Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie den Hofrat Dr. Lukasser und die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des M H, in V, vertreten durch die Komwid Kompein Widmann Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Beatrixgasse 1/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. Oktober 2024, Zl. I403 2299639 1/2E, betreffend Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht und Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Tirol), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Oktober 2024 untersagte das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gemäß § 11 Abs. 6 Z 6 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) die Teilnahme des Revisionswerbers an häuslichem Unterricht und ordnete an, dass dieser die Schulpflicht ab dem Schuljahr 2024/25 durch den Besuch einer öffentlichen Schule oder einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung auf derselben Schulstufe zu erfüllen habe; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zu.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, die belangte Behörde habe aufgrund einer entsprechenden Anzeige im Februar 2023 mit Schreiben vom 6. Juli 2023 mitgeteilt, dass gegen die angezeigte Teilnahme des (in Österreich schulpflichtigen) Revisionswerbers im Schuljahr 2023/24 an häuslichem Unterricht kein Einwand bestehe, und dabei auf die Verpflichtung zur Ablegung einer Externistenprüfung zwischen 1. Juni 2024 und dem Ende des Unterrichtsjahres hingewiesen.
3 Am 22. Jänner 2024 habe die Erziehungsberechtigte des Revisionswerbers gegenüber der belangten Behörde angegeben, dass der Revisionswerber ab Februar 2024 dieselbe Auslandsschule wie sein Bruder besuchen werde; daraufhin habe die belangte Behörde am 25. Jänner 2024 darüber informiert, dass der „gewünschte Wechsel während des Schuljahres vom häuslichen Unterricht zu einem Besuch der ‚Wilhelm von Humboldt Online Auslandsprivatschule‘ nicht möglich sei, sondern dass der [Revisionswerber] entweder den häuslichen Unterricht fortsetzen könne und die Externistenprüfung bis Ende des Schuljahres abzulegen habe oder dass er ab dem zweiten Semester die zuständige Sprengelschule besuchen könne“.
4 Am 6. Juni 2024 habe die Erziehungsberechtigte des Revisionswerbers bei der belangten Behörde dessen „Auslandsschulbesuch“ für das kommende Schuljahr angezeigt; der Anzeige sei ein „Unterrichts- und Schulvertrag“ mit der „Wilhelm von Humboldt Online Privatschule“ vom 22. Jänner 2024 beigelegt gewesen.
5 Der Revisionswerber sei am Ende des Schuljahres 2023/24 nicht zur Externistenprüfung angetreten; er habe (somit) keinen Nachweis über den zureichenden Erfolg des häuslichen Unterrichts in Form einer positiv absolvierten Externistenprüfung erbracht.
6 Der Revisionswerber sei seit Februar 2023 an der „Wilhelm von Humboldt Online Privatschule“ angemeldet; dabei handle es sich um eine Fernschule mit Sitz in Costa Rica, bei welcher der Unterricht in einem „virtuellen Klassenraum“ stattfinde.
7 In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht zunächst im Kern unter Hinweis auf VwGH 24.1.2023, Ra 2021/10/0123, fest, dass die (am 6. Juni 2024 angezeigte) Teilnahme des Revisionswerbers an einem Fernunterricht nicht als „Besuch einer im Ausland gelegenen Schule“ iSd § 13 SchPflG einzuordnen sei, dies insbesondere deshalb, weil bei Fernlerninstituten das „Merkmal des gemeinsamen Unterrichts, das heißt die gleichzeitige Anwesenheit von Lehrern und Schülern, nicht gegeben“ sei (vgl. dazu Rz 27 in Ra 2021/10/0123, mwN).
8 Davon ausgehend qualifizierte das Verwaltungsgericht die Anzeige vom 6. Juni 2024 nicht als Anzeige gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG (des Besuchs einer im Ausland gelegenen Schule), sondern als Anzeige der (weiteren) Teilnahme des Revisionswerbers an häuslichem Unterricht gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG für das Schuljahr 2024/25, weil die Einschreibung an einer Online Schule „aufgrund der österreichischen Rechtslage nicht als Schulbesuch gewertet werden kann“.
9 Im Zusammenhang mit der (mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigten) auf § 11 Abs. 6 Z 6 SchPflG gestützten Untersagung dieser Teilnahme an häuslichem Unterricht und Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG berief sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 2024, G 3494/2023 u.a. (unter Wiedergabe u.a. von dessen Erwägungen zu dem in § 11 Abs. 6 SchPflG idF BGBl. I Nr. 37/2023 verwirklichten „neuen Regelungssystem“ und dessen Anwendung durch die Schulbehörde „im Einzelfall“; vgl. Punkt IV.2.3. des Erkenntnisses).
