JudikaturBVwG

W262 2294248-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2025

Spruch

W262 2294248-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. JERABEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.04.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung am folgenden Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er syrischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Muslim sei. Er sei in Damaskus geboren und habe in XXXX , Rif Damaskus in Syrien gewohnt. In Syrien habe er neun Jahre die Grundschule besucht und als Schneider, Koch und Elektriker gearbeitet. Er sei verheiratet und habe einen Sohn und eine Tochter, die weiterhin in Syrien leben. Ende Juli 2022 habe er Syrien zu Fuß in die Türkei verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit gebe. Vor ca. einem Jahr hätten sei von ihm verlangt worden, dass er als Reservist zum Militärdienst einrücke und an die Front gehe. Seitdem habe er sich versteckt und seine Reise organisiert, um zu flüchten. Zudem sei er im Februar 2017 festgenommen worden und bis 26.11.2017 in Damaskus inhaftiert gewesen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass er festgenommen und getötet werde.

3. Am 15.03.2024 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch. Der Beschwerdeführer gab an im Ort XXXX in Damaskus Land geboren zu sein, wo er neun Jahre die Schule besucht habe und als Elektriker, Koch sowie Anzugschneider gearbeitet habe. Seinen Pflichtmilitärdienst habe er von 2005 bis 2007 bei den syrischen Seestreitkräften in Latakia abgeleistet, wo er in einer Taucheinheit gewesen sei und auch Wache gehalten habe. Im Jahr 2014/2015 habe er geheiratet und bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Juli 2022 im Heimatdorf gelebt, wo sich seine Ehefrau und die zwei Kinder (geb. 2015 und 2017), seine Eltern sowie eine Schwester weiterhin aufhalten.

Vom BFA zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass sein Dorf von 2013 bis 2017 belagert gewesen sei und man das Dorf nicht verlassen habe können. Im Jahr 2017 seien die Dorfbewohner informiert worden, dass Personen, die keine Straftat begangen hätten, das Dorf verlassen dürfen. Als er das Dorf verlassen habe, sei er am 02.02.2017 beim ersten Checkpoint außerhalb des Dorfes festgenommen worden und sei bis 26.11.2017 in Haft gewesen. Nachdem seine Familie eine Bestechungsgeldzahlung geleistet habe, sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt, wo er sich bis zum Jahr 2022 versteckt habe. Danach habe er sich einen Fluchtweg organisiert und sei ausgereist. Zusätzlich sei er zum Reservemilitärdienst einberufen worden.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer jeweils im Original einen Auszug aus dem Personenstandsregister vom 19.03.2023 sowie einen Auszug aus dem Familienstandsregister und eine Heiratsurkunde, beides ausgestellt am 26.02.2023, samt Übersetzungen, vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 17.04.2024 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zur Situation im Falle seiner Rückkehr sowie zur Lage in Syrien.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer seinen Militärdienst bereits abgeleistet habe und er keine glaubhaft verinnerlichte Überzeugung gegen den Dienst an der Waffe an sich aufweise. Zudem stehe ihm nach syrischen Wehrrecht die legale Möglichkeit offen, eine gesetzlich vorgesehene Befreiungsgebühr zu leisten. Der Beschwerdeführer habe keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft in das Blickfeld des syrischen Regimes gebracht hätten und er sei in Syrien weder vorbestraft, noch politisch tätig oder Mitglied in einer Partei gewesen. Es habe auch aus den sonstigen Umständen nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Syrien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Nationalität, Religion, der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder seiner politischen Einstellung ausgesetzt sei.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend die Teilnahme an Demonstrationen in den Jahren 2012, 2014 und 2016 und der diesbezüglichen Festnahme und Inhaftierung vage gewesen seien und er ausdrücklich in Hinblick auf seine Mitwirkungspflicht belehrt werden habe müssen. Selbst bei Wahrunterstellung wäre der Beschwerdeführer im November 2017 aus der Haft entlassen worden und hätte sich dann noch mehr als 4,5 Jahre unbeschadet in seinem Heimatdorf aufgehalten. Hätte der Beschwerdeführer tatsächlich eine neuerliche Inhaftierung/Verurteilung befürchtet, hätte er in zeitlicher Nähe zu seiner Freilassung sein Heimatgebiet verlassen, um sich dem Zugriff der syrischen Behörde zu entziehen. Hinsichtlich des Reservemilitärdienstes sei die vom Beschwerdeführer angegebene Ausbildung im Unterwasserkampf von keinem Nutzen für die syrische Armee, da sich der gesamte Küstenabschnitt Syriens unter der Kontrolle des syrischen Regimes befinden würde. Auch aufgrund des Alters des Beschwerdeführers sei keine aktuelle unmittelbare Gefahr einer Rekrutierung zum Reservemilitärdienst ersichtlich, da vornehmlich Männer bis zum Alter von 27 Jahren eingezogen werden würden. Zum stehe dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen sich gegen Zahlung einer Gebühr vom Reservemilitärdienst befreien zu lassen.

Im Anschluss unterzog die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt, unter Bezugnahme auf die einzelnen Spruchpunkte des Bescheids, einer rechtlichen Beurteilung.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer während seines Wehrdienst von 2005 bis 2007 in einer Marineeinheit als Taucher eingesetzt gewesen sei. Sein Heimatdorf sei seit Bürgerkriegsbeginn unter der Kontrolle der FSA gestanden und mehrere Jahre vom syrischen Regime belagert worden. Nach dem Ende der Belagerung Anfang 2017 sei der Beschwerdeführer an einem Checkpoint des syrischen Regimes festgenommen und ins Saidnaya Gefängnis gebracht worden, weil er an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen habe. Während der Haft habe er Folterungen, Schläge und Essensentzug erleiden müssen. Nachdem seine Familie Schmiergeld bezahlt habe, sei der Beschwerdeführer im November 2017 entlassen worden. Anschließend habe er wieder im Heimatdorf gelebt und habe im Jahr 2020 vom Ortsvorsteher einen Einberufungsbefehl zum Reservemilitärdienst erhalten. Er lehne jedoch den Militärdienst aus Gewissensgründen ab und auch der Freikauf komme für den Beschwerdeführer nicht in Frage, da er ein mörderisches und menschenfeindliches Regime nicht unterstützen wolle. Zudem drohe dem Beschwerdeführer aufgrund seiner illegalen Ausreise sowie der Asylantragsstellung in Österreich unmenschliche Behandlung, Strafen sowie Vergeltungsmaßnahmen.

6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 25.06.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Im Zuge der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, schriftlich bzw. in der mündlichen Verhandlung, zu den Länderinformationsberichten Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer wurde zudem aufgefordert, einen Kartenausschnitt mit seinem Heimatort vorzulegen.

8. Mit Stellungnahme vom 30.09.2024 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zur Einberufung von Reservisten in die syrische Armee ab und legte zwei Kartenausschnitte seines Herkunftortes vor.

9. Am 08.10.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch beigezogen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen und zu seinen Fluchtgründen befragt.

Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wurde dem BFA im Anschluss an die Verhandlung übermittelt.

10. Der Beschwerdeführer übermittelte am 19.10.2024 einen klinisch-psychologischen Befundbericht an das Bundesverwaltungsgericht.

11. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gewährten Parteiengehörs erstattete der Beshwerdeführer am 15.01.2025 eine Stellungnahme, in der er ausführte, dass zurzeit noch nicht abschätzbar sei, wie sich die Lage in Syrien entwickle und es daher an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung fehle. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers stehe nunmehr unter der Kontrolle der HTS. Die HTS seien von den Vereinten Nationen, den USA sowie der EU als Terrororganisation eingestuft und sei diese zumindest bisher brutal gegen Andersdenkende vorgegangen. Auch UNHCR verweise darauf, dass bestimmte Verfolgungsgründe im Konnex mit dem syrischen Regime zwar weggefallen seien, andere Verfolgungsgründe jedoch weiterhin bestehen oder stärker zu Tage treten würden. Vor diesem Hintergrund sei der Sachverhalt aktuell nicht entscheidungsreif.

12. Weiters erstatte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme vom 22.05.2025 zu den aktuellen Länderinformationen (LIB Version 12) ein, in der er ausführte, dass er den staatlichen Wehrdienst weiterhin verweigere, da er oppostionell gegenüber der von der HTS dominierten syrischen Regierung eingestellt sei. Außerdem fürchte der Beschwerdeführer infolge seiner Ableistung des Wehrdienstes für das ehemalige Assad-Regime, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund der vermeintlichen Unterstützung des ehemaligen Regimes asylrelevante Verfolgung durch die HTS drohen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX (auch: XXXX ) im Gouvernement Rif Damskus/Damaskus Land in Syrien geboren, wo er aufwuchs und – lediglich unterbrochen durch die Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes in den Jahren 2005 bis 2007 – bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Juli 2022 lebte.

Der Beschwerdeführer stellte am 24.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Ehefrau und die Kinder leben ebenso wie die Eltern und eine Schwester des Beschwerdeführers im Heimatdorf XXXX in Syrien. Ein Bruder des Beschwerdeführers ist im Jahr 2013 bei einem Bombardement gestorben. Zwei Brüder leben im Libanon, zwei Schwestern leben in Deutschland, eine weitere Schwester lebt in Kanada. Eine Schwester lebt seit 2015 in Österreich.

Der Beschwerdeführer besuchte neun Jahre die Schule und arbeitete in Syrien als Schneider, in der Gastronomie sowie als Elektriker.

Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX (auch: XXXX ), ein Vorort südwestlich der Hauptstadt Damaskus, befindet sich nach dem Sturz des Regimes von Bashar Al-Assad am 08.12.2024 unter der Kontrolle der Übergangsregierung der Hay’at Tahrier al-Sham (HTS).

Der Flughafen Damaskus hat den internationalen Flugbetrieb wiederaufgenommen und eine Einreise in die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist möglich.

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungungsstörung und einer schweren rezidivierenden depressiven Störung. Er hat Verletzungen aufgrund eines Bombardements am Arm und Rücken, ist aufgrunddessen jedoch nicht in medizinischer Behandlung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat seinen verpflichtenden Wehrdienst für das syrische Regime in den Jahren 2005 bis 2007 abgeleistet.

Eine Bedrohung durch das syrische Regime, insbesondere eine Einberufung zum Reservemilitärdienst in der syrischen Armee oder aufgrund einer Teilnahme an Demonstrationen, ist nach dem Sturz des syrischen Regimes am 08.12.2024 weggefallen.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr auch keine Verfolgungsgefahr, insbesondere keine Zwangsrekrutierung, durch die HTS.

Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Der Beschwerdeführer hat keine Handlungen gesetzt, die von der HTS als oppositionell bzw. als dem Regime von Bashar Al-Assad nahestehend beurteilt werden.

Auch sonst kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet) durch Private aufgrund seiner Religion, Nationalität, Volksgruppe, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten zu erwarten hätte.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.3.1. Betreffend die Lage in Syrien werden u.a. die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 08.05.2025 (Version 12) enthaltenen Informationen der Entscheidung zugrunde gelegt:

„1. Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 22:36

[…]

Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [...]

Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).

Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:

Fragmentierung Syriens dargestellt anhand einer Karte Quelle: TWI 28.02.2025

In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).

Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).

Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025).

Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara' stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt (ISW 16.12.2024). Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara's. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit (FT 30.3.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN 1.4.2025). Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren (AlMon 30.3.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent 29.3.2025). Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt (AlMon 30.3.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha'r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT 30.3.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT 30.3.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent 29.3.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara's Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT 30.3.2025).

Die Kurden im Nordosten Syriens stellen sich gegen die neu vorgestellte syrische Regierung. Das Kabinett spiegele nicht die Vielfalt des Landes wider, teilte die Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) mit. Man sehe sich daher nicht an die Entscheidungen der neuen Regierung gebunden (Zeit Online 30.3.2025; vgl. Standard 30.3.2025; K24 30.3.2025). Obwohl der neuen Regierung mit Bildungsminister Mohammad Turko ein Kurde angehört, sind keine Vertreter der DAANES ins neue Kabinett berufen worden (MEE 30.3.2025). Einige Kritiker weisen auf die Diskrepanz zwischen ash-Shara's Rhetorik bei Treffen mit internationalen Vertretern und dem vermeintlichen Fehlen eines integrativen Diskurses mit einheimischen Akteuren hin (Etana 10.1.2025). In den ersten fünfzig Tagen der neuen Regierung wurden in den Regierungsinstitutionen eine Reihe von Ernennungen vorgenommen, darunter neben den Ministern auch die meisten Gouverneure und Direktoren der wichtigsten Regierungsbehörden und Abteilungen, die eine hoheitliche Dimension haben, wie der Geheimdienst, die Zentralbank und der Kassationshof (AJ 27.1.2025a). Die Problematik besteht darin, dass der Kreis der Entscheidungsträger – zumindest derzeit - ein besonders kleiner, ausschließlich aus engsten Vertrauten aus Idlib bestehender ist, d. h. ein in sich geschlossener Kreis. Hinzu kommen bereits interne Unstimmigkeiten: So mancher militärischen Gruppierung und manchem Weggefährten aus Idlib geht der moderate Zugang der Übergangsbehörden bereits zu weit. War man in den ersten euphorischen Wochen nach der Machtübernahme noch zuversichtlich-optimistisch bzw. vielmehr überzeugt, die Erfahrungen aus dem Modell Idlib auf das ganze Land übertragen zu können (die Argumentation dabei: Idlib als erfolgreicher Mikrokosmos Gesamtsyriens, da ja bewaffnete Gruppen aus dem ganzen Land nach Idlib transferiert worden waren), so hat 50 Tage nach dem Fall des Regimes Assad die Realität die neuen Machthaber eingeholt. Das katastrophale administrative Erbe, die schlechte Wirtschaftslage, die schiere Größe und Vielfalt des Landes, sowie der Mangel an allem, auch an eigenem Fachwissen und Erfahrung. Die Verwaltung eines Stadtstaates (Idlib) hat eine ganz andere Dimension als die eines komlpexen, zerstörten Landes (SYRDiplQ1 5.2.2025).

Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von al-Bashirs Regierung übernehmen wird (AJ 27.1.2025a). Am 12.2.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass die syrische Präsidentschaft das Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat bestehend aus fünf Männern und zwei Frauen (AJ 12.2.2025; vgl. Sky News 12.2.2025). Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten der HTS an oder stehen ihr nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei (BBC 25.2.2025). Mit 12.2.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken (AJ 12.2.2025). Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftsrahmens und eines Plans für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.2.2025 Reportern mit (REU 23.2.2025; vgl. AlHurra 23.2.2025). Am 25.2.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend (AlHurra 25.2.2025). Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil (AlHurra 25.2.2025). Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer (BBC 25.2.2025). Die Kurdische Autonomieverwaltung (Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien - DAANES) und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden (AlHurra 25.2.2025). Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter „persönliche Freiheiten“, „Verfassungsaufbau“ und „Übergangsjustiz“. In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrats gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach „Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung“ übernehmen soll (BBC 25.2.2025). Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und erlässt keine Entscheidungen (AJ 21.2.2025). Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees (AlHurra 23.2.2025; vgl. BBC 23.2.2025). Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter die Bildung eines Legislativrats, ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung – die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ – ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde (TNA 3.3.2025). Am 2.3.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde „seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen“, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben (FR24 2.3.2025; vgl. BBC 3.3.2025). Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten (Nahar 4.3.2025). Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden (SANA 3.3.2025).

Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara' die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT 14.3.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra 14.3.2025). In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE 28.3.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra 14.3.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse (NYT 14.3.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI 4.4.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev 3.4.2025).

Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.3.2025 eine Allianz, die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat (ISW 24.3.2025), die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba'ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei (TNA 23.3.2025) sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen (ISW 24.3.2025). Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung (TNA 23.3.2025).

