JudikaturBVwG

W602 2289067-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 2025

Spruch

W602 2289067-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte GSTREIN über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Eritrea, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2024, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Eritreas, reiste illegal nach Österreich ein, stellte am 09.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde dazu am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Nach einer Beschwerde bei der Volksanwaltschaft aufgrund der langen Bearbeitungsdauer seines Antrages erfolgte am XXXX 2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Tigrinisch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinen Gründen für seinen Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt). Dabei legte der Beschwerdeführer Integrationsnachweise sowie Kopien von einem Ausweis der Familie, einem Ausweis seines Vaters, einem Flüchtlingsausweis der Ehefrau, einer Aufenthaltsbestätigung aus Israel, Taufbestätigungen der Kinder sowie einer Heiratsurkunde vor.

Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.02.2024 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Der Bescheid wurde am 27.02.2024 rechtswirksam zugestellt.

Mit dem am 19.03.2024 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom selben Tag erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde wurde mit dem Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und langte am 26.03.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Stellungnahme vom 10.04.2025 langten weitere Integrationsunterlagen beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am Bundesverwaltungsgericht fand am 07.05.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer mit seiner rechtlichen Vertretung und ein Dolmetscher für die Sprache Tigrinisch teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Der Beschwerdeführer legte einen eritreischen Führerschein als Beweismittel vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Eritrea, gehört der Volksgruppe der Tigrinya an und bekennt sich zur Glaubensrichtung des orthodoxen Christentums. Seine Identität steht nicht fest. Seine Erstsprache ist Tigrinisch. Der Beschwerdeführer spricht auch etwas Englisch und Hebräisch, er lernt Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX in Eritrea geboren und im Familienverband aufgewachsen, dies ist sein Herkunftsort. Er besuchte zumindest elf Jahre die Schule und arbeitete in der familieneigenen Landwirtschaft. Die Familie des Beschwerdeführers lebt von der Landwirtschaft, sein Vater ist bereits verstorben, zwei Brüder arbeiten beim Militär. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau zwei gemeinsame Kinder, diese leben in Uganda. Der Beschwerdeführer hat ein Kind aus einer früheren Beziehung, das in seinem Herkunftsort lebt. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu allen Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt aus Eritrea nach Äthiopien aus und über den Sudan nach Israel, wo er sich mehrere Jahre aufhielt und erwerbstätig war. Danach lebte er mit seiner Ehefrau in Uganda. Schließlich reiste er über die Türkei, Griechenland und weitere Länder der sogenannten Balkanroute am 08.06.2022 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.06.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist gesund, er benötigt weder ärztliche noch medikamentöse Behandlung. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Erkrankung, die in seinem Herkunftsstaat keiner Behandlung zugänglich wäre.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten und im Bundesgebiet subsidiär schutzberechtigt.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat den verpflichtenden Nationaldienst in der Dauer von sechs Monaten militärische Ausbildung und zwölf Monaten Militär- oder Zivildienst absolviert. Es kann nicht festgestellt werden, wie lange der Beschwerdeführer danach noch im Nationaldienst eingesetzt war, er war aber zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Eritrea nicht mehr im Nationaldienst aktiv. Der Beschwerdeführer ist daher nicht vom Nationaldienst desertiert und wurde und wird deswegen auch nicht verfolgt. Nach seiner Entlassung aus dem Nationaldienst war er dem Reservedienst bzw. der, erst im Jahr 2012 nach seiner Entlassung gegründeten „Volksmiliz“ zugeteilt und hat sich mit seiner Ausreise aus Eritrea dem Reservedienst bzw. der Volksmiliz entzogen. Maßgeblich wahrscheinlich ist auch, dass er illegale aus Eritrea ausgereist ist.

Der Beschwerdeführer ist in Eritrea vor seiner Ausreise keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen, insbesondere war er in Eritrea nicht in Haft und wurde nicht gefoltert. Seine Familienangehörigen waren wegen seiner Ausreise aus Eritrea keinen Repressalien durch eritreische Behörden oder das Militär ausgesetzt.

Im Fall seiner Rückkehr besteht die maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass er wegen seiner illegalen Ausreise und der damit einhergehenden Entziehung vom Reservedienst bzw. der Volksmiliz bis zu fünf Jahre in Haft genommen und Folter, die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in der Haft angewandt wird, ausgesetzt sein wird. Eine Einziehung in den Reservedienst oder in die Volksmiliz im Fall seiner Rückkehr kann nicht ausgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat nicht aus politischen Gründen verlassen und waren auch keine politischen Gründe für die, mit dem Verlassen der Heimat einhergehenden Entziehung vom Reservedienst bzw. der Volksmiliz ausschlaggebend. Er hat sich bisher der eritreischen Regierung gegenüber nicht politisch oppositionell verhalten oder sich so geäußert. Das eritreische Regime unterstellt ihm auch keine oppositionelle Gesinnung, insbesondere auch nicht, weil er ihm gegenüber keine „Reueerklärung“ zur Inanspruchnahme einer freiwilligen Rückkehr abgeben wird. Ob der Beschwerdeführer bis dato regelmäßig Diasporasteuer von seinen im Ausland erzielten Einkünften und erhaltenen Sozialleistungen an den eritreischen Staat abgeführt hat, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und es drohen ihm weder aufgrund seines Religionsbekenntnisses noch seiner Volksgruppenzugehörigkeit, aus anderen politischen Gründen oder weil er einer bestimmten sozialen Gruppe zugehörig ist, oder aus Gründen seiner Nationalität oder Ethnie Probleme bzw. eine Verfolgung durch die Behörden Eritreas.

1.3. Zur für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Situation in Eritrea:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Eritrea (Stand 02.01.2024):

2. Politische Lage

Die Bertelsmann Stiftung (BS) beschreibt Eritrea als Überwachungsstaat samt Planwirtschaft wie autokratischem politischen System (BS 23.2.2022), das deutsche Auswärtige Amt spricht von einer „Einparteiendiktatur“ (AA 3.1.2022), und Freedom House (FH) von einem militarisierten autoritären Staat (FH 2023). Offiziell ist das Land eine Präsidialrepublik. Nachdem Eritrea, vormals italienische Kolonie, britisches Mandatsgebiet und autonome Region innerhalb des äthiopischen Kaiserreichs (CIA 6.12.2023), 1962 von Äthiopien annektiert wurde, entbrannte ein Unabhängigkeitskrieg für 30 Jahre, der am 24.5.1993 in die formelle sowie völkerrechtlich anerkannte Unabhängigkeit mündete (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022, CIA 6.12.2023). Anschließend wurde Isayas Afewerki, damals der Generalsekretär der „Eritrea People’s Liberation Front“ (EPLF), die seit den frühen 1980er-Jahren den Freiheitskampf dominiert hatte (BS 23.2.2022), von einer Übergangsnationalversammlung, die nicht gewählt wurde, zum Präsidenten ernannt, bis Wahlen nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung abgehalten werden konnten (FH 2023). Eine liberaldemokratische Verfassung wurde zwar von der provisorischen Nationalversammlung angenommen, sie ist aber bis dato nicht in Kraft getreten (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022, FH 2023, HRW 12.1.2023, USDOS 20.3.2023). Indessen wurden seit dem Unabhängigkeitsreferendum von 1993 keine Wahlen mehr auf nationaler Ebene abgehalten (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023).

Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien (Mai 1998 bis Juni 2000) ist der demokratische Prozess Eritreas zum Stillstand gekommen (AA 3.1.2022). Nach diesem ging Afewerki gegen führende Reformisten der „People’s Front for Democracy and Justice“ (PFDJ), wie die EPLF seit 1994 genannt wird, vor (BS 23.2.2023). Elf Mitglieder dieser G-15 genannten Gruppe altgedienter Politiker wurden damals verhaftet, nachdem sie den Präsidenten in einem offenen Brief aufgefordert hatten, die Verfassung zu vollziehen und freie Wahlen abzuhalten (AI 27.3.2023). Über ihr Schicksal, die sich seit 2001 in Isolationshaft befinden, gibt es keine Informationen, wobei angenommen wird, dass mehrere von ihnen im Gefängnis verstorben sind (UNHRC 6.5.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023). Präsident Afewerki ist daher bis heute ohne Wahlmandat im Amt (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022), und seine Herrschaft, besonders seit 2001, ist durch ein sehr autokratisches und repressives Vorgehen gekennzeichnet (CIA 6.12.2023). Seitdem hat er seine Macht weiter gefestigt, indem er den ganzen Staatsapparat unter seine Kontrolle gebracht hat (BS 23.2.2022). Afewerki regiert ohne demokratische Kontrolle, gestützt auf die Sicherheitsbehörden und den Apparat der PFDJ (AA 3.1.2022), welche als einzige Partei zugelassen ist (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022, USDOS 20.3.2023) und die gesamte politische Führung des Landes stellt. Andere politische Parteien sind verboten. Oppositionelle befinden sich, soweit sie nicht ins Ausland fliehen konnten, ohne Gerichtsverfahren wie Kontakt zur Außenwelt an unbekannten Orten in Haft [siehe Kapitel 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition und 13. Haftbedingungen, Anm.] (AA 3.1.2022), auch, weil es der gut organisierten Exilopposition weitgehend nicht gelungen ist, das Regime in Eritrea selbst herauszufordern (C24 8.4.2022).

Afewerki ist gleichzeitig Staats- wie Regierungschef, und steht dem Staatsrat, dessen Minister er ernennt, und der Nationalversammlung vor (CIA 6.12.2023). Allerdings regiert er Berichten zufolge nur mithilfe eines informellen Beraterzirkels, während der Staatsrat sowie die Sicherheitsbehörden seine Entscheidungen lediglich ausführen (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Laut der BS verwandelte er Eritrea in eine autoritäre Alleinherrschaft, wie z.B. durch eine systematische Militarisierung der Gesellschaft, instabile persönliche Netzwerke, eine Teile-und-herrsche-Politik entlang ethnischer, regionaler Linien [Cleavages, Anm.] oder seinen harten autoritären Regierungsstil samt totalitären Tendenzen. Der handverlesene Staatsrat hat grundsätzlich nur sehr wenig Entscheidungsbefugnis und das Amt des Verteidigungsministers ist seit 2014 unbesetzt, aber das Militär verfügt weiterhin über erhebliche politische Macht [siehe Kapitel 5. Sicherheitsbehörden, Anm.] (BS 23.2.2022).

Die stillgelegte Übergangsnationalversammlung ist seit 2022 nicht mehr zusammengekommen (BS 23.2.2022; vgl. AA 3.1.2022), ungeachtet dessen, dass die Verfassung von 1997 eine 150-köpfige Nationalversammlung vorsehen würde, welche den Präsidenten aus ihrer Mitte per Mehrheitswahl bestimmen sollte. Überdies würde sie einen Wahlausschuss verlangen, aber die Wahlgesetze sind ebenfalls noch nicht verabschiedet (FH 2023). Seit 1993 setzte die Regierung zweimal Wahlen an, sagte sie jedoch ohne Erklärung ab (USDOS 20.3.2023). Wahlen zur Nationalversammlung sind ob des Kriegs mit Äthiopien bis auf Weiteres verschoben (CIA 6.12.2023), Präsidentschaftswahlen wegen einer Gefährdung der nationalen Sicherheit (C24 8.4.2022). Kommunal- wie Wahlen zu den Regionalversammlungen finden regelmäßig statt (FH 2023). Gewählt werden hierbei Verwalter, Geschäftsführer und Dorfkoordinatoren. Alle Staatsbürger über 18 Jahren sind wahlberechtigt, und jene Wahlen werden in geheimer Abstimmung durchgeführt (USDOS 20.3.2023). Sie werden aber von der PFDJ sorgfältig inszeniert und bieten den Wählern daher keine echte Wahlmöglichkeit (FH 2023).

Die PDFJ ist innenpolitisch nur begrenzt gefordert, vornehmlich, da sie alle Formen des Dissenses unterdrückt (C24 14.4.2022). Eine Parteimitgliedschaft ist zwar nicht verpflichtend, wobei manche Personen, insbesondere diejenigen mit öffentlichen Ämtern, unter Druck gesetzt werden, der PDFJ beizutreten. Es wird berichtet, dass die Behörden Rekruten nach Beendigung des Wehrdienstes zu Hause aufsuchen und sie zuweilen zwingen, der Partei beizutreten, um die dann fälligen Gebühren einzutreiben. Ganz grundsätzlich sind eritreische Bürger verpflichtet, hin und wieder an politischen Indoktrinierungsveranstaltungen teilzunehmen, ansonsten werden ihnen Vergünstigungen, wie z.B. Lebensmittelgutscheine entzogen. Auch an eritreischen Botschaften soll es solche Treffen geben, die u.a. Auswirkungen auf Reisepassausstellungen haben können (USDOS 20.3.2023). Die PDFJ bestimmt über Parteiunternehmen außerdem das gesamte wirtschaftliche Leben des Landes (AA 3.1.2022), eine andere Quelle spricht diesbezüglich von einer „Mafiawirtschaft“ (BS 23.2.2022).

Das Algier-Friedensabkommen vom 12.12.2000 beendete offiziell den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien. Spannungen zwischen den beiden Nachbarn bestanden aber zunächst fort und führten von 2012 bis 2016 mehrmals zu bewaffneten Zusammenstößen an der gemeinsamen Grenze. Im Juli 2018 wurde diese Fehde durch die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung über Frieden und Freundschaft“ praktisch beendet (AA 3.1.2022). Eine Umsetzung scheiterte erst einmal an der Regionalregierung von Tigray [eine äthiopische Region an der Grenze zu Eritrea, Anm.], die gegen eine Grenzfestlegung agitierte. Anstatt die Armee zu demobilisieren, trat Asmara somit 2020 an der Seite der äthiopischen Streitkräfte in den nicht deklarierten Bürgerkrieg gegen die „Tigray People’s Liberation Front“ (TPLF) ein (BS 23.2.2022). Zwar wurde im November 2022 ein Waffenstillstand zwischen Addis Abeba und der TPFL geschlossen (BAMF 25.9.2023), es kommt aber noch immer zu schweren Menschenrechtsverstößen in Tigray, für welche vor allem die amharische Fano-Miliz und die eritreische Armee verantwortlich sind. Berichtet wird u.a. von sexueller Gewalt, Tötungen, willkürlichen Festnahmen, Plünderungen und Vertreibungen (BAMF 25.9.2023; vgl. FH 2023, HRW 12.1.2023, WP 1.3.2023). Die eritreischen Truppen sind auch noch nicht aus Äthiopien abgezogen (BAMF 25.9.2023). Außerdem gibt es Stimmen, die vor einem neuen Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea warnen, trotz der gegenwärtigen Allianz (FP 7.11.2023). Grundsätzlich diente die Fixierung auf den äthiopisch-eritreischen Konflikt dem eritreischen Regime bisher als Rechtfertigung für die Beschränkungen im politischen und gesellschaftlichen Leben, aber auch für den Rückstand in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes (AA 3.1.2022).

Quellen: […]

3. Sicherheitslage

Grundsätzlich verfügt der Staat in Eritrea über das Gewaltmonopol. Seit der äthiopisch-eritreischen Annäherung 2018 sind die einst in Äthiopien ansässigen militanten Oppositionsgruppen nicht mehr aktiv (BS 23.2.2022). Trotz des im November 2022 vereinbarten Waffenstillstandes zwischen der äthiopischen Regierung sowie der TPLF bleibt die Sicherheitslage in den Regionen Äthiopiens, die an Eritrea grenzen, angespannt (AA 14.12.2023). Aufgrund der repressiven Regierungspolitik sind Unruhen selten. Der allgegenwärtige Sicherheitsapparat ist stets bereit, aggressiv auf alle Formen von Protest zu reagieren (C24 22.4.2022). In Asmara ist die Lage stabil und ruhig (AA 14.12.2023). Es hat in Eritrea in jüngerer Zeit keine Terroranschläge gegeben, auszuschließen sind sie laut dem Außenministerium des Vereinigten Königreichs dennoch nicht (FCDO 19.12.2023).

Die Grenzregionen des Landes sind instabil, und Eritrea ist in der Vergangenheit immer wieder ob territorialer Streitigkeiten mit seinen Nachbarn kollidiert (C24 8.4.2022; vgl. EDA 29.6.2023). Daher hat Asmara keine stabilen Beziehungen zu seinen Nachbarländern, darunter der Sudan, Dschibuti, Saudi-Arabien oder Ägypten. Laut der BS hängen diese nämlich von den Launen Afewerkis ab, der der internationalen Staatengemeinschaft misstraut (BS 23.2.2022). Alle Grenzübergänge zwischen Dschibuti und Eritrea sind zurzeit geschlossen. 2008 kam es zu Scharmützel zwischen den beiden, nachdem eritreische Streitkräfte in die umstrittene Grenzregion von Dschibuti eingedrungen waren. Obgleich sich die Beziehungen inzwischen verbessert haben, bleibt die Situation ungelöst (FCDO 19.12.2023; vgl. AA 14.12.2023, EDA 29.6.2023). Auch an der äthiopisch-eritreischen Grenze sind alle Übergänge gegenwärtig geschlossen, besonders aufgrund militärischer Aktivitäten auf beiden Seiten (FCDO 19.12.2023). Die Kampfzonen des vormaligen äthiopisch-eritreischen Grenzkonflikts sind stark vermint (EDA 29.6.2023; vgl. BMEIA 27.6.2023, FCDO 19.12.2023). Akute Minengefahr besteht auch in den Grenzbereichen zu sowohl Dschibuti als auch zum Sudan (BMEIA 27.6.2023). Nach Ausbruch des sudanesischen Bürgerkrieges am 15.4.2023 wurde die Grenze zwischen den zwei Staaten geschlossen (AA 14.12.2023; vgl. EDA 29.6.2023). Auf sudanesischer Seite kommt es zu Kampfhandlungen (AA 14.12.2023; vgl. FCDO 19.12.2023), während die Seite Eritreas durch zusätzliche Militäreinheiten gesichert ist. Die Lage ist dort angespannt (AA 14.12.2023).

