JudikaturBVwG

W274 2297915-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2025

Spruch

W274 2297915-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX XXXX Staatsangehöriger von Syrien, vertreten durch BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4/4. Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom , Zl. 1334484504/223682014, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste ohne gültige Einreisedokumente gemeinsam mit seinem Bruder XXXX , dem derzeit Subsidiärschutz in Österreich zukommt, in Österreich ein und stellte am 18.11.2022 vor der LPD Oberösterreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an: „Reservemilitärdienst“. In Syrien herrsche Krieg und die Lebensumstände seien schlecht.

Am 04.10.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass das syrische Regime nur 2 km von seinem Heimatort entfernt sei und jederzeit das Dorf stürmen könnte. Er werde von Seiten des Regimes wegen der Teilnahme an Demonstrationen und wegen des Reservedienstes gesucht. Außerdem seien in seinem Dorf die Kurden an der Macht, mit denen er auch Probleme gehabt habe. Sie würden Araber diskriminieren und unmenschlich behandeln. Zwei Monate vor seiner Ausreise hätten ihn die Kurden gezwungen, das Auto eines höherrangigen Kurden zu reparieren. Bezüglich der Bezahlung sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der auch der BF den Kurden geschlagen habe. Seitdem würden ihn die Kurden suchen.

Mit dem bekämpften Bescheid wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Absatz 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gem. § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das BFA aus, dass eine Einberufung zum Reservedienst im Heimatort des BF mangels Zugriffs des syrischen Regimes nicht zu befürchten sei. Sowohl von den Demonstrationen gegen das Regime als auch von einer Auseinandersetzung mit den Kurden habe er in der Erstbefragung nichts erwähnt. Zudem seien seine Angaben vage sowie oberflächlich gewesen und spreche auch der Umstand gegen eine Verfolgung, dass seine gesamte Familie nach wie vor ohne Probleme am Heimatort leben könne.

Allein gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde des BF. Dieser verwies auf seine Befürchtung, durch das syrische Regime zum Reservedienst zwangsrekrutiert zu werden. Er verweigere den Militärdienst aus Gewissensgründen. Außerdem befürchte der BF nach einem Streit mit einem höherrangigen Mitglied der Kurden die Unterstellung einer oppositionellen politischen Überzeugung durch diese. Der Begriff der politischen Überzeugung sei nach dem EuGH weit auszulegen. Laut LIB würden die Kurden willkürliche Verhaftungen von Zivilisten durchführen und die Meinungsfreiheit einschränken.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verfahrensakt dem Verwaltungsgericht einlangend am 23.08.2024 vor.

Seitens des Verwaltungsgerichts wurde dem BF mit Schreiben vom 30.12.2024 ein individuelles Parteiengehör zu den seit Anfang Dezember 2024 veränderten Umständen in Syrien gewährt, wobei diesbezüglich insbesondere auf die Kurzinformation der Staatendokumentation Syrien „Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, Assad flieht“ vom 10.12.2024 verwiesen wurde. Unter Hinweis auf diese und andere Informationen zur geänderten Sachlage sowie hiervon unberührte Umstände (Rekrutierung durch SNA und HTS) wurde dem BF Gelegenheit geboten, binnen vierwöchiger Frist zu den geänderten Verhältnissen Stellung zu nehmen und insbesondere darzulegen, ob angesichts der geänderten Verhältnisse noch eine begründete Furcht vor Verfolgung in Bezug auf die Konventionsgründe bestehe.

Am 03.01.2025 langte eine Stellungnahme des BF ein, in der er angab, dass angesichts der sicherheitspolitischen Entwicklungen in Syrien im Dezember 2024 eine Einziehung zum Reservedienst in der syrischen Armee nunmehr nicht mehr drohe. Der BF befürchte aber weiterhin asylrelevante Verfolgung durch kurdische Akteure, wobei er auf den bereits in erster Instanz geschilderten Vorfall mit einem höherrangigen Mitglied der Kurden und die EuGH-Rechtsprechung zur politischen Überzeugung verwies.

Am 29.01.2025 führte das Gericht in Anwesenheit des BF, seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF ausführlich befragt wurde. Der BF verwies durch seinen Rechtsvertreter weiters auf einen aktuellen Bericht vom 24.01.2025 des Middle East Institute, wo von Repressionen gegen arabische Bevölkerungen in den von der SDF kontrollierten Gebieten berichtet werde.

"SDF-controlled areas witnessed escalating security tensions, including significant defections among Arab SDF members, protests against SDF security dominance, forced conscription of youth, and arrests of anti-SDF activists in Raqqa, Deir ez-Zor, and Hasakah. According to media reports and activists in the area, the PKK-affiliated “Revolutionary Youth” imposed large taxes on shop owners and forced employees of the self-administered areas to participate in mandatory demonstrations supporting the SDF. They also imposed SDF curricula on Arab and Syriac populations by force and closed government institutions affiliated with Damascus. [...]."

Über Frage an den RV, ob sich daraus konkrete Umstände für den Fall des BF ergeben, führte dieser aus, der Großteil des Berichts drehe sich um die Verhandlungen zwischen der neuen Regierung und der SDF. Das Zitat sei das für den BF relevanteste.

Seitens des Gerichts wurde weiters ein kurzer Überblick über die aktuellen und allerneuesten Entwicklungen in Syrien, erstellt anhand von Presseberichten mit Verweisen auf die Quellen übergeben, wobei sich das Gericht im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung auch an diesen Quellen orientiere.

Eine Stellungnahme dazu erfolgte nicht.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt:

Aufgrund des Akteninhaltes im Zusammenhalt mit den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

Der 44-jährige BF ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und muslimischen Bekenntnisses. Er ist verheiratet und Vater von sieben Kindern.

Er wurde in Syrien in XXXX nahe Qamishli im Gouvernement Al Hasaka geboren, erhielt dort eine 2-jährige Schulbildung und arbeitete in der Folge als Automechaniker. Die Ehefrau und die Kinder des BF leben in seinem Heimatdorf in Syrien. Auch die Eltern und Schwestern des BF befinden sich noch in Syrien im Heimatdorf, seine Brüder befinden sich teils in Syrien, teils (jeweils ein Bruder) in Deutschland bzw. Österreich.