Die Verfassung und das Parlament wurden während der dreimonatigen Übergangszeit ausgesetzt, so die interimistischen Behörden (Almodon 8.1.2025). Laut Leaks wird der Übergangspräsident die Volksversammlung innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung der Verfassungserklärung ernennen. Die Volksversammlung wird 100 Mitglieder umfassen, wobei eine gerechte Vertretung der Komponenten und Kompetenzen berücksichtigt wird, und wird vom Präsidenten der Republik durch ein republikanisches Dekret für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt (AlHurra 3.3.2025). Am 29.12.2024 sagte ash-Shara' in einem Interview, dass die Durchführung legitimer Wahlen eine umfassende Volkszählung benötige (Arabiya 29.12.2024). In einem Interview gab er an, dass es damit in Syrien freie, faire und integre Wahlen abgehalten werden können, einer Volkszählung, der Rückkehr der im Ausland lebenden Menschen, der Öffnung der Botschaften und der Wiederherstellung des legalen Kontakts mit der Bevölkerung bedarf. Darüber hinaus sind viele der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden oder in Lagern in den Nachbarländern leben, nicht bei den Flüchtlingskommissionen registriert usw. (Economist 3.2.2025). Abgesehen von der wiederholten Aussage, dass Ausschüsse gebildet und Fachleute hinzugezogen würden, gab al-Shara nicht viel Aufschluss darüber, wie der Wahlprozess aussehen würde (NYT 30.12.2024). Ash-Shara' hatte angemerkt, dass die Einrichtung dieser Ausschüsse in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Er teilte der BBC am 18.12.2024 mit, dass ein syrisches Komitee von Rechtsexperten zusammentreten werde, um eine Verfassung zu verfassen und über eine Reihe nicht näher bezeichneter rechtlicher Fragen, darunter den Alkoholkonsum, zu entscheiden. Es ist unklar, auf welche Rechtsexperten sich ash-Shara' bezieht und ob diese Experten repräsentativ für die multiethnische, sektiererische und religiöse Bevölkerung Syriens sind oder ob es sich um HTS-nahe sunnitische Gelehrte handelt (ISW 19.12.2024).

Am 29.1.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: 1. Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed ash-Shara', zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Arabische Sozialistische Ba'ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat (AJ 31.1.2025a). Die Ba'ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba'ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht (Tagesschau 12.12.2024). Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben (AP 30.12.2024). Am 11.2.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, Damaskus die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konflikts gebildeten Institutionen „aufzulösen“. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an ash-Shara's Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren (FR24 12.2.2025). Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat man nur Geringschätzung (SYRDiplQ1 5.2.2025).

Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara' (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024). Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem Umfeld der HTS, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024). Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch sie, al-Shara', seine Organisation die HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Der beste Vergleich sind nicht der Islamische Staat (IS) und al-Qaida, sondern die Taliban und die Hamas, politische Projekte, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind (MEMRI 9.12.2024). Etwa 70 % der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat (SWI 13.2.2025). [...]

Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara's ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten (Economist 2.4.2025).

Anfänglich drängten die Vereinten Nationen (VN) auf eine Rückkehr zum lange stagnierenden politischen Übergang auf der Grundlage der Resolution 2254 (National 9.12.2024). Die 2015 verabschiedete Resolution 2254 des Sicherheitsrates, die einen politischen Übergang in Syrien durch Verhandlungen zwischen der Regierung des gestürzten Regimes und der Opposition forderte, ist inzwischen gegenstandslos geworden, da das Regime, mit dem verhandelt werden sollte, gestürzt ist (AJ 28.12.2024a). Ash-Shara' sieht keine Notwendigkeit mehr für den Arbeitsmechanismus der Vereinten Nationen in Syrien und macht keinen Hehl aus seiner mangelnden Bewunderung für den UN-Gesandten Geir Pedersen. Die neue Regierung hat kein Interesse mehr an der Resolution 2254 und ihren Bestimmungen. Ash-Shara' sagte, dass die vergangenen Jahre die Ineffektivität der VN gezeigt hätten, weshalb er die Resolution mit dem Sturz des Regimes als hinfällig betrachte (Akhbar 31.12.2024).

Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI 9.12.2024).

Das Präsidium der syrischen Übergangsregierung hat einen Beschluss zur Einrichtung einer Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen gefasst, die verwaltungstechnisch und finanziell unabhängig und direkt mit dem Premierminister verbunden ist. Die Behörde für Land- und Seehäfen wird die Generalgesellschaft des Hafens von Tartus, die Generalgesellschaft des Hafens von Latakia, die Generaldirektion der Häfen und andere umfassen, erklärte das Präsidium in einer separaten Entscheidung und ernannte Qutaiba Ahmad Badawi zum Leiter der Behörde. Die neue Behörde wird die Ein- und Ausfahrt von Passagieren und Fracht und alles, was diese Aufgabe erleichtert, überwachen und organisieren, sagte sie. Die Behörde wird auch die Seeschifffahrt, die kommerziellen maritimen Angelegenheiten, die Häfen und den Seeverkehr beaufsichtigen und die für ihre Arbeit notwendigen kommerziellen Schiffe und Immobilien besitzen und leasen (LBCI 1.1.2025).

Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). [...] Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).

Ahmed ash-Shara' wurde 1982 (Rosa Lux 17.12.2024) als Ahmed Hussein ash-Shara' in Saudi-Arabien als Kind syrischer Expatriates geboren. Ende der 1980er-Jahre zog seine Familie zurück nach Syrien (NYT 12.12.2024). Als junger Mann radikalisierte er sich während der blutigen zweiten Intifada, als die israelische Regierung auf palästinensische Selbstmordattentate mit brutaler Gewalt antwortete. Auch der 11.9.2001 prägte ihn (Rosa Lux 17.12.2024). Er ging 2003 in den Irak, um sich al-Qaida anzuschließen und gegen die US-Besatzung zu kämpfen. Arabischen Medienberichten und US-Beamten zufolge verbrachte er mehrere Jahre in einem amerikanischen Gefängnis im Irak. Zu Beginn des Bürgerkriegs tauchte er in Syrien auf und gründete die Jabhat an-Nusra, aus der sich schließlich Hay'at Tahrir ash-Sham entstand (NYT 12.12.2024). 2003 nahm er den Kriegsnamen Abu Mohammad al-Jolani an (Rosa Lux 17.12.2024). In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab ash-Shara' zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt (DW 18.12.2024). Im Januar 2017 gründete er mit der HTS ein neues Bündnis verschiedener islamistischer Milizen, das sich dezidiert von der dschihadistischen al-Qaida und ihrem Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen lossagte (Rosa Lux 17.12.2024). Seit dem Bruch mit al-Qaida haben er und seine Gruppierung versucht, internationale Legitimität zu erlangen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten (NYT 12.12.2024). 2013 setzten die USA ihn auf ihre Terrorliste und lobten später sogar ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen für Hinweise zu seiner Ergreifung aus. 2018 wurde dann auch die HTS von den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft, die Vereinten Nationen folgten (Rosa Lux 17.12.2024).

Als Teil des Übergangs von der Revolution zum Staatsaufbau arbeitet die neue syrische Regierung daran, diesen Aufbau zu stärken und zu konsolidieren, indem sie eine nationale Armee aufbaut, die alle militärischen Formationen und Gruppierungen umfasst, die sich aufgrund bestimmter Umstände und Fakten während der syrischen Revolution gebildet haben (AJ 29.1.2025) [...].

2. Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 22:36

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Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).

In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet (Etana 22.2.2025). Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). […]

Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen (SYRDiplQ1 5.2.2025). Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha [Shabiha sind die irregulären, bewaffneten pro-Assad-Gruppierungen Anm.] befindet (MEI 21.1.2025).

Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten (FR24 1.3.2025). In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft (SOHR 24.2.2025b). Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen (FT 10.3.2025). Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner (TWI 10.3.2025). Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde (Guardian 10.3.2025). Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moscheen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren (Sky News 9.3.2025a). Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben (C4 9.3.2025). Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen (Guardian 10.3.2025). Laut Washington Institute for Near East Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten (TWI 10.3.2025). Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. […] Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer (Sky News 9.3.2025a). Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten (Sky News 9.3.2025b). Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wiederaufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten (SANA 10.3.2025a). Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt (SANA 9.3.2025a). In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde (SANA 10.3.2025b). Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten (SOHR 10.3.2025c). Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter (Sky News 9.3.2025a).

Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark (Guardian 9.3.2025). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer (Guardian 10.3.2025). Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden (Sky News 9.3.2025b). Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden (AJ 9.3.2025). Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste (Arabiya 9.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet (Sky News 9.3.2025a). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien (UN News 9.3.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt (SOHR 11.3.2025). Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten (BBC 10.3.2025). Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte (C4 9.3.2025). […]

Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen (AlHurra 8.3.2025). Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften (SOHR 10.3.2025d).

Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden (TWI 10.3.2025). Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen (BBC 9.3.2025a). Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen (SANA 9.3.2025b). Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten (Arabiya 9.3.2025).

Viele Beobachter sind sich einig, dass trotz der starken Präsenz interner Faktoren auch der externe regionale Faktor bei den Unruhen in der syrischen Küstenregion eine wichtige Rolle spielte. Syrische Sicherheitsquellen weisen darauf hin, dass Iran in die Ereignisse in der Region verwickelt war und dass er die Überreste des Regimes von Bashar al-Assad finanzierte und bewaffnete, die zwischen der Küste und der Provinz Homs unterwegs waren und aufgrund der instabilen Sicherheitslage in den Osten Syriens vordringen konnten (BBC 9.3.2025b). Israel drang nach dem Sturz des Assad-Regimes in Grenzdörfer in Syrien ein und bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zum Schutz seiner eigenen Sicherheit. Während israelische Politiker seit Monaten deutlich machen, dass sie beabsichtigen, ihre Truppen in den Grenzregionen zu belassen, die eigentlich eine von internationalen Friedenstruppen überwachte Pufferzone sein sollte, stellen ihre Erklärungen über ein entmilitarisiertes Südsyrien eine Eskalation dar, die die Spannungen innerhalb Syriens verschärft hat (NYT 25.2.2025). Israel hatte die Pufferzone auf dem syrischen Golan umgangen und das Rückzugsabkommen von 1974 verletzt, indem es in Quneitra und Dara'a eindrang und weiteres syrisches Gebiet besetzte, bis es den Berg Hermon erreichte (BBC 9.3.2025b). Israelische Streitkräfte führen weiterhin Angriffe in und jenseits des entmilitarisierten Grenzstreifens von 1974 zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Quneitra durch. Versuche Israels, die Herzen und Köpfe der Menschen in Quneitra zu gewinnen, wurden wiederholt abgewiesen und fanden gleichzeitig mit Razzien, Schießereien und anderen Verstößen statt (Etana 22.2.2025). Israel führte seit dem Sturz von al-Assad Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien durch, bei denen Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Stellungen von Kräften, die der neuen Regierung treu ergeben sind, angegriffen wurden (SCR 30.1.2025). Am 1.3.2025 drohte der israelische Ministerpräsident Netanyahu und der Verteidigungsminister Katz der syrischen Übergangsregierung, in Syrien einzugreifen, um die Drusen zu beschützen (Enab 1.3.2025; vgl. TIS 1.3.2025). Berichten aus Syrien zufolge kam es zuvor im Rahmen einer Sicherheitskampagne in Jaramana, einem Vorort von Damaskus, zu Zusammenstößen zwischen den Behörden der neuen syrischen Regierung und örtlichen drusischen Kämpfern (TIS 1.3.2025). […] Kräfte von außen, die gemeinsam mit Assad die Macht verloren haben – Iran und seine Vasallen wie die libanesische Hisbollah –, haben Interesse daran, dass das neue Syrien scheitert (Standard 9.3.2025).

Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Russland begonnen, seine Streitkräfte aus der strategisch wichtigen Marinebasis Tartus abzuziehen. Dieser Rückzug könnte das Machtgleichgewicht in der Region beeinflussen und Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Syrien haben (VB Amman 9.2.2025). […]

Ende Dezember wurde, einer syrischen Sicherheitsquelle von Al Jazeera zufolge, durch die Abteilung für militärische Operationen eine landesweite Sicherheitsoperation gestartet, um Überreste des untergegangenen Regimes zu jagen und militärische Kontrollpunkte an der Straße zum russischen Militärstützpunkt Hmeimim in Tartus einzurichten (AJ 28.12.2024b). […]

Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor (SOHR 23.2.2025). Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern (TNA 27.2.2025) […]

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen (ÖB Amman 6.2.2025) […].

[…]

Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Syriens variiert (VB Amman 9.2.2025). Im Folgenden wir die Sicherheitslage je nach Region dargestellt:

Zentralsyrien

Nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme islamistischer Gruppen bleibt die Sicherheitslage auch in den Küsten- und Zentralregionen Syriens fragil und stark fragmentiert. Während einige Gebiete weitgehend unter der Kontrolle der neuen islamistischen Machthaber stehen, gibt es weiterhin Widerstand durch lokale Milizen, ehemalige Assad-treue Gruppen und ausländische Akteure (VB Amman 9.2.2025). Das syrische Innenministerium hat seine Sicherheitsoperationen in verschiedenen Provinzen intensiviert und dabei Elemente des gestürzten Assad-Regimes ins Visier genommen, die ihre Bewegungen in einigen Gebieten verstärkt haben. In mehreren Gebieten, insbesondere in den ländlichen Gebieten von Damaskus, Homs und Tartus, fanden groß angelegte Sicherheitsoperationen statt, bei denen eine Reihe von bewaffneten Kämpfern festgenommen und andere bei direkten Zusammenstößen neutralisiert wurden. Sicherheitsberichte bestätigen, dass diese Gruppierungen die syrische Armee und die Sicherheitskräfte ins Visier genommen hatten, um die Sicherheit zu schwächen und Chaos zu stiften. Dabei nutzen sie die schwierige geografische Lage einiger Gebiete, um sich zu verstecken und ihre Reihen neu zu formieren (AAA 1.3.2025). Damaskus ist unter der Kontrolle islamistischer Gruppierungen. Während in einigen Vierteln eine gewisse Stabilität herrscht, sind Anschläge, Attentate und gezielte Angriffe rivalisierender Gruppen weiterhin an der Tagesordnung. Israelische Luftangriffe auf mutmaßliche Waffenlager oder Stellungen von pro-iranischen Milizen haben zugenommen, während in den Außenbezirken einzelne Widerstandszellen gegen die neuen Machthaber operieren. IS-Zellen und lokale Widerstandsgruppen greifen regelmäßig Kontrollpunkte an, was zu einer angespannten Lage führt (VB Amman 9.2.2025). Bei Zusammenstößen zwischen den Streitkräften der neuen Machthaber Syriens und bewaffneten Männern der Minderheit der Drusen in der Nähe von Damaskus am 1.3.2025 wurde eine Person getötet und neun weitere verletzt, wie ein syrischer Menschenrechtsbeobachter berichtet (FR24 1.3.2025). Interne Sicherheitskräfte haben in Begleitung lokaler bewaffneter Gruppen eine Sicherheitskampagne gegen die Wohnhäuser von Offizieren in der Stadt Qatana im Hinterland von Damaskus durchgeführt, bei der Dutzende von Bewohnern der Gegend verhaftet und eine Ausgangssperre verhängt wurden. Es kam wiederholt zu Hausdurchsuchungen, begleitet von Vandalismus, Plünderungen und Verhaftungen einer Reihe von Bewohnern, darunter Männer und Frauen (SOHR 28.2.2025a). Im Umland von Damaskus kam es am 27.2.2025 zu Zusammenstößen zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, bei denen es Verletzte gab (Shafaq 27.2.2025). Die Zunahme von Gewalt und Kriminalität in den Minderheitengebieten Syriens bleibt die größte Herausforderung für die neuen Behörden seit dem Sturz des alten Regimes im Dezember 2024. Das Land hat einen Anstieg der Angriffe erlebt, sowohl von Überbleibseln des Regimes, deren Interessen nach dem Sturz al-Assads leiden und die versuchen, das Land zu destabilisieren, als auch von allgemeinen Straftätern (AAA 1.3.2025). Die ehemals von der Assad-Regierung gehaltenen Küstenregionen Latakia und Tartus, die als Hochburgen der alawitischen Gemeinschaft galten, sind mittlerweile unter der Kontrolle islamistischer Gruppen gefallen. Der Übergang verlief jedoch nicht ohne Widerstand, da lokale alawitische Milizen, Überreste regierungstreuer Einheiten und vereinzelt russische Kräfte um ihre Einflusszonen kämpften. Während die Küste früher als sicher galt, könnten neue Konflikte zwischen islamistischen Gruppen, Assad-treuen Einheiten und möglicherweise verbleibenden russischen Kräften in den kommenden Monaten entstehen (VB Amman 9.2.2025). In der Küstenregion ist die Sicherheitslage instabil und durch wiederholte Angriffe an Kontrollpunkten und kriminelle Aktivitäten wie Plünderungen, Raubüberfälle und Entführungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, gekennzeichnet (UNOCHA 12.2.2025). Die Region Latakia ist strategisch wichtig und beherbergt wichtige militärische Einrichtungen, die von der Assad-Regierung genutzt wurden. Russland hat hier noch Interessen, insbesondere im Hinblick auf den ehemaligen Militärflughafen Hmeimim. Vereinzelt wurden Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen und zurückgebliebenen pro-Assad-Milizen gemeldet (VB Amman 9.2.2025). In den vergangenen zwei Monaten haben ehemalige Regimegruppierungen vier Operationen im Nordwesten des Landes durchgeführt, bei denen Angehörige der Abteilung für Militäreinsätze getötet und verletzt wurden (AAA 1.3.2025). In Tartus wurde die frühere russische Marinebasis Berichten zufolge von russischen Truppen teilweise geräumt, wobei unklar ist, ob sie vollständig aufgegeben wurde. Islamistische Gruppen haben die Kontrolle über die Stadt übernommen, aber die Präsenz von Untergrundzellen ehemaliger Assad-Anhänger könnte zu weiteren Spannungen führen (VB Amman 9.2.2025). Aufrufe zur Gewalt unter ehemaligen Assad-Anhängern haben viele Alawiten dazu veranlasst, in den syrischen Küstengouvernements Tartus und Latakia sowie in Homs zu den Waffen gegen die von HTS geführten Truppen zu greifen (LWJ 29.1.2025). Bewaffnete Männer auf zwei Motorrädern haben eine Polizeistation in der Stadt Savita in der Provinz Tartus angegriffen und Handgranaten geworfen, was zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen den Angreifern und dem Personal der Station führte, bei dem einer der Mitarbeiter der Station verletzt wurde. Unterdessen wurde ein junger Zivilist aus dem Hinterland von Tartus durch verirrte Kugeln getötet, als er in einem Auto unterwegs war, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR 28.2.2025b). In Homs, Hama und Nordwestsyrien herrscht unterdessen relative Stabilität, abgesehen von einigen Unruhen im ländlichen Homs (UNOCHA 12.2.2025). Die zentrale Region Syriens, bestehend aus Homs und Hama, bleibt nach dem Sturz des Regimes eine Zone mit unklaren Machtverhältnissen. Die Stadt Homs, die einst ein zentrales Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg war, ist nun ein Gebiet mit sporadischen Kämpfen zwischen islamistischen Gruppen und Widerstandsbewegungen, darunter ehemalige regierungstreue Milizen und lokale Stämme. Während die islamistischen Machthaber Kontrolle über die Stadt beanspruchen, gibt es Berichte über vereinzelte Scharmützel und Anschläge (VB Amman 9.2.2025). Kämpfer der Gruppierung Islamischer Staat (IS) haben am 10.12.2024 in der syrischen Region Homs mindestens 54 Menschen getötet, die alle ehemalige Mitglieder der Regierung von Bashar al-Assad gewesen sein sollen und nach deren Zusammenbruch versucht haben sollen zu fliehen (MEE 10.12.2024). Ähnlich wie Homs ist auch Hama von sozialen Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt. Einige ländliche Gebiete außerhalb der Stadt stehen noch unter Einfluss lokaler Gruppierungen oder einzelner Widerstandszellen, die sich der neuen Ordnung widersetzen. Die humanitäre Lage in beiden Städten bleibt kritisch, da die Infrastruktur stark beschädigt ist und viele der ehemaligen staatlichen Versorgungsstrukturen nicht mehr funktionieren. Ar-Raqqa, die ehemalige Hauptstadt des IS, bleibt ein Brennpunkt der Unsicherheit. Teile der Region sind nach wie vor von lokalen kurdischen Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kontrolliert, was die Spannungen zusätzlich erhöht. Nach der Übernahme islamistischer Gruppierungen in anderen Teilen des Landes ist die Lage in ar-Raqqa weiterhin angespannt, da sich verschiedene Gruppen um die Kontrolle streiten. IS-Schläferzellen sind weiterhin aktiv und haben in den letzten Monaten gezielte Anschläge auf islamistische Sicherheitskräfte und Verwaltungsstrukturen verübt. Letztlich bleibt auch die Sicherheitslage in Deir ez-Zour hochgradig instabil. Die Region war bereits zuvor ein zentrales Schlachtfeld gegen den IS, und obwohl sich die Machtdynamik geändert hat, sind Guerilla-Taktiken, Anschläge und bewaffnete Konflikte weiterhin an der Tagesordnung. Die Kontrolle über Deir ez-Zour ist stark fragmentiert, da verschiedene islamistische Gruppierungen, die SDF sowie lokale Stammesmilizen um Einfluss kämpfen. Die neuen islamistischen Machthaber Syriens haben keine einheitliche Kontrolle über die Region, da verschiedene Gruppen um Territorium ringen. HTS und andere Fraktionen versuchen, ihre Positionen zu stärken, was zu Zusammenstößen mit lokalen Stämmen und ehemaligen regierungstreuen Milizen führt. Die SDF hält weiterhin einige Gebiete, insbesondere im nördlichen und östlichen Teil der Provinz, was die Spannungen mit islamistischen Gruppen und türkisch unterstützten Milizen weiter verschärft. Der IS ist weiterhin aktiv und nutzt das Machtvakuum, um Schläferzellen zu reaktivieren. In ländlichen Gebieten verübt der IS regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, Checkpoints und lokale Stammesführer, die mit den neuen Machthabern kooperieren. Die sich verschlechternde Sicherheitslage ermöglicht es dem IS, erneut Rekruten anzuwerben, insbesondere unter den wirtschaftlich benachteiligten Stämmen. Deir ez-Zour war schon vor dem Sturz al-Assads ein Zentrum für Schmuggel und illegalen Ölhandel, eine Situation, die sich nun weiter verschärft hat. Kriminelle Netzwerke, bewaffnete Stämme und ehemalige regierungstreue Gruppen kontrollieren Teile der Ölfelder und Routen für Schmuggelware, was zu bewaffneten Auseinandersetzungen um wirtschaftliche Ressourcen führt. Die wirtschaftliche Lage ist katastrophal, da Versorgungslinien unterbrochen wurden und viele Menschen ohne Einkommen oder humanitäre Hilfe auskommen müssen (VB Amman 9.2.2025).

(…)

7. Folter und unmenschliche Behandlung, Haftbedinungen, willkürliche Verhaftungen, Verschwinden Lassen, etc. - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 22:36

Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (8.12.2024) [...]

Vor dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 berichteten die UN über Folter und Hinrichtungen von Gefangenen, die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Nordwesten festgehalten werden. Sie und einige Fraktionen der Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) im Norden wenden in ihren Haftanstalten dieselben brutalen Foltermethoden an wie die Regierung (OHCHR 3.2.2025).

Im Jänner 2025 führte die Übergangsregierung Sicherheitskampagnen durch, wie Razzien und Festnahmen. Im Fokus standen dabei die Gouvernements Latakia, Homs und Damaskus. Gerichtet waren diese Kampagnen gegen Personen, denen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen unter dem Assad-Regime vorgeworfen werden, insbesondere gegen ehemalige Militärangehörige und Regierungsangestellte. Ob diese Kampagnen auf gerichtlichen Anordnungen basierten, ist unklar. Das Syrian Network for Human Rights dokumentierte im Jänner 2025 229 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, darunter drei Kinder und acht Frauen. Die Übergangsregierung war für 129 Verhaftungen verantwortlich, wobei 36 wieder entlassen wurden (SNHR 4.2.2025a). Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen Alawiten, denen Soldaten begegnen. Die HTS weigert sich, einem transparenten Rechtsverfahren zu folgen, bei dem diese Opfer eindeutig identifiziert und vor Gericht gestellt werden (MEI 21.1.2025). Hawar News, einer kurdischen Zeitung zufolge, haben vier Personen in einer Haftanstalt in Damaskus durch Folter ihr Leben verloren, nachdem sie bei Razzien in Homs festgenommen worden waren (ANHA 9.2.2025). Ende Jänner verstarb ein Mann, der wegen Unterstützung des Assad-Regimes verhaftet worden war, in Haft. Die syrischen Behörden kündigten an, eine Untersuchung wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einzuleiten. Die Verantwortlichen wurden verhaftet und der Militärjustiz übergeben (AAA 2.2.2025).

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9. Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 15:46 [...]

Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).

Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). [...] Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).

Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025). […]

Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).

Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).

Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025).

10. Allgemeine Menschenrechtslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 22:36 [...]

Human Rights Watch konstatiert, dass nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen in Syrien, darunter Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und Gruppierungen der Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army - SNA), die am 27.11.2024 die Offensive starteten, die nach zwölf Tagen die syrische Regierung stürzte, im Jahr 2024 für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich waren (HRW 16.1.2025). Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) befürchtet eine Rückkehr zu einer "dunklen Ära", weil die Verhaftungen und Hinrichtungen angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage zunehmen (SOHR 2.2.2025). Das Syrian Network for Human Rights (SNHR) dokumentierte im Jänner 2025 129 Fälle von willkürlichen Verhaftungen durch die Übergangsregierung (SNHR 4.2.2025b) und im Februar 2025 21 Fälle (SNHR 3.3.2025).

Der Übergang von dem Regime unter Bashar al-Assad zur Interimsregierung unter der Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) soll relativ reibungslos verlaufen sein. Berichte über Vergeltungsmaßnahmen, Rachemorde und religiös motivierte Gewalttaten waren minimal. Plünderungen und Zerstörungen konnten schnell unter Kontrolle gebracht werden, die aufständischen Kämpfer wurden diszipliniert (AP 15.12.2024b). Es gab keine größeren Massaker oder Rachekampagnen (DW 12.12.2024).

Seit die Rebellengruppierungen am 5.12.2024 die Kontrolle über das Gouvernement Hama übernommen haben, hat das Syrian Network for Human Rights (SNHR) eine Reihe von Verstößen dokumentiert, darunter außergerichtliche Tötungen, Zerstörung von Häusern und Angriffe auf öffentliches und privates Eigentum (SNHR 19.12.2024). Mitte Jänner 2025 nahm die Welle von Selbstjustiz-Angriffen auf ehemalige Mitarbeiter des Regimes zu. Menschen wurden zu Opfern von Attentaten und Ausschreitungen des Mobs. Während einige der Betroffenen Personen sind, deren Beteiligung an den Misshandlungen der Zivilbevölkerung durch das Regime nach 2011 gut dokumentiert ist, waren an anderen Vorfällen kürzlich versöhnte ehemalige Mitglieder des Regimes, Wehrpflichtige mit niedrigem Rang und scheinbar zufällig ausgewählte junge Männer aus der Gemeinschaft der Alawiten betroffen (Etana 17.1.2025). Es werden Rachemorde durch bewaffnete Gruppierungen durchgeführt, von denen einige behaupten, dass diese mit der Abteilung für militärische Operationen verbunden wären […]. Sie zielen aus politischen bzw. konfessionellen Motiven auf Zivilisten ab (SOHR 26.1.2025). Die Provinzen Hama und Homs waren von diesen Entwicklungen am stärksten betroffen, da sie zum Schauplatz häufiger Konfrontationen wurden. In den Küstengebieten wie Latakia und Tartus kam es zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage und zu einer Zunahme an Morden und Hinrichtungen [Diese Provinzen stellten das Kernland des Assad-Regimes dar und wurden in den Bürgerkriegsjahren weitgehend von Kampfhandlungen verschont. Anm.]. Am 11.1.2025 zählte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) seit 8.12.2024 80 Fälle von Tötungen, darunter Hinrichtungen vor Ort, bei denen 157 Menschen getötet wurden, unter den Getöteten waren Frauen und Kinder (SOHR 11.1.2025). Insbesondere in den Regionen Hama und Homs, sowie in den Küstengebieten Latakia und Tartus kam es zu willkürlichen Tötungen und Hinrichtungen vor Ort (SOHR 3.1.2025). Nach Berichten von lokalen Aktivisten und Augenzeugen war die Gruppierung Ansar at-Tawhid […] an einem großen Teil dieser Verstöße beteiligt, zusätzlich zu anderen Gruppierungen, die nicht genau identifiziert werden konnten (SNHR 19.12.2024). Mindestens 124 Menschen wurden bei einer Reihe von gewalttätigen Zwischenfällen zwischen 8.12.2024 und 8.1.2025 getötet, darunter bei Racheakten, Vandalismus, Morden und Hinrichtungen in den Provinzen Homs und Hama sowie in den syrischen Küstenstädten. Berichten zufolge wurde ein erheblicher Teil der Gewalt durch die Verbreitung von Videos mit Falschmeldungen in den sozialen Medien ausgelöst, deren Ziel es war, die sektiererischen Spannungen zu verschärfen (MAITIC 9.1.2025). Wegen eines unbestätigten Angriffs auf einen alawitischen Schrein wurde im Dezember 2024 eine Welle von Protesten unter der alawitischen Gemeinschaft in Homs, Latakia, Tartus und Teilen von Damaskus ausgelöst. Die Proteste führten zu Militäroperationen des neuen syrischen Sicherheitsapparats, um ehemalige Kämpfer des Regimes zu vertreiben (AlMon 11.1.2025). Dem Middle East Institute zufolge ist eines der dringendsten Probleme nicht sektiererisch motivierte Angriffe […], sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben. Im Allgemeinen richten sich die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegen Männer, von denen angenommen wird, dass sie Verbrechen begangen haben (unabhängig davon, ob dies bewiesen ist oder nicht), und nicht gegen irgendwelche Alawiten, denen die Soldaten zufällig begegnen. Die Fälle, die die größte Angst geschürt haben, sind die Entführungen und Hinrichtungen von ehemaligen Mitgliedern des Regimes (MEI 21.1.2025). France 24 zufolge zeigen Berichte und Videos in den sozialen Medien in Syrien, dass Vergeltungsmorde begonnen haben (FR24 13.12.2024). Es kursierten Bilder von Regierungsbeamten des ehemaligen Regimes, die unter Gewaltanwendung durch die Straßen geschleift wurden (PBS 16.12.2024). Seit der Machtübernahme durch die neue Regierung haben die Sicherheitsbehörden eine Reihe von Sicherheitskampagnen durchgeführt, die darauf abzielen, die „Überbleibsel des früheren Regimes“ zu verfolgen. Hunderte von Menschen, die ihren Status bei den neuen Behörden nicht geregelt haben, wurden verhaftet. Anwohner und Organisationen haben von Misshandlungen berichtet, darunter die Beschlagnahmung von Häusern und Hinrichtungen vor Ort (AAA 2.2.2025). Bei einer Sicherheitskampagne in Homs gegen Regimeunterstützer im Jänner 2025 kam es zur Festnahme einer Reihe von Männern, darunter auch Zivilisten, denen Verstöße im Zusammenhang mit der inoffiziellen Beschlagnahme von Fahrzeugen nachgewiesen wurden. Die meisten Elemente der Abteilung für Militärische Operationen waren diszipliniert, mit Ausnahme einiger von offizieller Seite als Einzelfälle bezeichneten Vorfällen, wie das Zerbrechen von Musikinstrumenten und Wasserpfeifen sowie von Flaschen mit alkoholischen Getränken und die Beschädigung des Inhalts einiger Häuser. Einige Häftlinge wurden zu erniedrigenden Handlungen gezwungen, wie dem Imitieren von Tiergeräuschen, und sie wurden beleidigt und mit sektiererischen Phrasen beschimpft (Enab 6.1.2025). Auch in Damaskus kam es am 8.1.2025 zu Razzien durch die neuen Sicherheitsbehörden. Sie folgten auf eine dreiwöchige Kampagne im alawitischen Kernland an der Küste (National 8.1.2025). Die Civil Peace Group, eine zivilgesellschaftliche Gruppe, stellte den Tod von zehn Personen, die bei Sicherheitskampagnen und Razzien festgenommen worden waren, in den Gefängnissen der Abteilung für Militärische Operationen im Zeitraum vom 28.1 bis 1.2.2025 in verschiedenen Teilen von Homs fest (AAA 2.2.2025). Lokale bewaffnete Gruppen, die unter dem Kommando der Abteilung für Militärische Operationen operieren, führten Racheaktionen, schwere Übergriffe und willkürliche Verhaftungen durch, wobei sie Dutzende von Menschen ins Visier nahmen, sie demütigten und erniedrigten sowie religiöse Symbole angriffen (SOHR 28.1.2025). Die neue Regierung reagierte auf die Vorwürfe von Menschenrechtsaktivisten mit Festnahmen von Dutzenden Mitgliedern örtlicher bewaffneter Gruppen, die unter der Kontrolle der neuen Machthaber stünden, wegen ihrer Beteiligung an den "Sicherheitseinsätzen" in der Region Homs (Spiegel 27.1.2025). Zuvor hatten die neuen Machthaber Mitglieder einer "kriminellen Gruppe" beschuldigt, sich während eines Sicherheitseinsatzes als "Angehörige der Sicherheitsdienste" ausgegeben zu haben (Zeit Online 27.1.2025). Ein Überfall auf eine syrische Sicherheitspatrouille durch militante Anhänger des gestürzten Staatschefs Bashar al-Assad eskalierte am 6.3.2025 zu Zusammenstößen, bei denen innerhalb von vier Tagen mehr als 1.000 Menschen getötet wurden (SOHR 10.3.2025a). Bewaffnete Männer, die der syrischen Regierung treu ergeben sind, führten Hinrichtungen vor Ort durch und sprachen von einer Säuberung des Landes, wie Augenzeugen und Videos belegen. Sie lieferten ein grausames Bild eines harten Vorgehens gegen die Überreste des ehemaligen Assad-Regimes, das in gemeinschaftliche Morde ausartete (CNN 9.3.2025). Menschenrechtsberichten zufolge waren von der Türkei unterstützte Gruppierungen an „systematischen ethnischen Säuberungsaktionen“ und groß angelegten „Massakern“ gegen Zivilisten in Baniyas, Tartus und Latakia beteiligt, bei denen Hunderte von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, getötet wurden (LebDeb 10.3.2025). Mitglieder des Verteidigungsministeriums und die sie unterstützenden Kräfte haben Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen, ohne dass sie rechtliche Konsequenzen fürchten müssen. Insgesamt wurden 1.093 Todesopfer verzeichnet (SOHR 11.3.2025). Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen (Sky News 9.3.2025a). Des Weiteren gibt er an, dass in einigen Gebieten Zivilisten abgeschlachtet wurden, während andere durch Erschießungskommandos hingerichtet wurden (AlHurra 9.3.2025), wie in den Stadtvierteln Baniyas und al-Qusour im Gouvernement Tartus, wo 92 Bürger durch ein Erschießungskommando des Ministeriums für Verteidigung und innere Sicherheit hingerichtet wurden (SOHR 10.3.2025e). Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen (TWI 10.3.2025). In den Städten im Gebiet zwischen Baniyas und Qadmous kam es zu Massentötungen, darunter auch von Kindern und älteren Menschen (AlHurra 9.3.2025). Zehntausende Häuser wurden laut Aussage des Leiters der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) geplündert und niedergebrannt (Sky News 9.3.2025a). […] Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen sprach über Berichte von Menschen, die im Kreuzfeuer getötet wurden, und schwere Misshandlungen in der Haft. Pedersen prangerte Entführungen, Plünderungen, Beschlagnahmungen von Eigentum und Zwangsräumungen von Familien aus staatlichen Wohnungen an. Er forderte alle bewaffneten Akteure dazu auf, diese Art von Aktionen zu stoppen, ihre Zusicherungen mit konkreten Maßnahmen zu untermauern, und an einem umfassenden Rahmen für eine Übergangsjustiz zu arbeiten (AJ 13.2.2025b).