Eritreische Häfen ziehen gegenwärtig regionales sowie globales Interesse auf sich, vornehmlich in Anbetracht des andauernden Kriegs in Gaza - die Huthi-Rebellen attackieren momentan vermehrt Handels- und Marineschiffe im Roten Meer. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterhalten einen Stützpunkt in Eritrea, von dem aus seit Längerem Militärschläge gegen die jemenitische Miliz durchgeführt werden (TNA 11.12.2023). Die Hanisch-Inseln befinden sich überdies in unmittelbarer Nähe zum Jemen und somit zum dortigen Bürgerkrieg, weshalb die eritreischen Behörden keinen Zugang gewähren. In den vergangenen drei Jahren wurden Seeleute, die auf diesen Inseln ohne Genehmigung an Land gegangen waren, immer wieder festgenommen (FCDO 19.12.2023). Auch Moskau - Asmara vertritt auf internationalem Parkett stets russlandfreundliche Positionen, obwohl es keine nennenswerten sicherheitspolitischen oder wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Eritrea und dem Kreml gibt (WINEP 13.4.2022) - kündigte 2018 an, ein Logistikzentrum im Land zu bauen (TNA 11.12.2023). Zusätzlich wurde im September 2023 berichtet, dass Massaua in Zukunft einen russischen Militärstützpunkt am Roten Meer aufnehmen könnte (ADF 5.9.2023; vgl. JF 6.11.2023). Ähnliche Ideen werden Peking nachgesagt (ADF 5.9.2023). Ende Juli 2023 kündigte Abiy Ahmed, Äthiopiens Premierminister, an, dass Addis Abeba alle Optionen prüft, um dem Land einen eigenen Hafen zu sichern, notfalls auch mit Gewalt. Man befinde sich zurzeit in Verhandlungen mit Eritrea, Dschibuti und Somaliland. Hierzu ist anzumerken, dass Äthiopien seit der Unabhängigkeit Eritreas ein Binnenstaat ist (BAMF 31.7.2023).

Östlich von Eritrea, besonders Richtung Süden entlang der somalischen Küste, besteht die Gefahr von Piratenüberfällen (AA 14.12.2023).

Quellen: […]

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Gewaltenteilung mitsamt der gegenseitigen Kontrolle ist sowohl de jure als auch de facto nicht vorhanden, da Eritrea über keine in Kraft gesetzte Verfassung verfügt. Präsident Afewerki, welcher per Dekret regiert, kontrolliert die Judikative. Folglich unterliegt die Staatsgewalt nicht dem Gesetz (BS 23.2.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023), Rechtsstaatlichkeit ist nicht gewährleistet (AA 3.1.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023), und die Rechte auf ein faires wie öffentliches Verfahren werden nicht beachtet (USDOS 20.3.2023). Es gibt kein funktionierendes System von Pflichtverteidigern (FH 2023). Der UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation in Eritrea spricht in puncto Rechtsschutz von einer „andauernden Menschenrechtskrise“ im Land (UNHRC 9.5.2023).

Eritrea besitzt keine institutionelle Mindestinfrastruktur für die Rechtsprechung (UNHRC 9.5.2023). Die formelle Justiz ist schlecht organisiert sowie von der Regierung abhängig, gleichbedeutend mit häufigen Interventionen durch den Präsidenten (BS 23.2.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023). Berufungen gegen Urteile sind nicht möglich, es gibt keine Beschränkungen des Strafmaßes (AA 3.1.2022), die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden systematisch verletzt, und Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen ist üblich, wenn nicht gewollt (UNHRC 9.5.2023). Seit 2002 ist der Oberste Gerichtshof stillgelegt (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023), ebenso die Justizkommission, die für die Ernennung der Richter zuständig wäre. Alle Richter werden hingegen vom Präsidenten ernannt wie entlassen, und selbst nominell gewählte Richter werden durch das Justizministerium bestimmt (FH 2023). Hinzu kommt, dass es seit der Schließung der Universität Asmara 2006, nach der viele ehemalige Richter das Land verlassen haben, keine Möglichkeit mehr gibt, Rechtswissenschaften in Eritrea zu studieren (BS 23.2.2022).

Informelle, traditionelle Institutionen bilden das Rückgrat der juristischen Praxis in Zivilsachen und, in gewissem Maße, auch in Strafsachen. Sie entscheiden Fälle auf Basis des Gewohnheitsrechts, das sich stark auf Schlichtung und Versöhnung zwischen den Konfliktparteien stützt. Daneben gibt es auch staatliche Kommunalgerichte, welche ebenfalls Gewohnheitsrecht sprechen, aber weniger Vertrauen in der Bevölkerung genießen (BS 23.2.2022). Zur Strafverfolgungspraxis - Tatbestände, Strafmaß - liegen keine Informationen vor (AA 3.1.2022). Das Präsidialamt dient als Clearingstelle für Bürgerpetitionen an bestimmte Gerichte. Zudem fungiert es bei einigen Gerichten als Mediator in Zivilsachen (USDOS 20.3.2023).

Neben der allgemeinen zivilen Gerichtsbarkeit gibt es Militärgerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor welchen keine Rechtsanwälte zugelassen sind (AA 3.1.2022). Andererseits sollen die bis dato Recht sprechenden Sondergerichte, die von Militärs geleitet wurde, nicht mehr existieren - gemäß der BS regieren die Mächtigen des Landes noch informeller wie willkürlicher als zuvor (BS 23.2.2022). Verhaftungen ohne Haftbefehl und Angabe von Gründen sind üblich, wobei Häftlinge umgekehrt auch ohne Angabe von Gründen freigelassen werden (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022). Folglich werden eritreische Bürger manchmal für mehrere Monate oder gar Jahre ohne formale Anklage gefangen gehalten. Da die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Herrschaft in Eritrea fließend sind, erfüllen hochrangige Offiziere juristische Funktionen gegenüber den Rekruten (BS 23.2.2022).

Quellen: […]

5. Sicherheitsbehörden

Eritrea ist dank des Nationaldienstes [siehe Kapitel 9. Wehrdienst und Rekrutierungen, Anm.] eine stark militarisierte Gesellschaft (CIA 28.11.2023). Das Militär, die Polizei und die Sicherheitsdienste kontrollieren das gesellschaftspolitische Leben fast vollständig, und verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 3.1.2022).

Asmara wendet ca. 10 % seines BIPs für die Streitkräfte Eritreas (Eritrean Defence Forces - EDF) auf. Die Hauptaufgaben der EDF sind die Außenverteidigung, die Grenzsicherung und der Schutz des Regimes als Garant für den nationalen Zusammenhalt. Die Armee, eine große, wehrpflichtige Truppe mit schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Soldaten (10 Infanteriedivisionen, eine Division Spezialeinheiten), ist die dominierende Teilstreitkraft. Die Luftwaffe verfügt über eine kleine Anzahl von Kampfflugzeugen und Hubschraubern sowjetischer Bauart - das EDF-Inventar besteht per se vorrangig aus älteren russischen bzw. sowjetischen Systemen - während die Marine nur wenige Küstenpatrouillenschiffe unterhält (CIA 28.11.2023).

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig, aber die Regierung nutzt manchmal auch die EDF, Reservisten, demobilisierte Soldaten oder zivile Milizen, um den Bedarf an innerer und äußerer Sicherheit zu decken. Agenten des Sicherheitsdienstes, eine eigenständige Behörde, die direkt dem Präsidialamt unterstellt ist, sind für Festnahmen von Personen zuständig, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die EDF sind grundsätzlich befugt, Zivilisten festzunehmen und einzusperren (USDOS 20.3.2023; vgl. CIA 28.11.2023). In der Regel werden die Sicherheitskräfte von den Zivilbehörden wirksam kontrolliert, ihre Mitarbeiter begehen Berichten zufolge jedoch zahlreiche Übergriffe (USDOS 20.3.2023).

Während des Tigray-Konflikts (2020 bis 2022), in dem Eritrea aufseiten Addis Abebas intervenierte, wurden die EDF beschuldigt, schwere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, darunter Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Folter von Zivilisten in Äthiopien (CIA 28.11.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023).

Quellen: […]

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Eritrea hat die UN-Antifolterkonvention ratifiziert (AA 3.1.2022), und das Gesetz verbietet Folter. Nichtsdestotrotz wird Berichten zufolge weiterhin gefoltert (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022), besonders politische Häftlinge (USDOS 20.3.2023) während ihrer Befragung (AA 3.1.2022), aber auch anderweitig: laut UN-Ermittlern wird physische wie psychologische Folter sowohl in zivilen als auch in militärischen Haftanstalten regelmäßig und systematisch angewendet, sodass es auch zu Todesfällen aufgrund von Folter kommt (FH 2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Diese Angaben wurden von entlassenen Insassen verifiziert (AA 3.1.2022). Es ist jedoch wegen fehlender Transparenz wie Information nicht möglich, Anzahl oder Umstände der Todesfälle infolge von Folter bzw. anderen Misshandlungen zu ermitteln (USDOS 20.3.2023).

Auch Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, einschließlich Folter, ausgesetzt (HRW 12.1.2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Eritreer, die „nicht anerkannten“ Religionen [siehe Kapitel 15. Religionsfreiheit, Anm.] angehören, werden zudem gefoltert, um sie zur Aufgabe ihrer Religion zu zwingen (HRW 12.1.2023). Abgeschobene sind dem Risiko von Verfolgung sowie Menschenrechtsverletzungen in Eritrea ausgesetzt, einschließlich willkürlicher Inhaftierung, Folter, Zwangsarbeit sowie Zwangsrekrutierung [siehe Kapitel 22. Rückkehr, Anm.] (UNHRC 9.5.2023; vgl. HRW 12.1.2023, UNHCHR 13.4.2022). Gemäß einem Bericht des SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) wurde im Mai 2022 zum ersten Mal bewiesen, dass ein eritreischer Rückkehrer, der sich oppositionell betätigt hatte, bei der Ankunft gefoltert und im Anschluss daran inhaftiert wurde (SRF 4.5.2022).

Straflosigkeit für ausführende Sicherheitskräfte ist die Norm (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Folterer bestraft worden sind (AA 3.1.2022). Die Regierung veröffentlicht keine Hinweise auf Ermittlungen zu mutmaßlichen Gewalttaten (USDOS 20.3.2023) bzw. ermittelt häufig gar nicht (FH 2023), weshalb eine Quantifizierung des Ausmaßes der Folter in den verschiedenen Abteilungen der Sicherheitsdienste schwer zu erstellen ist (USDOS 20.3.2023).

Die EDF sind u.a. für Folterungen von äthiopischen Zivilisten im Zuge ihrer Intervention im Tigray-Konflikt verantwortlich (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023).

Quellen: […]

7. Korruption

Gemäß dem jährlichen Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI) belegt Eritrea 2022 den 162. Platz von 180 untersuchten Ländern, gleichbedeutend mit weitverbreiteter Korruption (TI 2023). Kleinere Bestechungen und Einflussnahme gelten als endemisch, während Korruption größeren Ausmaßes ein Problem unter einigen Parteifunktionären und Militärs ist (FH 2023). Ferner sind die meisten staatlichen Einrichtungen von Korruption betroffen (BS 23.2.2022).

Da die Regierung die Devisen kontrolliert, ist sie alleiniger Herr über alle Einfuhren. Diejenigen, die in der Gunst des Regimes stehen, profitieren vom Schmuggel und Verkauf knapper Güter wie z.B. Lebensmittel, Baumaterialien oder Alkohol. Außerdem haben hochrangige Militärs angeblich davon profitiert, Eritreer aus dem Land zu schmuggeln (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Berichten zufolge lassen sich lokale Parteifunktionäre, die kein Direktgehalt beziehen, auf geringfügige Bestechung ein, um diejenigen Formalitäten zu erledigen, welche eine Einhaltung „nationaler Verpflichtungen“ wie Nationaldienst, Milizdienst und „freiwillige“ Zuwendungen zu nationalen Entwicklungsprojekten belegen (USDOS 20.3.2023).

Korruption ist auch im Justizsystem weit verbreitet (SFH 16.2.2023; vgl. BS 23.2.2022). Personen, die Dienstleistungen der Exekutive oder der Justiz in Anspruch nehmen wollten, berichteten, dass sie erst nach Zahlung eines «Geschenks» oder Bestechungsgeldes einfache Leistungen erhielten. Klientelismus, Vetternwirtschaft und Korruption innerhalb der Exekutive basieren weitgehend auf familiären Beziehungen und dienen dazu, den Zugang zu Sozialleistungen zu erleichtern (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023).

Auch Korruption bei der Polizei ist verbreitet. Die Polizei nutzt gelegentlich ihren Einfluss, um die Freilassung von Freunden und Familienangehörigen aus dem Gefängnis zu erleichtern. Anderseits nutzen Privatpersonen ihren Einfluss auf die Polizei, um Personen, mit denen sie persönliche Streitigkeiten haben, zu belästigen oder sogar verhaften zu lassen (SFH 16.2.2023; vgl. USDOS 20.3.2023).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzt diese Rechtsvorschrift nicht wirksam um (USDOS 20.3.2023). Amtsmissbrauch und Beamte, die sich an Korruption beteiligen, werden in der Praxis aber weder strafrechtlich verfolgt noch zur Rechenschaft gezogen, u.a., weil das offizielle Regierungsziel, die Korruption einzudämmen, nach Angaben der BS de facto aufgegeben wurde (BS 23.2.2022). Handlungen wie die Beschlagnahme von Eigentum durch Militär- oder Sicherheitsbeamte oder durch regierungsfreundliche Personen, werden prinzipiell nicht verfolgt (USDOS 20.3.2023).

Es gibt keine unabhängigen Stellen oder Mechanismen, um Korruption zu verhindern oder zu bestrafen (FH 2023). Die neben der ordentlichen zivilen Gerichtsbarkeit existierenden Militär- und Sondergerichte sind für Korruptionsdelikte zuständig (AA 3.1.2022). Diese Antikorruptionsgerichte existieren zwar nominell, sind allerdings meist inaktiv (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Auch herrscht keine Klarheit über deren Struktur oder Arbeitsweise (USDOS 20.3.2023).

Quellen: […]

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9. Wehrdienst und Rekrutierungen

Die eritreische Gesellschaft wird vom Militär stark dominiert, und die meisten Bürger müssen einen unbefristeten Militär- oder anderweitigen Nationaldienst leisten (FH 2023; vgl. CIA 6.12.2023). Alle Eritreer im Alter von 18 bis 40 Jahren sind ex lege verpflichtet, den 18-monatigen Nationaldienst, hiervon vier bis sechs Monate militärische Ausbildung sowie zwölf Monate Militär- oder Zivildienst, abzuleisten (CIA 6.12.2023). Das gilt für taugliche Männer wie Frauen in gleicher Weise (FH 2023), weshalb der Frauenanteil des eritreischen Militärs Stand 2020 auf bis zu 30 % geschätzt wird (CIA 6.12.2023). Für Frauen dauert die Dienstpflicht bis zum 27., für Männer bis zum 50. Lebensjahr, laut einer anderen Quelle bis zum 47. bzw. 57. Lebensjahr (AA 3.1.2022). Eine Mobilisierung ist bis zum 55. Lebensjahr jederzeit möglich (CIA 6.12.2023) und seit 2012 soll es die sog. „Volksmiliz“ geben, eine Art weiterführender Militärdienst, bei dem die obere Altersgrenze wahrscheinlich bei 60 Jahren für Frauen und 70 für Männer liegt (HO 9.2021).

Asmara verfolgt eine Politik des unbefristeten Nationaldienstes, der eine Art Zivildienst und einen obligatorischen Militärdienst umfasst (UNHRC 9.5.2023; vgl. HO 9.2021), d.h., dass die Dauer des Nationaldienstes in der Praxis unbefristet und dadurch stets auf unbestimmte Zeit verlängerbar ist (CIA 6.12.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023). Neben dem Militärdienst, der am häufigsten vorkommt (CIA 6.12.2023) und für den das Verteidigungsministerium zuständig ist, können Wehrpflichtige je nach Tauglichkeit auch in zivilen Bereichen eingesetzt und somit anderen Ministerien zugeteilt werden. Ein Teil von ihnen wird in einem der rund 30 Unternehmen eingesetzt, die der PFDJ oder der Armee gehören und in Branchen wie in z.B. der Landwirtschaft, Bauwesen, Verkehr, Tourismus oder Handel operieren (HO 9.2021; vgl. FH 2023). Ergo ist der Nationaldienst für das Regime nach wie vor eines der wichtigsten Instrumente zur sozialen bzw. wirtschaftlichen Kontrolle. Gemäß dem UN-Sonderberichterstatter ist er aber in seiner derzeitigen Form untrennbar mit Zwangsarbeit und sklavereiähnlichen Praktiken verbunden (SFH 25.8.2023; vgl. FH 2023).

Hunderttausende Eritreer, vornehmlich Männer und unverheiratete Frauen, leisten jedes Jahr ihren Militär- und Zivildienst auf unbestimmte Zeit, für einen Hungerlohn und ohne freie Berufswahl (SFH 25.8.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Verweigerung aus Gewissensgründen wird nicht anerkannt, sondern bestraft. Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, u.a. Folter, ausgesetzt, ohne dass dagegen Beschwerde eingereicht werden kann (HRW 12.1.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Sexuelle Gewalt wird von hochrangigen Offizieren als Bestrafungsmethode gegen Wehrpflichtige genehmigt (GCR2P 31.8.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Im Allgemeinen fehlt eine Rechenschaftspflicht bzgl. der im Rahmen des Nationaldienstes begangenen Übergriffe völlig (SFH 25.8.2023).