Der BF verließ Syrien im September 2022 und reiste in die Türkei, von wo er nach kurzer Zeit Richtung Europa weiterreiste und schließlich in Österreich Asyl beantragte.

XXXX steht unter Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung („Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien“).

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Bis Ende November 2024 kontrollierte die ehemalige syrische Regierung unter Präsident Assad („syrisches Regime“) rund 60 % des syrischen Staatsgebiets, während der Nordosten Syriens unter Herrschaft kurdischer Kräfte stand, mit der Türkei alliierte Rebellengruppen Teile des Nordens kontrollierten und die islamistische Gruppierung HTS über einen Teil der Provinzen Idlib und Aleppo im Nordwesten herrschte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2024, im Folgenden „LIB“, S. 16).

Für männliche syrische Staatsbürger war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren in der syrisch-arabischen Armee des syrischen Regimes gesetzlich verpflichtend. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehrten, mussten mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Gesetz waren in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wurde man einberufen, um den Wehrdienst zu leisten, sofern kein Ausnahmegrund (Studium, medizinische Gründe, einziger Sohn der Familie) vorlag (LIB S. 119). Nach Ableistung des Pflichtwehrdienstes blieb ein syrischer Mann Reservist und konnte bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (LIB S. 124). Eine Durchsetzung der Wehrpflicht durch Zwangsrekrutierung war dem syrischen Regime im Wesentlichen nur im eigenen Herrschaftsgebiet möglich (LIB S. 123 f).

Wehrdienstverweigerung wurde aber vom syrischen Regime zuletzt nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das Regime war sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen hatten, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich gegen Bezahlung einer Geldsumme von der Wehrpflicht „freizukaufen“ (LIB S. 144).

Personen, die unter dem Verdacht standen, sich oppositionell zu engagieren, oder als regimekritisch wahrgenommen wurden, unterlagen einem besonders hohen Folterrisiko seitens des Regimes. In vielen Fällen wurden auch Familienmitglieder solcher Personen als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen ihrer Angehörigen inhaftiert (LIB S. 165).

Durch eine Ende November 2024 gestartete Großoffensive der HTS gegen die Regierung von Präsident Assad kam es rund um den 8. Dezember 2024 zu einem Machtwechsel in Syrien (s. dazu näher unten): Assad setzte sich nach Russland ab, die HTS übernahm die Kontrolle über die staatlichen Institutionen und bildete eine unter ihrer Leitung stehende Übergangsregierung. Die Soldaten der von Assad befehligten Syrischen Arabischen Armee wurden vom Armeekommando außer Dienst gestellt. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Aktuell existiert in Syrien keine staatliche Wehrpflicht.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, in XXXX (samt näherer Umgebung) durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime zum (Reserve-)Militärdienst rekrutiert bzw. wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen (Demonstrationsteilnahmen) bestraft zu werden.

Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass es zu einem Vorfall im Sommer 2022 kam, wobei es zu einem Streit zwischen dem BF und einem höherrangigen Mitglied der Kurden (Abu Schiar) gekommen wäre, weil dieser Kurde keinen angemessenen Preis für eine vom BF durchgeführte KFZ-Reparatur bezahlt hätte und der BF den Kurden in Notwehr zurückgeschlagen hätte. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass der BF aufgrund seines behaupteten Verhaltens in seinem Heimatort von den „Kurden“ als Verräter angesehen werde und ihm deshalb Verfolgung durch eine unverhältnismäßige Bestrafung wegen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung oder aufgrund seiner arabischen Volkszugehörigkeit drohe.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10. Dezember 2024:

„Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. (…)

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12.

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind, und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt.

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt.

(…)

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein.

(…)

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren.

(…)

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben. (…)“

Auszüge aus der „Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad“ auf www.ecoi.net

Wie es dazu kam

Am 27. November 2024 startete die militante islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Am 5. Dezember fiel die Stadt Hama und zwei Tage darauf die drittgrößte Stadt Syriens, Homs (BBC, 8. Dezember 2024; siehe auch Der Standard, 8. Dezember 2024, ISPI, 8. Dezember 2024). Am 8. Dezember 2024 marschierten die von der HTS angeführten Rebellen in Damaskus ein. Am selben Tag verließ Baschar al-Assad das Land (ARD, 8. Dezember 2024).

Wer sind die wichtigsten Rebellengruppen?

Die syrischen Gruppen, die Al-Assad gestürzt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen haben, sind heterogen (ARD, 8. Dezember 2024) mit teils gegensätzlichen Ideologien und langfristigen Zielen (DW, 9. Dezember 2024; Reuters, 9. Dezember 2024):

Hayat Tahrir al-Scham (HTS)

Die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte, ist die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stufen die HTS und ihren Anführer, Ahmed al-Scharaa (auch Abu Mohammed al-Dscholani genannt), als Terroristen ein (Reuters, 8. Dezember 2024; siehe auch: BBC, 8. Dezember 2024, DW, 9. Dezember 2024).

Syrische Nationalarmee (SNA)

Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen (DW, 9. Dezember 2024), die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten (Reuters, 8. Dezember 2024). Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen (DW, 9. Dezember 2024). Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte (Reuters, 8. Dezember 2024).

Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt (ARD, 8. Dezember 2024).

Syrische Demokratische Kräfte (SDF)

Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA (Reuters, 8. Dezember 2024).

Sonstige

Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein (Reuters, 8. Dezember 2024).

Neueste Entwicklungen

Die neue Übergangsregierung und Ahmed Al-Sharaa (Führer der HTS)

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verbundenen Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10. Dezember 2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 1. März 2025 beauftragt (MEE, 10. Dezember 2024; siehe auch: Al Jazeera, 10. Dezember 2024). Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamten und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt (CRS, 13. Dezember 2024). Am 21. Dezember ernannte die Übergangregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anführers Ahmed Al-Scharaa (Al-Jazeera, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember legte Al-Sharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syrien einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten (AP, 29. Dezember 2024). Die Ausarbeitung einer solchen könnte bis zu drei Jahren in Anspruch nehmen. Die Rebellengruppe HTS soll im Rahmen eines nationalen Dialogs aufgelöst werden (DiePresse.com, 29. Dezember 2024).