Der Exekutivdirektor der Organisation Christians for Democracy, stimmt der Rechtfertigung der neuen syrischen Regierung zu, dass das, was geschieht, nicht die Politik der Übergangsregierung widerspiegelt. Er hat die Verstöße in zwei Kategorien eingeteilt: Verbrechen und Übergriffe, die von Einzelpersonen mit der Absicht begangen werden, sich an bestimmten Personen oder an denen, die mit dem früheren Regime kollaboriert haben, zu rächen, und Übergriffe, die von einigen extremistischen Gruppierungen begangen werden, die mit der von der neuen Regierung in Damaskus beschlossenen Politik nicht einverstanden sind. Die Übergangsregierung zieht diejenigen zur Rechenschaft, die nachweislich an Übergriffen gegen Zivilisten beteiligt waren (SOHR 2.2.2025).

Die syrische Übergangsregierung unter ash-Shara' hat zugesagt, dass die Verantwortlichen für Gewalttaten gegen Syrer durch das gestürzte Assad-Regime zur Rechenschaft gezogen werden. Der Weg dorthin ist jedoch schwierig, da die Zahl der Opfer nicht genau bekannt ist und die Täter noch nicht identifiziert werden konnten (BBC 13.12.2024). Die HTS möchte die an staatlicher Folter beteiligten Ex-Offiziere auflisten und sie als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen. Dafür setzte sie sogar eine Belohnung aus, für Informationen über ranghohe Offiziere von Armee und Sicherheitsbehörden, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren (FAZ 10.12.2024). […]

12. Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 22:36 (…)

Die sunnitischen Muslime machen die Mehrheit der Bevölkerung des Landes aus. Obwohl die offiziellen Bevölkerungsstatistiken keine Angaben zu Religion oder ethnischer Zugehörigkeit enthalten, sind laut dem Bericht des US-Außenministeriums über Religionsfreiheit aus dem Jahr 2022 74 % der Bevölkerung Sunniten, mit einer vielfältigen ethnischen Mischung aus mehrheitlich Arabern, Kurden, Tscherkessen, Tschetschenen und einigen Turkmenen. Sunniten sind in den meisten syrischen Städten und Dörfern vertreten, mit bemerkenswerten Konzentrationen in Damaskus, Aleppo und Homs. Neben den Sunniten gibt es weitere islamische Gruppen, darunter Alawiten, Ismailiten und andere schiitische Sekten, die nach Schätzungen des US-Außenministeriums zusammen 13 % der Bevölkerung ausmachen. Die Vielfalt Syriens beschränkt sich nicht auf die konfessionelle Dimension, sondern erstreckt sich auf zahlreiche ethnische Gruppen wie Kurden, Armenier, Turkmenen, Tscherkessen und andere. Araber sind die überwältigende Mehrheit in Syrien, gefolgt von Kurden (BBC 12.12.2024). Die Übergangsregierung in Syrien will sich nach Aussagen ihres Außenministers ash-Shaybani für die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen im Land einsetzen. Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft, seines sozialen oder religiösen Hintergrunds oder einer Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen bestraft werden, sagte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos (Zeit Online 23.1.2025). Demografische Daten für Syrien sind unzuverlässig, und die derzeitigen Standorte von Minderheitengemeinschaften sind aufgrund der erheblichen Umwälzungen, die das Land unter der Herrschaft von Bashar al-Assad erlebte, ähnlich schwer zu ermitteln (MRG 1.2025).

Auf folgender Karte von France 24 ist die ethnische und religiöse Zusammensetzung Syriens dargestellt:

Das Bild zeigt die ethnische und religiöse Zusammensetzung Syriens auf einer Karte

Quelle: FR24 26.12.2024a

Obwohl die Zahlen nicht überprüft werden können, wird geschätzt, dass weit über 500.000 Menschen getötet wurden und über zwölf Millionen innerhalb Syriens oder ins Ausland vertrieben wurden, darunter Alawiten, Christen (einschließlich Armenier und Assyrer), Drusen, Ismailiten, Kurden, Turkmenen, Zwölfer-Schiiten, Jesiden und andere. Al-Assads zynische Mobilisierung von Ängsten innerhalb der Gemeinschaft vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses extremistischer Elemente innerhalb der syrischen Oppositionskräfte führte zu einer zunehmend konfessionell geprägten Landschaft – beschleunigt durch die Vertreibung von Minderheiten durch militante Gruppen in Gebieten, die unter ihrer Kontrolle standen. Infolgedessen hat sich die Demografie des Landes neu geordnet, wobei sich die religiösen Minderheiten in den von der Regierung kontrollierten Gebieten in Zentral- und Südsyrien konzentrieren, während die Bevölkerung im Norden nun größtenteils sunnitisch ist (MRG 1.2025).

Tatsächlich kam es bei dem rasanten Vormarsch auf Damaskus Berichten zufolge nicht zu Racheakten oder Gewalttaten. In seiner ersten Rede in Damaskus trat ash-Shara' ebenfalls mäßigend auf und mahnte den Übergang vom Kampf zum Aufbau der Institutionen an (Rosa Lux 17.12.2024). Insbesondere Alawiten und Christen sind besorgt, dass die Zukunft des neuen Syriens für ihre Gemeinschaften, von denen viele die Revolution im Jahr 2011 und den anschließenden 13-jährigen Bürgerkrieg ablehnten, nicht tolerant sein könnte (Independent 12.12.2024). Von Anfang an zeigten die neuen Behörden bewusst die Absicht, eine Abkehr von den spaltenden Praktiken ihrer Vorgänger zu signalisieren. In Aleppo nahm Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) Kontakt zu prominenten christlichen Führern und Geistlichen verschiedener Konfessionen auf, um die angespannten Beziehungen zu verbessern und ein Gefühl der Sicherheit zu fördern. Diese Treffen waren nicht oberflächlich, sondern beinhalteten Diskussionen über konkrete Missstände, wie die Ungerechtigkeiten, mit denen Christen in Jisr ash-Shughur ein Jahr zuvor konfrontiert waren. Einige dieser Missstände wurden inzwischen angegangen, hauptsächlich durch Rechenschaftspflicht und die Rückgabe von Eigentum an die rechtmäßigen Eigentümer. Dies ist ein beispielloser Schritt, der das Verständnis der Führung für die Notwendigkeit von Inklusion unterstreicht, wenn auch sorgfältig gesteuert (AC 20.12.2024). Anderen Berichten zufolge gab es durchaus gewaltsame Übergriffe, Morde und andere Racheakte von HTS-Kämpfern gegen Andersgläubige (National 6.1.2025). Einem libanesischen Zeitungsbericht zufolge, der Betroffene zitiert, sollen vor allem Nachbarn und Bekannte Racheakte an Andersgläubigen verübt haben. Viele Angehörige verschiedener religiöser Minderheiten sind in den Libanon geflohen (Nahar 1.1.2025).

Ash-Shara' hat Befehle erlassen, Kreuze an Kirchen zu lassen und Weihnachtsdekoration zu schützen und die schiitischen Schreine zu respektieren sowie Bars und Lokale in Ruhe zu lassen, in denen Frauen und Männer miteinander tanzten. Das ist anders als in Idlib, wo solcher vermeintlicher Verderbtheit Schuldige, getötet, bekehrt oder vertrieben und ihre Räumlichkeiten, einschließlich Kirchen, geschlossen würden (Economist 14.1.2025). HTS-Beamte haben umfangreiche Kontaktkampagnen mit Vertretern aller religiösen Glaubensgemeinschaften gestartet, und die christlichen und drusischen Gemeinschaften in ganz Westsyrien scheinen überwiegend in Frieden zu leben. Nur in den alawitischen Gemeinden hat die Jagd nach Kriminellen zu wiederholten Verstößen gegen Zivilisten geführt. Diese werden als Einzelfälle deklariert (MEI 21.1.2025). Als christliche Führer von Problemen berichteten - wie dem Auftauchen einiger islamistischer Prediger, die versuchten, Christen in der Altstadt von Damaskus zu bekehren - habe die neue Regierung schnell gehandelt, um die Ruhe wiederherzustellen (Arabi21 3.2.2025).

Ash-Shara' hat erklärt, dass weder die Kurden noch die Drusen unter dem Vorwand der Angst vor der islamischen Mehrheit Syriens auf Autonomie hinarbeiten dürfen. Er verlangt von ihnen, sich in der neuen Ordnung einzugliedern und ihre Waffen niederzulegen. Die Kurden sollen keine unabhängigen oder individuellen Beziehungen zu ausländischen Akteuren unterhalten (Akhbar 31.12.2024).

Laut Beobachtern hat Iran nach dem Sturz des Regimes eine groß angelegte Desinformationskampagne gestartet, die primär darauf abzielt, religiöse Konflikte in Syrien zu schüren und damit die fragile Lage in dem Land zu destabilisieren. Dabei werden in den sozialen Netzwerken massenhaft falsche oder irreführende Berichte von Gewalttaten gegen Schiiten, Alawiten und Christen verbreitet, die angeblich von Kämpfern der islamistischen Miliz Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) verübt wurden. Dass es tatsächlich iranische Akteure sind, die diese Berichte streuen, lässt sich in den wenigsten Fällen nachweisen. Doch die schiere Anzahl von Postings lässt darauf schließen, dass es sich um eine organisierte Kampagne handelt (NZZ 8.1.2025). Auch Enab Baladi berichtet von irreführenden Videos, die in sozialen Medien verbreitet werden, um Zwietracht zu säen und die Sicherheitslage zu gefährden (Enab 10.1.2025).

Obwohl der Rebellenführer mit dem Versprechen angetreten ist, das gesamte syrische Volk zu vertreten, sitzt in der Interimsregierung weder ein Alawit noch ein Schiit, noch ein Druse oder ein Christ (NZZ 24.1.2025). Zudem gab es in den Wochen nach dem Umsturz immer wieder Berichte von Übergriffen gegen diese Minderheiten (ORF 27.1.2025). In einem Interview mit dem Economist versprach ash-Shara', dass nach Ablauf einer dreimonatigen Frist, Anfang März, eine breitere und vielfältigere Regierung etabliert werde, an der alle Teile der Gesellschaft teilhaben werden. Das Auswahlverfahren wird auf Kompetenz und nicht auf ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit basieren (Economist 3.2.2025).

Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind) (MEI 21.1.2025). [...]

14. Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Letzte Änderung 2025-05-08 22:36 [...]

Die Interimsregierung installiert Checkpoints, an denen Autos durchsucht werden. Es wird überprüft, wer unterwegs ist, beispielsweise um Menschen zu verhaften, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in der Zeit des Regimes verantwortlich sind (PBS 16.12.2024). Die Kontaminierung durch explosive Kampfmittel stellt nach wie vor eine große Bedrohung für Zivilisten, die sich zwischen ehemaligen Kontrollgebieten bewegen, dar (UNOCHA 23.12.2024). [...]

Laut Aussage des syrischen Verkehrsministers bei einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw haben die neuen syrischen Machthaber vom ersten Tag der Befreiung an damit begonnen, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, insbesondere durch die Sicherstellung der Grundversorgung, z.B. mit Brot und Treibstoff, zusätzlich zur Sicherung des Transportsektors, damit sich die Menschen zwischen den Provinzen bewegen können. Sie haben damit begonnen, Treibstoff für Fahrzeuge zu sichern, damit sie in Abstimmung mit dem Ölministerium eingesetzt werden können, und Fahrten zwischen Damaskus und den restlichen Provinzen, zwischen Idlib und den restlichen Provinzen und zwischen Aleppo und restlichen Provinzen zu organisieren, zusätzlich zum internen Transport innerhalb jeder Provinz. Sie haben mit der Umsetzung eines Plans zur Festlegung spezifischer Preise, die für Fahrzeugbesitzer und für Menschen mit sehr begrenztem Einkommen angemessen sind, begonnen. Etwa 70 bis 80 % der Preis- bzw. Transporttarifstruktur wurden fertiggestellt und umgesetzt. Was die Versorgung der Öffentlichkeit betrifft, so wurden etwa 50 bis 60 % der Strecken, ob intern oder extern, gesichert (Rudaw 1.2.2025). [...]