Die Wehrpflicht beginnt im Militärlager Sawa, in dem Schüler, manche erst 16 Jahre alt, das letzte Oberstufenjahr absolvieren und gleichzeitig eine militärische Ausbildung durchlaufen [siehe Kapitel 16.2. Kinder, Anm.] (HRW 12.1.2023; vgl. AA 3.1.2022). Die Entlassung aus dem Nationaldienst erfolgt willkürlich und die diesbezüglichen Modalitäten sind unklar (HRW 12.1.2023). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär- bzw. Nationaldienst entlassen. In erster Linie betrifft das aber das Militär selbst, keineswegs ausgeschlossen bleibt eine zivile Weiterarbeit (AA 3.1.2022). Stand 2020 wurde der Frauenanteil des eritreischen Militärs auf bis zu 30 % geschätzt (CIA 6.12.2023). Jedes Jahr fliehen Tausende junge Eritreer aus dem Land, um sich dem Nationaldienst zu entziehen. Der Konflikt in Tigray hat diese Situation noch verschärft, da eritreische Männer, Frauen und Kinder versuchen, nicht an die Front in Äthiopien eingezogen zu werden (SFH 25.8.2023).

Seit der Beteiligung Eritreas am Tigray-Konflikt wird regelmäßig über Massenverhaftungen von Deserteuren berichtet, die sich dem Dienst entzogen haben sollen, um die Reihen der Armee aufzufüllen, wobei nach Angaben des UN-Sonderberichterstatters auch Kinder rekrutiert wurden. Im August und September 2022 nahmen die Razzien zu, als die Kämpfe in Äthiopien wieder aufflammten; auch die Familien von Wehrdienstverweigerern waren mit Repressalien konfrontiert, darunter willkürliche Verhaftungen und Zwangsräumungen ihrer Häuser. Im September berichteten die Medien, dass auch Reservisten, d. h. Männer unter 55 Jahren, die aus der Armee entlassen worden waren, aber noch Wachdienst leisten sollten, einberufen wurden. Die Familien erhalten keine offiziellen Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen, die zum Kampf geschickt wurden (HRW 12.1.2023).

Quellen: […]

10. Allgemeine Menschenrechtslage

In Eritrea kann es fallweise zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommen, und in den letzten Jahren hat sich das nicht signifikant geändert. In der 1997 angenommenen Verfassung, welche bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in Art. 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt. Sie werden von staatlichen Organen allerdings nicht respektiert (AA 3.1.2022) - es gibt in Eritrea überhaupt keinen Schutz der Bürgerrechte (BS 23.2.2022). Folgende UN-Menschenrechtskonventionen respektive Fakultativprotokolle hat Asmara jedoch ratifiziert:

• Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

• Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

• Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

• Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

•Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

• Übereinkommen über die Rechte des Kindes

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten

• Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

• Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 3.1.2022)

Eritrea verweigert grundsätzlich jede Zusammenarbeit mit UN- oder AU-Mechanismen im Bereich der Menschenrechte (HRW 12.1.2023). Ein Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation in Eritrea wird seit 2012 vom UN-Menschenrechtsrat bestellt (AA 3.1.2022), wobei ihm eine Einreise von der eritreischen Regierung verwehrt wird (HRW 12.1.2023). Mohammed Abdelsalam Babiker übernahm das Amt im September 2020 (AA 3.1.2022).

In seinem bis dato letzten Bericht an den UN-Menschenrechtsrat vom 9.5.2023 beschreibt er die Menschenrechtssituation in Eritrea mit Schwerpunkten auf der unbefristeten Wehrpflicht samt ihren Auswirkungen auf sozioökonomische sowie kulturelle Rechte, den Zustand der Rechtsstaatlichkeit und der Justizverwaltung, und Verletzungen der Bürgerrechte, einschließlich lang andauernder und willkürlicher Inhaftierungen wie gewaltsames Verschwindenlassen. Überdies hebt er die Situation indigener Afar-Gemeinschaften in Eritrea hervor, die nach wie vor Diskriminierung, Verfolgung und Eingriffen in ihre traditionellen Lebensgrundlagen ausgesetzt sind (UNHRC 9.5.2023).

Quellen: […]

11. Meinungs- und Pressefreiheit

Meinungs- und Pressefreiheit sind in Eritrea noch immer nicht existent (UNHRC 9.5.2023; vgl. AA 3.1.2022; BS 23.2.2022) bzw. erheblich eingeschränkt (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Die Regierung begrenzt mittels Einschüchterungen durch die Sicherheitsorgane alle Möglichkeiten, sie öffentlich oder privat zu kritisieren (USDOS 20.3.2023). Freie Meinungsäußerungen und private Diskussionen werden durch die Angst vor Regierungsinformanten und die Wahrscheinlichkeit, bei jeder Äußerung einer abweichenden Meinung willkürlich verhaftet zu werden, stark beeinträchtigt (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022), vor allem da die Überwachung permanent wie omnipräsent ist (RSF 2023a). Zwar gewährleistet die Verfassung von 1997 die Meinungs- sowie Pressefreiheit pro forma (RSF 2023a; vgl. USDOS 20.3.2023), aber sie ist immer noch nicht in Kraft getreten (AA 3.1.2022).

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Eritrea ist allerdings eines der Länder mit dem weltweit am stärksten beschränkten Internetzugang (UNHCR 9.5.2023); das Internet ist wenig ausgebaut und äußerst leistungsschwach (AA 3.1.2022). Laut dem US-amerikanischen Außenministerium ist die Internetdurchdringung sogar so schlecht und unzuverlässig, dass es im Land keine unabhängigen Online-Medien gibt (USDOS 20.3.2023). Die Internetkommunikation samt E-Mail-Verkehr wird staatlich überwacht (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022), ebenso die telefonische Kommunikation (AA 3.1.2022). Es wird auch berichtet, dass Regierungsinformanten häufig Internetcafés aufsuchen (USDOS 20.3.2023), welche mitunter auch von den Behörden geschlossen werden. Der Zugang zu den sozialen Medien war auch regelmäßig blockiert (FH 2023), seit April 2019 permanent. Heute sind soziale Medien nur noch über VPNs zugänglich (AA 3.1.2022).

Mitglieder der eritreischen Diaspora können ihre abweichenden Ansichten leichter online äußern. Aktivisten nutzen verschiedene Internetplattformen, um gegen die Regierung zu protestieren oder auf Missstände im Staat aufmerksam zu machen. Eritreer in der Diaspora werden jedoch auch von den Behörden überwacht und schikaniert (FH 2023). Trotzdem tauscht sich die Jugend inzwischen auch mit der Diaspora über Facebook aus (AA 3.1.2022).

Die Regierung behauptet immer wieder, dass nationale Sicherheitsbedenken als Grundlage für die Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit dienen (USDOS 20.3.2023).

Quellen: […]

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13. Haftbedingungen

Zahllose Gefangene befinden sich in dem ausgedehnten formellen und informellen Gefängnisnetz Eritreas (HRW 12.1.2023), inklusive Tausender politischer Häftlinge und Gesinnungsgefangenen (FH 2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Einige Gefangene, u.a. hochrangige Regierungsvertreter und Journalisten, werden seit 2001 in Isolationshaft gehalten, nachdem sie damals den Führungsanspruch Afewerkis [innerhalb der PFDJ, Anm.] kritisiert hatten und daraufhin verhaftet wurden. Es wird angenommen, dass mehrere von ihnen mittlerweile in Haft gestorben (HRW 12.1.2023; vgl. BS 23.2.2022) oder in schlechter gesundheitlicher Verfassung sind (BS 23.2.2022). Gefangene, auch Kinder, werden per se oftmals ohne Anklage oder Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit in Isolationshaft verwahrt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023), bisweilen ohne den Angehörigen mitzuteilen, ob sie noch leben (FH 2023). Willkürliche Verhaftungen kommen häufig vor (USDOS 20.3.2023).

Es gibt in Eritrea etliche offizielle, aber auch inoffizielle Haftanstalten, die zum Teil in Militärlagern untergebracht sind (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Zudem sollen sog. „Villen“ existieren, geheime Gefängnisse inmitten von Städten, welche nicht sofort als solche erkennbar sind (UNHRC 6.5.2022). In den „berüchtigten“ Haftzentren, u.a. in Adi Abeto, Eiraero, Adi Qala, Barentu, Gedem, Ghatelay, ai Daga, Me'eter, Prima country und Wi'a, werden die Haftbedingungen ausnahmslos als unmenschlich und erniedrigend beschrieben (SFH 16.2.2023; vgl. UNHRC 6.5.2022). Es wird auch vermutet, dass die Behörden mitunter Häftlinge in Metallcontainern und unterirdischen Zellen ohne Toiletten und Betten gefangen halten. Obwohl das Gesetz verlangt, dass Jugendliche getrennt von Erwachsenen untergebracht sind, werden einige, vor allem Teenager, mit Volljährigen zusammen festgehalten. Nach Angaben des US-amerikanischen Außenministeriums gibt es in Asmara ein oft überfülltes Jugendgefängnis (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023), gemäß einer Quelle vor Ort gibt es jedoch keine Jugendgefängnisse im gesamten Land (SFH 16.2.2023).

Die Haftbedingungen in Eritrea sind Berichten zufolge nach wie vor hart und teils lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022). Sie verstoßen gegen sowohl Menschenrechtsstandards als auch die Menschenwürde, so der UN-Sonderberichterstatter im Land (UNHRC 9.5.2023). In den Haftanstalten und Straflagern sind die hygienischen Zustände sowie die medizinische Versorgung völlig ungenügend (AA 3.1.2022; vgl. HRW 12.1.2023, UNHRC 9.5.2023). Sie sind auch notorisch überfüllt, und es mangelt an Medikamenten, ausreichend Nahrung und Wasser (UNHRC 9.5.2023; vgl. HRW 12.1.2023, USDOS 20.3.2023). Trinkwasser ist zuweilen nur gegen Bezahlung erhältlich, Belüftung und Beleuchtung sind inadäquat (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Gefangene werden häufig gefoltert bzw. unmenschlich, erniedrigend behandelt (UNHRC 9.5.2023), besonders politische Gefangene (SFH 16.2.2023). Die Haftbedingungen führten in der Vergangenheit bereits zu schweren Gesundheitsschädigungen und in einigen Fällen zum Tod, ein Informationsmangel verunmöglicht jedoch eine genauere Berichterstattung (USDOS 20.3.2023).

Insassen können keine Beschwerden bei den Justizbehörden einreichen, und es gibt auch keine Ombudsmänner in Haftanstalten, die auf Beschwerden reagieren könnten (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Ferner wird die Überwachung der Haftbedingungen durch unabhängige staatliche oder nichtstaatliche Beobachter oder durch internationale Organisationen von der Regierung nicht zugelassen (SFH 16.2.2023; vgl. USDOS 20.3.2023).

Quellen: […]

14. Todesstrafe

Eritrea wird von Amnesty International (AI) zu denjenigen Ländern, welche die Todesstrafe faktisch abgeschafft haben, gezählt. Faktisch abgeschafft heißt, dass die Todesstrafe zwar für gewöhnliche Verbrechen wie Mord beibehalten wird, aber in den letzten zehn Jahren nicht angewandt wurde. AI nimmt zudem an, dass diese Staaten auch in Zukunft keine Exekutionen mehr durchführen werden (AI 5.2023). Seit der Unabhängigkeit ist nach offiziellen Angaben, die zwar nicht überprüft werden können, aber von Menschenrechtsorganisationen als gegeben übernommen werden, im Rahmen eines de facto Moratoriums noch kein Todesurteil verhängt oder vollstreckt worden (AA 3.1.2022). Auf die Frage, wann genau die letzte Person in Eritrea hingerichtet wurde, antworten die Quellen unterschiedlich, 1989 (WCADP 23.5.2023) oder 1993 (NTC 2023). Zurzeit gibt es keine zum Tode verurteilten Personen im Land (WCADP 23.5.2023; vgl. NTC 2023, WCADP 11.10.2023). Dennoch hat Eritrea weder die Todesstrafe offiziell abgeschafft noch ein offizielles Moratorium verhängt. Die Regierung erklärt dies mit einem fehlenden Konsens im Land (WCADP 11.10.2023).

Im neuen Strafgesetzbuch von 2015, das noch nicht in Kraft getreten ist, wird die Todesstrafe für einige Delikte beibehalten, für andere wie etwa Fahnenflucht, Befehlsverweigerung oder Feigheit vor dem Feind aber abgeschafft (AA 3.1.2022). Das eritreische Recht schreibt die Todesstrafe im Allgemeinen nicht vor, sondern definiert sie als eine von mehreren Optionen der Strafzumessung. Das Spektrum von Delikten, auf die die Todesstrafe verhängbar ist, umfasst gewisse Verbrechen, die nicht dem Tatbestand der „schwersten Verbrechen“ im Sinne des Art. 6 des Zivilpakts (ICCPR) entsprechen, besonders Verbrechen wie Piraterie, Hochverrat oder schwerwiegende Bestechung eines Amtsträgers, urteilt die World Coalition Againt the Death Penalty (WCADP). Die Behörden dürfen nach dem Gesetz schwangere Frauen, solche mit Kindern unter drei Jahren, „geistig oder körperlich kranke“ Menschen und Personen, die noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben, nicht hinrichten. Eine Exekution darf zusätzlich nicht ausgeführt werden, falls seit der Verurteilung durch ein Gericht 30 Jahre vergangen sind (WCADP 11.10.2023). Die in Eritrea vorgesehenen Hinrichtungsmethoden sind das Erschießen und das Erhängen (WCADP 23.5.2023).

Die UN-Generalverfassung nahm am 15.12.2022 die achte Resolution für ein Moratorium in Bezug auf den Vollzug der Todesstrafe mit überwältigender Mehrheit an - Eritrea stimmte der Resolution zu (AI 5.2023; vgl. NTC 9.3.2023).

Quellen: […]

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18. Bewegungsfreiheit

Die Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das gilt für den Binnenverkehr, Auslandsreisen, Emigrationen wie Rückführungen (USDOS 20.3.2023). Für Reisen innerhalb des Landes benötigt man eine Genehmigung (FH 2023), insbesondere in abgelegene Regionen oder in Grenznähe. Hierbei verlangen die Behörden, dass an den Kontrollpunkten eine Rechtfertigung für die jeweilige Reise vorgelegt wird (USDOS20.3.2023).

Der Auslandsreiseverkehr ist in Eritrea eingeschränkt. Um das Land zu verlassen, braucht man ein Ausreisevisum, auch Doppelstaatsbürger. Die Bedingungen für den Erhalt eines Reisepasses oder eines Ausreisevisums sind uneinheitlich und intransparent. Die Regierung verweigert Bürgern oft Pässe und Ausreisevisa, wenn sie ihre Militär-, Wehrdienst- oder Milizpflichten nicht erfüllt oder die Einkommenssteuer nicht bezahlt haben, sowie aus willkürlichen, unbegründeten Motiven (USDOS 20.3.2023). Eritreer, die jung genug für den Nationaldienst sind, erhalten nur selten die Erlaubnis, ins Ausland zu reisen (FH 2023): Die Behörden erteilen Kindern, die älter als sieben Jahre sind, im Allgemeinen keine Ausreisevisa. Häufig verweigert werden letztere auch Männer unter 40 Jahren, unabhängig davon, ob sie den Wehrdienst abgeleistet haben, und Frauen unter 30 Jahren. Zudem erhalten verheiratete Frauen und solche mit Kindern eher ein Auslandsvisum (USDOS 20.3.2023). Diejenigen, die versuchen, das Land ohne Visum zu verlassen, müssen mit einer Gefängnisstrafe rechnen (FH 2023). Laut dem Auswärtigen Amt kann eine allgemeine staatliche Verfolgung allein aufgrund einer unerlaubten Ausreise nicht festgestellt werden (AA 3.1.2022).

Reisebeschränkungen für Nicht-Staatsbürger, die sich rechtmäßig im Land aufhalten, sind in Kraft, u.a. für Diplomaten, humanitäre Helfer oder UN-Mitarbeiter. Sie müssen mindestens zehn Tage im Voraus eine Genehmigung für Reisen außerhalb von Asmara beantragen (USDOS 20.3.2023).

Die Landgrenze zum Sudan ist offen, die anderen weiterhin nicht. Reisen auf dem Landweg sind daher für die meisten Eritreer nicht möglich. Angehörige einiger grenzüberschreitender ethnischer Gruppen wie die Afar im Osten und die Beja/Hedareb im Westen sind berechtigt, die Grenzen zu überschreiten (USDOS 20.3.2023).

In der COVID-19-Pandemie rief die Regierung zwar nicht den Notstand aus, da sie behauptete, so gut wie keine Todesfälle durch das Virus im Land zu haben, aber schränkte die Bewegungsfreiheit noch drastischer ein als zuvor (BS 23.2.2022).

Quellen: […]

18.1. Meldewesen

In Asmara sind Adressen bestehend aus Straßenname und Hausnummer üblich, ansonsten nicht. Jede Person ist verpflichtet, sich bei der untersten Verwaltungsebene (Memehedar) des Wohnorts anzumelden, und erhält als Bestätigung eine neben dem Personalausweis (Menenet) permanent mitzuführende Einwohnerkarte (Nebarinet), die als Bezugsausweis für verbilligte Lebensmittel und andere staatliche Leistungen dient (AA 3.1.2022).

Quellen: […]

19. IDPs und Flüchtlinge

Die eritreische Regierung arbeitet in der Flüchtlingsfrage nicht mit dem UNHCR zusammen, und definiert den Flüchtlingsstatus nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bzw. dem zugehörigen Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967 (USDOS 20.3.2023). Auch die Afrikanische Flüchtlingskonvention von 1969 hat Asmara nicht ratifiziert (HRW 12.1.2023).