Al-Sharaa erklärte am 17. Dezember, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden (The Guardian, 17. Dezember 2024, DiePresse.com, 24. Dezember 2024). Am 29. Dezember sagte Al-Sharaa in einem Interview aus, dass das syrische Verteidigungsministerium plant, auch die kurdischen Streitkräfte in seine Reihen aufzunehmen. Es gebe Gespräche mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zur Lösung der Probleme im Nordosten Syriens (Kurdistan24, 29. Dezember 2024). Am 10. Jänner 2025 bestätigte der Kommandeur der SDF, Mazloum Abdi, dass sich seine Streitkräfte in ein umstrukturiertes syrisches Militär integrieren würden (Shafaq News, 10. Jänner 2025). AFP berichtete am 8. Jänner, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room, einer Koalition bewaffneter Gruppen aus der südlichen Provinz Daraa, die am 6. Dezember gebildet wurde, um beim Sturz Assads zu helfen, die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen (France24, 8. Jänner 2025).

Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen sind einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren (France24, 30. Dezember 2024, DiePresse.com, 30. Dezember 2024).

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren (The New Arab, 7. Jänner 2025). Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivisten zeigten sich besorgt über die Reformen (BBC News, 2. Jänner 2025).

Kontrolle der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF)

Die von der Türkei unterstütze Syrische Nationalarmee (SNA) führte ihre Offensive gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) und das Gebiet der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) fort. Die SNA nahm in den vergangenen Tagen Gebiete der nordwestlichen Region Shahba sowie die Stadt Manbidsch ein. Mit 10. Dezember griffen SNA-Kämpfer den strategisch wichtigen Tischreen-Staudamm unter kurdischer Kontrolle in der Provinz Aleppo an (Rudaw, 10. Dezember 2024), und rückten auf die Stadt Kobane vor (Al-Monitor, 10. Dezember 2024). Am 11. Dezember kam es nach Vermittlungen der US-Behörden zu einem Waffenstillstand in der Stadt Manbidsch. Das Abkommen sieht den Abzug der (mit den SDF verbundenen) „Manbij Military Council Forces“ vor (SOHR, 11. Dezember 2024). Am 17. Dezember wurde dieser Waffenstillstand bis zum Ende derselben Woche verlängert (Reuters, 17. Dezember 2024). Am 18. Dezember trat ein Waffenstillstandsabkommen in der Region Ain Al-Arab (auch Kobani) in Kraft (SOHR, 18. Dezember 2024). Die SDF warfen der Türkei und ihren Verbündeten vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten und ihre Angriffe südlich von Kobani fortzusetzen. Zur gleichen Zeit gingen Einwohner der nordostsyrischen Stadt Qamischli auf die Straße, um den Widerstand der SDF gegen die Angriffe protürkischer Kämpfer in der Region zu unterstützen (France24, 19. Dezember 2024). Am 21. Dezember wurden laut SDF fünf ihrer Kämpfer bei Angriffen durch von der Türkei unterstützte Streitkräfte auf die Stadt Manbidsch getötet (Reuters, 21. Dezember 2024). Das Pentagon erklärte am 30. Dezember, dass der Waffenstillstand zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten SDF rund um die Stadt Manbidsch anhält (Reuters, 30. Dezember 2024). Am selben Tag behauptete die SDF, dass die Türkei zwei Militärstützpunkte in der Nähe von Manbidsch aufbaut und mehrere Militärfahrzeuge und Radarsystem von den SDF zerstört wurden (Rudaw, 30. Dezember 2024). Zur gleichen Zeit kam es erneuten Schusswechseln zwischen von der Türkei unterstützen Streitkräften und den SDF. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) griffen türkische Streitkräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen das Dorf al-Terwaziyah südlich von Slouk im ländlichen Raqqa mit schwerer Artillerie und Maschinengewehren an, was anschließend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Spezialeinheiten der SDF drangen in Stellungen von durch die Türkei unterstützen Fraktionen im Dorf Al-Reyhaniyah in der Nähe von Tel Tamer in der Provinz Hasaka ein (Kurdistan24, 30. Dezember 2024). Anfang Jänner kamen bei Zusammenstößen in mehreren Dörfern rund um die Stadt Manbidsch über hundert Menschen ums Leben (The New Arab, 5. Jänner 2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von heftigen Kämpfen in der Region von Manbidsch zwischen der SNA und der SDF und steigenden Opferzahlen (Shafaq News, 9. Jänner 2025).

Am 11. Dezember übernahm die Koalition ehemaliger oppositioneller Kräfte unter der Führung der HTS die vollständige Kontrolle der ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor (Al Jazeera, 11. Dezember 2024). Im Osten der Provinz Deir ez-Zor kam es zu Demonstrationen und der Forderung, die von HTS geführten Streitkräfte sollten die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Einige Kommandanten der SDF seien in Folge desertiert (Syria Direct, 13. Dezember 2024).

Israelische Angriffe in Syrien

Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt (BBC News, 11. Dezember 2024). Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert (Enab Baladi, 10. Dezember 2024; Reuters, 10. Dezember 2024). In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember griff Israel Dutzende Ziele in Syrien mit Luftangriffen an. Den Luftangriffen ging eine Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe (The Guardian, 15. Dezember 2024; siehe auch: BBC News, 15. Dezember 2024). Am 20. Dezember schossen israelische Streitkräfte auf DemonstrantInnen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone (The Guardian, 21. Dezember 2024). Am 29. Dezember griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich Zivilisten, getötet (Euro News, 29. Dezember 2024). Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30. Dezember tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros (Shafaq News, 30. Dezember 2024).

Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)

Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum Tausende syrischer Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige SyrerInnen in den Libanon (UNHCR, 11. Dezember 2024).

Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17. Dezember über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen (UN News, 17. Dezember 2024).

Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe (UNICEF, 18. Dezember 2024).

Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23. Dezember weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30. Dezember in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Latakia und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder (UN News, 30. Dezember 2024).

Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27. November haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%) (UNHCR, 30. Dezember 2024).

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein (UN News, 8. Jänner 2025).

Weiteres

Human Rights Watch bestätigt am 16. Dezember den Fund eines Massengrabs im südlichen Damaskus (HRW, 16. Dezember 2024).

Am 18. Dezember startete der erste kommerzielle Flug seit dem Sturz von Baschar Al-Assad, ein Inlandsflug nach Aleppo, vom Flughafen Damaskus (Al-Jazeera, 18. Dezember 2024).