In Idlib wurden viele Checkpoints abgebaut und Haftbefehle oder andere Arten von Kontrollen werden kaum noch vollstreckt (Etana 17.1.2025). (…)

Wehrpflichtige im Regime al-Assads mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, sich frei im Land zu bewegen (BBC 29.12.2024). Deswegen wollten ehemalige Soldaten ihre Daten bei der neuen Übergangsregierung registrieren lassen, um neue Ausweise zu erhalten, mit denen sie in Syrien leben und sich frei bewegen können. Hunderte von ihnen wurden in Versöhnungszentren vorstellig (FR24 2.1.2025). […]

In Syrien gibt es fünf zivile Flughäfen, von denen nur Damaskus und Aleppo in Betrieb sind. Die beiden Flughäfen funktionieren gut. Der Flughafen Hmeimim in Latakia könnte laut syrischem Verkehrsminister bald in Betrieb genommen werden. Der Flughafen funktioniert, aber aufgrund der Präsenz der russischen Basis wird erst ein Plan entwickelt, um dieses Problem bezüglich ihrer Anwesenheit zu lösen. Daneben gibt es noch den zivilen Flughafen Deir ez-Zour, der jedoch stark beschädigt ist und Wartungskosten erfordert (Rudaw 1.2.2025). Am 8.1.2025 landete der erste internationale kommerzielle Flug seit dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad auf dem Flughafen von Damaskus (AJ 7.1.2025). Der Internationale Flughafen von Damaskus wurde in der Nacht vom 7. auf den 8.12.2024 geplündert, nachdem die Flughafenwachen geflohen waren, als Oppositionskräfte die Hauptstadt einnahmen. Der Großteil der technischen und ingenieurwissenschaftlichen Ausrüstung und des Zubehörs wurde gestohlen. Am 18.12.2024 wurde der Flughafen teilweise wiedereröffnet, als ein Inlandsflug in die nördliche Stadt Aleppo startete. Beamte des Flughafens gaben damals an, dass die Wiedereröffnung aufgrund von Vandalismus und Diebstählen nur teilweise erfolgte. Der Hauptflughafen Syriens in der Hauptstadt Damaskus nahm seinen vollen Betrieb am 8.1.2025 wieder auf (DS 7.1.2025). (…)“

1.3.2. UNHCR Position on returns to the Syrian Arab Republic, December 2024:

„1. This position supersedes and replaces UNHCR’s March 2021 International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI.

Given the fluidity of the situation, this guidance will be updated early on and as needed, based on the quickly evolving circumstances.

Voluntary Returns

2. Syria is at a crossroads – between peace and war, stability and lawlessness, reconstruction or further ruin. There is now a remarkable opportunity for Syria to move toward peace and for its people to begin returning home. For many years, UNHCR has insisted on the need to redouble efforts to create favourable conditions for refugees and displaced people to return home and the current situation opens up new opportunities in this regard, that must be seized by all. This includes eliminating and/or addressing any new security, legal and administrative barriers on the part of the Syrian de facto authorities; substantial humanitarian and early recovery assistance to be provided by donor States to returnees, communities receiving them back and areas of actual and potential return in general; and authorization to UNHCR and its partners to monitor returns at border crossings and in locations where people choose to return.

3. Everyone has the right to return to their country of origin. UNHCR stands ready to support Syrian refugees who, being fully informed of the situation in their places of origin or an alternative area of their choice, choose voluntarily to return. In view of the many challenges facing Syria’s population, including a large-scale humanitarian crisis, continued high levels of internal displacement and widespread destruction and damage of homes and critical infrastructure, however, for the time being UNHCR is not promoting large-scale voluntary repatriation to Syria.

Moratorium on Forced Returns

4. At this moment in time, Syria continues to be affected by attacks and violence in parts of the country; large-scale internal displacement; contamination of many parts of the country with explosive remnants of war; a devastated economy and a large-scale humanitarian crisis, with over 16 million already in need of humanitarian assistance before the recent developments. In addition, and as noted above, Syria has also sustained massive destruction and damage to homes, critical infrastructure and agricultural lands. Property rights have been greatly affected, with widespread housing, land, and property violations recorded over the past decade, leading to complex ownership disputes that will take time to resolve. Against this background, UNHCR for the time being continues to call on States not to forcibly return Syrian nationals and former habitual residents of Syria, including Palestinians previously residing in Syria, to any part of Syria.

5. UNHCR also continues to call on all States to allow civilians fleeing Syria access to their territories, to guarantee the right to seek asylum, and to ensure respect for the principle of non-refoulement at all times. 6. While risks related to persecution by the former Government have ceased, other risks may persist or become more pronounced. In light of the rapidly changed dynamics and evolving situation in Syria, UNHCR is not currently in a position to provide detailed guidance to asylum decision-makers on the international protection needs of Syrians. UNHCR will continue to monitor the situation closely, with a view to providing more detailed guidance as soon as circumstances permit. In view of the current uncertainty of the situation in Syria, UNHCR calls on asylum States to suspend the issuance of negative decisions on applications for international protection by Syrian nationals or by stateless persons who were former habitual residents of Syria. The suspension of the issuance of negative decisions should remain in place until such time as the situation in Syria has stabilized and reliable information about the security and human rights situation is available to make a full assessment of the need to grant refugee status to individual applicants. 7. UNHCR does not consider that the requirements for cessation of refugee status for beneficiaries of international protection originating from Syria have currently been met. […]“

Übersetzt:

„1 Diese Stellungnahme ersetzt die UNHCR-Leitlinie „International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI“ vom März 2021.

In Anbetracht der unbeständigen Situation wird dieser Leitfaden frühzeitig und bei Bedarf auf der Grundlage der sich schnell entwickelnden Umstände aktualisiert werden.

Freiwillige Rückkehr

2. Syrien steht am Scheideweg - zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Für Syrien bietet sich jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit, sich auf den Frieden zuzubewegen und mit der Rückkehr seiner Bevölkerung zu beginnen. UNHCR hat seit vielen Jahren auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu schaffen, und die aktuelle Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehören die Beseitigung bzw. Beseitigung neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden, die Bereitstellung umfangreicher humanitärer Hilfe und frühzeitiger Wiederaufbauhilfe durch die Geberstaaten für die Rückkehrer, die sie aufnehmenden Gemeinden und die Gebiete, in die sie tatsächlich oder potenziell zurückkehren wollen, sowie die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückkehr an den Grenzübergängen und an den Orten, an die die Menschen zurückkehren wollen, zu überwachen.

3. Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich freiwillig für eine Rückkehr entscheiden, nachdem sie über die Lage an ihrem Herkunftsort oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl umfassend informiert wurden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die syrische Bevölkerung gegenübersieht, darunter eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, fördert UNHCR jedoch vorerst keine freiwillige Rückkehr nach Syrien in großem Umfang.

Moratorium für erzwungene Rückführungen

4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien nach wie vor von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes, groß angelegten Binnenvertreibungen, der Verseuchung vieler Teile des Landes mit explosiven Überresten des Krieges, einer zerstörten Wirtschaft und einer humanitären Krise großen Ausmaßes betroffen, wobei mehr als 16 Millionen Menschen bereits vor den jüngsten Entwicklungen auf humanitäre Hilfe angewiesen waren. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, wichtiger Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Die Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, und in den letzten zehn Jahren wurden weit verbreitete Verstöße gegen Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechte verzeichnet, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund appelliert der UNHCR weiterhin an die Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam in irgendeinen Teil Syriens zurückzuführen.

5. UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilpersonen, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu gewähren, das Recht auf Asyl zu garantieren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu jeder Zeit sicherzustellen.

6. Auch wenn die Gefahr der Verfolgung durch die frühere Regierung nicht mehr besteht, können andere Risiken fortbestehen oder sich verschärfen. In Anbetracht der sich rasch verändernden Dynamik und Lage in Syrien ist UNHCR derzeit nicht in der Lage, Asylentscheidern detaillierte Hinweise auf den internationalen Schutzbedarf von Syrern zu geben. UNHCR wird die Situation weiterhin genau beobachten, um detailliertere Hinweise zu geben, sobald es die Umstände erlauben. Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert UNHCR die Asylstaaten auf, die Erlassung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung der Erlassung negativer Bescheide sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation zur Verfügung stehen, um die Notwendigkeit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können.

7. UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung des Flüchtlingsstatus für Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind. [...]“

1.3.3. Auszug aus der Bericht der EUAA Syria: Country Focus von März 2025:

„1.2.2. Governance under the Transitional Administration

(a) Political transition

Following the fall of Bashar Al-Assad’s government on 8 December 2024, a transitional administration was created. Former Prime Minister Mohammed Al-Jalali formally transferred

power to Mohammed al-Bashir, the newly appointed transitional prime minister,99 in order to ensure the continuation of state functions, as explained by Al-Jalali, including the payment of public-sector salaries.

Al-Sharaa stated that the organisation of national elections could take up to five years due to the necessity of reconstructing the electoral infrastructure. He further asserted that Syria would be structured as ‘a republic with a parliament and an executive government.

On 29 December, Ahmad al-Sharaa outlined a multi-year roadmap involving the drafting of a new constitution within three years and subsequent elections, alongside plans for a National Dialogue Conference to promote reconciliation and inclusivity. As part of the transition process, Al-Sharaa emphasised the importance of preserving national unity, rejecting federalism. Initial negotiations were held with the SDF and Kurdish National Council (KNC) to involve Kurdish factions in the political process. But the National Dialogue Conference, initially planned for early January was later postponed to establish a broader preparatory committee representing all segments of Syrian society. It eventually took place on 25 February 2025, preceded by preparatory workshops at a local level. It convened in Damascus with around 600 participants, with its closing statement emphasising Syria's territorial integrity, condemning Israeli incursions, and calling for a withdrawal. It further set out the adoption of a temporary constitutional declaration, the formation of an interim legislative council, and the preparation of a draft permanent constitution focused on human rights and freedom. The closing statement further mentioned the importance of women's participation, peaceful coexistence, and the establishment of ongoing national dialogue mechanisms. The conference, however, faced criticism for being hastily organised and insufficiently representative.

At the end of January, the transitional administration declared the annulment of Syria’s 2012 constitution and the disbandment of the former government’s parliament, military, and security agencies. Al-Sharaa stated that he would establish an interim legislative council to assist in governance until the adoption of a new constitution.

(b) Government formation

Following the assumption of power in Damascus, the HTS established a caretaker government primarily composed of officials from the former Syrian Salvation Government (SSG) in Idlib, which Al-Sharaa described as a temporary measure to maintain stability and restore essential services. Initially, ministers from the SSG assumed national ministerial posts, with some officials and civil servants from the former government remaining in their positions to ensure continuity.

On 10 December 2024, Mohammed Al-Bashir, an engineer from Idlib governorate and former leader of the SSG in northwestern Syria, which was created with HTS, was appointed as interim prime minister. His tenure and that of the interim government was set to end on 1 March 2025, but as of late January 2025 there was no date for elections to be held in Syria. Meanwhile, Ahmad Al-Sharaa, leader of HTS, emerged as Syria’s de facto leader. On 29 January 2025, Al-Sharaa was named president for the transitional period.

On 21 December, the interim government appointed Asaad Hassan Al-Shibani as Minister of Foreign Affairs and Murhaf Abu Qasra as Minister of Defense, both of whom were known alliesof Al-Sharaa. Other appointments included Mohamed Abdel Rahman as Minister of Interior, Mohammed Yaqoub Al-Omar as Minister of Information, Mohamed Taha Al-Ahmad as Minister of Agriculture and Irrigation, Nazir Mohammed Al-Qadri as Minister of Education, and Shadi Mohammed Al-Waisi as Minister of Justice, all of whom had previously held positions within the Salvation Government. Additionally, Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein, and Basil Abdul Aziz took up their respective roles as Minister of Development, Minister of Local Administration and Services, Minister of Endowments, and Minister of Economy. Anas Khattab (also known by his nom de guerre Abu Ahmad Hudood), a previous leader of the Nusra Front, was appointed head of the General Intelligence Service. The appointment of Maher Al-Sharaa as Minister of Health sparked controversy, as he is the brother of Al-Sharaa. The new administration also included one woman, Aisha Al-Debs, as Director of the Women’s Affairs Office.

In January, the transitional administration conducted its first major cabinet reshuffle, replacing Mohammad Abdul Rahman with Ali Kidda as Minister of Interior. Kidda was reportedly a close associate of Al-Sharaa.

According to BBC News, there was no transparent mechanism for selecting individuals for ministerial positions, and it remained unclear whether these appointments were made through consultation or solely by Al-Sharaa. This uncertainty fuelled discussions about potentially expanding the government to include members of the opposition abroad and domestic experts.

(c) Military reforms

Prior to their entry into Damascus on December 8, the HTS pledged to maintain Syria’s institutional framework, later declaring a general amnesty for Syrian army soldiers. The transitional government consequently initiated a settlement process (for more information see section 1.3.1), which facilitated the reintegration of large numbers of former government and military personnel, including high-ranking officials, some of whom were involved in significant wartime abuses, such as Fadi Saqr. Next to the voluntary settlement procedures taking place, the Military Operations Administration (MOA), the umbrella command centre of the new HTS-led transitional administration, tracked down individuals evading settlement.123 As part of these campaigns previous officers were arrested, while others were released after it was established that they had not participated in abuses. According to Etana, concerns arose over a lack of process, as reports suggest executions of low-level militiamen, which authorities are framing as isolated acts of community revenge. The Syrian Observatory for Human Rights

(SOHR), a UK-based monitoring organisation, reported in mid-January that 8 000 individuals struck reconciliation deals at the MOA centers in Sallamiyah, Hama within a few days. The number of officers and members of the previous government’s forces in prisons such as Adra, Hama, and Harim increased to over 9 000, including 2 000 who were returned from Iraq. Most were arrested after being caught in raids or checkpoints.

The transitional government further abolished conscription, except in situations such as national emergencies. According to Samir Saleh, member of the military command in Damascus countryside, the Syrian army is going to be an army of volunteers in which the population will be encouraged to participate, with the aim to secure the country’s borders. Previous defectors, such as officers from the Free Syrian Army (FSA) will be given a special status within the structure of the Ministry of Defense, depending on their expertise. On December 29, a list of 49 new military commanders was published, including members of HTS, defected officers from the Syrian army, and at least six non-Syrians, with the seven highest-ranking positions reportedly filled by HTS members.

Finally, the transitional government committed to integrating all rebel factions into the Ministry of Defense. Between January and February 2025, the interim ministries of Defense and Interior undertook efforts to unify all armed factions into a single military and police force. The Ministry of Defence reported that over 70 factions across six regions had agreed to integrate, and a Supreme Committee was established to regulate military assets, including personnel, bases, and weaponry. On 29 January, the interim government formally announced the dissolution of all opposition parties and military groups, though the extent to which this applied to the SDF remained unclear. The SDF initially resisted integration, particularly after ist proposal to join as a semi-autonomous entity was rejected by the Defence Ministry, which accused it of delaying negotiations, but in early March it was announced that the SDF signed a deal to integrate their armed forces and civilian institutions into the new Syrian government. By mid-February, the transitional administration had successfully integrated around 100 armed factions, including the U.S.-backed Syrian Free Army, into a new Syrian military and Ministry of Defense. However, some factions, such as the one of Ahmad al-Awda in southern Syria and various Druze military groups, remained resistant. The armed factions of Sweida governorate remained fully intact, with two new military bodies emerging in January.