Nach dem Gesetz wird kein Asyl- oder Flüchtlingsstatus gewährt. Überdies gibt es in Eritrea kein Schutzsystem für Geflüchtete. Äthiopier, Süd- und Sudanesen werden von den Behörden nicht als Flüchtlinge anerkannt, sondern als Wirtschaftsmigranten betrachten. Allerdings ist es ihnen erlaubt, im Land zu bleiben und unter der lokalen Bevölkerung zu leben, falls sie einen Bürgen stellen und stets eine Gebühr zur Aufenthaltsverlängerung entrichten, andernfalls droht ihnen das Gefängnis (USDOS 20.3.2023). Stand November 2021 lebten 138 Flüchtlinge aus Äthiopien, dem Sudan wie dem Südsudan in Eritrea (AA 3.1.2022), Stand 30.9.2023 sind es insgesamt 118 Flüchtlinge bzw. Asylwerber (UNHCR 30.9.2023), nur einer weniger als im Vorjahr (WB o.D.). Der UNHCR ist nicht imstande, ihnen grundlegende Hilfe zu leisten, auch, weil er nur einen einzigen Mitarbeiter im Land hat (USDOS 20.3.2023). IDPs gibt es in Eritrea keine (IOM 25.9.2023).

Seit Juni 2019 sind die rund 2.500 somalischen Flüchtlinge, die vom UNHCR betreut wurden und in einem Lager nahe Massaua untergebracht waren, bis auf wenige Ausnahmen, ca. 75 Personen, nach Äthiopien abgewandert, nachdem die Regierung die Lagerschließung angekündigt hatte. Die restlichen Bewohner wurden Ende 2020 nach Somalia rückgeführt (AA 3.1.2022).

Wegen des Tigray-Konflikts besteht die Gefahr, dass Äthiopier nach Eritrea fliehen (AA 3.1.2022).

Quellen: […]

20. Grundversorgung und Wirtschaft

Eritrea ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt, und die Armut ist allgegenwärtig (BS 23.2.2023; vgl. C24 8.4.2022). Der Welthunger-Index 2023 nahm das Land wegen fehlender Daten nicht auf (GHI 10.2023), UNICEF berichtet allerdings von einer steigenden Mangelernährung bei Kindern (UNICEF 2023). Statistische Daten sind aufgrund der grassierenden Intransparenz seitens des Staates prinzipiell weder verfügbar noch zuverlässig, es gibt z.B. keine aktuelle Armutsquote (BS 23.2.2022). Laut der bisher letzten offiziellen Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 waren 66 % der Bevölkerung arm, von denen 37 % unterhalb der Armutsgrenze lebten (IJSRM 1.2022), die CIA hingegen spricht von 50 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze in 2004 (CIA 28.11.2023). Im Human Development Index (HDI) des UNDP nimmt Eritrea den 176. Rang von insgesamt 191 Ländern ein, gleichbedeutend mit einer niedrigen Klassifizierung menschlicher Entwicklung (UNDP 8.9.2022; vgl. USAID 8.2023).

Internationale Organisationen wie die FAO haben nicht immer Zugang zu ländlichen Gebieten, weil sie nicht jederzeit eine Reisegenehmigung erhalten. Folglich gibt es keine genauen Informationen über die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung, Hinweise auf Nahrungsmittelengpässe aber schon (AA 3.1.2022). Verschärft wurden diese durch den Russisch-Ukrainischen Krieg, da die zwei Kriegsparteien gemeinsam fast 100 % der Weizeneinfuhren Eritreas abdecken. Die Auswirkungen auf Energie-, Düngemittel- und Lebensmittelpreise trugen ebenfalls dazu bei, dass sich das reale BIP-Wachstum von 2,5 % im Jahr 2021 auf schätzungsweise 2,3 % in 2022 verlangsamte. Weitere Faktoren sind die Folgen der COVID-19-Pandemie auf die Wertschöpfungsketten, Klimaschocks und der Konflikt in Nordäthiopien (AfDB 2023). Die im November 2021 verhängten US-Sanktionen gegen Eritrea führten zudem zu Preissteigerungen (AA 3.1.2022), welche gemeinsam mit höheren Energiepreisen - Erdöl macht 71 % des gesamten Energieverbrauchs aus - wiederum die Inflation anheizten (AfDB 2023). Stand 2022 betrug sie 7,5 % (AfDB 2023; vgl. WKO 10.2023). Außerdem führten die Wirtschaftssanktionen zu einem Rückgang der Geldüberweisungen von Angehörigen in der Diaspora (UNICEF 2023), auf die viele Eritreer angewiesen sind (BS 23.2.2022) und die seit der Unabhängigkeit 30 % des BIPs ausmachen (CIA 28.11.2023).

Ergo ist die Versorgungslage für weite Teile der Bevölkerung schwierig. Die Nahrungsmittelpreise, vor allem die der Grundnahrungsmittel, sind seit 2008 massiv angestiegen. Die Regierung bemüht sich, die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch Rationierung und Bezugsscheine sicherzustellen (AA 3.1.2022). Auf dem Papier haben alle sozialen Gruppen in Eritrea den gleichen Zugang zu den Lebensmittelgutscheinen, sie werden jedoch oftmals aus politischen Gründen zurückgehalten (BS 23.2.2022). Problematisch ist hingegen die Behinderung des Zugangs zu humanitärer Hilfe bzw. zu Hilfsorganisationen durch die Regierung, weswegen über die genauen Zahlen von Betroffenen und Ernährungsindikatoren nur gemutmaßt werden kann (AA 3.1.2022).

Eritrea gilt, laut der Volkswirtschaftseinordnung der Weltbank, als Land mit niedrigem Einkommen (USAID 8.2023). 2022 betrug die Erwerbsquote 77,6 % der Bevölkerung, die Arbeitslosenquote 6,6 % (WKO 10.2023; vgl. CIA 28.11.2023) und die Jugendarbeitslosenquote 11,1 % (WKO 10.2023; vgl. USAID 8.2023). Ungefähr ein Fünftel der Erwerbsbevölkerung arbeitet in der Industrie, ca. vier Fünftel in der Landwirtschaft. Hergestellt werden hauptsächlich verarbeitete Lebensmittel, Textilien, Salz wie Zement bzw. Getreide (Gerste, Hirse, Weizen), Milch, (Wurzel-)Gemüse, Hülsenfrüchte und Rindfleisch (CIA 28.11.2023). Da Ackerbau, Viehzucht und Fischerei die Lebensgrundlage für rund 65 bis 70 % der eritreischen Bevölkerung darstellen, haben die klimatischen Bedingungen die Bewältigungskapazitäten des Staates sowie der Bürger in den vergangenen zwei Jahren auf die Probe gestellt (UNICEF 2023; vgl. AfDB 2023). Auf den kleinen Bergbausektor entfallen ganze 20 % der Wirtschaftsleistung, weshalb die Weltbank ihn mit seinen neuen Aktivitäten als potenzielles Zugpferd der mittelfristig günstigen Konjunkturaussichten ansieht. Die Erholung der Landwirtschaft wird sich aber voraussichtlich verlangsamen, so die Weltbank, und Eritrea befindet sich weiterhin in einer schwierigen makroökonomischen Lage, einschließlich einer untragbaren Schuldenlast und einem anfälligen Finanz- und Außensektor (WB 7.10.2021; vgl. CIA 28.11.2023).

Quellen: […]

[…]

22. Rückkehr

Stand Mitte 2023 befanden sich rund 537.000 eritreische Flüchtlinge sowie Asylwerber im Ausland (UNHCR 2023). Laut einer Befragung durch den UN-Sonderberichterstatter wird der Nationaldienst weiter als Hauptgrund für die Flucht angegeben (UNHRC 9.5.2023; vgl. HRW 12.1.2023), während das Auswärtige Amt mitteilt, dass ökonomische Schwierigkeiten, also die Familie nicht versorgen zu können, in einer IOM-Umfrage zu den Fluchtursachen mit 77 % eine höhere Zustimmungsrate erzielt als der Nationaldienst mit 71 % (AA 3.1.2022). Auch eine im September 2023 veröffentlichte IOM-Studie besagt, dass Eritreer hauptsächlich wegen eines zu geringen Einkommens emigrieren (IOM 25.9.2023).

Prinzipiell scheint die Einstellung der eritreischen Regierung Flüchtlingen gegenüber ambivalent zu sein: Einerseits versucht sie mit drakonischen Maßnahmen, wie einem angeblichen Schießbefehl bei Fluchtversuchen von Deserteuren, Bestrafungen von gescheiterten Fluchtversuchen, oder der Weigerung, Reisepässe und Ausreisegenehmigungen auszustellen, zu verhindern, dass sich ihre Bürger dem obligatorischen Nationaldienst entziehen (AA 3.1.2022). Andererseits scheint sie den Exodus, soweit er sich nicht verhindern lässt, zu nutzen, um Regimegegner loszuwerden, die im Lande herrschende Arbeitslosigkeit zu lindern und durch die Erhebung einer sog. „Aufbausteuer“ von im Ausland lebenden eritreischen Staatsbürgern Deviseneinnahmen zu erzielen (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022).

Diese „Aufbausteuer“ beträgt 2 % auf im Ausland erwirtschaftetes Einkommen (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022, BS 23.2.2022). Sie wird auch auf Sozialleistungen der Aufnahmestaaten erhoben (BS 23.2.2022), und wird dem Außenministerium überwiesen. Die „Aufbausteuer“ muss beglichen werden, um einige staatliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, u.a. Ausstellungen von Geburts- oder Heiratsurkunden, Passverlängerungen sowie Durchführungen von Immobilien- und Fahrzeuggeschäften (USDOS 20.3.2023). Diejenigen, welche Eritrea illegal verlassen haben, müssen neben der Bezahlung der „Aufbausteuer“ zusätzlich einen sog. „Briefs des Bedauerns“ unterschreiben (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 23.2.2022). Vor allem Deserteure des Nationaldienstes werden von den eritreischen Botschaften zur Unterzeichnung gedrängt (BS 23.2.2022). Insofern Auslandseritreer eine Zahlungsbestätigung der Steuer bzw. einen unterschriebenen Reuebrief vorweisen können, haben sie grundsätzlich das Recht zurückzukehren inne (DIS 3.2.2020; vgl. USDOS 20.3.2023). In der Praxis gilt dies aber hauptsächlich für Diaspora-Mitglieder die bereits in den 1990er-Jahren zurückkehrten, für solche, die eine ausländische Staatsbürgerschaft erhalten haben und mit einem ordnungsgemäßen Visum einreisen, und für diejenigen, welche einen Diaspora-Status während eines Aufenthalts in Eritrea bekommen haben (DIS 3.2.2020).

Ausgereiste erhalten im Regelfall nach drei Jahren Auslandsaufenthalt die Gelegenheit, abermals nach Eritrea zu reisen und dort den sog. Diaspora-Status zu beantragen. Hierbei erhalten sie eine Karte, die sieben, manchmal zehn, Jahre lang gültig und auch verlängerbar ist. Sie ermöglicht eine freie Ein- und Ausreise. Von Bürgern mit Diaspora-Status wird erwartet, dass sie zumindest einmal im Jahr ausreisen, widrigenfalls wird er ihnen wieder entzogen. Eritreer mit Diaspora-Status sind von gewissen öffentlichen Dienstleistungen wie von Lebensmittelgutscheinen oder einer Nutzung öffentlicher Schulen ausgeschlossen, können aber Eigentum erwerben und sich, insofern möglich, wirtschaftlich betätigen. Bei einer Einreise werden nicht nur eritreische bzw. ausländische Pässe akzeptiert, sondern auch im Ausland ausgestellte Flüchtlingsausweise (AA 3.1.2022).

Der Staat versucht mittlerweile, die Auslandseritreer an sich zu binden, u.a. durch Veranstaltungen in Übersee, organisierte Auslandsreisen oder Gründungen von Sektionen der PFDJ im Ausland, inklusive einer Jugendbewegung (AA 3.1.2022). Die Diaspora ist nach wie vor in Anhänger sowie Gegner der PFDJ gespalten, wobei Letztere nicht als Gruppe organisiert sind (BS 23.2.2022). Ein paar Bürger in der Diaspora behaupte, dass staatlich organisierte politische Veranstaltungen auch in den Botschaften stattfinden, und dass diejenigen, die nicht teilnehmen, Benachteiligungen, z.B. bei der Passausstellung, erfahren (USDOS 20.3.2023). Auslanderitreer werden auch regelmäßig zu „freiwilligen“ Solidaritätsleistungen aufgefordert, wie zu Einzahlungen in den „Martyr’s Trust Fund“ oder zuletzt in den nationalen Fonds zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022). Es ist jedoch unklar, wie diese Mittel verwendet werden (BS 23.2.2022).

Erfahrungen deutscher Behörden deuten darauf hin, dass die bloße Stellung eines Asylantrags im Ausland sowie eine Anerkennung als Flüchtling keine Bestrafung nach sich ziehen. Ebenso gibt es keinen Fall aus jüngster Zeit, in dem es zu Sanktionen gegen in Eritrea verbliebene Angehörige ob einer unerlaubten Ausreise gekommen wäre. Angesichts der großen Zahl der Ausgereisten wäre die Regierung zudem nicht in der Lage, eine solche Verfolgung durchzuführen, so das Auswärtige Amt, und kann daran auch kein Interesse haben, weil inzwischen praktisch jede eritreische Familie Verwandte im Ausland hat (AA 3.1.2022).

Eine Verfolgung im Einzelfall kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, u.a, weil es keine rechtlichen Garantien für eine Rückkehr gibt. Dies gilt vor allem für bekennende Regimegegner, die mit oppositionellen Aktivitäten hervorgetreten sind (AA 3.1.2022). So berichtet z.B. FH, dass eritreische Flüchtlinge und Asylbewerber, welche aus anderen Ländern zurückgeführt werden, teils unter harten Bedingungen inhaftiert werden (FH 2023). Laut einem Bericht des SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) wurde im Mai 2022 zum ersten Mal bewiesen, dass ein eritreischer Rückkehrer, der sich oppositionell betätigt hatte, bei seiner Ankunft gefoltert und anschließend verhaftet wurde (SRF 4.5.2022). Zudem nimmt Eritrea zwangsrückgeführte Eritreer eigentlich nicht wieder auf, außer es wurde vorab so mit den Rückkehrenden vereinbart (SFH 19.9.2020; vgl. DIS 3.2.2020).

Quellen: […]

23. Dokumente

Personenstandsregister werden in Eritrea geführt, jedoch dezentral bei den jeweiligen Sub-Zobas oder Stadtverwaltungen. Dem eritreischen Außenministerium können Personenstandsurkunden mit Bestätigungsvermerk zur Überprüfung vorgelegt werden; der Urkundeninhalt wird mit dem Register abgeglichen, und anschließend wird eine Bescheinigung darüber erteilt (AA 3.1.2022). Weil diese Urkunden kein einheitliches inhaltliches sowie äußeres Format aufweisen, ist eine Feststellung der Echtheit ansonsten schwierig (AA 29.11.2021). Über zentrale Fahndungs- und Strafregister ist dem Auswärtigen Amt nichts bekannt (AA 3.1.2022).

Der eritreische Staat hat die Pflicht, Personenstandsdokumente auszustellen. Es ist möglich, Dritte (Angehörige, Bekannte, Rechtsanwälte, etc.) schriftlich für die Beschaffung solcher Dokumente zu bevollmächtigen, aber auch für die Registrierung von Geburten oder Eheschließungen. Im Falle im Ausland lebender Eritreer verlangen die Standesämter hierfür meist eine Vollmachtsbeglaubigung durch eine eritreische Auslandsvertretung (AA 29.11.2021).

Auslanderitreer erhalten im Ausland in der Regel bei der jeweils zuständigen eritreischen Botschaft auf Antrag problemlos eritreische Pässe, sofern sie ihre Staatsangehörigkeit nachweisen, die sog. „Aufbausteuer“ entrichten und ggf. ein Antragsformular ausfüllen. Nach Erfahrung des Auswärtigen Amts gilt dies auch für eritreische Staatsangehörige, die Eritrea seinerzeit ohne das obligatorische Ausreisevisum verlassen haben oder für solche, die im Ausland einen Schutzstatus innehaben (AA 29.11.2021). Es liegen keine Kenntnisse über Repressalien gegen Personen, deren Verwandte im Ausland einen Reisepass beantragt haben oder gegen Personen, welche für jemanden im Ausland eine Personenstandsurkunde in Eritrea beschaffen, vor (AA 3.1.2022).

Echte Dokumente unwahren Inhalts sind nicht das Problem, allenfalls gefälschte Folgedokumente, die auf echten Dokumenten basieren, besonders um eine Zahlung der „Aufbausteuer“ zu umgehen (AA 3.1.2022).

Quellen: […]

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch die persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.05.2025 und die Berücksichtigung des gerichtlichen sowie des verwaltungsbehördlichen Aktes und der vom Beschwerdeführer eingebrachten Stellungnahmen und Urkundenvorlagen. Weiters holte das Bundesverwaltungsgericht Auszüge aus dem zentralen Fremdenregister, der Grundversorgungsdatenbank, dem zentralen Melderegister, der Datenbank des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger und dem Strafregister ein (OZ 2).