Am Abend des 23. Dezember setzten Unbekannte in Al-Suqaylabiyah in der Provinz Hama einen öffentlichen Weihnachtsbaum in Brand. Eine Person sei festgenommen worden, hieß es aus Kreisen der örtlichen Sicherheitsbehörden. Der Baum solle ausgebessert werden. Es würden keine Beleidigungen irgendeines Teils des syrischen Volkes geduldet.

Mit der Machtübernahme der HTS fürchteten Christen und andere Minderheiten Repressionen. „Wir haben das Recht, Angst zu haben“, sagte Priester Andrew Bahi der dpa in Damaskus. Die Atmosphäre bleibe weiterhin zweideutig. Die Aussagen der neuen Führung seien jedoch beruhigend. HTS-Anführer Ahmed al-Sharaa, auch bekannt als Abu Mohammed al-Golani, hatte nach Assads Sturz wiederholt betont, alle Volksgruppen in dem gespaltenen Land müssten respektiert und berücksichtigt werden. Ein christlicher Bewohner von Damaskus sagte, bisher habe es keine Beleidigungen oder Auseinandersetzungen mit der von den Rebellen gebildeten Übergangsregierung gegeben. „Wir haben die Geschäfte und Häuser nicht so dekoriert, wie wir es gewohnt sind, obwohl uns niemand davon abgehalten hat“, sagte er. Auf Social Media kursierten aber Berichte, die ihm Angst machten (DiePresse.com, 24. Dezember 2024).

Ebenfalls rund um Weihnachten soll Berichten zufolge in Nordsyrien ein alawitischer Schrein in Brand gesetzt worden sein, was zu Protesten Tausender Alawiten an mehreren Orten des Landes führte. In Homs soll ein Demonstrant getötet worden sein, als Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten, um die Menge zu zerstreuen. Die neue Regierung verhängte eine Ausgangssperre und sprach von „Gerüchten“, die von Assad-Anhängern ausgenützt würden, um das Land zu destabilisieren. Wer genau für den Angriff verantwortlich sei, bleibe laut Innenministerium unklar (ZEIT ONLINE, 25. Dezember 2024).

Am 27. Dezember töteten Anhänger von Baschar Al-Assad 14 Menschen bei Zusammenstößen mit Soldaten der neuen Regierung im Westen des Landes, nahe der Stadt Tartus (BBC News, 27. Dezember 2024).

Syriens neuer Geheimdienstchef Anas Khattab hat die Auflösung aller Geheimdienstorganisationen und eine grundlegende Neuorganisation angekündigt (DiePresse.com, 29. Dezember 2024).

Die Übergangsregierung in Syrien hat erstmals eine Frau zur geschäftsführenden Direktorin der Zentralbank ernannt. Maysaa Sabrine habe bereits zuvor wichtige Ämter in der Bank innegehabt, darunter die Position der ersten stellvertretenden Direktorin, teilte die Regierung unter der Führung der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) weiter mit. Die Zentralbankchefin ist bereits die zweite Frau in einer Schlüsselposition der neuen Regierung, die das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Bashar al-Assad übernommen hat. Anfang Dezember war Aisha al-Dibas zur Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten ernannt worden (DiePresse.com, 30. Dezember 2024).

Am 7. Jänner 2025 landete der erste international Flug seit der Absetzung von Al-Assad auf dem international Flughaften von Damaskus (Al-Jazeera, 7. Jänner 2025).

Anfang Jänner erteilten die USA eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, eine sogenannte Generallizenz, um humanitäre Hilfe nach dem Ende der Herrschaft von Bashar al-Assad in Syrien zu ermöglichen. Die Ausnahme, die bis zum 7. Juli gültig ist, erlaubt bestimmte Transaktionen mit Regierungsinstitutionen, darunter Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsunternehmen auf Bundes-, Regional- und lokaler Ebene sowie mit HTS verbundenen Einrichtungen in ganz Syrien. Zwar wurden keine Sanktionen aufgehoben, die Lizenz erlaubt jedoch auch Transaktionen im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Speicherung oder der Spende von Energie, einschließlich Erdöl und Strom, nach oder innerhalb Syriens. Darüber hinaus erlaubt sie persönliche Überweisungen und bestimmte energiebezogene Aktivitäten zur Unterstützung der Wiederaufbaubemühungen (Reuters, 6. Jänner 2025). Nach der Ausnahme von den Sanktionen kündigte Katar eine Hilfe bei der Finanzierung einer 400-prozentigen Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Sektor an, die die syrische Übergangsregierung zugesagt hatte (Reuters, 7. Jänner 2025).

Weitere aktuelle Entwicklungen in Syrien:

Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.

Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 07.01.2025 wieder aufgenommen.

Seit dem Machtwechsel am 08.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise 115.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.

1.2.11. Die Vereinigten Staaten von Amerika lockerten die Sanktionsbedingungen zur Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien für eine Dauer von sechs Monaten. Hilfsorganisationen und Firmen, die lebenswichtige Güter liefern, wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Kurz nach dem Machtwechsel versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.

Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.

Quellen:

Dass der syrische Geheimdienst aufgelöst werden soll, basiert auf den medial bekanntgewordenen Aussagen des neu ernannten Geheimdienstchef Anas Chattab. [Tagesschau 29.12.2024] Dieser beklagte „die Unterdrückung und Tyrannei des alten Regimes" unter Assad und kündigte damit eine Neuorganisation des Sicherheitsapparats an. "Die Sicherheitsdienste des alten Regimes waren zahlreich und vielfältig, aber allen war gemeinsam, dass sie dem Volk aufgezwungen wurden, um es fünf Jahrzehnte lang zu unterdrücken", so Chattab.

Offizielle Besuche diplomatischer und politischer Vertreter aus dem Westen und Nachbarländern Syriens, allen voran die Reise der deutschen Außenministerin sowie des französischen Außenministers nach Damaskus, sowie der Besuch des libanesischen Premierministers, sind ebenso breit medial bekannt geworden [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024], [ENR 03.01.2025], [Reuters 11.01.2025]. Ebenso wie der kürzlich erfolgte Besuch von Vertretern der syrischen Übergangsregierung in der Türkei [FR 17.01.2025].

