe, wenn der Nachweis des zureichenden Erfolges vor dem Ende des Unterrichtsjahres nicht erbracht worden sei. Der Amtsrevisionswerberin könne daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Besuch einer öffentlichen Schule bzw. einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung angeordnet habe.

5Allerdings habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Juni 2024, G 3494/2023 u.a., festgehalten, dass die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 26.1.2023, Ro 2022/10/0004) zu § 11 Abs. 4 SchPflG in der Fassung BGBl. I 35/2018 nicht ohne Weiteres auf den (nunmehr) geltenden § 11 Abs. 6 SchPflG in der Fassung BGBl. I 37/2023 übertragen werden könne. So wäre etwa die Auslegung, dass die Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht auch die Erfüllung der Schulpflicht in einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht auf Dauer unzulässig werden lasse, aus Sachlichkeitsgesichtspunkten verfassungsrechtlich bedenklich. Nach § 11 Abs. 6 SchPflG habe die Behörde im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens über eine Untersagung des häuslichen Unterrichts und Anordnung des Schulbesuchs im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen sei und diese Entscheidung zu begründen. Dabei habe die Behörde bei der Untersagung des häuslichen Unterrichts nach § 11 Abs. 2 SchPflG allenfalls auszusprechen, ob die Schulpflicht weiterhin auch unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 SchPflG erfüllt werden könne.

6 Daher sei Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides abzuändern und der Besuch einer öffentlichen Schule bzw. einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung (lediglich) für das Schuljahr [richtig:] 2024/25 anzuordnen gewesen. Da die Erstmitbeteiligte aufgrund von Krankheit an der Ablegung der Externistenprüfung gehindert gewesen sei, scheine eine Anordnung für die restliche Dauer der Schulpflicht nicht geboten. Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides hätte nämlich (andernfalls) den vom Verfassungsgerichtshof als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuften Fall zur Folge, dass auch die Erfüllung der Schulpflicht in einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht auf Dauer unzulässig wäre.

7Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass seine Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 26.1.2023, Ro 2022/10/0004) abweiche und dem genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 25.6.2024, G 3494/2023 u.a.) folge. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 11 Abs. 6 SchPflG idF BGBl. I Nr. 37/2023 fehle.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Amtsrevision der Bildungsdirektion für Wien.

9 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

10 Die Mitbeteiligten erstatteten keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die vorliegende Amtsrevision erweist sich aufgrund des Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG gemäß § 11 Abs. 6 SchPflG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2023 die gesamte restliche Schulpflicht zu umfassen hat, als zulässig.

12 Das Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 170/2021, lautete auszugsweise:

Beginn der allgemeinen Schulpflicht

(1) Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

...

Dauer der allgemeinen Schulpflicht

Die allgemeine Schulpflicht dauert neun Schuljahre.

...

Öffentliche und mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen

Unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen sind öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Schulbesuch in den einzelnen Schuljahren

(1) Die allgemeine Schulpflicht ist durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.

...

C. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht

Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

(1) Die allgemeine Schulpflicht kann unbeschadet des § 12 auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule ausgenommen die Polytechnische Schule mindestens gleichwertig ist.

...

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.“

13 Die wiedergegebenen Bestimmungen der §§ 2 bis 5 SchPflG wurden nachfolgend nicht geändert. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 232/2021 erhielt § 11 SchPflG aber folgende Fassung:

Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

(1) Die allgemeine Schulpflicht kann unbeschadet des § 12 auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule ausgenommen die Polytechnische Schule mindestens gleichwertig ist.

(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils bis zum Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres anzuzeigen. Bei der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 sind Vor und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift jener Person bekannt zu geben, welche das Kind voraussichtlich führend unterrichten wird. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Ergänzend dazu hat bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2, ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, stattzufinden. Wenn das Kind vor dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist, so hat das Reflexionsgespräch mit der Prüfungskommission gemäß Abs. 5 zu erfolgen.