Die Feststellungen zur im vorliegenden Fall maßgeblichen Situation in Eritrea stützen sich im Wesentlichen auf das Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation zu Eritrea in der Fassung vom 02.01.2024, sowie auf die darin angeführten Quellenberichte, wie z. B. den Bericht des Danish Immigration Service (DIS) zu Eritrea: National service, exit and entry vom Jänner 2020, sowie den darin als Quelle angeführten Bericht von EASO (EASO) zu Eritrea: National service, exit, and return vom September 2019. In der Verhandlung wurde ergänzend eine Kurzinformation des Refugee Documentation Centre of Ireland, COI Quere Response, Eritrea – Conscription, vom 31.05.2024, in das Verfahren eingebracht.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Entscheidung Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers getroffen werden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (EV, AS 89; VHS, 8). Ein nationales Identitätsdokument, das auf Echtheit und Richtigkeit überprüft werden konnte, legte er nicht vor, weshalb nur eine Verfahrensidentität festzustellen war. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Führerschein (Kopie als Beilage ./2 und VHS 4 ff) und die Aufenthaltsberechtigungskarte aus Israel (AS 105) weisen ihn mit dem von ihm genannten Namen aus. Am Ende der mündlichen Verhandlung ersuchte er um Korrektur seines Nachnamens. Dies sei der Name seines Vaters, der richtiger Weise mit einem „i“ geschrieben werde (VHS, 26). Sein Geburtsdatum gab der Beschwerdeführer in Bezug auf die Jahreszahl zunächst nicht richtig an (EB, AS 25), er korrigierte dies zu Beginn der Einvernahme vor dem Bundesamt (EV, AS 89) und gab auch in der mündlichen Verhandlung an, sein Geburtsdatum sei mit jenem seiner Schwester verwechselt worden (VHS 7). Dies erscheint jedoch nicht glaubwürdig, da sowohl im Protokoll der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme vor dem Bundesamt keine Geburtsdaten seiner Familienangehörigen vermerkt wurden, sondern lediglich das ungefähre Alter (vgl. EB, AS 27 und EV, AS 90). Es bleibt daher unklar, weshalb sich der Beschwerdeführer zunächst jünger machte, als er tatsächlich ist und wecken diese Angaben eher Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer befragt, ob er andere Ausweisdokumente aus Eritrea besitze und verneinte er dies. Auf Nachfrage, weshalb er selbst keine Identitätskarte besitze, aber im Verfahren jene des Vaters vorgelegt habe, gab er an, dass es für Soldaten nicht erlaubt sei, eine Identitätskarte oder andere Dokumente zu haben (VHS 8 f). Dies ist vor dem Hintergrund der Rechtslage im Herkunftsstaat nicht nachvollziehbar, wonach jedem Wehrpflichtigen vom Registration Center eine „National Service Registration Card“ ausgestellt wird (Art. 11 der Proklamation No. 82/1995; gesamte Proklamation allgemein zugänglich abrufbar unter: https://www.refworld.org/legal/ legislation/natlegbod/1995/en/32119). In den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderberichten finden sich auch keine Hinweise darauf, die die Erklärung des Beschwerdeführers stützen würden (vgl. LIB, S 18 f zum Wehrdienst und S 49 zu Dokumenten). Aus dem Bericht des Danish Immigration Service geht hervor, dass es lediglich Personen, die den Wehrdienst nicht antreten, nicht möglich ist, offizielle ID-Dokumente oder auch einen Führerschein zu bekommen (DIS, 56) und ist seine Erklärung daher bereits wegen des vorgelegten heimatstaatlichen Führerscheins nicht nachvollziehbar.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit und der Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus den gleichbleibenden und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (EB, AS 25 f; EV, AS 89; VHS 8 f). Die Erstsprache sowie die weiteren Sprachkenntnisse beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt (EV, AS 89) und konnten sämtliche Einvernahmen in tigrinischer Sprache geführt werden. Die weiteren Sprachkenntnisse sind auch aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Israel schlüssig.

Der Beschwerdeführer gab im Verfahren gleichbleibend an, in XXXX , Eritrea, geboren zu sein (EB, AS 25; EV, AS 89; VHS 11 f). Da er auch dort im Familienverband aufwuchs (VHS 11) ist dies sein Herkunftsort. Der Beschwerdeführer gab auch schlüssig an, in einem nahegelegenen Ort die Schule besucht zu haben (VHS 11) und erscheint aufgrund der geografischen Lage eine Ausreise nach Äthiopien zu Fuß theoretisch möglich.

Der Beschwerdeführer gab gleichbleibend an, elf Jahre lang die Schule besucht zu haben (EB, AS 26; EV, AS 89; VHS 11). Auf die Frage, in welchem Alter die Schulpflicht in Eritrea beginne, gab er ausweichend an: „Das ist unterschiedlich, aber meistens fängt man mit 11 an.“ (VHS 12). Dieser Angabe kann aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen zur Schulpflicht in Eritrea nicht gefolgt werden, die Schulpflicht beginnt im Alter von sechs Jahren (https://www.epdc.org/sites/default/files/documents/EPDC_NEP_2018_Eritrea.pdf, abgerufen am 16.05.2025). Außerdem sind seine zeitlichen Angaben nicht nachvollziehbar, da er angab, „ca. XXXX “ mit dem Schulbesuch begonnen zu haben (VHS 12), und wäre er damals in Berücksichtigung seines Geburtsdatums bereits XXXX Jahre alt gewesen. Auch in Hinblick auf den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Zeitpunkt, ab wann er zum Militärdienst gehen habe müssen, XXXX VHS 12), werden seine Angaben nicht schlüssig, da er zu diesem Zeitpunkt ca. XXXX Jahre alt gewesen wäre und sich rechnerisch lediglich sieben Jahre Schulbildung ergeben würden, wobei dies wiederum nicht mit den Informationen der Länderberichte in Einklang zu bringen ist, wonach Schüler das letzte Schuljahr, die 12. Klasse, im Militärkomplex Sawa absolvieren müssen (LIB, 36). Aufgrund seiner unstimmigen Angaben konnte nicht festgestellt werden, wann er die Schule besuchte; dass er zumindest elf Jahre die Schule besucht hat, beruht auf seinen Angaben und darauf, dass nicht festgestellt werden konnte, ob und allenfalls wann er den Militärdienst absolviert hat.

Der Beschwerdeführer gab an, dass die Familie in Eritrea hauptsächlich von der Landwirtschaft lebe (EV, AS 91), in dieser habe er auch selbst mitgearbeitet (EV, AS 90; VHS 19). Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter und die Brüder, die beide beim Militär seien, würden im Herkunftsort leben (EV, AS 90 f) und bestätigte er dies in der mündlichen Verhandlung (VHS 11). Ebenso in Eritrea lebe seine älteste Tochter aus einer früheren Beziehung (EV, AS 90; VHS 11). Seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder würden in Uganda leben (EV, AS 90; VHS 11) und wird dies auch durch den vorgelegten Flüchtlingsausweis der Ehefrau belegt (Kopie AS 103). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Eritrea und auch zu seiner Familie in Uganda hat, beruht auf seinen Angaben im Verfahren (EV, AS 90; VHS 11).

Der Beschwerdeführer war in seinem Vorbringen rund um seine Ausreise aus Eritrea nicht glaubwürdig und konnte infolge dessen auch kein konkreter Ausreisezeitpunkt festgestellt werden. In der Erstbefragung gab er an, den Entschluss zur Ausreise XXXX 10.2009 gefasst zu haben und am selben Tag zu Fuß nach Äthiopien gegangen zu sein (EB, AS 28). Vor dem Bundesamt gab er nur allgemein das Jahr 2009 als Ausreisezeitpunkt an (EV, AS 89 ff), in der mündlichen Verhandlung nannte er „Ende 2009“ als Ausreisezeitpunkt (VHS 12), ohne das vor dem Bundesamt genannte Datum zu wiederholen. Zweifel an diesem Vorbringen bestehen insbesondere in Hinblick auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Führerschein. Aus diesem ergibt sich, dass ihm dieser am XXXX 11.2009 ausgestellt wurde (VHS 5). Auf Vorhalt der widersprüchlichen Angaben, nämlich, dass ihm der Führerschein zu einem Zeitpunkt ausgestellt wurde, als er nach seinen Angaben bereits ausgereist war, antwortete der Beschwerdeführer: „Ja, das stimmt. […]“ (VHS 5). Sofern der Beschwerdeführer erklärte, dass er zuvor noch die Theorieprüfung absolvieren habe müssen (VHS 5), erklärt dies nicht die Diskrepanz zwischen dem Ausstellungsdatum und seinem angegebenen Ausreisedatum. Auch dass der Beschwerdeführer dem Eintrag im vorgelegten Führerschein zur Verlängerung ein Jahr später widersprach (VHS 5), trägt nicht zu seiner Glaubwürdigkeit bei. Auffällig war zudem, dass der vorgelegte Führerschein deutliche Gebrauchsspuren aufwies, die der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar erklären konnte (VHS 25). Der Beschwerdeführer brachte weiter vor, dass seine Ehefrau den Führerschein für ihn abgeholt habe, da er damals schon in Äthiopien gewesen sei (VHS 5). Zum einen ergibt sich aus seinem Vorbringen kein nachvollziehbarer Grund, weshalb sie dies tun hätte sollen, wenn er selbst nicht mehr zu Hause bzw. im Heimatland aufhältig gewesen wäre und ihr der Grund für seine Abwesenheit nicht bekannt gewesen wäre, da seine Frau und auch seine Eltern bis eineinhalb Jahre später nichts von der Ausreise gewusst hätten (VHS 14). Auch dieses weitere Vorbringen ist für sich gesehen nicht schlüssig (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll, S 14):

„R: Wann informierten Sie Ihre Eltern über Ihre Ausreise?

BP: Ich habe meine Eltern nicht informiert. Kurze Zeit später kamen meine Kameraden nach Hause. Sie haben nach mir gesucht und so haben meine Eltern erfahren, dass ich nicht in Eritrea war. Die Eltern haben es von den Soldaten erfahren.

R: Woher hat es Ihre Frau erfahren?

BP: Meine Frau auch von den Soldaten. Ehrlich gesagt, ich wollte schon meine Eltern informieren, aber aus Sicherheitsgründen habe ich das nicht getan.

R: Wann hat Ihre Familie dann konkret erfahren, dass Sie ausgereist sind?

BP: Während ich dann von Äthiopien Richtung Sudan unterwegs war. Als ich dann im Sudan ankam, habe ich sie informiert. Vorher haben sich meine Eltern Sorgen gemacht. Sie dachten, dass ich entführt oder umgebracht wurde. Ich wollte sie eigentlich schon vorher informieren, aber aus Äthiopien war das nicht möglich. Es gab keine Telefonverbindung.“

Auch bereits zuvor gab er an, dass seine Eltern erst „am Schluss mitbekommen“ hätten, dass er ausgereist sei, als die Soldaten nach ihm gesucht hätten (VHS 5). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wann und wie seine Familie von seiner Ausreise erfahren habe, ist sohin widersprüchlich und entstand in der mündlichen Verhandlung der Eindruck, dass er die genauen Umstände seiner Ausreise nicht preisgeben wollte. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass seine Frau erst im Jahr 2018 ausgereist sei (EV, AS 93; VHS), sohin erst ca. neun Jahr nach dem von ihm angegebenen eigenen Ausreisezeitpunkt. Nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer selbst auf Nachfrage keine Sorgen um seine Ehefrau äußerte, als er nicht mehr im Land gewesen sei (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll, S 13 f):

„R: Wie gestaltete sich die Ehe mit Ihrer Frau in der Zeit, als Sie nicht in Eritrea waren?

BP: Wir waren ja Bauern in XXXX .

R: Wie erging es Ihrer Frau in der Zeit, als Sie nicht mehr zuhause waren?

BP: Sehr schlecht, sie hat alles selber machen müssen.“

Aus all diesen angeführten Gründen liegt es nahe, dass seine Familie entgegen seiner Angaben von der Ausreise wusste und damit auch einverstanden war.

Die Reiseroute des Beschwerdeführers und seine längeren Aufenthalte in Äthiopien, aber insbesondere der knapp achtjährige Aufenthalt in Israel, erscheinen glaubhaft, zumal er dies gleichbleibend angab (EB, AS 30; EV, AS 89; VHS 12 f) und wird dies in Hinblick auf Israel durch die vorgelegte Aufenthaltsbestätigung gestützt (Kopie AS 105). Dass er sich zumindest nicht dauerhaft in Eritrea aufgehalten hat, erscheint auch vor dem Hintergrund, dass er erst ab dem Jahr 2019 mit seiner Frau gemeinsame Kinder bekommen hat, stimmig, da dies ein Indiz für ein spärliches Familienleben sein kann. Nicht glaubwürdig erscheint hingegen, dass er selbst für seinen zweijährigen Aufenthalt in Uganda keinen Flüchtlingsausweis brauchte, weil er vorher in Israel gewesen sei und außerdem „keinen Plan gehabt habe, dort weiterzuleben“ (VHS 9). Auch zu seinen Aufenthalten zwischen der Ausreise aus dem Herkunftsstaat und seiner Einreise nach Österreich blieb sein Vorbringen eher vage, er konnte Nachfragen nicht nachvollziehbar erklären und seine Aufenthalte nur spärlich belegen. Das Datum der Einreise beruht ebenso wie das Datum der Antragstellung auf dem Protokoll der Erstbefragung (EB, AS 30 und 26).

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers (EV, AS 87; VHS 7). Da auch keine weiteren Befunde oder sonstige medizinische Unterlagen, insbesondere nicht zu seinen vor dem Bundesamt noch vorgebrachten Problemen mit seinem rechten Auge (EV, AS 87), vorgelegt wurden (vgl. dazu VHS 21), aus denen sich Hinweise auf eine physische oder psychische Beeinträchtigung ergeben würden, war festzustellen, dass der Beschwerdeführer gesund ist. Er ist demnach auch arbeitsfähig.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers steht aufgrund der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich fest (Auszug vom 14.04.2025, OZ 2).

Der derzeitige fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers steht aufgrund der Einsichtnahme in das Fremdenregister fest (IZR-Auszug vom 14.04.2025, OZ 2).

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.3.1. In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, es gebe in seiner Heimat ständig Krieg mit den angrenzenden Ländern. Er wolle nicht im Krieg sterben, sondern mit seiner Familie zusammenleben können. Im Falle einer Rückkehr fürchte er den Tod sowie eine Gefängnisstrafe (EB, AS 29).

In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass es keinen Frieden und keine Demokratie gebe, Eritrea sei ein diktatorisches Land und deshalb sei er geflohen. Auf Nachfrage brachte er vor, er sei auch ohne Gerichtsurteil eine Zeit lang im Gefängnis gewesen. „Ich hatte auch Angst, dass ich rekrutiert werde.“, das Leben als Soldat sei begrenzt. Auch in den Nachbarländern herrsche Krieg und er wolle nicht in den Krieg ziehen (EV, AS 92).

Näher zum Militärdienst befragt brachte der Beschwerdeführer vor, er sei „Aufpasser der Garagen“ gewesen, es sei eine Werkstatt gewesen. Er sei immer im Camp gewesen und habe nach dem Dienst nicht nach Hause gehen dürfen, Urlaub habe er selten für kurze Zeit bekommen, etwa alle zwei bis drei Jahre (EV, AS 94). Im Jahr 2009 habe er eine Woche Urlaub bekommen, dies habe er für die Ausreise genutzt (EV, AS 93).

Auf Nachfrage gab er an, von 2005 bis Ende 2007 inhaftiert gewesen zu sein, weil er unerlaubt vom Dienst abwesend gewesen sei, er habe seinen kranken Vater besucht. Zwei Jahre sei er in Haft gewesen und er habe Geld zahlen müssen, um freizukommen, außerdem habe sich ein Pfarrer für ihn verbürgt (EV, AS 92). Im Gefängnis sei er auch misshandelt worden, er sei zum Beispiel mit Zuckerwasser übergossen und in die Sonne gestellt worden, daraufhin hätten ihn Insekten angegriffen. Er habe auch Narben (EV, AS 94).

Das Bundesamt wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab und begründete dies zusammengefasst damit, dass er erstmals und somit gesteigert vor dem Bundesamt als Fluchtgrund vorgebracht habe, desertiert zu sein. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Ausreise erst etwa zwei Jahre nach der Entlassung aus der Haft stattgefunden habe und habe er in den Ländern, in denen er sich danach aufgehalten habe, nicht um Asyl angesucht, sondern sei einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Schon aus diesem Umstand ließe sich eine Schutzbedürftigkeit nicht erkennen. Der Beschwerdeführer habe eine persönliche Bedrohung nicht glaubhaft machen können, aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der humanitären Krise sei ihm eine Rückkehr jedoch gegenwärtig nicht zumutbar (vgl. angefochtener Bescheid, S 54 ff und S 59).

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer erneut zu seiner Ausreise und dem Fluchtgrund befragt zunächst allgemeine Gründe zur Gefährdungssituation in Eritrea vor. Auf Hinweis der erkennenden Richterin auf seinen subsidiären Schutzstatus und erneute Nachfrage, ob es andere Gründe gebe, weshalb er im Herkunftsstaat verfolgt werde, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Soldat gewesen und illegal ausgereist sei, er werde daher als Vaterlandsverräter betrachtet (VHS 15). Im Falle einer Rückkehr würde ihn eine harte Strafe erwarten, es könne auch sein, dass er als Soldat umgebracht werde (VHS 16). Der Beschwerdeführer wiederholte auch sein Vorbringen zum Gefängnisaufenthalt (VHS 16). Näher zum Wehrdienst befragt gab er an, er sei von 2000 bis 2009 Soldat gewesen, er sei zuerst gegen seinen Willen in das Militärcamp nach Sawa gebracht worden, wo er eineinhalb Jahre Grundausbildung absolviert habe. Dann sei er in XXXX als Wachsoldat stationiert gewesen (VHS, 17).