Der Umstand, dass der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus am 07.01.2025 wiederaufgenommen werden konnte, am 11.01.2025 der erste kommerzielle Flug seit 13 Jahren der Fluglinie Qatar Airways landete und künftig dreimal wöchentlich eine Verbindung zwischen Doha und Damaskus geplant ist, lässt ebenso auf eine Normalisierung und Aufnahme internationaler Beziehungen schließen [NZZ 11.01.2025], [Qatar 02.01.2025], [ORF 07.01.2025].

Der Umstand, dass sich viele geflüchtete Syrer auf dem Weg zurück in ihre Heimat machen, ist insbesondere dem UNHCR Regional Flash Update #8 vom 02.01.2025 zu entnehmen. Demnach kehren ganze Familien, aber auch Frauen und Kinder allein nach Syrien zurück, während Familienväter zwischenzeitlich noch im Ausland verbleiben, um finanzielle Mittel für den Neubeginn in Syrien zu erwirtschaften [UNHCR Flash Update #8].

Dass die Vereinigten Staaten von Amerika Teile der Sanktionen im Hinblick auf die Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien lockerten, ist medialen Berichten wie etwa [TA 06.12.2024], [Die Presse 07.01.2025] sowie dem Iran Update vom Institute for the Study of War vom 07.01.2025 zu entnehmen.

Die friedlich abgehaltenen Demonstrationen sind ebenso medialen Berichten zu entnehmen: [TAZ 20.12.2024], [FAZ 20.12.2024].

Die Feststellung, dass sich die HTS ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat [LMD 01/2025] und sich im Gesamten sehr gemäßigt präsentiert, folgt insbesondere aus der Annäherung westlicher politischer und diplomatischer Vertreter sowie medial bekannt gewordene Äußerungen von Vertretern der Übergangsregierung sowie dem Umstand, dass keine gegenteiligen Berichte internationaler Medien und Organisationen hervorgekommen sind. Ebenso basiert die Feststellung, dass die neue Übergangsregierung versprach, Minderheiten zu schützen, auf medial bekanntgewordene Aussagen hochrangiger Vertreter der HTS. [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024].

Allerneueste Entwicklungen (NZZ online, 28.01.2025):

Erstmals seit dem Sturz von Bashar al Asad ist eine Delegation des russischen Aussenministeriums in Damaskus zu Gesprächen mit den neuen Machthabern eingetroffen. Der Status der russischen Militärbasen in Syrien ändere sich vorerst nicht, teilte Vizeaussenminister Michail Bogdanow, einer der zwei Delegationsleiter, nach den Sondierungsgesprächen am Dienstag (28. 1.) mit. «Das ist eine Frage weiterer Verhandlungen.» Moskau setze auf eine weitere Zusammenarbeit.

Die Aussenminister der EU-Staaten haben eine schrittweise Lockerung von Sanktionen gegen Syrien gebilligt. Das am Montag (27. 1.) bei einem Treffen in Brüssel vereinbarte Vorgehen sieht vor, den neuen Machthabern Anreize zu geben, eine echte Demokratie in Syrien aufzubauen. Dabei besteht auch die Hoffnung, dass Hunderttausende syrische Flüchtlinge in der EU eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sagte nach dem Treffen, die Lockerungen sollten den Wiederaufbau erleichtern und Syrien helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Zugleich betonte sie, der Plan beinhalte auch, Lockerungen wieder rückgängig zu machen, wenn die neuen Machthaber Schritte einleiten, die aus EU-Sicht in die falsche Richtung gehen. Zu den Sanktionen, die aufgehoben werden sollen, gehören demnach vor allem Massnahmen, die die Energieversorgung negativ beeinträchtigen und den Personen- und Warenverkehr erschweren. Zudem sind auch Lockerungen für den Bankensektor geplant.

Bewaffnete Gruppen in Syrien haben einen Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Atta al-Hariri habe den IS im Osten Syriens angeführt, hiess es aus Quellen in der syrischen Übergangsregierung. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London, die die Lage in Syrien mit einem Netzwerk aus Aktivisten verfolgt, bestätigte am Montag (27. 1.) die Festnahme und Details der Aktion.

Bei mutmasslichen Racheakten in Syrien sind 39 Personen getötet worden. Dies berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag (27. 1.). Die Gewalt soll sich gegen Anhänger des gestürzten Präsidenten Bashar al-Asad und Mitglieder religiöser Minderheiten gerichtet haben. In dem Zusammenhang spricht die Beobachtungsstelle von Hinrichtungen und «willkürlichen Massenverhaftungen». Die Taten hätten sich Mitte vergangener Woche rund um die Grossstadt Homs ereignet und wurden laut der Beobachtungsstelle von militanten Gruppen verübt, die keine Anhänger der neuen Übergangsregierung sein sollen. Unabhängige Bestätigungen liegen derzeit nicht vor.

Bei einem israelischen Luftangriff im Süden Syriens sind laut Angaben von Aktivisten am Mittwoch (15. 1.) mindestens drei Personen getötet worden. Der Drohnenangriff in der Provinz Kunaitra habe einen syrischen Militärkonvoi mit Soldaten der neuen Übergangsregierung getroffen, meldete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Eine weitere Person sei schwer verletzt worden. Israels Militär machte zunächst keine Angaben zu Opfern.

In der syrischen Hauptstadt Damaskus ist am Samstag (11. 1.) ein terroristischer Anschlag des IS auf die Sayeda-Zinab-Moschee vereitelt worden. Das meldet die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf den Geheimdienst. Die IS-Mitglieder seien verhaftet worden, bevor sie das Attentat ausüben konnten.