(…)

Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) and allied groups

HTS was the largest component of the operation ‘Deterrence of Aggression’ with an estimated 30 000 fighters. A Syrian economist gave a lower figure of 10 000 for the number of HTS fighters. HTS was reportedly divided into six brigades, special forces and an elite force known as the ‘Red Bands’. The International Crisis Group assessed HTS forces to be stretched thin following their offensive to overthrow the government, being in urgent need of more personnel and resources. A notable allied faction joining the offensive was the Türkiye-backed National Liberation Front (NLF), a component of the SNA. For more information on the SNA, see section 2.1.2. Jaish Al-Izza, an opposition group present in northern Hama and parts of Latakia, with 2 000 to 5 000 fighters according to 2019 estimates, also reportedly joined the push into government territory. The pan-Arab daily Al-Quds Al-Arabi estimated the overall size of HTS and its allied factions to be about 43 000, with more than half of those troops maintaining their presence in their original areas of operation after pushing the government troops out, especially in northern Hama countryside, southern Idlib countryside, and western and southern Aleppo countryside.

HTS and its allied factions, who had previously coordinated in Idlib under the Fateh Al-Mubin Operations room, formed the Military Operations Administration (MOA) in light of operation Deterrence of Aggression. It is made up of high-ranking members of the SSG that previously operated in Idlib. Following the overthrow of Bashar Al-Assad, troops comprising the MOA became the primary military force on the ground. On 24 December 2024, the MOA announced the dissolution of all military factions and their integration under the Ministry of Defence. HTS itself announced that it would lead by example, dissolve as an armed group and integrate into the armed forces. Among the first steps of establishing a new army was to promote some leaders of the individual factions as well as some defected officers into certain military ranks. Among those promoted were purportedly several foreign Islamist fighters of Albanian, Tajik and Uyghur origin. Following the ouster of Bashar Al-Assad, most soldiers as well as policemen either fled or were suspended. HTS has relied on its General Security units formerly active under its administration in Idlib as well as units under the MOA to support and supplement local police forces. Furthermore, recruitment centres were opened in provinces formerly under Assad’s control to rebuild the police force. As of January 2025, the HTS-led coalition was in control of most areas previously held by the Assad government until early December 2024, amounting to just over 60% of Syrian territory. During its December offensive, the HTS further took control of the city of Deir Ez-Zor previously held by the SDF. At the end of January 2025, the MOA seized a strategically important area near Zamla oil field south of Raqqa in the Syrian desert, a deployment that was assessed to aim at containing ISIL activity while also putting pressure on SDF troops stationed on the southwestern bank of Lake Assad. In the country’s south, the MOA as of mid-January was still in talks with the former Fifth Corps and specifically its Eighth Brigade regarding their dissolution (see section 2.1.3), but managed to deploy its own troops in Jadal, Mseika, Mismiyeh and Lajat. In Afrin city in northern Aleppo governorate, troops from the Syrian Transitional Administration at the beginning of February 2025 arrived to take over control from the SNA.

Since the fall of Assad, HTS has relied on its own units and close allies to secure governorates predominantly populated by minorities. Thus, unlike in other areas such as Homs, the SNA has been largely absent from coastal areas with Alawite populations where support for Assad has reportedly been strong. Etana noted that Idlib’s security landscape in particular had considerably changed following Assad’s fall, with much of the military presence relocated to key strategic areas in Aleppo, Homs, Damascus, Latakia and Tartous. During operation ‘Deterrence of Aggression’, HTS reportedly took over weapon depots and armoured vehicles from the Syrian Arab Army. Following Al-Asad’s ouster, hundreds of Israeli airstrikes reportedly resulted in the destruction of the country’s military stocks and defence infrastructure, as well as most of its missile systems and tanks. The newly appointed interim Defence Minister Murhaf Abu Qasra in an interview recounted how HTS had established its own military industry in Idlib, building drones for reconnaissance, drones armed with explosives and suicide drones as well as manufacturing armoured vehicles. They further developed their own artillery systems.

During its offensive, HTS reportedly made efforts to avoid harming the civilian population. Furthermore, some areas that were previously held by the SDF were taken over based on agreements. Even so, six students were killed by rockets fired by the rebels which landed on a student dormitory in Aleppo city. Following its takeover of power, there were several reports of abuse being committed by HTS forces during security operations in Alawite areas, such as individuals killed in raids and detainees being held incommunicado. Especially foreign fighter groups under the MOA as well as the HTS elite forces ‘Red Bands’ were accused of committing violations during raids such as harassment and intimidation and in a few instances killings.

(…)

1.3. Treatment of certain profiles and groups of the population

1.3.1. Persons affiliated with the government of Bashar Al-Assad

Upon its takeover of power, the transitional administration did not pursue a sweeping de-Baathification process akin to Iraq’s post-war policies and the offices of the Baath Party were not systematically targeted. In December, the Baath Party leadership suspended activities. At the end of January, it was announced that the party had been dissolved.

From the outset, the new authorities announced that soldiers who had been recruited under compulsory service were safe, and it was forbidden to assault them. On 9 December, the MOA issued a general amnesty for all military personnel conscripted under compulsory service. The new administration subsequently established so-called ‘reconciliation centres’ to provide temporary civilian identity cards to former members of the police, military, intelligence services, and pro-Assad militias who surrender their weapons. These reconciliation centres oversee the process by which former regime affiliates surrender their weapons and register their personal information in exchange for temporary identification cards. These cards grant limited legal protection and safe passage, but the process lacks transparency, follows inconsistent criteria, and is influenced by security agencies, with many applicants facing complex bureaucratic hurdles. In late December, the BBC reported significant participation, with hundreds of individuals queuing at a reconciliation centre in Damascus.

In January and February, local media and organisations following the events in Syria reported that the new administration granted amnesty to some high level figures associated with the Assad government, such as Fadi Saqr, previous leader of the National Defence Forces. The MOA was further said to have granted reconciliation to collaborators of Maher Al-Assad, such as businessmen who sponsored his activities, as well as Major General Talal Makhlouf, leader in the Assad government’s Republican Guard. Concurrently, the collapse of Bashar Al-Assad’s government prompted numerous senior officials and associates of the ruling family to flee to Lebanon. However, Lebanese authorities expelled Syrian officers and soldiers who had entered illegally, returning them to Syria, where they were detained by the new administration.

By the end of December, the transitional administration intensified efforts to apprehend individuals associated with the ousted government. Authorities claimed their arrest campaigns target only individuals who committed crimes on behalf of the Assad regime. Campaigns in Deir Ez-Zor, Aleppo, and Tartous focused on confiscating illegal weapons and apprehending suspects involved in illegal activities. Nearly 300 individuals were detained in

one week alone across Damascus, Latakia, Tartous, Homs, Hama, and Deir Ez-Zor, including former regime informants, pro-Iranian fighters, and lower-ranking military officers. According to SOHR, some detainees accused of having provided intelligence to the Assad government were reportedly executed immediately after their arrest. On 10 January, SOHR reported that fighters associated with the transitional administration publicly executed Mazen Kneneh, a local official accused of serving as an informant for the ousted president Assad.

In February, further extrajudicial killings of former affiliates of militias supportive of Bashar Al-Assad were reported, such as the assassination of four members of the Meido family, who were part of a local militia, which had fought alongside the previous government. According to SOHR, extrajudicial and revenge killings resulted in the deaths of 287 individuals between the start of 2025 and middle of February 2025.

Operations continued throughout January, with members of the general security administration inspecting houses, looking for weapons and individuals who had not reconciled with the transitional administration. Extensive military and security operations across key regions, such as the coastal cities, Homs, Hama, Aleppo, and Damascus involved raids, weapons searches, and the further detention of hundreds of individuals. The operations focused on former military fighters and ex-government personnel and resulted in significant amounts of weapons and ammunition seized. The arrested individuals were transported to Homs Central Prison, Hama Central Prison, and Adra Prison in the Rural Damascus area. Additionally, videos posted online showed detainees, apprehended during these operations, enduring physical and verbal mistreatment, including assaults and humiliating treatment. According to the Syria Justice and Accountability Center, these security operations resulted in various human rights violations, including the reported death of detainees in custody and the arrest of relatives of wanted individuals, affecting both former Assad government affiliates and unrelated civilians. By mid-January, the SOHR reported that over 9 000 combatants and officers remained detained, amid allegations of torture and restricted communication with families. Information by the Syrian Network for Human Rights (SNHR) match the allegations of torture, as reported by families who had bodies of family members returned after their detention by the General Security Directorate. Concurrently, SOHR reported that 275 detainees from the Central Homs Prison were released following a determination of their innocence in war crimes committed against the Syrian population. In January 2025, the transitional administration freed around 641 individuals, mainly from the governorates of Homs, Hama, and Latakia, who had been held in detention for durations spanning a few days to a month, with the majority being released in small groups from Homs Central Prison.

At the beginning of February, the Ministry of Information imposed a prohibition on conducting interviews with or disseminating statements attributed to individuals affiliated with the former government.

Since the takeover by the transitional administration, remnant pro-Assad groups have conducted small-scale, targeted hit-and-run attacks against its security forces across Syria. These attacks have prompted the authorities to launch operations to capture the culprits which at times resulted in civilian casualties. In early March, coordinated attacks by pro-Assad groups on security forces, particularly in the coastal areas, led to a significant escalation which resulted in large numbers of civilian casualties, mostly from the Alawite community.

Next to the transitional administration’s operations, incidents of suspected revenge acts, including killings, kidnappings, and arson, by unidentified groups have been documented, though their scale remains unclear. At the end of December, three Alawite judges in Masyaf, responsible for property disputes, were killed, an act condemned by the transitional administration. In January, SOHR reported the execution of 15 people, including officers of the former government, by unidentified gunmen in Homs governorate. Furthermore, 53 people were arrested and brought to unknown locations.

1.3.2. Alawites

Following its assumption of power, HTS emphasised its commitment to integrating Alawites into Syria’s governance and engaged in discussions with local Alawite representatives. HTS officials reiterated that accountability for crimes committed under the Assad government would be pursued through the formal judicial system. Despite these assurances, Alawites remain largely excluded from the new political and military structures, with no plan for integrating discharged soldiers into the new army due to lingering wartime divisions. Public distrust toward former regime officers and officials further hinders their reintegration. Economic insecurity is a major challenge, with mass public-sector layoffs particularly affecting Alawites, including former security officers and their families, many of whom have also lost state-provided housing.

Significant concerns persist regarding the treatment of Alawite communities, particularly in regions such as Homs, Hama, and the coastal governorates. In the city of Homs, men in military uniforms established checkpoints at the entrances to Alawite-majority neighbourhoods, heightening fears among residents. Reports indicate that young men, including former soldiers and conscripts who had surrendered their weapons, were detained.

Men at one checkpoint allegedly engaged in sectarian profiling before the checkpoint was dismantled following complaints. Shihadi Mayhoub, a former lawmaker, said he documented over 600 arrests in the Zahra district (Homs governorate) by January 2025 and more than 1 380 across Homs city, with the majority of detainees reported to be civilians and conscripts, alongside retired military officers. The SOHR estimated that at least 1 800 individuals, predominantly Alawites, had been detained in Homs city and its governorate. Furthermore, violence targeting Alawites increased nationwide, with 150 killings reported, particularly in Homs and Hama.

Meanwhile, unidentified extremist factions exacerbated fears by circulating calls for violence against Alawites, including videos advocating indiscriminate attacks. Targeted killings of Alawites linked to the former government were reported in coastal regions, while armed groups wearing military uniforms resembling those of HTS or other opposition factions raided over 20 Alawite villages in rural Hama, causing displacement, theft, and fatalities. Reports of harassment, abductions, and killings of Alawites increased after Assad’s fall, with social media content, albeit unverified, accusing HTS fighters of the violence. A former Syrian soldier reported being detained and beaten at an HTS checkpoint near Khirbet al-Ma'zah, Tartous governorate, while traveling to seek amnesty, claiming he was specifically targeted for his Alawite background and subjected to five hours of physical abuse before being released.

The UN worked to verify such claims in an effort to prevent further sectarian escalation, while SOHR estimated 150 Alawite killings within a month by unnamed perpetrators. Zahra, a neighbourhood in Homs with a significant Alawite population, saw increased insecurity, with residents adhering to an informal curfew due to the presence of HTS forces. The HTS implemented security measures in the area, including checkpoints and house-tohouse raids targeting individuals it identified as remnants of the former government. Reports from residents described forced evacuations, profiling based on identification documents, and instances of violence, arrests, physical assaults and gunfire.

At the end of January, SOHR reported several instances of groups of gunmen, some of whom claimed to be affiliated with the MOA, attacking and killing civilians for political and sectarian reasons. Particularly, communities in the Homs countryside with predominantly Alawite and Shiite populations experienced a sharp escalation in abuses, criminal acts, and extrajudicial killings of civilians. Gunmen shot and killed civilians in a village in the north west of Hama governorate, which is primarily inhabited by Alawites. According to the authorities, among those killed in the attack were former officers and soldiers.

At the beginning of February, further attacks against Alawites were reported. The new authorities launched investigations into unlawful killings, while concurrently announcing security operations against loyalists of the previous government. Interim President Ahmad Al-Sharaa emphasised the need to maintain civil peace, warning of the dangers of deepening sectarian divisions.

Expert on Syrian security issues Gregory Waters highlighted considerable variation in conditions across former government strongholds such as Tartous, Latakia, Homs, and Hama. While instances of sectarian intimidation and harassment by security forces were reported, some Alawites in these regions described interactions with authorities as polite and respectful. According to Waters, documented violations appeared to stem more from unprofessional conduct during arrests than from explicit sectarian targeting, with many of the committed crimes being attributed to gangs and civilians with no affiliation to the transitional administration. He further noted that human rights violations were sometimes taking place in the context of volatile security situation or a security vacuum as well as in response to specific incidents, such as when former government militia fighters launched an ambush against security forces in the rural areas of Tartous at the end of December. The forces consequently started an operation – including home raids, the erecting of checkpoints and shoot-outs, against villages suspected of hosting the fighters, such as Khirbet Maazah, which was home to numerous former government militia fighters and a high-ranking prison official accused of involvement in the killing of hundreds of detainees. Waters considers that numerous crimes were perpetrated by gangs and civilians unaffiliated with the new administration, while certain lower-ranking soldiers and local leaders took part in sectarian-motivated intimidation and abductions of Alawite civilians.

In early March, clashes between pro-Assad groups and security forces in Latakia, Tartous and Hama governorate, led to hundreds of civilians being killed, most of whom were Alawites. This included summary executions carried out by forces linked to the caretaker government.

4. Recent security trends

Map 3: Assessed Control of Terrain in Syria, © Institute for the Study of War and AEI's

Critical Threats Project, 3 March 2025573

4.1. Areas under the control of the Transitional Administration

On 27 November 2024, HTS and allied Türkiye-backed factions started a lightning military offensive in northwestern Syria that eventually led to the collapse of Assad’s rule. This operation followed a marked intensification of attacks by troops of the Assad government and Russian forces, with ACLED recording 684 aerial and artillery strikes across in oppositionheld territories in northern Syria between 1 October and 26 November. These strikes reportedly caused at least 39 deaths among militants and civilians. Concurrently with the HTS-led offensive launched on 27 November, assassinations, Israeli strikes, ISIL attacks, and indiscriminate gunfire in the areas formerly controlled by the Assad government led to multiple deaths of civilians. Aerial strikes by pro-Assad forces, including by Russian aircraft, killed dozens of civilians in Idlib city between 27 November and 2 December 2024 including 22 civilians in a series of strikes that hit a market and five residential areas on 1 December as well as in strikes targeting a hospital in Aleppo city (1 December) and areas in Aleppo’s western countryside (between 27 and 30 November). Meanwhile, four students were killed when a HTS rocket hit their Aleppo dormitory (29 November 2024). By 12 December 2024, more than 1.1 million people had been newly displaced due to the escalation in hostilities since the beginning of the offensive.