2.3.2. Dem Beschwerdeführer ist es mit seinem vagen, oberflächlichen und teils widersprüchlichen Vorbringen und unter maßgeblicher Berücksichtigung der Länderinformationen zum Wehrdienst in Eritrea nicht gelungen, eine Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

Vorweg ist auf das Aussageverhalten des Beschwerdeführers im Allgemeinen einzugehen, da er trotz mehrfacher Hinweise und einer expliziten Aufforderung und genaueren Erklärung (EV, AS 92; VHS, 22) sowie wiederholter Nachfragen zu den Erlebnissen kein einziges Erlebnis schildern konnte, das die Merkmale einer glaubwürdigen Aussage, wie etwa Interaktionsschilderungen, die Wiedergabe von Gesprächen, die Schilderung von Einzelheiten oder die Schilderung eigener psychischer Vorgänge (vgl. Realkennzeichen nach Steller und Khönken), erfüllen würde. Dies trifft sowohl auf die Zeit, die der Beschwerdeführer angeblich beim Militärdienst verbrachte, als auch auf die Zeit der behaupteten Inhaftierung zu. Selbst wenn man nicht nur das persönliche Aussageverhalten berücksichtigt, sondern auch kulturelle und soziale Aspekte in die Beurteilung der Aussagen miteinbezieht, erscheinen die Aussagen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig. Er hatte auch ausreichend Zeit, sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten und die Gründe für seine Ausreise gedanklich zu wiederholen, bzw. sich das Erlebte in Erinnerung zu rufen. Auch war er zum Zeitpunkt der Erlebnisse erwachsen und hätte in der Lage sein müssen, bestimmte Situationen durch Hintergrundwissen und länderspezifische Details, die man aus seinem Herkunftsstaat weiß, preiszugeben. Es wird dabei nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer nicht nur bei seinem Fluchtvorbringen, sondern bei all seinen Angaben wenig Details vorbrachte; spätestens nach der expliziten Aufforderung und Erklärung durch die Richterin, in seinem Interesse einer positiven Beurteilung der Glaubwürdigkeit auch Details und persönliches Empfinden auszudrücken, hätte er zumindest ansatzweise mehr Informationen preisgeben müssen, was er aber nicht tat (VHS 22 f). Die Erklärung seiner Rechtsvertretung, sein Aussageverhalten sei auf eine Traumatisierung zurückzuführen, ist nicht nachvollziehbar: Weder erwähnte der Beschwerdeführer von sich aus eine Traumatisierung, noch wurden Befunde vorgelegt, die eine solche Traumatisierung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung nahelegen würden; er zeigte auch in der Verhandlung keine entsprechende Gemütsregung, die auf eine Traumatisierung schließen ließe. Sein Aussageverhalten lässt daher in Zusammenschau mit den Widersprüchen und Unstimmigkeiten betreffend seinen Ausreisezeitpunkt und den Aufenthalten erhebliche Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit am tatsächlichen Erleben der behaupteten Ausreisegründe aufkommen.

Viele allgemeine Informationen zum Militärdienst, die der Beschwerdeführer behauptete, waren nicht nachvollziehbar bzw. fanden keine Entsprechung in den einschlägigen Länderberichten. Gemäß der Nationaldienst-Proklamation von 1995 (Art. 8) dauert die aktive Nationaldienstpflicht 18 Monate, davon sechs Monate militärische Ausbildung und zwölf Monate Dienst. Der Beschwerdeführer gab an, dass er ein Jahr und sechs Monate lang die Ausbildung machen musste (EV, AS 94), dies entspricht jedoch nicht der Ausbildungszeit von sechs Monaten, sondern der Gesamtdauer des Nationaldienstes. Wie bereits zuvor ausgeführt finden sich in den Länderberichten keine Hinweise darauf, dass Soldaten keine Ausweise besitzen dürfen und ist dies auch in Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer einen Führerschein besaß bzw. während seiner Zeit beim Nationaldienst erwarb, nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer gab auch mehrfach an, dass man nur alle zwei Jahre etwa eine Woche Urlaub bekomme (VHS 17), Quellen in den Länderberichten beschreiben die Urlaubssituation im militärischen Teil des Nationaldienstes als „unreguliert“ (DIS Pkt. 3.3.13., S 22). Der Beschwerdeführer gab auf Nachfrage dazu an, dass er im Jänner 2009 wegen der Hochzeit „schon Urlaub bekommen“ habe (VHS 18), gleichzeitig habe er im Oktober nochmals Urlaub bekommen, den er dann für seine Ausreise genützt habe (VHS,14 und 17). Dass Soldaten nur alle zwei Jahre eine Woche Urlaub bekommen würden, würde in der Praxis auch dazu führen, dass diese bei einem unbegrenzten Militärdienst de facto kein Familienleben hätten und die Felder, die für viele die Lebensgrundlage der Familien sind, nicht mehr bewirtschaften könnten. Es erscheint daher übertrieben, dass eine derart rigorose Urlaubssituation für alle im Nationaldienst befindlichen Personen gilt. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesamt angab, nie an Kampfhandlungen teilgenommen zu haben (EV, AS 94), woraus auf einen Einsatz im nicht-militärischen Teil des Nationaldienstes geschlossen werden kann (vgl. DIS, Pkt. 3.3.13., S 23; EASO, Pkt. 2.2., S 25 ff).

Es wird dem Beschwerdeführer geglaubt, dass er zumindest den 18-monatigen Pflichtteil des Nationaldienstes absolviert hat. Nicht feststellbar war hingegen, wie lange er im, de facto unbegrenzten Nationaldienst, eingesetzt war. Wie bereits zuvor unter Pkt. II.2.2. ausgeführt, waren die Angaben des Beschwerdeführers zum Beginn seines Militärdienstes nicht schlüssig, da er angab, dass er im Jahr 2000 zum Militärdienst in Sawa gezwungen worden sei (VHS 12), damals wäre er etwa 21 Jahre alt gewesen und somit weit älter, als Wehrpflichtige nach den eritreischen Gesetzen und den vorliegenden Länderberichten eingezogen werden (vgl. Art. 11 Proclamation on National Service No. 82/1995; DIS, Pkt. 3.3., S 21; LIB, 18; EASO, Pkt. 2.3., S 27 ff). Würde man von der Volljährigkeit ausgehen, müsste der Beschwerdeführer den Nationaldienst spätestens mit Beginn des Jahres 1997 angetreten haben, da er unter Heranziehung der festgestellten Personalien im Dezember 1996 seinen 18. Geburtstag hatte. Aus dem Bericht von EASO geht hervor, dass bereits ab 1998 mit dem Beginn des Grenzkriegs mit Äthiopien die Bestimmung des Art. 21 der Proklamation No. 82/1995, dass in Kriegszeiten der aktive Nationaldienst über den Zeitraum von 18 Monaten hinaus geleistet werden müsse, in Geltung war (EASO, Pkt. 2.4., S 35 f), sodass der Beschwerdeführer von dieser Regelung aufgrund seines Alters grundsätzlich betroffen gewesen wäre. Es gibt keine Massendemobilisierung und die Dienstdauer ist weiterhin zeitlich nicht begrenzt. Die tatsächliche Dauer variiert aber beträchtlich. Die Quellen berichten, dass die Dienst-Leistenden in einigen Fällen nach den gesetzlich vorgesehenen 18 Monaten entlassen würden, während viele andere seit Beginn des Kriegs 1998 oder sonst für lange Zeiträume ununterbrochen im Dienst waren. Die Gesprächspartner von EASO erwähnten verschiedene Zeiträume zwischen diesen Extremen als typisch und waren meist nicht in der Lage, eine durchschnittliche Dauer zu nennen. Dienstdauern von zehn oder 20 Jahren waren den Berichten zufolge üblich. Es gibt zwei Formen der Entlassung aus dem Dienst: Einerseits eine Demobilisierung, die einen Transfer vom militärischen in den zivilen Teil des Nationaldienstes, wo der Betroffene weiterhin in der Reservearmee dienstpflichtig ist, bedeutet und andererseits die vollständige Entlassung aus dem Nationaldienst, bei der die entlassenen Personen üblicher Weise in die Volksarmee eintreten, die eine Art weiterführender Militärdienst darstellt, bei dem die Altersgrenze für Männer bei 70 Jahren liegt (EASO, Pkt. 2.4.; LI, 18).

Der Beschwerdeführer behauptete, nach seiner Grundausbildung in XXXX eingesetzt gewesen zu sein, konnte aber über seine Tätigkeit, die er seinen Angaben zufolge mehrere Jahre lang ausgeübt hatte, de facto nichts berichten, außer dass er als Wachsoldat bzw. „Bewacher der Garagen“ tätig gewesen sei (EV, S 11-12; VHS 17). XXXX ist einer der bekanntesten Militärstützpunkte in Eritrea, der in mehreren Länderberichten als „ XXXX “, ungefähr zehn Kilometer südwestlich des Asmara International Airport, Erwähnung findet (z.B. UN Security Council XXXX ). Es ist zumindest sehr ungewöhnlich, dass der Beschwerdeführer nicht ein einziges Detail seines langjährigen Dienstes dort beschreiben konnte.

Gemäß der Nationaldienst-Proklamation von 1995 sind alle Eritreer im Alter von 18 bis 40 Jahren verpflichtet, Nationaldienst zu leisten (Art. 6). Vollständig davon ausgenommen sind nur ehemalige Kämpfer des Unabhängigkeitskriegs (Art. 12) sowie behinderte, sehbehinderte und psychisch kranke Personen (Art. 15). Für den Militärdienst untaugliche Personen sind von dem militärischen Teil ausgenommen, müssen aber stattdessen zivilen Dienst leisten (Art. 13). Abgesehen von diesen gesetzlich vorgesehenen Freistellungen, die Berichten zufolge nicht systematisch angewandt werden, gibt es faktische Freistellungen für bestimmte Personenkategorien. Die zuständigen Behörden beachten diese faktischen Freistellungen in der Regel, sind aber nicht gesetzlich dazu verpflichtet. Darum kommt es in Einzelfällen auch zu Abweichungen. Faktisch vom Nationaldienst ausgenommene Personen erhalten normalerweise kein offizielles Schreiben, das ihre Ausnahme bestätigt (EASO, Pkt. 2.3.3., S 31f). Ebenso von Quellen genannt wurden Personen, die Alleinversorger für ihre Familien sind und deshalb in der Praxis vom nationalen Dienst ausgenommen sind (DIS, Pkt. 3.5., 28f). Der Beschwerdeführer selbst verneinte, unter eine solche Ausnahme zu fallen (VHS 19), es ist aber angesichts der Länderberichte in Hinblick darauf, dass seine beiden Brüder Militärdienst leisten und der Vater bereits verstorben ist, nicht denkunmöglich, dass er z. B. als Alleinverdiener und Bewirtschafter der familiären landwirtschaftlichen Flächen ausgenommen war. Als er ausreiste, übernahm seine Ehefrau die Bewirtschaftung der Landwirtschaft und konnte sich diese, aufgrund der unmittelbar vorangegangenen Heirat im Jahr 2009, vor seiner Ausreise, wahrscheinlich auch auf die Ausnahme vom Nationaldienst für verheiratete Frauen berufen (EASO, Pkt. 2.3.3., S 61) und den Betrieb fortführen. Angesichts der Unmöglichkeit, auf Basis der Aussagen des Beschwerdeführers die genauen Umstände im Zusammenhang mit der Ableistung des Nationaldienstes festzustellen, könnte der Beschwerdeführer auch wegen Vorliegens eines Ausnahmetatbestands gänzlich aus dem Militärdienst entlassen worden sein.

Dem Beschwerdeführer wird somit geglaubt, dass er den allgemeinen Teil des Nationaldienstes geleistet hat und er darüber hinaus den Nationaldienst versehen hat, die Dauer des geleisteten Nationaldienstes konnte aber aufgrund seiner zu vagen und unstimmigen Angaben nicht festgestellt werden und war unter maßgeblicher Berücksichtigung der Länderinformationen zum Nationaldienst festzustellen, dass er zur Zeit seiner Ausreise jedenfalls nicht mehr nationaldienstpflichtig war und die behauptete Desertion vom Nationaldienst nicht stattgefunden hat.

In diesem Zusammenhang ist auch auf seine Angabe vor dem Bundesamt hinzuweisen, wo er auf die Frage, wovon er im Heimatland gelebt hat, antwortete: „Ich war Bauer. Ich habe gearbeitet.“, weitere Einkünfte habe es nicht gegeben (EV, AS 90). Ebenso nicht nachvollziehbar ist in Hinblick auf einen geleisteten Nationaldienst seine Angabe, dass er auch Angst gehabt habe, rekrutiert zu werden (EV, AS 92). Seine Angabe, er sei nach der Haft zurück in das militärische Gebiet (EV, S 10) erweist sich daher im Lichte der zuvor getätigten Angaben als nicht glaubwürdig, zumal er auch erwähnte, nur die Einkünfte aus der Landwirtschaft gehabt zu haben. Wäre er im National- oder Reservedienst tätig gewesen, hätte er eine Vergütung erhalten und diese wohl auch erwähnt (EASO, Pkt. 2.5.).

Abgesehen davon, dass er zur Zeit seiner Ausreise nicht mehr aktiv im Nationaldienst tätig war und eine Desertion schon aus diesem Grund nicht denkbar ist, war die Desertion auch aufgrund seines Vorbringens zur Ausreise nicht glaubwürdig. Weder schilderte er wie, noch wo er die Grenze überquerte und konnte auch den Grenzübergang nicht bezeichnen (VHS 19f). EASO berichtet über eine gängige Fluchtroute ausgehend von XXXX dem Ort, in dem der Beschwerdeführer die Schule besuchte, mit einem Grenzübertritt bei XXXX (EASO 57). Dieser Ort liegt an einer Straße Richtung Äthiopien, näher an der Grenze XXXX . Auch seine Angabe, sein Heimatort sei der letzte Ort vor der Grenze gewesen (VHS 15), erweist sich daher und mit einem Blick in den allgemein zugänglichen Onlinekartendienst google maps als nicht richtig. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Nachfragen überhaupt keine bzw. unrichtige Angaben machte, sollte sich doch die Flucht aus dem Heimatland nachhaltig in das Gedächtnis einprägen. Erst auf nochmalige Nachfrage, was ihm in Hinblick auf Emotionen bei der „Flucht“ am prägendsten in Erinnerung geblieben sei, meinte er, er habe keine Angst vor wilden Tieren gehabt, sondern Angst, von eritreischen Soldaten von hinten erschossen zu werden (VHS 20), dies allerdings auch, ohne Konkretes zu erzählen (vgl. zur „Shoot-to-kill policy“ DIS Pkt. 4.4., S 35).

Nicht lebensnah erscheint es auch, dass er – obwohl er seine Ausreise von seinem Heimatort aus begonnen haben will (VHS 19 f) – weder mit seiner dort wohnhaften Ehefrau noch mit seinen Eltern über seine Pläne gesprochen hätte (siehe auch Ausführungen unter Pkt. II.2.2.). Sofern er angab, dass er nicht wollte, dass sich die Eltern Sorgen machen, weil er schon gewusst habe, dass man nach ihm suchen würde (VHS 14 und 20), ist dies nicht nachvollziehbar. Zudem waren seine Angaben, wie seine Eltern bzw. seine Ehefrau von seiner Ausreise erfahren hätten, widersprüchlich, da er einerseits angab, dass sie erst durch den Besuch der Soldaten davon erfahren hätten (VHS 14 und 20), andererseits, dass er sie informiert habe, als er im Sudan angekommen sei (VHS 14). Auch der Zeitpunkt, wann nach ihm gesucht worden wäre, war aus seinen Angaben heraus nicht klar, da er zunächst von einer „kurzen Zeit“ sprach (VHS 14), dann seien die Soldaten erst eineinhalb Jahre später zu seiner Familie gekommen (VHS 20).

Alle diese Widersprüchlichkeiten und nicht nachvollziehbaren Behauptungen legen nahe, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht aktiv im Nationaldienst tätig war und daher auch nicht davon desertiert sein kann.

Die Einziehung in den Reservedienst oder in die Volksarmee im Fall seiner Rückkehr wird grundsätzlich als möglich erachtet, da gemäß Art. 23 der Nationaldienst-Proklamation entlassene Soldaten bis ins Alter von 50 Jahren in die nationale Reservearmee dienstpflichtig sind. 2012 führte die eritreische Regierung die Volksarmee (Tigrinya: Hizbawi Serawit) ein, in der alle formell aus dem Nationaldienst Entlassenen für einige Tage oder Wochen im Jahr Dienst leisten müssen. Die Aktivitäten umfassen militärische Trainings und Arbeitseinsätze in unregelmässigen Abständen. Die Volksarmee ist nicht Teil der formellen Nationaldienst-Struktur. Ungefähr 2015 wurde die Volksarmee mit der nationalen Reservearmee vereinigt. Die Aktivitäten sind seither stärker mit jener der Armee verflochten. So absolvieren die Angehörigen des zivilen Teils des Nationaldiensts die militärischen Wiederholungskurse teils gemeinsam mit den Mitgliedern der Volksarmee (EASO, 28-29). Aufgrund der restriktiven und willkürlichen Handhabung der Befreiungstatbestände konnte nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht nur aus dem Nationaldienst entlassen wurde, sondern auch vom Reservedienst oder der Volksarmee endgültig befreit wurde. Die Erlangung einer vollen Befreiung aus dem eritreischen Nationaldienst wäre im Lichte der Länderberichte als zumindest sehr ungewöhnlich zu bezeichnen und schwierig. Daher war eher glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer nunmehr dem Reservedienst bzw. der Volksmiliz zugeteilt ist, was im Übrigen auch der üblichen Vorgangsweise der eritreischen Behörden entspricht, die die meisten der aus dem Nationaldienst entlassenen Personen in den Reservedienst transferieren, wo sie zu den bereits beschriebenen wiederkehrenden Trainings einberufen werden und selbst jene Personen, die eine volle Befreiung erhalten haben, dennoch für die Volksarmee gelistet sein können (vgl. EASO, Pkt. 2.4., 34f). Seine Behauptung, seine Kameraden hätten ihn kurze Zeit später bzw. rund eineinhalb Jahren nach seiner Ausreise zu Hause aufgesucht (VHS 14), könnte auch die Aufforderung bedeutet haben, an dem wiederkehrenden militärischen Training als Reservist teilzunehmen. Fest steht daher, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Ausreise aus Eritrea dem Zugriff der eritreischen Behörden, ihn bei Bedarf in den Reservedienst oder in die Volksarmee zu mobilisieren, entzogen hat.