Aus: Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Stand 27.03.2024:

Allgemeine Menschenrechtslage

[…]

Teile der SDF, einer Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheiten, zu der auch Mitglieder der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gehören, sollen ebenfalls für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein, darunter Angriffe auf Wohngebiete, willkürliche Inhaftierungen, Misshandlungen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten sowie Einschränkungen der Versammlungs- und Redefreiheit wie auch die willkürliche Zerstörung von Häusern. Die SDF untersuchen die meisten gegen sie vorgebrachten Klagen, und einige SDF-Mitglieder werden wegen Misshandlungen angeklagt, wozu aber keine Statistiken vorliegen (USDOS 20.3.2023). Die SDF führten im Jahr 2023 willkürliche Verhaftungen von Zivilisten, darunter Journalisten durch (HRW 11.1.2024). Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt jedoch laut Einschätzung des Auswärtigen Amtes erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer und dschihadistischer Gruppen befinden (AA 29.3.2023). Im Nordosten Syriens dokumentierte die CoI im Berichtszeitraum mehrere Todesfälle in den Zentralgefängnissen von Hasakeh und Raqqa und stellt fest, dass diese möglicherweise auf schlechte Behandlung oder Folter zurückzuführen sein könnten. Laut SNHR seien im Gewahrsam der SDF / Partei der Demokratischen Union (PYD) seit März 2011 insgesamt 96 Menschen durch Folter zu Tode gekommen. Kontakte der Botschaft berichteten zudem von Repressionen durch die kurdische sogenannte „Selbstverwaltung“ (AANES) gegen politische Gegner, wie z.B. Angehörige von Oppositionsparteien. Daneben kritisiert die CoI in ihrem jüngsten Bericht auch die, ihrer Einschätzung nach, menschenrechtswidrige Inhaftierung und Behandlung zehntausender IS-Affiliierter in nordostsyrischen Haftanstalten und lagerähnlichen Camps (AA 2.2.2024). Obwohl der Spielraum der Redefreiheit etwas größer ist, als in Gebieten unter Kontrolle der Regierung oder extremistischer Gruppierungen, schränkt die PYD und einige andere Oppositionsfraktionen Berichten zufolge auch die Redefreiheit ein. So suspendierte die PYD-geführte Verwaltung im Februar 2022 die Lizenz der im Nordirak ansässigen Rudaw-Mediengruppe unter dem Vorwurf der Falschinformation und Aufhetzung. Mitte März 2022 verlangte dieselbe Verwaltung von JournalistInnen den Beitritt zur Union of Free Media, welche sich unter ihrem Einfluss befindet (FH 9.3.2023).

[…]

Beweiswürdigung:

Die wesentlichen Angaben des BF hinsichtlich seiner Herkunft, seiner persönlichen Verhältnisse, Familie und der Ausreise in die Türkei und nach Österreich waren glaubwürdig und nachvollziehbar und konnten den Feststellungen zu Grunde gelegt werden.

Der Umstand, dass der Heimatort des BF unter Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung steht, beruht auf den Informationen von syria.liveuamap.com, die durch die Angaben des BF bestätigt wurden.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF beruhen auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen des Strafregisters.

Zu den behaupteten Flucht- bzw Asylgründen:

Der BF machte folgende Flucht- bzw. Asylgründe geltend:

Im Rahmen des Asylantrages: „Reservemilitärdienst“.

Im Rahmen seiner Befragung vor dem BFA: Er werde von Seiten des syrischen Regimes, das nur zwei Kilometer von der Ortschaft des BF entfernt sei, wegen Teilnahme an Demos und wegen dem Reservedienst gesucht. Weiters habe der BF auch mit den Kurden in seinem Dorf Probleme, wobei es Mitte Juli 2022 zu einem Vorfall gekommen sei (siehe unten).

Im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid: Der BF habe nach Ausbruch der Revolution an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen und seine gegenüber dem Assad-Regime oppositionelle politische Überzeugung öffentlich kundgetan. Er sei auch vom Dorfvorsteher wegen der Einberufung zum Reservedienst informiert worden, habe sich aber aus Gewissensgründen geweigert, diesen anzutreten. Weiters wird auch hier auf einen Vorfall im Sommer 2022 Bezug genommen (siehe unten).

Nach dem Sturz des Assad-Regimes Anfang Dezember 2024 und diesbezüglicher Konfrontation des BF im Rahmen eines individuellen Parteiengehörs, führte dieser in seiner Stellungnahme vom 02.01.2025 zusammengefasst aus, ihm drohe nunmehr keine Einziehung zum Reservedienst in der syrischen Armee mehr, aber weiterhin asylrelevante Verfolgung durch kurdische Akteure. Hier bezog sich der BF neuerlich auf den „Vorfall im Sommer 2022“, weil es wahrscheinlich sei, dass die Notwehrhandlung des BF gegen ein führendes Mitglied der Kurden als Widerstand gegen eine Angelegenheit der Kurden aufgefasst werden könne.

Eine Verfolgung durch das syrische Regime bzw. wegen Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen ist aber schon deshalb auszuschließen, weil das syrische Regime unter Präsident Assad infolge der erfolgreichen Großoffensive der HTS Ende November/Anfang Dezember 2024 nicht mehr existiert (siehe die obigen Länderfeststellungen). Der BF räumte in seiner Stellungnahme vom 03.01.2025 auch ein, dass angesichts der geänderten Lage in Syrien infolge des politischen Wandels im Dezember 2024 eine Einberufung in die syrische Armee nicht mehr zu befürchten sei.

Zu dem durch den BF nunmehr daher alleinig vorgebrachten Asylgrund im Bezug auf „die Kurden“ erfolgte eine ausführliche Befragung des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2025. In Zusammenschau des gesamten Verfahrens und insbesondere der Ergebnisse der Befragung des BF vor Gericht stellt sich der gesamte behauptete Vorfall sowie eine darauf gegründete Furcht vor „den Kurden“ als unglaubwürdig dar:

Anhaltspunkte für diesen Vorfall finden sich erstmals im Rahmen der Befragung vor dem BFA. Hier führte der BF nach der Ausführung, die Kurden würden die Araber diskriminieren und unmenschlich behandeln, aus, 2 Monate vor seiner Ausreise ca. Mitte Juli 2022 seien „die Kurden“ zu ihm nach Hause gekommen und hätten um zwei Uhr morgens von ihm verlangt, ein Auto „eines höherrangigen Kurden“ zu reparieren. Aus Angst habe er dies getan und zwar von zwei Uhr früh bis 15:00 Uhr nachmittags und als er Geld verlangt habe, hätten „sie“ ihm ganz wenig Geld gegeben, ihn beschimpft und erniedrigt, als er mehr Geld verlangt habe. Das „höherrangige Mitglied der Kurden“ habe ihn gestoßen und geschlagen. Er habe das nicht ausgehalten und zurückgeschlagen. Seitdem würden „sie“ ihn suchen. Über weitere Befragung gab er an, das „höherrangige Mitglied der Kurden“ habe den Spitznahmen „Abu Schiar“ gehabt, den wahren Namen kenne er nicht. Der BF habe ihn gestoßen, nachdem er von diesem so provoziert und diskriminiert worden sei. Der Kurde werde nur leichte Verletzungen erlitten haben. Über Frage, ob die Kurden den BF nach dem Vorfall aufgesucht hätten, bejahte er dies, sie hätten ihn zehn bis fünfzehn Mal aufgesucht, er sei aber gleich nach dem Vorfall nach „Ras Al-Ain“ geflüchtet. Seine Familie sei in Ruhe gelassen worden.