As of February and early March 2025, the territories controlled by the Military Operations Administration (MOA), the umbrella command centre of the new HTS-led transitional administration, encompassed most of western, central and southern Syria as well as the western Euphrates bank in Deir Ez-Zor. These areas included the cities of Damascus, Idlib, Aleppo, Hama, Homs, as well as the coastal cities of Latakia and Tartous. Sources noted that the control of the new authorities remained fragmented in certain areas. While their control in the cities of Damascus, Aleppo and Hama was reportedly effective, in areas of Homs, rural Hama and southern Syria (Dar’a and Sweida governorates) the MOA forces are overstretched and competing with other autonomous armed factions. The coastal areas of Latakia and Tartous have been prone to attacks on security forces and sectarian violence in the aftermath of Assad’s fall (for more information see section 4.1.2).

According to ACLED data, the districts most affected by security incidents (battles, explosions/remote violence, violence against civilians) during the reporting period were the districts of Ain Al Arab/Kobane (401 incidents) and Jebel Saman (307 incidents) (both Aleppo governorate) and Deir Ez-Zor district (258 incidents) of Deir Ez-Zor governorate. Meanwhile, among all governorates, the fewest security incidents were recorded in Tartous (40 incidents). In the coastal areas, the highest number of security incidents was recorded in the district of Latakia (47 incidents). The highest number of security incidents in southern Syriawas recorded in the districts of Dar’a (75 incidents), Izra (66) and Quneitra (57 incidents).

4.1.1. Criminality, lawlessness and sectarian violence

Insecurity and volatility of the security situation due to criminality and lawlessness were reported to be prevalent in various regions. The coastal areas have been affected by incidents of assault, targeted attacks and killings of civilians, attacks at checkpoints, robberies, looting and kidnapping. Instances of killings by unidentified men/armed groups, kidnappings and looting were similarly reported in Rural Damascus. Deadly attacks on civilians were further recorded in Idlib, Hama, and Yarmouk camp in Damascus. According to Civil Peace Group in Syria, a civil society organisation, Homs city witnessed 64 kidnappings between 9 December 2024 and mid-February 2025, including at least 13 civilians. These kidnappings gradually increased over December 2024, peaking on 27 December until they declined to zero in January before surging again. 19 of these abductees were killed.

As Gregory Waters assessed, most of these crimes were committed by civilians and gangs not linked to the transitional administration, although some local commanders and rank-and-file soldiers have been involved in kidnappings of Alawite civilians on sectarian grounds. Areas such as Damascus, Latakia and Tartous further remained prone to sectarian tensions amid an absence of formalised security mechanisms.

According to the SOHR, in January 2025, assassinations and retaliatory attacks, including on sectarian and politically grounds, increased significantly in the areas controlled by the transitional administration, with the highest rates recorded in Homs (91 fatalities, including 59 sectarian killings), Hama (46 fatalities, including 28 sectarian killings) and Latakia (15 fatalities, including 13 sectarian killings). In January, ACLED recorded that over 176 civilians, including some former fighters of the Assad government, had been killed by unidentified gunmen.

In Homs city and the rural areas of Homs and Hama, security forces have reportedly been overstretched and relied on minimally trained recruits, allowing unrest to persist since Assad’s fall. In Homs and some parts of Hama, cases of local sectarian retribution by Sunnis against Alawites have been reported to be a serious issue. There was a proliferation of unverified reports of punitive raids, disappearances and murders on social media, allegedly showing HTS fighters beating or inciting violence against Alawites. As Gregory Waters noted, the more serious attacks against Assad remnants tended to occur in rural areas characterised by high concentrations of former ‘shabiha’ (armed gangs that supported Assad) and limited presence of security forces. However, such targeting of former Assad loyalism has also been reported in Damascus. In some of these cases, which continued to February 2025, the perpetrators remained unidentified.

(…)“

Übersetzt:

1.2.2. Regierungsführung unter der Übergangsregierung

(a) Politischer Übergang

Nach dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsregierung eingesetzt. Der ehemalige Premierminister Mohammed al-Jalali übergab die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister,99 um die Fortführung der staatlichen Funktionen, wie von al-Jalali erläutert, einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Sektor, sicherzustellen.

Al-Sharaa erklärte, die Organisation nationaler Wahlen könne aufgrund der Notwendigkeit des Wiederaufbaus der Wahlinfrastruktur bis zu fünf Jahre dauern. Er bekräftigte ferner, dass Syrien als Republik mit einem Parlament und einer Exekutive strukturiert sein werde.

Am 29. Dezember skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen sowie Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität vorsah. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Wahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Erste Verhandlungen fanden mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) statt, um kurdische Fraktionen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Nationale Dialogkonferenz wurde jedoch später verschoben, um ein breiter angelegtes Vorbereitungskomitee einzurichten, das alle Teile der syrischen Gesellschaft repräsentierte. Sie fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, nachdem vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene eingeleitet worden waren. Die Konferenz tagte in Damaskus mit rund 600 Teilnehmern. In ihrer Abschlusserklärung betonte sie die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Übergriffe und forderte einen Rückzug. Darüber hinaus wurden die Verabschiedung einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrates und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine dauerhafte Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheiten vereinbart. In der Abschlusserklärung wurde die Bedeutung der Beteiligung von Frauen, eines friedlichen Zusammenlebens und der Einrichtung kontinuierlicher nationaler Dialogmechanismen hervorgehoben. Die Konferenz wurde jedoch wegen ihrer übereilten Organisation und mangelnden Repräsentativität kritisiert.

Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die Aufhebung der syrischen Verfassung von 2012 und die Auflösung des Parlaments, des Militärs und der Sicherheitsbehörden der ehemaligen Regierung. Al-Sharaa erklärte, er werde einen Übergangsgesetzgebungsrat einrichten, der die Regierungsführung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll.

(b) Regierungsbildung

Nach der Machtübernahme in Damaskus setzte die HTS eine Übergangsregierung ein, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte. Al-Sharaa beschrieb dies als vorübergehende Maßnahme zur Wahrung der Stabilität und Wiederherstellung wichtiger Dienstleistungen. Zunächst übernahmen Minister der SSG nationale Ministerposten, während einige Beamte und Staatsbedienstete der ehemaligen Regierung in ihren Positionen blieben, um die Kontinuität zu gewährleisten.

Am 10. Dezember 2024 wurde Mohammed Al-Bashir, ein Ingenieur aus der Provinz Idlib und ehemaliger Anführer der SSG im Nordwesten Syriens, die zusammen mit HTS gegründet wurde, zum Interimspremierminister ernannt. Seine Amtszeit und die der Übergangsregierung sollten am 1. März 2025 enden, doch Ende Januar 2025 gab es noch keinen Termin für Wahlen in Syrien. Inzwischen etablierte sich Ahmad Al-Sharaa, Anführer von HTS, als De-facto-Führer Syriens. Am 29. Januar 2025 wurde Al-Sharaa zum Präsidenten für die Übergangszeit ernannt.

Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Shibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide waren bekannte Verbündete von Al-Sharaa. Weitere Ernennungen umfassten Mohamed Abdel Rahman zum Innenminister, Mohammed Yaqoub Al-Omar zum Informationsminister, Mohamed Taha Al-Ahmad zum Minister für Landwirtschaft und Bewässerung, Nazir Mohammed Al-Qadri zum Bildungsminister und Shadi Mohammed Al-Waisi zum Justizminister. Alle drei hatten zuvor Positionen in der Heilsregierung innegehabt. Darüber hinaus übernahmen Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein und Basil Abdul Aziz ihre jeweiligen Ämter als Entwicklungsminister, Minister für lokale Verwaltung und Dienstleistungen, Minister für Stiftungen und Wirtschaftsminister. Anas Khattab (auch bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Ahmad Hudood), ein ehemaliger Anführer der Nusra-Front, wurde zum Chef des Allgemeinen Geheimdienstes ernannt. Die Ernennung von Maher Al-Sharaa zum Gesundheitsminister löste Kontroversen aus, da er der Bruder von Al-Sharaa ist. Zur neuen Regierung gehörte auch eine Frau, Aisha Al-Debs, als Leiterin des Frauenbüros.

Im Januar führte die Übergangsregierung ihre erste größere Kabinettsumbildung durch und ersetzte Mohammad Abdul Rahman durch Ali Kidda als Innenminister. Kidda war Berichten zufolge ein enger Vertrauter von Al-Sharaa.

Laut BBC News gab es keinen transparenten Mechanismus für die Auswahl von Ministerposten, und es blieb unklar, ob diese Ernennungen im Rahmen einer Konsultation oder allein durch Al-Sharaa erfolgten. Diese Ungewissheit heizte Diskussionen über eine mögliche Erweiterung der Regierung um ausländische Oppositionsmitglieder und einheimische Experten an.

(c) Militärreformen

Vor ihrem Einmarsch in Damaskus am 8. Dezember versprach die HTS, den institutionellen Rahmen Syriens aufrechtzuerhalten, und verkündete später eine Generalamnestie für syrische Armeesoldaten. Die Übergangsregierung leitete daraufhin einen Siedlungsprozess ein (weitere Informationen siehe Abschnitt 1.3.1), der die Wiedereingliederung zahlreicher ehemaliger Regierungs- und Militärangehöriger, darunter hochrangiger Beamter, erleichterte. Einige von ihnen waren in schwere Kriegsverbrechen verwickelt, wie beispielsweise Fadi Saqr. Neben den freiwilligen Siedlungsverfahren spürte die Militäroperationsverwaltung (MOA), die Kommandozentrale der neuen, von der HTS geführten Übergangsregierung, Personen auf, die sich der Siedlung entzogen.123 Im Rahmen dieser Kampagnen wurden ehemalige Offiziere verhaftet, während andere freigelassen wurden, nachdem festgestellt wurde, dass sie nicht an Übergriffen beteiligt waren. Laut Etana gab es Bedenken hinsichtlich des fehlenden Prozesses, da Berichte auf Hinrichtungen von Milizionären niedriger Ebene hindeuten, die die Behörden als isolierte Akte gemeinschaftlicher Rache darstellen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), eine in Großbritannien ansässige Überwachungsorganisation, berichtete Mitte Januar, dass innerhalb weniger Tage 8.000 Personen in den MOA-Zentren in Sallamiya, Hama, Versöhnungsabkommen unterzeichneten. Die Zahl der Offiziere und Angehörigen der Streitkräfte der vorherigen Regierung in Gefängnissen wie Adra, Hama und Harim stieg auf über 9.000, darunter 2.000, die aus dem Irak zurückgekehrt waren. Die meisten wurden nach Razzien oder Kontrollpunkten festgenommen.

Die Übergangsregierung schaffte zudem die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie dem nationalen Notstand. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, soll die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein, an der die Bevölkerung teilnehmen soll, um die Landesgrenzen zu sichern. Ehemalige Überläufer, wie Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), erhalten je nach ihrer Expertise einen Sonderstatus innerhalb des Verteidigungsministeriums. Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 neuen Militärkommandeuren veröffentlicht, darunter HTS-Mitglieder, übergelaufene Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer; die sieben höchsten Positionen sollen mit HTS-Mitgliedern besetzt sein.

Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellenfraktionen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Januar und Februar 2025 unternahmen die Übergangsministerien für Verteidigung und Inneres Anstrengungen, alle bewaffneten Fraktionen zu einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, dass sich über 70 Fraktionen in sechs Regionen zur Integration bereit erklärt hätten, und es wurde ein Oberstes Komitee eingerichtet, um militärisches Vermögen, einschließlich Personal, Stützpunkte und Waffen, zu regulieren. Am 29. Januar verkündete die Übergangsregierung offiziell die Auflösung aller Oppositionsparteien und Militärgruppen, wobei unklar blieb, inwieweit dies auch für die SDF galt. Die SDF widersetzten sich zunächst der Integration, insbesondere nachdem ihr Vorschlag, als halbautonome Einheit beizutreten, vom Verteidigungsministerium abgelehnt worden war, das ihnen Verzögerung der Verhandlungen vorwarf. Anfang März wurde jedoch bekannt gegeben, dass die SDF eine Vereinbarung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung unterzeichnet hatten. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung rund 100 bewaffnete Gruppierungen, darunter die von den USA unterstützte Syrische Freie Armee, erfolgreich in das neue syrische Militär und Verteidigungsministerium integriert. Einige Gruppierungen, wie die von Ahmad al-Awda in Südsyrien und verschiedene drusische Militärgruppen, leisteten jedoch weiterhin Widerstand. Die bewaffneten Gruppierungen der Provinz Sweida blieben vollständig intakt; im Januar entstanden zwei neue Militärverbände.

Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) und verbündete Gruppen

HTS war mit schätzungsweise 30.000 Kämpfern der größte Teil der Operation „Abschreckung der Aggression“. Ein syrischer Ökonom nannte die Zahl der HTS-Kämpfer mit 10.000 niedriger. HTS war Berichten zufolge in sechs Brigaden, Spezialeinheiten und eine Elitetruppe namens „Rote Bänder“ unterteilt. Die International Crisis Group schätzte, dass die HTS-Streitkräfte nach ihrer Offensive zum Sturz der Regierung überlastet seien und dringend mehr Personal und Ressourcen benötigten. Eine wichtige verbündete Fraktion, die sich der Offensive anschloss, war die von der Türkei unterstützte Nationale Befreiungsfront (NLF), ein Teil der SNA. Weitere Informationen zur SNA finden Sie in Abschnitt 2.1.2. Auch Jaish Al-Izza, eine im Norden Hamas und Teilen Latakias präsente Oppositionsgruppe mit Schätzungen aus dem Jahr 2019, die zwischen 2.000 und 5.000 Kämpfern zählte, beteiligte sich Berichten zufolge am Vorstoß ins Regierungsgebiet. Die panarabische Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi schätzte die Gesamtstärke der HTS und der mit ihr verbündeten Fraktionen auf etwa 43.000 Mann, wobei mehr als die Hälfte dieser Truppen nach der Vertreibung der Regierungstruppen in ihren ursprünglichen Operationsgebieten präsent blieb, insbesondere im Norden von Hama, im Süden von Idlib sowie im Westen und Süden von Aleppo.

HTS und seine verbündeten Fraktionen, die zuvor in Idlib unter der Leitung des Operationsraums Fateh Al-Mubin koordiniert zusammengearbeitet hatten, gründeten im Lichte der Operation „Abschreckung der Aggression“ die Militäroperationsverwaltung (MOA). Sie besteht aus hochrangigen Mitgliedern der SSG, die zuvor in Idlib operiert hatte. Nach dem Sturz von Bashar Al-Assad wurden die Truppen der MOA zur wichtigsten militärischen Kraft vor Ort. Am 24. Dezember 2024 verkündete die MOA die Auflösung aller militärischen Fraktionen und ihre Eingliederung in das Verteidigungsministerium. HTS selbst kündigte an, mit gutem Beispiel voranzugehen, sich als bewaffnete Gruppe aufzulösen und in die Streitkräfte zu integrieren. Zu den ersten Schritten beim Aufbau einer neuen Armee gehörte die Beförderung einiger Anführer der einzelnen Fraktionen sowie einiger desertierter Offiziere in bestimmte militärische Ränge. Unter den Beförderten waren angeblich mehrere ausländische islamistische Kämpfer albanischer, tadschikischer und uigurischer Herkunft. Nach dem Sturz von Baschar al-Assad flohen die meisten Soldaten und Polizisten oder wurden suspendiert. Die HTS stützte sich auf ihre ehemaligen General-Security-Einheiten in Idlib sowie auf Einheiten des MOA zur Unterstützung und Ergänzung der lokalen Polizeikräfte. Darüber hinaus wurden in den ehemals von Assad kontrollierten Provinzen Rekrutierungszentren eröffnet, um die Polizei wiederaufzubauen. Ab Januar 2025 kontrollierte die von der HTS geführte Koalition die meisten Gebiete, die bis Anfang Dezember 2024 von der Assad-Regierung gehalten wurden, was etwas mehr als 60 % des syrischen Territoriums entspricht. Während ihrer Offensive im Dezember übernahm die HTS zudem die Kontrolle über die Stadt Deir Ez-Zor, die zuvor von den SDF gehalten wurde. Ende Januar 2025 eroberte das MOA ein strategisch wichtiges Gebiet in der Nähe des Zamla-Ölfelds südlich von Raqqa in der syrischen Wüste. Ziel dieser Stationierung war es, die Aktivitäten des IS einzudämmen und gleichzeitig Druck auf die am südwestlichen Ufer des Assad-Sees stationierten SDF-Truppen auszuüben. Im Süden des Landes befand sich das MOA Mitte Januar noch in Gesprächen mit dem ehemaligen Fünften Korps und insbesondere dessen Achten Brigade über deren Auflösung (siehe Abschnitt 2.1.3), es gelang ihm jedoch, eigene Truppen in Jadal, Mseika, Mismiyeh und Lajat zu stationieren. In der Stadt Afrin im Norden des Gouvernements Aleppo trafen Anfang Februar 2025 Truppen der syrischen Übergangsverwaltung ein, um die Kontrolle von der SNA zu übernehmen.