Für eine legale Ausreise aus Eritrea werden als Grundvoraussetzungen ein Reisepass, ein Exit-Visum und ein internationales Gesundheitszeugnis benötigt, weitere Voraussetzungen sind unter anderem, dass die ausreisewillige Person einen Befreiungsschein für den Nationaldienst vorlegen kann und mindestens 40 Jahre alt ist. Selbst Personen, die aus dem Nationaldienst entlassen wurden und der Volksarmee zugeteilt sind, benötigen eine schriftliche Ausreisegenehmigung des Kommandanten (EASO, Pkt. 3.2.1., 43f; LI, 39). Berichten zufolge ist die überwiegende Mehrheit der Eritreer, die das Land bis zum 11.09.2018 verlassen hat, ohne Ausreisegenehmigung illegal ausgereist und hat dies auch der Beschwerdeführer im Verfahren gleichbleibend behauptet. Es wird zwar nicht verkannt, dass er die genaueren Umstände seiner Ausreise nicht glaubhaft machen konnte, unter Berücksichtigung der in den Länderinformationen genannten bürokratischen Hürden einer legalen Ausreise, seines Alters zum Ausreisezeitpunkt und der staatlich geübten Willkür liegen jedoch keine überwiegenden Gründe für Zweifel an der behaupteten illegalen Ausreise vor.

Der Beschwerdeführer konnte die angeblich zwei Jahre andauernde Inhaftierung nicht lebensnahe schildern. Auch in der mündlichen Verhandlung brachte er erst auf Nachfrage vor, inhaftiert und misshandelt worden zu sein. Befragt, was in diesen zwei Jahren gewesen sei, gab er Folgendes an (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll, S 16):

R: Was war in diesen zwei Jahren?

BP: In einem Gefängnis in XXXX war ich solange inhaftiert. Ich habe vorhin gesagt, dass es kein gerichtliches Verfahren dort gibt. Ich wurde festgenommen.

R: Wie ging es nach der Festnahme weiter?

BP: Nachdem sie keinen Beweis gefunden haben, wurde ich freigelassen. Sie haben am Anfang geglaubt, dass ich abhauen wollte, aber sie haben keinen Beweis gefunden.

R: Wo hätten Sie abhauen sollen?

BP: Äthiopien. Sie haben mich verdächtigt, weil ich von der Grenze nicht weit weg war. Das war nur ein Verdacht.“

Von der Richterin befragt, was ihm als erstes einfalle, wenn er an seine Haft denke, gab der Beschwerdeführer an: „Wenn Sie meinen, als ich damals festgenommen wurde. Das war brutal.“ (VHS 20). Befragt, wie er aus der Haft freigekommen sei, antwortete der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung: „Durch eine Kaution.“ (VHS 22). Auf Nachfrage, ob er sich an die Abläufe erinnern können, antwortete der Beschwerdeführer ausweichend (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll, S 22):

„BP: Ich habe schon gesagt, sie haben zuerst gedacht, dass ich fliehen wollte, aber nachdem sie festgestellt haben, dass ich meinen Vater besuchen wollte, haben sie gesagt, dass ich bald freikommen soll. Dann haben sie gefragt, ob ich jemanden kenne, der für mich unterschreibt. Ich ging aber nicht direkt zu meinem Stützpunkt, sondern die ersten zwei, drei Tage verbrachte ich bei meinen Eltern.

R: Und dann?

BP: Dann musste ich wieder zu meinem Stützpunkt zurückgehen.

R: Bitte schildern Sie mir alles, was Sie noch zu Ihrer Freilassung wissen.

BP: Ich habe einen Verwandten, der für mich 60.000 Nakfa bezahlt hat.

R: Ist das alles, was Sie dazu wissen?

BP: Er musste dann auch unterschreiben, dass ich ein Jahr lang z.B. nicht flüchten darf, weil er dann auf der Stelle festgenommen werde würde. Er musste für mich bürgen.“

Vor dem Bundesamt gab er dazu widersprüchlich an, dass „ein Pfarrer“ für ihn gebürgt hätte (EV, AS 92).

In einer Gesamtbetrachtung seines Vorbringens zur Haftstrafe konnte der Beschwerdeführer durch seine durchwegs vagen und detaillosen Angaben nicht glaubhaft machen, dass er zwei Jahre lang inhaftiert war und während dieser Zeit misshandelt bzw. gefoltert worden wäre, da er bis auf die pauschale Angabe, dass man ihn mit Zuckerwasser übergossen und in die Sonne gestellt habe, damit die Insekten auf ihn losgehen keine weiteren Erlebnisse aus dieser langen Zeit wiedergeben konnte. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer selbst angab, dass er nach der Freilassung noch etwa drei Tage bei seinen Eltern gewesen sei (EV, AS 92; VHS 22). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht bereits diese Zeit genutzt haben sollte, um Eritrea zu verlassen, wenn die Erlebnisse im Gefängnis der Auslöser für seine Ausreise gewesen wären, wie er noch vor dem Bundesamt angab (EV, AS 93), sondern er wieder zu seinem Stützpunkt zurückgekehrt wäre, um dann zwei Jahre später das Land zu verlassen (vgl. VHS 22). Der Beschwerdeführer brachte auch nichts dahingehend vor, dass seine Abwesenheit vom Dienst über die behauptete Haft hinaus noch Disziplinarmaßnahmen, wie etwa eine Neuzuweisung (DIS Pkt. 3.3.Rz. 13., S 22 f) zur Folge gehabt hätte, weshalb seinem Vorbringen zur Haftstrafe nicht gefolgt werden konnte.

Auch der Umstand, dass seine Familienangehörigen keinen Repressalien durch eritreische Behörden oder das Militär ausgesetzt waren, spricht gegen die behauptete Desertion. Der Beschwerdeführer berichtete im Zusammenhang mit seiner Familie und auf Fragen zu deren Lebensumständen, dass diese schlecht seien, auch wenn sie selber sagen würden, dass es ihnen gut gehe (EV, AS 91), nannte aber keinerlei Umstände, die auf eine Verfolgung oder Schwierigkeiten der Familie wegen seiner behaupteten Desertion hinweisen würden. Wie bereits erwähnt, fiel ihm auch auf die Frage, wie es seiner Frau ergangen sei, als er nicht mehr zuhause war, nur ein, dass sie mit der Arbeit alleine gewesen sei (VHS 14).

Seine Schilderung, als die – von ihm als „Kameraden“ bezeichneten – Soldaten zu seinen Eltern und seiner Frau gekommen seien und nach ihm gefragt hätten, beinhaltete ebenfalls keine Hinweise auf eine gefährliche oder unangenehme Situation, in die seine Familienangehörigen wegen seiner Abwesenheit geraten wären (VHS 14-15), was die Desertion auch vor dem Hintergrund der Länderberichte unglaubwürdig macht. Seit der Beteiligung Eritreas am Tigray-Konflikt wird regelmäßig über Massenverhaftungen von Deserteuren berichtet, die sich dem Dienst entzogen haben und auch darüber, dass Razzien zunahmen, als die Kämpfe im Jahr 2022 mit Äthiopien wieder aufflammten. Auch die Familien von Wehrdienstverweigerern werden mit Repressalien konfrontiert, darunter willkürliche Verhaftungen und Zwangsräumungen ihrer Häuser (LI, 19), alles Umstände, die der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise vorbrachte.

2.3.3. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht glaublich vom Wehrdienst desertiert, er hat sich aber dennoch dem eritreischen Wehrdienst durch seine illegale Ausreise entzogen, da er zum Zeitpunkt der Ausreise Mitglied der Reserve bzw. der Volksarmee war. Die Feststellungen zu den Konsequenzen der illegalen Ausreise und der damit einhergehenden Entziehung vom Reservedienst und der Volksmiliz ergeben sich zunächst unmittelbar aus Art. 37 Abs. 1 der Nationaldienst-Proklamation, der jede Verletzung der Nationaldienst-Proklamation, somit auch der Nationaldienstpflicht, einschließlich Desertion und Wehrdienstentzug, unter Strafe stellt. Die Strafdrohung gilt unabhängig davon, ob die Person desertiert ist oder sich als Reservist oder Teil der Volksarmee dem Wehrdienst entzogen hat (EASO, 2.7.). Die Behandlung der rückkehrenden Wehrdienstentzieher ist von staatlicher Willkür geprägt, sodass verlässliche Aussagen, welche Konsequenzen diese Personen im Fall der Rückkehr tatsächlich zu erwarten haben, nicht möglich sind. Die genannte Strafbestimmung ist unterschiedslos auf Deserteure und Wehrdienstverweigerer anzuwenden und umfasst zwei Jahre Gefängnisstrafe und / oder eine Geldstrafe in der Höhe von 3000 Birr (180 EUR). Die Haftbedingungen in Eritrea sind Berichten zufolge hart und lebensbedrohlich und verletzen die Menschenwürde (LI, 27). Nach dem Gefängnis ist für Wehrdienstentzieher ein militärisches Training vorgesehen, in dessen Anschluss der Kommandant über das weitere Vorgehen entscheiden darf, insbesondere auch, ob die Person nochmalig in Haft, verbunden mit Folter, genommen wird (EASO, 2.7., 40f). Auch diejenigen, die versuchen, das Land ohne Visum zu verlassen, müssen mit einer Gefängnisstrafe rechnen (LIB, 39). Sofern darauf verwiesen wird, dass eine Quelle eine allgemeine staatliche Verfolgung allein aufgrund einer unerlaubten Ausreise nicht feststellen könne (LIB, 39), ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der nahezu lebenslangen und für alle Bürger geltenden Nationaldienstpflicht auch überwiegend eine Verbindung zu einer Wehrdienstentziehung besteht. Es ist den Länderberichten nicht zu entnehmen, dass eine staatliche Verfolgung ausgeschlossen (LIB, 48) ist bzw. die nach wie vor in Geltung stehende Regelung des Art. 29 der Proklamation No. 24/1992, wonach eine illegale Ausreise mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe in der Höhe von 10.000 Bir bzw. einer Kombination der beiden geahndet wird, nicht mehr vollzogen würde. Nicht verkannt wird, dass mit der Proklamation No. 164/2011 zwischenzeitlich die Möglichkeit eines Rechtsweges gegen eine solche Entscheidung eingerichtet wurde (Art. 29A – Right of Appeal). Diesbezüglich ist aber auf die Ausführungen in den Länderberichten zu verweisen, wonach die Staatsgewalt nicht dem Gesetz unterliegt und Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet ist, Rechte auf ein faires wie öffentliches Verfahren nicht beachtet werden und es kein funktionierendes System von Pflichtverteidigern gibt (LIB, 11). Quellen aus dem Jahr 2022 und 2023 berichten unverändert, dass Eritrea keine institutionelle Mindestinfrastruktur für die Rechtsprechung besitzt. Die formelle Justiz ist schlecht organisiert sowie von der Regierung abhängig, gleichbedeutend mit häufigen Interventionen durch den Präsidenten. Berufungen gegen Urteile sind nicht möglich, es gibt keine Beschränkungen des Strafmaßes, die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden systematisch verletzt. Seit 2002 ist der Oberste Gerichtshof stillgelegt (LIB, 11 f; Quelle aus 2022 bzw. 2023), sodass nicht von einer tatsächlich bestehenden Möglichkeit einer Rechtsschutzinstanz ausgegangen werden kann.

Die Feststellung, dass eine Einziehung in den Reservedienst oder in die Volksmiliz im Fall seiner Rückkehr nicht auszuschließen ist, aber demnach auch nicht maßgeblich wahrscheinlich erscheint, ergibt sich zunächst aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen Nationaldienst bereits vor vielen Jahren absolviert hat und er zum Zeitpunkt seiner Ausreise nicht mehr aktiv im Nationaldienst stand. Die Nationaldienst-Proklamation (Art. 23ff) bestimmt jedoch, dass die Mobilisierung bis zum 50. Lebensjahr jederzeit möglich ist, was sich auch in der Berichtslage so widerspiegelt. Mit dem Wiederaufflammen der Kämpfe in Äthiopien wurden auch Reservisten, d.h. Männer unter 55 Jahren, die aus der Armee bereits entlassen worden waren, aber noch Wachdienst hätten leisten sollen, einberufen (LI, 19). Selbst wenn der Beschwerdeführer daher aus dem aktiven Dienst ausgeschieden ist und seine Nationaldienstpflicht erfüllt hat, stünde es dem eritreischen Staat jederzeit offen, den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr wieder in den Reservedienst einzuziehen. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit wird darin jedoch nicht erblickt, da für den Beschwerdeführer mit 47 Jahren die Altersgrenze von 50 Jahren schon in Sicht ist und im Zusammenhang mit Mobilisierungsmaßnahmen zunächst explizit über Massenverhaftungen von Deserteuren berichtet wird, was auf den Beschwerdeführer aber als Wehrdienstentzieher nicht zutrifft. Hinzu kommt, dass auch die Familie des Beschwerdeführers keinen Repressionen ausgesetzt war (vgl. dazu EASO, 44f; LI, 19), was auch darauf schließen lässt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nicht primäres Ziel von Rekrutierungswellen sein dürfte.

Dem Beschwerdeführer drohen die bereits dargestellten Sanktionen wegen seiner illegalen Ausreise und dem damit verbundene Entzog vom Reservedienst bzw. der Volksarmee. Soweit der Beschwerdeführer bisher im erstinstanzlichen Verfahren vorbrachte, Eritrea verlassen zu haben, weil es dort Krieg gebe und er nicht im Krieg sterben wolle (EB, AS 29) und Eritrea ein diktatorisches Land sei, wo es keinen Frieden und keine Demokratie gebe, weshalb er geflohen sei, das Leben als Soldat begrenzt sei und man nicht wisse, wie lange man noch Zeit hat und außerdem auch in den Nachbarländern Krieg herrsche und er nicht rekrutiert werden wolle (EV, AS 92), hat er damit bereits im Behördenverfahren keine über die Angst vor der neuerlichen Rekrutierung und die Teilnahme an Kampfhandlungen hinausgehenden Gründe für seine Ausreise geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung wiederholte er dann im Wesentlichen diese Aussagen und ergänzte, als Soldat, der illegal ausgereist sei, werde er als Vaterlandsverräter betrachtet (VHS 15). Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, sein Land sei diktatorisch und befände sich im Krieg, trifft dies zweifellos auf Eritrea zu. Seine zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, im Krieg zu sterben und nicht weiterhin als Soldat dienen zu wollen, ist verständlich und als Begründung für seine Ausreise aus Eritrea nachvollziehbar. Eine dezidiert politische Haltung beinhalten diese allgemeinen Aussagen zu seinem Land und seinen Ausreisegründen jedoch nicht, zumal er, befragt zu seinem politischen Verhalten, vor dem Bundesamt auch angab, nie politisch aktiv gewesen zu sein (EV, AS 91). Auch in der mündlichen Verhandlung sind keine Gründe hervorgekommen, die auf eine verinnerlichte politische Gesinnung schließen ließen, die ihn zur illegalen Ausreise und damit verbundenen Wehrdienstverweigerung geführt hätten (VHS 23):

„R: Sie haben vorhin gesagt, der Wehrdienst wäre bei Rückkehr in die Heimat nicht das Problem. Wie haben Sie das gemeint?

BP: Ja, es ist mein Heimatland. Ich hätte genau wie die anderen ja mitgemacht. Es gibt aber keinen Frieden.

R: Was stört sie am meisten am Wehrdienst, dass Sie dann geflüchtet sind?

BP: Erstens, man kann nicht was planen, man muss dort für unbegrenzte Zeit beim Militär dienen. Noch schlimmer, wir werden von den Vorgesetzten wie Tiere behandelt. Wir waren wie Sklaven dort.“

Einem Bericht des UNHCR zufolge wird der Nationaldienst weiterhin als Hauptgrund für die Flucht angegeben, wenngleich mittlerweile auch Berichte vorliegen, dass ökonomische Schwierigkeiten als Fluchtursache noch häufiger genannt werden (LI, 46). Vor dem Hintergrund dieser Länderinformation ist daher sein Vorbringen, Eritrea wegen dem Krieg und dem Nationaldienst verlassen zu haben, grundsätzlich als Fluchtmotiv nachvollziehbar. Da er die auf seine Ausreise folgenden Jahre im Ausland erwerbstätig war – ohne unmittelbar nach seiner Ausreise einen Asylantrag zu stellen -, sind auch wirtschaftliche Gründe für seine Ausreise, wie sie auch dem UNHCR-Bericht zufolge mittlerweile häufig angeführt werden, als maßgeblich anzunehmen. Politische Gründe für seine Ausreise machte er jedoch nicht geltend, auch keine Gewissensgründe (VHS 23).