Die Vernehmungsdauer vor dem BFA betrug etwa eineinhalb Stunden, eine Rückübersetzung ist dokumentiert.

Die belangte Behörde schloss auf die Unglaubwürdigkeit des BF in Bezug auf den genannten Vorfall alleine daraus, dass dieser die „Geschichte“ erstmalig in der Einvernahme vor dem BFA vorgebracht habe und die Angaben sehr vage und oberflächlich gewesen sein. Gegen eine Verfolgung spreche auch der Umstand, dass die gesamte Familie des BF nach wie vor im Heimatort lebe und keine Probleme habe.

Im Rahmen der Beschwerde führte der BF durch seine Vertretung aus, bei dem Streit zwischen dem BF und dem höherrangigen Mitglied der Kurden im Sommer 2022 habe der BF „aus Notwehr“ zurückgeschlagen und nun Angst, dass ihm aufgrund seines Verhaltens von den Kurden eine oppositionelle politische Überzeugung unterstellt werde.

Diese Diktion übernahm der BF auch im Rahmen der Stellungnahme vom 02.01.2025.

In der Verhandlung vom 29.01.2025 wurde dem BF einerseits ausführlich Gelegenheit gegeben, den Vorfall aus Eigenem zu schildern, es wurden Nachfragen gestellt und es wurde versucht, die Situation vor Ort nachvollziehbar zu machen.

Dabei gab der BF zum Vorfall im Wesentlichen an: Um drei Uhr morgens sei ein kurdischer Offizier zu ihm gekommen, der von ihm eine Autoreparatur verlangt habe. Der BF habe den Motor „austauschen“ müssen und beim Zahlen habe der Kurde gesagt, er würde ihn „umlegen“, woraufhin der BF ihn geschlagen habe und nach Al-Hassakah geflüchtet sei, von dort dann nach Ras Al-Ain. Es sei nur dieser eine Offizier gekommen. Im Rahmen der näheren Befragung gab der BF an, der Kurde sei der Leiter einer Art Polizeiinspektion gewesen. Er habe sein kaputtes Auto mit einem anderen Auto am Seil gezogen. Über Vorhalt, dass man ein Auto nicht am Seil ziehen könne, ohne dass dieses gelenkt werde, räumte er ein, dass in diesem Fahrzeug eine zweite Person gesessen sei, aber nur bei der Werkstätte. Als Fahrzeug-Typ des zu reparierenden Autos konnte er nur „Toyota Pick Up“ nennen. Bei der Auseinandersetzung zur Bezahlung habe der Mann den BF gestoßen und gesagt, er werde „euch Araber umlegen“. Der BF habe ihn zurückgestoßen, worauf dieser zu Boden gefallen sei. Der BF habe schnell sein Fahrzeug genommen und sei geflüchtet. Über Nachfrage gab der BF an, der Kurde habe ihn mit seinen Armen gestoßen und auch in seine Richtung getreten.

Zunächst ist zur allgemeinen Glaubwürdigkeit des BF auszuführen, dass dieser betreffend die Situation seiner Familie nach den Verhältnissen seiner Eltern befragt wurde und der BF dazu angab, diese seien „mittelschichtig“. Aus dem verlesenen Erkenntnis betreffend den Bruder des BF, XXXX (I416 2290927 vom 16.07.2024, S. 3) wurde der BF gefragt, ob sein Vater eine Eisfabrik habe. Dies verneinte der BF auf mehrere Fragen (Protokoll S. 6). Erst nach Einsicht in das diesbezügliche Protokoll im Verfahren 2290927, in dem der Bruder des BF dies ausdrücklich ausgeführt hat, gab der BF an, sein Vater habe ein Stück Land gekauft, damit sie eine Eisfabrik errichten, das hätten sie aber nicht getan.

Bereits die mehrmalige Verleugnung der Thematik „Eisfabrik“, sei sie auch allenfalls nur geplant gewesen, bis zur diesbezüglichen Konfrontation mit der Aussage des Bruders ist ein massives Indiz für die mangelnde generelle Glaubwürdigkeit des BF.

Betreffend den Vorfall im Zusammenhang mit der Reparatur und dem Streit über die Bezahlung fielen zunächst (vor Befragung des BF vor Gericht) vor allem die diesbezüglich sehr vagen Angaben im Verlauf der letztendlich behaupteten körperlichen Auseinandersetzung auf.

Folgende wesentliche Divergenzen zwischen den bisherigen Aussagen und Behauptungen des BF und den nunmehrigen Ergebnissen der Befragung sind wesentlich:

Vor dem BFA sprach der BF mehrfach davon, „die Kurden“ (Mehrzahl) seien zu ihm nach Hause gekommen, hätten von ihm die Autoreparatur verlangt und hätten ihm ganz wenig Geld gegeben. Der BF räumte selbst vor Gericht ein, das Befragungsprotokoll vor dem BFA sei dem BF rückübersetzt worden und der Inhalt sei richtig (Protokoll, S. 3) und gab an, nur eine Person sei zu ihm gekommen. Wäre tatsächlich diese Person mit einem nachgezogenen Fahrzeug, in dem sich eine weitere Person befunden hätte, gekommen, so hätte die Antwort des BF auf die Frage, wie viele Personen zu ihm gekommen seien und ihn aufgefordert hätten, das Auto zu reparieren, nicht „nur dieser Offizier“ lauten müssen. Wenn dem BF tatsächlich bekannt gewesen wäre, dass es sich um den „Leiter einer Polizeiinspektion“ gehandelt hätte, hätte er nicht mehrmals vor dem BFA sowie in der Beschwerde angegeben, es handle sich um ein „höherrangiges Mitglied der Kurden“. Selbst unter syrischen Verhältnissen es nicht nachvollziehbar, dass unangekündigt eine umgehende Reparatur eines Motorschadens um zwei oder drei Uhr in der Nacht beauftragt würde, weil eine solche idR die Herbeischaffung von Ersatzteilen bedingt und somit unmittelbar nicht möglich ist.