(5) Die Prüfung des zureichenden Erfolges gemäß Abs. 4 erster Satz muss an einer Schule im örtlichen Zuständigkeitsbereich jener Schulbehörde abgelegt werden, die für die Einhaltung der Schulpflicht zuständig ist. Die Schulbehörden haben mit Verordnung gemäß § 42 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes zumindest zwei Prüfungskommissionen einzurichten.

(6) Findet das Reflexionsgespräch gemäß Abs. 4 zweiter Satz nicht statt, wird der Nachweis des zureichenden Erfolges nicht erbracht oder treten Umstände hervor, wodurch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist, so hat die zuständige Behörde anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat. Treten Umstände hervor, die eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, so sind, wenn nicht gemäß § 78 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 vorzugehen ist, die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder und Jugendhilfe zu informieren.“

14 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 37/2023 wurde § 11 SchPflG neuerlich novelliert und weist nunmehr folgenden Wortlaut auf:

Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

(1) Die allgemeine Schulpflicht kann unbeschadet des § 12 auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule ausgenommen die Polytechnische Schule mindestens gleichwertig ist.

(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion anzuzeigen. Die Anzeige hat

1. jeweils bis eine Woche nach dem Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres zu erfolgen und

2. jedenfalls die folgenden Angaben und Urkunden zu enthalten:

a) Vor und Familiennamen, Geburtsdatum und Anschrift jener Person, welche das Kind führend unterrichten wird,

b) den Ort, an dem der Unterricht erfolgen soll,

c) das Jahreszeugnis über das vorangehende Schuljahr oder ein Zeugnis über die Externistenprüfung über die vorangehende Schulstufe,

d) den Lehrplan, nach welchem, und die Schulstufe, auf der der Unterricht erfolgen soll, sowie

e) eine Zusammenfassung des pädagogischen Konzepts für den Unterricht.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, wenn die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 hat ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien stattzufinden, wobei ein Rechtfertigungsgrund gemäß § 9 Abs. 3 diese Frist hemmt. Das Reflexionsgespräch ist

1. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der Vorschulstufe oder der 1. bis 8. Schulstufe teilnehmen, an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, oder, wenn gemäß Abs. 3 Z 2 lit. d der Lehrplan einer allgemeinbildenden höheren Schule angegeben wurde, an einer Schule dieser Schulart, und

2. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der 9. Schulstufe teilnehmen an einer Schule, an welcher der gemäß Abs. 3 Z 2 lit. d angegebene Lehrplan geführt wird,

durchzuführen.

Wenn das Kind gemäß Z 1 vor Ablauf dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist und bei Reflexionsgesprächen gemäß Z 2, hat das Reflexionsgespräch mit zumindest einem Mitglied der Prüfungskommission gemäß Abs. 5 zu erfolgen.

(5) Die Prüfung des zureichenden Erfolges gemäß Abs. 4 erster Satz muss an einer Schule im örtlichen Zuständigkeitsbereich jener Schulbehörde abgelegt werden, die für die Einhaltung der Schulpflicht zuständig ist. Die Schulbehörden haben mit Verordnung gemäß § 42 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes zumindest zwei Prüfungskommissionen einzurichten.

(6) Die Bildungsdirektion hat die Teilnahme an einem solchen Unterricht zu untersagen und anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat, wenn

1. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist, oder

2. gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist, oder

3. das Reflexionsgespräch gemäß Abs. 4 nicht durchgeführt wurde, oder

4. eine Prüfung aufgrund der Bestimmung gemäß § 42 Abs. 6 letzter Satz des Schulunterrichtsgesetzes vor dem Ende des Unterrichtsjahres, für welche der häusliche Unterricht angezeigt wurde, nicht möglich ist, oder

5. Umstände hervortreten, aufgrund welcher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist, oder

6. der Nachweis des zureichenden Erfolges vor dem Ende des Unterrichtsjahres nicht erbracht wurde. Treten Umstände hervor, die eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, so sind, wenn nicht gemäß § 78 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 vorzugehen ist, die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder und Jugendhilfe zu informieren.“

15 Mit dem genannten Erkenntnis vom 25. Juni 2024, G 3494/2023 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes, die Wortfolge „und anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat“ in § 11 Abs. 6 SchPflG als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof zu den geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz Folgendes aus:

„Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg. 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine rechtspolitischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten.

Wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme darlegt, enthielt § 11 Abs. 3 und 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018 zwei voneinander getrennte Verfahren: Nach § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018 konnte die Bildungsdirektion die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. an häuslichem Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen war, dass die geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß § 11 Abs. 2a Schulpflichtgesetz 1985 eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen war. Nur wenn der zureichende Erfolg des Unterrichtes an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. des häuslichen Unterrichtes vor Schulschluss nicht erbracht wurde, hatte die Bildungsdirektion gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018 anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 Schulpflichtgesetz 1985 zu erfüllen hat.

Mit BGBl. I 232/2021 wurde § 11 Schulpflichtgesetz 1985 geändert. Für die Teilnahme an häuslichem Unterricht wurde ein verpflichtendes Reflexionsgespräch eingeführt und im neu eingefügten § 11 Abs. 6 geregelt, dass die zuständige Behörde in drei Fällen anzuordnen hat, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 Schulpflichtgesetz 1985 zu erfüllen hat: Erstens, wenn das Reflexionsgespräch nicht stattfindet. Zweitens, wenn der Nachweis des zureichenden Erfolges nicht erbracht wird und drittens, wenn Umstände hervortreten, wodurch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme an häuslichem Unterricht dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist.

§ 11 Schulpflichtgesetz 1985 wurde mit BGBl. I 37/2023 erneut geändert und sieht in Abs. 6 nunmehr sechs unterschiedliche Tatbestände vor, nach denen von der Bildungsdirektion die Teilnahme an häuslichem Unterricht zu untersagen und unter einem anzuordnen ist, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat. Damit unterscheidet sich die Rechtsvorschrift des § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 37/2023 deutlich von § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018: Nach § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018 war die Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 Schulpflichtgesetz 1985 ausschließlich dann anzuordnen, wenn der jährliche Nachweis des zureichenden Erfolges vor Ende des Schulschlusses nicht erbracht wurde, also wenn das Kind bereits ein Jahr an häuslichem Unterricht teilgenommen hat und offenkundig der zureichende Erfolg nicht nachgewiesen werden konnte. Demgegenüber ist in § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 37/2023 die Anordnung des Besuchs einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule unter der Voraussetzung der sechs verschiedenen Tatbestände vorgesehen. Diese Anordnung hat nunmehr gemeinsam mit der Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht stattzufinden und ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten möglich, auch wenn das Kind noch gar nicht an häuslichem Unterricht teilgenommen hat bzw. noch kein Nachweis des zureichenden Erfolgs erforderlich war. Bei § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 37/2023 handelt es sich somit um ein neues Regelungssystem, das mit § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018 nicht vergleichbar ist. Wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme richtig ausführt, kann die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 35/2018 deshalb nicht ohne Weiteres auf den geltenden § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 37/2023 übertragen werden.

Eine Übertragung der Auslegung des § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 85/2018 auf § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 37/2023 bedeutete etwa im Fall der Z 1, dass eine vor Beginn des Unterrichtsjahres ausgesprochene Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht beide Unterrichtsformen nach § 11 Abs. 1 oder 2 Schulpflichtgesetz 1985 für die restliche Dauer der Schulpflicht ausschließt. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, wäre eine Auslegung mit dem Ergebnis, dass die Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht auch die Erfüllung der Schulpflicht in einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht auf Dauer unzulässig werden lässt, aus Sachlichkeitsgesichtspunkten verfassungsrechtlich bedenklich.