10 Den „im gegenständlichen Fall“ ausgesprochenen Auftrag der Erfüllung der Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG „ab dem Schuljahr 2024/25“ begründete das Verwaltungsgericht in einer Einzelfallbeurteilung (unter anderem) damit, dass trotz der expliziten Hinweise auf die Verpflichtung zur Ablegung einer Externistenprüfung (mit Schreiben vom 6. Juli 2023 und im Jänner 2024) eine „entsprechende Mitwirkung“ nicht erfolgt sei, weil der Revisionswerber zur Externistenprüfung gar nicht angetreten sei.
11 1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
12 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie ohne Aufwandersatz anzusprechen beantragt, „der außerordentlichen Revision keine Folge zu geben“.
13 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 3.1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wenden sich zunächst gegen die im angefochtenen Erkenntnis vertretene Auffassung, die (angezeigte) Teilnahme des Revisionswerbers an einem Unterricht an der „Wilhelm von Humboldt Online Privatschule“ sei nicht als „Besuch einer im Ausland gelegenen Schule“ iSd § 13 SchPflG zu qualifizieren (vgl. oben unter Rz 7), und monieren in diesem Zusammenhang „fehlende höchstgerichtliche Rechtsprechung“.
17 Das Verwaltungsgericht hat allerdings die in diesem Zusammenhang relevante Rechtsfrage der Qualifikation der in Rede stehenden Online-Schule auf dem Boden der hg. Rechtsprechung (Ra 2021/10/0123) gelöst, sodass die Revision insoweit keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfen kann.
18 3.2. Im Weiteren richtet sich das Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers gegen die vom Verwaltungsgericht (insbesondere mit Blick auf Ra 2021/10/0123) vorgenommene Auslegung der Anzeige vom 6. Juni 2024 als Anzeige der (weiteren) Teilnahme des Revisionswerbers an häuslichem Unterricht für das Schuljahr 2024/25 (Rz 8).
19 Eine derartige Auslegung einer Erklärung im Einzelfall stellt allerdings im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar und wäre nur dann revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 7.10.2016, Ra 2016/11/0136, oder 22.2.2023, Ra 2023/05/0010, jeweils mwN).
20 Derartiges vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.
21 3.3. Schließlich beruft sich der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision auf das bereits erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 3494/2023 u.a. und bringt dazu vor, das Verwaltungsgericht habe der darin ausgesprochenen Verpflichtung „im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen ist, und diese Entscheidung zu begründen“, nicht entsprochen, indem es „grob unrichtig“ die Erfüllung der Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG „ab dem Schuljahr 2024/25“ (somit [in der Diktion der Revision] „lebenslang“) ausgesprochen habe; in diesem Zusammenhang formuliert der Revisionswerber verschiedene vom Verwaltungsgerichtshof zu klärende Rechtsfragen.
22 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B VG also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 28.3.2025, Ro 2025/10/0009, mwN).
23 Mittlerweile hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. April 2025, Ro 2024/10/0019, mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 3494/2023 u.a. befasst und sich darin zu der geänderten Rechtslage des § 11 Abs. 6 SchPflG idF des BGBl. I Nr. 37/2023 der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen, wonach die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) zufolge dieser Bestimmung „für bestimmte Schuljahre oder für die gesamte restliche Schulpflicht die Art der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht festzulegen“ hat; dabei ist im Rahmen des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens über eine Untersagung des häuslichen Unterrichts und Anordnung des Schulbesuchs „im Einzelfall anhand der jeweils unterschiedlich zum Tragen kommenden Tatbestände zu ermitteln, in welcher Art die Erfüllung der Schulpflicht und in welchem Umfang die Untersagung des häuslichen Unterrichts anzuordnen ist, und diese Entscheidung zu begründen“ (vgl. Rz 16 des Erkenntnisses Ro 2024/10/0019).
24 Im vorliegend angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht ausgehend von dem zu Recht bejahten Tatbestand des § 11 Abs. 6 Z 6 SchPflG (kein Nachweis des zureichenden Erfolges des [hier: häuslichen] Unterrichts vor dem Ende des Unterrichtsjahres) anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles begründet, weshalb es die Teilnahme an häuslichem Unterricht unter Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht im Sinn des § 5 SchPflG „ab dem Schuljahr 2024/25“ untersagte.
25 Eine solche Beurteilung aufgrund der Umstände des Einzelfalles ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie aufgrund einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde; eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 28.6.2016, Ro 2015/10/0028, oder 25.3.2020, Ra 2020/10/0027, jeweils mwN).
26 Dies ist hier nicht der Fall.
27 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
28 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juni 2025