Der BF gab weiters erstmals vor Gericht an, der Kurde habe in seine Richtung auch „getreten“, während er vor dem BFA lediglich angab, dieser habe ihn gestoßen und geschlagen. Den näheren Verlauf der Auseinandersetzung gab der BF weder im bisherigen Verfahren noch nunmehr vor Gericht nachvollziehbar trotz Nachfrage an.

Letztlich gab er auch erstmals vor Gericht an, er wäre zunächst nach Al-Hassakah geflohen (Protokoll, S. 7), wo er auch die nächste Nacht verbracht habe (Protokoll, S. 10). Vor dem BFA sprach er lediglich von Ras Al-Ain.

Aufgrund der bereits gegebenen allgemeinen mangelnden Glaubwürdigkeit, insbesondere aber der zahlreichen dargestellten Widersprüche und Implausibilitäten geht das Gericht davon aus, dass der behauptete Vorfall insgesamt nicht stattgefunden hat und somit auch keinen Grund bilden könnte, dass der BF eine gegründete Furcht vor den kurdischen Milizen hat.

Was eine generelle Diskriminierung von Arabern durch Personen kurdischer Volkszugehörigkeit bzw. Angehörige der kurdischen Selbstverwaltung betrifft, so geht eine solche aus den einschlägigen Länderberichten im Übrigen nicht hervor: Der auch im LIB (S. 159) zitierte ACCORD-Bericht vom 06.09.2023 zu a-12188-v2 spricht zwar einerseits – unter Verweis auf einen Experten – von „Beleidigungen und Gewalt“ gegen arabische Wehrdienstverweigerer durch die Kurden; andererseits ist dort aber auch von „mehr Flexibilität“ der Kurden gegenüber Arabern die Rede, um einen Aufstand zu vermeiden, zumal arabische Stammesführer lokal die Macht hätten und für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken würden. Schon im Hinblick auf die umfangreiche arabische Population im Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung, wobei es laut LIB (S. 57, 60) jüngst sogar zu monatelangen gewaltsamen Konflikten „zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor“ samt zeitweisen Gebietskontrollen durch diese Stämme gekommen ist, ist jedenfalls nicht von einem generellen Machtgefälle zwischen Arabern und der kurdischen Selbstverwaltung auszugehen. Eine großflächige ethnische Diskriminierung seitens der in der syrischen Gesamtbevölkerung ohnehin selbst eine Minderheit darstellenden Kurden ergibt sich aus den Länderinformationen ebenfalls nicht. Die jüngsten politischen Entwicklungen in Syrien machen eine solche Diskriminierung noch unwahrscheinlicher, zumal die kurdische Verwaltung nach dem Sturz des Assad-Regimes auf die Zusammenarbeit mit der nunmehr regierenden HTS und damit der arabischen Mehrheitsbevölkerung angewiesen ist, um sich gegenüber der Türkei behaupten zu können.

Auch der Verweis des BF auf die oben zitierte Quelle (Middle East Institute) ist nicht geeignet, Asylrelevanz im Bezug auf den BF zu begründen, zumal der behauptete Vorfall im Bezug auf die Kurden insgesamt nicht glauwürdig war.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen stützen sich auf die auszugsweise wiedergegebenen aktuellen Länderberichte zu Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes sowie rezente Medienberichte samt den dazu angeführten Quellen. Das durch den Machtwechsel veraltete LIB vom 27.03.2024 wurde dort zitiert, wo sich trotz dieses Machtwechsels keine wesentliche Änderung ergeben hat und es daher nach wie vor Aktualität besitzt, oder wo es um einen Vergleich mit der Situation vor dem Machtwechsel geht.

Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen dort wiedergegebenen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Dem ist der BF auch nicht entgegengetreten.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder ein Asylausschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen (vgl. zum Ganzen VwGH 28.3.2023, Ra 2023/20/0027, mwN). Der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung kann asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124; 23.01.2019, Ra 2019/19/0009; vgl. jüngst auch VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548). Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009 m.w.N.; Putzer, Leitfaden, Asylrecht, 2. Auflage [2011], Rz 97; EuGH 26.02.2015, C-472/13, Shepherd). Auch dem Zwang zum Vorgehen gegen Mitglieder der eigenen Volksgruppe kann Asylrelevanz zukommen (vgl. VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124 m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt AZ 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht.

Für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch die seitens der Verfolger dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant.

Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken (VwGH Ro 2022/18/0002). Allerdings kann auch die Anwendung einer durch Gesetz für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleich treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen „Verfolgung“ im Sinn der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. etwa VwGH 23.5.2023, Ra 2023/20/0110, mwN).

Zur Wehrdienstverweigerung bei der syrischen Armee bzw. sonstigen Verfolgung durch das Assad-Regime:

Wie festgestellt, existiert das syrische Regime unter Präsident Assad seit dem Umsturz im Dezember 2024 nicht mehr. Der Befürchtung der Einberufung zu einem Militärdienst mit der Gefahr der Heranziehung zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist damit der Boden entzogen. Eine Verfolgung (aus welchen Gründen immer) seitens des nicht mehr vorhandenen Regimes ist daher nicht anzunehmen, was der BF ohnehin im Rahmen seiner Stellungnahme am 02.01.2025 einräumte.

Zur behaupteten Verfolgung durch die kurdischen Milizen:

Für eine solche Befürchtung besteht mangels Feststellbarkeit der diesbezüglichen Behauptungen keinerlei Tatsachengrundlage.

Im Umstand, dass im Heimatland des BF Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, dass eine neuerliche Lageveränderung durchaus möglich ist und dass noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 gab es allerdings – von den Kämpfen zwischen der SNA und den SDF im Norden abgesehen – keine größeren Kampfhandlungen mehr. Schon aufgrund der zu erwartenden weiteren Volatilität der politischen Verhältnisse in Syrien wäre es untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wird durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN; Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten Beschwerdeführer in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.

Dem BF ist es daher nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Dabei hat der BF sein Asylvorbringen im Rahmen der Stellungnahme vom 2.1.2025 ohnehin auf den letztlich nicht glaubwürdigen Vorfall mit den/einem Kurden beschränkt.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides kommt daher insgesamt gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 kein Erfolg zu.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren und im Rahmen der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH entschieden wurde.

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