Nach dem Regelungssystem des § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 idF BGBl. I 37/2023 hat die Bildungsdirektion im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens über eine Untersagung des häuslichen Unterrichts und Anordnung des Schulbesuchs im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen ist, und diese Entscheidung zu begründen. Dabei hat die Bildungsdirektion bei der Untersagung des häuslichen Unterrichts nach § 11 Abs. 2 Schulpflichtgesetz 1985 allenfalls auszusprechen, ob die Schulpflicht weiterhin auch unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 erfüllt werden kann.

Vor diesem Hintergrund verstößt die in § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 vorgesehene Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht im Sinne des § 5 Schulpflichtgesetz 1985 nicht gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot. Um dem Bildungsauftrag des Art. 14 Abs. 5a B VG gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber für den Unterricht an Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und den häuslichen Unterricht angemessene Regelungen zur Sicherstellung eines mit dem öffentlichen Schulwesen gleichwertigen Ausbildungserfolges zu treffen.

Dem Gesetzgeber ist im Hinblick auf dieses Regelungsziel nicht entgegenzutreten, wenn er in § 11 Abs. 6 Schulpflichtgesetz 1985 regelt, dass die Bildungsdirektion für bestimmte Schuljahre oder für die gesamte restliche Schulpflicht die Art der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht festzulegen hat, wenn sie unter anderem auf Grund einer Prognoseentscheidung, der mangelnden Mitwirkung der Parteien oder des nicht erbrachten Nachweises des zureichenden Erfolges zum Ergebnis gelangt, dass der häusliche Unterricht jenem an einer in § 5 Schulpflichtgesetz 1985 genannten Schule nicht gleichwertig ist (VfSlg. 19.958/2015, 20.311/2019; VfGH 29.11.2022, E 2766/2022). Der Verfassungsgerichtshof teilt daher die vom Bundesverwaltungsgericht vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nicht.“

16 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der in diesem Erkenntnis unter anderem für den hier relevanten Fall des nicht erbrachten Nachweises des zureichenden Erfolges im Sinne des § 11 Abs. 6 Z 6 SchPflG vertretenen Rechtsansicht, wonach die Behörde gemäß § 11 Abs. 6 SchPflG in der nunmehr geltenden Fassung für bestimmte Schuljahre oder für die gesamte restliche Schulpflicht die Art der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht festzulegen hat, an. Die Behörde hat daher im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens über eine Untersagung des häuslichen Unterrichts und Anordnung des Schulbesuchs im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen ist, und diese Entscheidung zu begründen. Der gegenteiligen, von der Amtsrevisionswerberin vertretenen Rechtsansicht ist aus den vom Verfassungsgerichtshof genannten verfassungsrechtlichenGründen nicht zu folgen. Einer Beschlussfassung im Sinne des § 13 Abs. 1 VwGG bedarf es schon deshalb nicht, weil (abgesehen davon, dass dem zitierten hg. Erkenntnis Ro 2022/10/0004 noch nicht die hier maßgebende Rechtslage zugrunde lag) eine Entscheidung in einem verstärkten Senat auch dann nicht erforderlich ist, wenn eine bestimmte, von der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende verfassungskonforme Auslegung geboten ist (vgl. VwGH 29.1.2025, Ra 2022/21/0215; 13.12.2018, Ra 2018/09/0156; 29.10.2015, Ra 2014/07/0086).

17 Fallbezogene inhaltliche Gründe, dass und weshalb die Beschränkung der Anordnung des Schulbesuches auf das Schuljahr 2024/25 durch das Verwaltungsgericht im Revisionsfall als rechtswidrig anzusehen wäre, werden in der vorliegenden Amtsrevision nicht vorgebracht.

18 Soweit in der Verfahrensrüge der Amtsrevision die Verletzung der Verhandlungspflicht (auf die Durchführung einer Verhandlung wurde von der Amtsrevisionswerberin den vorgelegten Verfahrensakten zufolge allerdings verzichtet) bzw. des Parteiengehörs geltend gemacht wird, wird schon die Relevanz der behaupteten Verfahrensfehler nicht aufgezeigt.

19Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. April 2025