JudikaturVwGH

Ro 2023/19/0002 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
31. Oktober 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des M H, vertreten durch Mag. a Sarah Moschitz Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Frauengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2023, W238 2266016 1/15E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 22. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er vor, dass in Syrien Krieg herrsche, dort eine schlechte Sicherheitslage bestehe und er fürchte, von der Armee einberufen zu werden.

2 Mit dem am 11. April 2023 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mündlich verkündeten und am 11. Mai 2023 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das über Säumnisbeschwerde (des Revisionswerbers) zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt A.I.), erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt A.II.) und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt A.III.). Die Revision erklärte das BVwG für zulässig (Spruchpunkt B.).

3 In der Begründung hielt das BVwG zunächst fest, dass der Säumnisbeschwerde stattzugeben und vom BVwG in der Sache über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden sei, weil im konkreten Fall ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege.

Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten führte das BVwG aus, dass vom Revisionswerber keine Verfolgung dargelegt bzw. glaubhaft gemacht worden sei, die auf einem der in der GFK genannten Konventionsgründe beruhe.

Die Zulassung der Revision begründete das BVwG zusammengefasst damit, dass (in Hinblick auf die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde) eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dahingehend vorliege, ob der Anstieg der Asylantragszahlen in den Jahren 2021 und 2022 für die belangte Behörde ebenso wie nach dem starken Zustrom 2015 eine extreme Belastungssituation darstelle.

4 Gegen Spruchpunkt A.I. dieses Erkenntnisses (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.8.2023, Ra 2021/10/0138, mwN).

7 Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall in Hinblick auf die vom BVwG als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage nicht erfüllt. Diese betrifft nämlich die vom BVwG bejahte Zulässigkeit der vom Revisionswerber erhobenen Säumnisbeschwerde, weshalb das rechtliche Schicksal der gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichteten Revision nicht von dieser Rechtsfrage abhängt. Der Revisionswerber räumt auch zu Recht ein, dass er hinsichtlich der vom BVwG für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführten Rechtsfrage nicht beschwert sei.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 22.5.2023, Ro 2020/19/0008, mwN).

9 Die Revision bringt insoweit vor, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers nicht geprüft habe. Die Feststellung, wonach der Revisionswerber in seiner Herkunftsregion keiner Verfolgung ausgesetzt sei, entbinde das BVwG nicht von der Verpflichtung, auch die Erreichbarkeit der Herkunftsregion zu prüfen.

10 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 21.6.2023, Ra 2021/19/0406, mwN).

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. erneut VwGH Ro 2020/19/0001, mwN).

12 Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. nochmals VwGH Ra 2021/19/0406, mwN).

13 Im vorliegenden Fall zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem BFA oder im Beschwerdeverfahren ein Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn erkennen lässt.

Damit ist aber dem auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 31. Oktober 2023

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