Die Sanktionen, die dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr drohen, werden unterschiedslos auf alle Bürger, die Eritrea illegal verlassen und sich dem Wehrdienst entzogen haben oder desertiert sind, angewendet. Die Einstellung der eritreischen Regierung Flüchtlingen gegenüber scheint ambivalent zu sein. Einerseits versucht sie, mit drakonischen Strafmaßnahmen, Wehrpflichtige von der Flucht abzuhalten, um ihr System des militärischen und zivilen Nationaldienstes aufrecht zu halten, gleichzeitig nutzt sie den Exodus, soweit er sich nicht verhindern lässt, und hebt von den im Ausland lebenden Staatsangehörigen die Diasporasteuer ein, die für Zahlungsrückflüsse nach Eritrea in der Höhe von rund 40 % des BIP verantwortlich ist (DIS, Pkt. 5.2., 82; LI, 46). Die Steuer wird auf im Ausland erwirtschaftetes Einkommen und auch auf Sozialleistungen der Aufnahmestaaten eingehoben. Zusätzlich ermöglicht es die eritreische Regierung illegal ausgereisten Staatsbürgern und Wehrdienstentziehern, mit Erlangung des sogenannten „Diasporastatus“ regelmäßig auf legalem Weg in ihr Heimatland zurückkehren zu können, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen (LI, 47). Würde das eritreische Regime diesem Personenkreis umfassend eine oppositionelle Gesinnung unterstellen, würde es kaum die Möglichkeit der Legalisierung von zukünftigen Ein- und Ausreisen vorsehen und damit eine Gefährdung des eigenen Regimes durch oppositionelle Kräfte in Kauf nehmen.

Konkret ist im Zusammenhang mit dem, auch in der mündlichen Verhandlung thematisierten Diasporastatus noch folgendes zu erörtern: Eritreer, die das Land illegal verlassen haben, können grundsätzlich und unter bestimmten Bedingungen, legal nach Eritrea zurückkehren. Zunächst müssen sie nachweisen, dass sie die sogenannte Aufbausteuer, die auch als Diasporasteuer oder Rehabilitations- und Wiederaufbausteuer bezeichnet wird, in Höhe von 2 % auf im Ausland erwirtschaftetes Einkommen und Sozialleistungen, die alle im Ausland lebenden Eritreer entrichten müssen, bezahlt haben. Obwohl die Regierung nicht in der Lage ist, die ausländischen Einkünfte einer Person zu überprüfen, scheinen dennoch viele Eritreer die Diasporasteuer ohne zu zögern zu bezahlen, da wie bereits dargelegt, einer Schätzung zufolge die Diaspora-Gemeinschaft Geld zurücksendet, das etwa 40 % des eritreischen BIP ausmacht (DIS, Pkt. 5.2., 40f). Die Entrichtung der Diasporasteuer ist erforderlich, um staatliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, wie z.B. Ausstellung von Geburts- oder Heiratsurkunden, Passverlängerungen oder die Durchführung von Immobilien- oder Fahrzeuggeschäfte. Wenn die Steuer nicht entrichtet wird, können diese Dienstleistungen nicht in Anspruch genommen werden, darüberhinausgehende Konsequenzen der Nichtentrichtung sind nicht bekannt, Aufgrund der internationalen Kritik an dieser Steuer sind zwei akademischen Experten zufolge eritreische Botschaften teilweise nicht mehr bereit, diese Steuerzahlungen entgegen zu nehmen (DIS, Pkt. 5.2., 84.).

Der Beschwerdeführer behauptete in der mündlichen Verhandlung, keine Diasporasteuer bezahlt zu haben, da er die Regierung nicht unterstützen möchte. Auch für die Ausstellung seiner Heiratsurkunden und der Geburtsurkunden seiner Töchter, die in Uganda geboren sind und dort leben, habe er keine Aufbausteuer bezahlt, sondern nur Gebühren für die Kirche, mehr nicht (VHS 13). Der eritreische Staat hat die Pflicht, Personenstandsdokumente auszustellen und nimmt diese Pflicht auch gegenüber im Ausland lebenden Eritreern wahr. Die Standesämter verlangen in diesem Fall üblicherweise eine Vollmachtsbeglaubigung durch eine eritreische Auslandsvertretung (LI, 49). Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer zwar Taufurkunden seiner Kinder vorlegte (AS 107-111), aber behauptete, keine gültigen Geburtsurkunden aus Eritrea zu besitzen. Es bestehen daher erhebliche Zweifel an seiner Behauptung, bisher keine Aufbausteuer bezahlt zu haben.

Neben der Diasporasteuer müssen eritreische Staatsangehörige, die legal nach Eritrea zurückkehren wollen, einen sogenannten „Brief des Bedauerns“ oder auch „Reueerklärung“ genannt, unterzeichnen. Mit der Unterzeichnung dieses Formulars gestehen sie ein, eine Straftat begangen zu haben. Im Wesentlichen beinhaltet diese Reueerklärung die Aussage, „…, dass ich es bereue, eine Straftat begangen zu haben, indem ich den Nationaldienst nicht abgeschlossen habe und erkläre mich bereit, die entsprechende Strafe in der entsprechenden Frist anzunehmen“ (wörtliche Übersetzung aus dem tigrinischen durch EASO, 62). Die Reueerklärung müssen alle rückkehrwilligen Eritreer, die das Land illegal verlassen haben, ohne den Nationaldienst zu leisten oder abgeschlossen zu haben, unterzeichnen. Personen, die vom Nationaldienst ausgenommen sind oder den Dienst bereits abgeschlossen haben, müssen dieses Formular nicht unterschreiben (EASO, 60f). Soweit im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation darüber berichtet wird, dass diejenigen, die Eritrea illegal verlassen haben, die Bezahlung der „Aufbausteuer“ und zusätzlich den Brief des Bedauerns unterschreiben müssen, ist zwar die Einschränkung enthalten, dass vor allem Deserteure des Nationaldienstes von den eritreischen Botschaften zur Unterzeichnung gedrängt werden (LI, 47), daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass vom Beschwerdeführer, der sein Land illegal verlassen und sich dem Wehrdienst entzogen hat, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Unterzeichnung der Reueerklärung für eine legale Rückkehr nicht verlangt werden würde. Auch ist zu beachten, dass eine Verfolgung im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, weil es keine rechtlichen Garantien für eine Rückkehr gibt, was vor allem für bekennende Regimegegner, die mit oppositionellen Aktivitäten hervorgetreten sind, gilt (LI, 48).

Diese beiden Bedingungen, die Diasporasteuer und die Reueerklärung, ermöglichen illegal ausgereisten Eritreern die Erlangung des Diasporastatus, mit dem sie legal nach Eritrea ein- und wieder ausreisen können. Mit der Entrichtung der Diasporasteuer und der Unterzeichnung der Reueerklärung ist es Auslandseritreerin auch ohne weiteres möglich, einen eritreischen Reisepass zu erlangen (LI, 49). Der Beschwerdeführer behauptete wenig glaubwürdig, über den Diasporastatus nicht Bescheid zu wissen (VHS, 24). Da er immerhin jahrelang im Ausland lebte und stets in gutem Kontakt zur Familie stand, wäre es zumindest ungewöhnlich, wenn er nicht über alle Möglichkeiten, die sich ihm zum Besuch seiner Familienangehörigen bieten, Bescheid wissen würde. Ob er den Diasporastatus tatsächlich erlangte, konnte aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung auch an, er werde den „Brief des Bedauerns“ oder auch „Reueerklärung“ nicht unterschreiben, weil er damit unterschreiben würde, dass er schuldig sei und die Strafe akzeptieren würde (VHS 24). Damit brachte er zum Ausdruck, dass er nicht bereit sei, sich vor den eritreischen Behörden strafrechtlich durch das Eingeständnis, mit seiner illegalen Ausreise und der Wehrdienstentziehung eine strafbare Handlung begangen zu haben, belasten zu wollen. Neben dem Ausdruck des Bedauerns oder Bereuens ist Teil dieser Reueerklärung unzweifelhaft auch die Selbstbezichtigung zu einer Straftat, nämlich der nach dem eritreischen Recht strafbaren illegalen Ausreise und Wehrdienstentzug und ist dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten, sich diesbezüglich selber zu belasten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer mit Gültigkeitsdatum ab 22.07.2024 ein Fremdenpass ausgestellt wurde (Auszug aus dem zentralen Fremdenregister vom 14.04.2025) und das Bundesamt die Abgabe einer Reueerklärung vor der eritreischen Botschaft zur Erlangung des eritreischen Reisepasses vermutlich für nicht zumutbar erachtete. Soweit der Beschwerdeführer vermeinte, er würde mit der Unterzeichnung dieser Reueerklärung auch seine Loyalität für die eritreische Regierung zum Ausdruck bringen, ist dies jedoch nicht nachvollziehbar. Es ist nicht erkennbar, dass die Regierung mit der Reueerklärung eine bedingungslose Akzeptanz des eritreischen Staates einfordert, da der Zweck der Reueerklärung (gemeinsam mit der Diasporasteuer) darin liegt, legale Ein- und Ausreisen für ehemals illegal ausgereiste Personen aus Eritrea zu ermöglichen und damit z.B. auch Verwandtschaft, die so gut wie jeder ausgereiste Eritreer im Heimatland aufweist (LI, 47-48), zu besuchen und Geschäfte zu erledigen und abgesehen davon über die Diasporasteuer, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Reueerklärung steht, Deviseneinnahmen zu erzielen. Diese Optionen stehen ihm, wenn er die Reueerklärung verweigert, nicht offen und hat er dadurch auch nicht die Möglichkeit, den Diasporastatus für legale Ein- und Ausreisen aus Eritrea zu erlangen, was er im Übrigen, seinen Aussagen zufolge, auch nicht anstrebt, solange „noch die Regierung regiert“ (VHS, 24). Verständlich ist daher, dass der Beschwerdeführer sich weigert, sich selbst einer Straftat zu bezichtigen, darüber hinausgehende Motive, die Reueerklärung nicht unterzeichnen zu wollen, waren aber nicht glaubwürdig. Dass er die Unterschrift aus politischen Gründen verweigert, konnte er nicht darlegen, zumal der Beschwerdeführer im Verfahren bisher keinerlei politische Betätigung geltend gemacht hat und noch nie politisch in Erscheinung getreten ist, sondern bisher stets darauf Bedacht war, keine politischen Äußerungen zu tätigen, um nicht ins Visier der eritreischen Behörden zu gelangen (VHS, 18, 20).

Von entscheidender Bedeutung im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Weigerung, die Reueerklärung zu unterzeichnen ist die Tatsache, dass es sich hierbei um eine freiwillige Unterzeichnung handelt, zu deren Ableistung der Beschwerdeführer nicht gezwungen ist oder gedrängt wird. Der Beschwerdeführer wurde bisher nicht zur Unterzeichnung aufgefordert (VHS, 24) und wird auch in Zukunft nicht dazu aufgefordert werden, da es sich hierbei nur um ein Angebot des eritreischen Staates handelt und dieser keine Kenntnis erlangt, wenn jemand diese Erklärung nicht unterzeichnet.

Generell kann der Reueerklärung keine politische Dimension entnommen werden, sodass auch der Versuch, mit der Unterzeichnung der Reueerklärung eine politische Haltung zum Ausdruck zu bringen, scheitert, da im Vordergrund dieser Reueerklärung das Eingeständnis der illegalen Ausreise und die Selbstbezichtigung einer Straftat steht. Ein Ausdruck mangelnder Loyalität gegenüber dem Staat kann in der Weigerung, sich selber zu bezichtigen und die eigene Unschuld und seine Rechte im Strafverfahren zu wahren, nicht erblickt werden.

Der Beschwerdeführer hat weder in Hinblick auf seine illegale Ausreise und die damit verbundene Entziehung aus dem Reservedienst oder der Volksarmee noch in Hinblick auf die Verweigerung der Voraussetzungen für die freiwillige Wiedereinreise nach Eritrea politische Gründe oder Gewissensgründe dargelegt, deretwegen er eine Verfolgung durch die eritreischen Behörden befürchten müsste.

In einer Gesamtbetrachtung erschöpften sich die Angaben des Beschwerdeführers in allgemeinen, oberflächlichen Aussagen, aus denen kein glaubwürdiger Bezug zu einer individuellen politischen Überzeugung gegen den Wehrdienst oder gegen das eritreische Regime im Besonderen zu erkennen ist.

Abgesehen von der dargestellten Verfolgung durch die illegale Ausreise und den Wehrdienstentzug, die zweifellos eine den Art. 2 und Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung darstellt, sind keine weiteren Verfolgungssachverhalte für den Fall seiner Rückkehr hervorgekommen, insbesondere wurden auch keine in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe dargelegt und auch amtswegig nicht erkannt, deretwegen er eine Verfolgung zu erwarten hätte.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat Eritrea:

Die den Feststellungen zugrunde gelegten Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0472). Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/0170472). Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

3.1.2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine ihm in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen landesweit drohende Verfolgung nicht glaubhaft gemacht hat:

Als Verfolgungshandlungen gegen Wehrdienstverweigerer kommen – im Lichte des Unionsrechts – insbesondere solche nach Art. 9 Abs. 2 lit b, c und e Statusrichtlinie in Betracht, also etwa eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung des Wehrdienstverweigerers (Art. 9 Abs. 2 lit. c) oder eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 fallen (Art. 9 Abs. 2 lit. e). Letzteres betrifft unter anderem Fälle, in denen der Militärdienst die Begehung von Kriegsverbrechen umfassen würde, einschließlich solcher, in denen der Asylwerber nur mittelbar an der Begehung solcher Verbrechen beteiligt wäre, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass er durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde (EuGH 26.2.2015, C-472/13, Rs Shepherd).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 28.3.2023, Ra 2023/20/0027, mwN).

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass der obligatorische Nationaldienst in Eritrea für Männer und Frauen offiziell 18 Monate dauert und aus sechs Monaten militärischer Ausbildung und zwölf Monaten aktivem Militärdienst oder zwölf Monaten zivilem Nationaldienst besteht. Allerdings kann der Dienst im Ausnahmezustand jedenfalls auf unbestimmte Zeit verlängert werden und herrscht in Eritrea seit 1998 der Ausnahmezustand. Nach den der gegenständlichen Entscheidung als Sachverhalt zugrunde gelegten Feststellungen dauert die Dienstpflicht für Männer aktuell vom 18. bis zum 50. Lebensjahr.

Hinsichtlich der Situation von Rückkehrenden ist den Berichten zu entnehmen, dass sich diese in Eritrea für ihre illegale Ausreise und die Wehrdienstverweigerung zu verantworten haben und die Bestrafung primär eine mehrjährige Haftstrafe und darüber hinaus eine mögliche Geldstrafe und weitere Sanktionen umfasst. Die Verhängung der Haft erfolgt nicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren und die Betroffenen erhalten keinen Rechtsbeistand. Informationen darüber, wer welches Strafmaß anhand welcher Rechtsnormen oder anderer Kriterien verhängt, liegen darüber hinaus nicht vor. Derzeit beträgt die Haftdauer für „nur eine“ illegale Ausreise bis zu fünf Jahre. Die Haftbedingungen sind zum Teil unmenschlich hart und lebensbedrohlich. Auch die hygienischen Zustände und die medizinische Versorgung in den Gefängnissen und Straflagern sind – wie den obigen Länderfeststellungen zu entnehmen ist - völlig unzureichend.

Der Beschwerdeführer wäre im Fall seiner Rückkehr dieser Strafverfolgung ausgesetzt, die den Tatbestand der Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt. Es droht ihm eine Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen und kann eine solche mit einer illegalen Ausreise einhergehende harte Bestrafung nicht als legitimes Mittel eines Staates verstanden werden. Diese Unverhältnismäßigkeit der Sanktion begründet allerdings – wie oben aufgezeigt – nur dann Asylrelevanz, wenn sie auf der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruht.

Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, diesen geforderten Konnex zu einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen herzustellen und ist ein solcher auch amtswegig nicht hervorgekommen.

Die illegale Ausreise und der damit verbundene Wehrdienstentzug erfolgten nicht aus politischen Gründen, sondern aus Sorge vor einer neuerlichen Einziehung zum Wehrdienst, mit der er als Reservist oder Teil der Volksarmee rechnen musste und der Angst, in Kampfhandlungen sein Leben zu verlieren, abgesehen davon war auch eine Erwerbstätigkeit im Ausland das Ziel seiner Ausreise. Die zu erwartenden Strafmaßnahmen im Fall seiner Rückkehr haben ihre Ursache in keinem politisch oppositionellen Verhalten des Beschwerdeführers. Ein solches wird ihm wegen der illegalen Ausreise und Wehrdienstentziehung auch vom Regime nicht unterstellt, zumal das Regime sich der großen Zahl an Wehrdienstentziehern, die illegal das Land verlassen haben, bewusst ist und eher versucht, diese mit Möglichkeiten zur freiwilligen und legalen Rückreise nach Eritrea an sich zu binden.

Nach der Definition des Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere als eine "bestimmte soziale Gruppe", wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. das Urteil des EuGH vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12). Bei der sozialen Gruppe handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Eine soziale Gruppe kann aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (VwGH 14.08.2020, Ro 2020/14/0002). Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass Wehrdienstentziehende und illegal ausgereiste Personen als andersartig oder mit deutlich abgegrenzter Identität in Eritrea angesehen werden, da es sich bei diesen Personen um eine heterogene Gruppe handelt, deren Mitglieder in allen Bevölkerungsschichten und aus den unterschiedlichsten bekannten und unbekannten Beweggründen Eritrea verlassen haben und ihnen insofern auch die gemeinsame Glaubensüberzeugung oder das unveränderbare oder angeborene Merkmal fehlt, damit sie eine erkennbare und asylrechtlich relevante soziale Gruppe bilden.

Eine Verfolgung als Teil einer sozialen Gruppe konnte daher ebensowenig festgestellt werden wie ein Konnex der Verfolgungshandlungen zur Religion, Gewissensfreiheit, Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit und wurden solche Gründe in der Beschwerde auch nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer vergegenwärtigt im Fall seiner Rückkehr nach Eritrea somit Verfolgungshandlungen, diese haben ihren Ursprung aber nicht in einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe und fehlt es daher am Tatbestandsmerkmal des Konnex der Verfolgung zu einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grundes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen der Höchstgerichte.

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