Seit dem Sturz Assads verlässt sich HTS auf seine eigenen Einheiten und enge Verbündete, um die vorwiegend von Minderheiten bewohnten Gouvernorate zu sichern. Anders als etwa Homs ist die SNA daher in den Küstenregionen mit alawitischer Bevölkerung, wo Assad Berichten zufolge stark unterstützt wird, weitgehend abwesend. Etana stellte fest, dass sich insbesondere die Sicherheitslage in Idlib nach Assads Sturz erheblich verändert hat; ein Großteil der Militärpräsenz wurde in strategisch wichtige Gebiete in Aleppo, Homs, Damaskus, Latakia und Tartus verlegt. Während der Operation „Abschreckung der Aggression“ übernahm HTS Berichten zufolge Waffendepots und Panzerfahrzeuge der Syrischen Arabischen Armee. Nach dem Sturz Al-Assads zerstörten Berichten zufolge Hunderte israelische Luftangriffe die militärischen Bestände und die Verteidigungsinfrastruktur des Landes sowie die meisten Raketensysteme und Panzer. Der neu ernannte Interimsverteidigungsminister Murhaf Abu Qasra berichtete in einem Interview, wie HTS in Idlib eine eigene Rüstungsindustrie aufgebaut habe. Das Unternehmen baue Aufklärungsdrohnen, mit Sprengstoff bestückte Drohnen und Selbstmorddrohnen sowie gepanzerte Fahrzeuge. Zudem habe man eigene Artilleriesysteme entwickelt.

Während seiner Offensive bemühte sich HTS Berichten zufolge, die Zivilbevölkerung zu schonen. Zudem wurden einige zuvor von den SDF gehaltene Gebiete aufgrund von Vereinbarungen übernommen. Dennoch wurden sechs Studierende durch von Rebellen abgefeuerte Raketen getötet, die auf ein Studentenwohnheim in Aleppo einschlugen. Nach der Machtübernahme gab es mehrere Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch HTS-Kräfte bei Sicherheitsoperationen in alawitischen Gebieten, darunter die Tötung von Personen bei Razzien und die Inhaftierung von Gefangenen ohne Kontakt zur Außenwelt. Insbesondere ausländischen Kämpfergruppen unter dem MOA sowie den HTS-Elitetruppen „Rote Bänder“ wurden Verstöße wie Schikanen und Einschüchterungen bei Razzien sowie in einigen Fällen auch Tötungen vorgeworfen.

(…)

1.3. Behandlung bestimmter „Profile“ und Gruppen der Bevölkerung 1.3.1. Personen, die der Regierung von Bashar Al-Assad nahestanden

Nach der Machtübernahme verfolgte die Übergangsregierung keinen umfassenden Entbaathifizierungsprozess nach dem Vorbild der Nachkriegspolitik des Irak, und die Büros der Baath-Partei wurden nicht systematisch ins Visier genommen. Im Dezember stellte die Führung der Baath-Partei ihre Aktivitäten ein.

Ende Januar wurde bekannt gegeben, dass die Partei aufgelöst wurde. Von Anfang an verkündeten die neuen Behörden, dass die Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und dass es verboten sei, sie anzugreifen. Am 9. Dezember erließ das MOA eine Generalamnestie für alle zwangsrekrutierten Militärangehörigen. Die neue Regierung richtete daraufhin so genannte „Versöhnungszentren“ ein, in denen ehemalige Angehörige der Polizei, des Militärs, der Nachrichtendienste und der Pro-Assad-Milizen, die ihre Waffen abgegeben haben, vorübergehend zivile Ausweise erhalten. Diese Versöhnungszentren überwachen den Prozess, bei dem ehemalige Regimeangehörige ihre Waffen abgeben und ihre persönlichen Daten im Austausch gegen vorläufige Personalausweise registrieren. Diese Karten gewähren einen begrenzten Rechtsschutz und sicheres Reisen, aber das Verfahren ist nicht transparent, folgt uneinheitlichen Kriterien und wird von den Sicherheitsbehörden beeinflusst, so dass viele Antragsteller vor komplexen bürokratischen Hürden stehen. Ende Dezember berichtete die BBC von einer großen Beteiligung, bei der Hunderte von Personen vor einem Versöhnungszentrum in Damaskus Schlange standen.

Im Januar und Februar berichteten lokale Medien und Organisationen, die die Ereignisse in Syrien verfolgten, dass die neue Regierung einigen hochrangigen Persönlichkeiten, die mit der Assad-Regierung in Verbindung stehen, Amnestie gewährte, wie z. B. Fadi Saqr, dem früheren Führer der Nationalen Verteidigungskräfte. Außerdem soll die MOA Kollaborateuren von Maher Al-Assad, wie Geschäftsleuten, die seine Aktivitäten unterstützten, sowie Generalmajor Talal Makhlouf, Anführer der Republikanischen Garde der Assad-Regierung, Versöhnung gewährt haben. Gleichzeitig veranlasste der Zusammenbruch der Regierung von Bashar Al-Assad zahlreiche hochrangige Beamte und Angehörige der Herrscherfamilie zur Flucht in den Libanon. Die libanesischen Behörden wiesen jedoch syrische Offiziere und Soldaten, die illegal eingereist waren, aus und schickten sie nach Syrien zurück, wo sie von der neuen Regierung inhaftiert wurden.

Ende Dezember intensivierte die Übergangsverwaltung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung stehen. Die Behörden behaupteten, ihre Verhaftungsaktionen zielten nur auf Personen ab, die im Namen des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Die Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartous konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Regimeinformanten, pro-iranische Kämpfer und rangniedrige Militäroffiziere. Nach Angaben des SOHR wurden einige Gefangene, die beschuldigt wurden, der Assad-Regierung Informationen geliefert zu haben, Berichten zufolge unmittelbar nach ihrer Verhaftung hingerichtet. Am 10. Januar berichtete das SOHR, dass Kämpfer, die mit der Übergangsregierung verbunden sind, Mazen Kneneh, einen lokalen Beamten, der beschuldigt wird, als Informant für den gestürzten Präsidenten Assad zu arbeiten, öffentlich hinrichteten. Im Februar wurden weitere außergerichtliche Tötungen ehemaliger Mitglieder von Milizen, die Bashar Al-Assad unterstützten, gemeldet, wie die Ermordung von vier Mitgliedern der Familie Meido, die einer lokalen Miliz angehörten, die an der Seite der früheren Regierung gekämpft hatte. Nach Angaben des SOHR wurden zwischen Anfang 2025 und Mitte Februar 2025 287 Personen durch außergerichtliche Tötungen und Racheakte getötet.

Die Operationen wurden den ganzen Januar über fortgesetzt, wobei Mitglieder der allgemeinen Sicherheitsverwaltung Häuser inspizierten und nach Waffen und Personen suchten, die sich nicht mit der Übergangsverwaltung ausgesöhnt hatten. Bei umfangreichen Militär- und Sicherheitsoperationen in Schlüsselregionen wie den Küstenstädten, Homs, Hama, Aleppo und Damaskus kam es zu Razzien, Waffendurchsuchungen und der Festnahme weiterer Hunderter von Personen. Die Operationen konzentrierten sich auf ehemalige militärische Kämpfer und Ex-Regierungsangehörige und führten zur Beschlagnahmung erheblicher Mengen an Waffen und Munition. Die festgenommenen Personen wurden in die Zentralgefängnisse von Homs, Hama und Adra im ländlichen Damaskus gebracht. Darüber hinaus wurden Videos ins Internet gestellt, auf denen zu sehen ist, wie Häftlinge, die bei diesen Operationen festgenommen wurden, körperlich und verbal misshandelt werden, einschließlich Angriffen und erniedrigender Behandlung. Nach Angaben des Syria Justice and Accountability Center kam es bei diesen Sicherheitsoperationen zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen, darunter dem Tod von Inhaftierten und der Verhaftung von Angehörigen gesuchter Personen, von denen sowohl ehemalige Angehörige der Assad-Regierung als auch nicht verwandte Zivilisten betroffen waren. Mitte Januar meldete das SOHR, dass über 9 000 Kämpfer und Offiziere weiterhin inhaftiert seien, wobei Foltervorwürfe erhoben und der Kontakt zu den Familien eingeschränkt wurde. Informationen des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte (SNHR) stimmten mit den Foltervorwürfen überein, die von Familien berichtet wurden, denen die Leichen ihrer Familienmitglieder nach ihrer Inhaftierung durch das Generaldirektorat für Sicherheit zurückgegeben wurden. Gleichzeitig berichtete das SOHR, dass 275 Häftlinge aus dem Zentralgefängnis von Homs freigelassen wurden, nachdem ihre Unschuld an Kriegsverbrechen gegen die syrische Bevölkerung festgestellt worden war. Im Januar 2025 ließ die Übergangsverwaltung rund 641 Personen, hauptsächlich aus den Gouvernements Homs, Hama und Latakia, frei, die zwischen einigen Tagen und einem Monat inhaftiert waren, wobei die meisten in kleinen Gruppen aus dem Zentralgefängnis von Homs entlassen wurden.

Anfang Februar verhängte das Informationsministerium ein Verbot, Interviews mit Personen zu führen oder Aussagen zu verbreiten, die mit der früheren Regierung in Verbindung gebracht werden.

Seit der Machtübernahme durch die Übergangsregierung haben die verbliebenen Pro-Assad-Gruppen in ganz Syrien kleinere, gezielte Anschläge auf die Sicherheitskräfte der Regierung verübt. Diese Angriffe haben die Behörden dazu veranlasst, Operationen zur Ergreifung der Täter einzuleiten, die manchmal zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führten. Anfang März führten koordinierte Angriffe von Pro-Assad-Gruppen auf Sicherheitskräfte, insbesondere in den Küstengebieten, zu einer erheblichen Eskalation, die eine große Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung, vor allem unter den Alawiten, zur Folge hatte.

Neben den Operationen der Übergangsverwaltung wurden Vorfälle von mutmaßlichen Racheakten, einschließlich Tötungen, Entführungen und Brandstiftungen, durch nicht identifizierte Gruppen dokumentiert, deren Ausmaß jedoch unklar bleibt. Ende Dezember wurden drei alawitische Richter in Masyaf, die für Eigentumsstreitigkeiten zuständig waren, getötet, eine Tat, die von der Übergangsverwaltung verurteilt wurde. Im Januar meldete das SOHR die Hinrichtung von 15 Personen, darunter Beamte der ehemaligen Regierung, durch nicht identifizierte Bewaffnete im Gouvernement Homs. Außerdem wurden 53 Personen verhaftet und an unbekannte Orte gebracht.

1.3.2. Alawiten

Nach ihrer Machtübernahme betonte die HTS ihr Engagement für die Integration der Alawiten in die syrische Staatsführung und nahm Gespräche mit lokalen Vertretern der Alawiten auf. HTS-Vertreter bekräftigten, dass die Rechenschaftspflicht für Verbrechen, die unter der Assad-Regierung begangen wurden, über das formelle Rechtssystem verfolgt werden würde. Trotz dieser Zusicherungen bleiben die Alawiten von den neuen politischen und militärischen Strukturen weitgehend ausgeschlossen, und es gibt keinen Plan für die Eingliederung entlassener Soldaten in die neue Armee, da die Differenzen aus der Kriegszeit fortbestehen. Das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber ehemaligen Offizieren und Beamten des Regimes behindert ihre Wiedereingliederung zusätzlich. Die wirtschaftliche Unsicherheit stellt eine große Herausforderung dar, wobei die Massenentlassungen im öffentlichen Sektor vor allem Alawiten betreffen, darunter ehemalige Sicherheitsbeamte und ihre Familien, von denen viele auch staatlich bereitgestellte Wohnungen verloren haben.

Die Behandlung der alawitischen Gemeinschaften, insbesondere in Regionen wie Homs, Hama und den Küstengouvernements, gibt weiterhin Anlass zu großer Sorge. In der Stadt Homs errichteten Männer in Militäruniformen Kontrollpunkte an den Eingängen der mehrheitlich von Alawiten bewohnten Stadtteile, was die Ängste der Bewohner schürt. Berichten zufolge wurden junge Männer, darunter ehemalige Soldaten und Wehrpflichtige, die ihre Waffen abgegeben hatten, festgenommen. Die Männer an einem Kontrollpunkt haben angeblich ein Sektenprofil erstellt, bevor der Kontrollpunkt nach Beschwerden aufgelöst wurde. Shihadi Mayhoub, ein ehemaliger Gesetzgeber, sagte, er habe bis Januar 2025 über 600 Verhaftungen im Bezirk Zahra (Gouvernement Homs) und mehr als 1.380 in der Stadt Homs dokumentiert, wobei es sich bei den meisten Verhafteten um Zivilisten und Wehrpflichtige sowie um pensionierte Offiziere gehandelt haben soll. Das SOHR schätzt, dass in der Stadt Homs und ihrem Gouvernement mindestens 1.800 Personen, überwiegend Alawiten, inhaftiert wurden. Darüber hinaus nahm die gegen Alawiten gerichtete Gewalt landesweit zu, und es wurden 150 Morde gemeldet, insbesondere in Homs und Hama.

In der Zwischenzeit verschärften nicht identifizierte extremistische Gruppierungen die Ängste, indem sie Aufrufe zur Gewalt gegen Alawiten verbreiteten, darunter auch Videos, die wahllose Angriffe befürworteten. Gezielte Tötungen von Alawiten, die mit der früheren Regierung in Verbindung standen, wurden aus den Küstenregionen gemeldet, während bewaffnete Gruppen, die Militäruniformen trugen, die denen der HTS oder anderer Oppositionsgruppen ähnelten, überfielen über 20 alawitische Dörfer im ländlichen Hama, was zu Vertreibung, Diebstahl und Todesfällen führte.

Berichte über Schikanen, Entführungen und Tötungen von Alawiten nahmen nach dem Sturz Assads zu, wobei in den sozialen Medien - wenn auch unbestätigte - HTS-Kämpfer für die Gewalt verantwortlich gemacht wurden. Ein ehemaliger syrischer Soldat berichtete, er sei an einem HTS-Kontrollpunkt in der Nähe von Khirbet al-Ma'zah im Gouvernement Tartus festgenommen und geschlagen worden, als er unterwegs war, um Amnestie zu beantragen. Er gab an, er sei gezielt wegen seiner alawitischen Herkunft angegriffen und fünf Stunden lang körperlich misshandelt worden, bevor er freigelassen wurde. Die Vereinten Nationen bemühten sich, diese Behauptungen zu überprüfen, um eine weitere sektiererische Eskalation zu verhindern, während das SOHR schätzungsweise 150 alawitische Tötungen innerhalb eines Monats durch ungenannte Täter verzeichnete.

In Zahra, einem Viertel in Homs mit einem hohen Anteil an alawitischer Bevölkerung, nahm die Unsicherheit zu, und die Bewohner hielten sich aufgrund der Präsenz von HTS-Kräften an eine informelle Ausgangssperre. Die HTS ergriff Sicherheitsmaßnahmen in dem Gebiet, darunter Kontrollpunkte und Hausdurchsuchungen bei Personen, die sie als Überbleibsel der früheren Regierung identifizierte. In Berichten von Anwohnern wurde von Zwangsräumungen, der Erstellung von Profilen anhand von Ausweisdokumenten sowie von Gewalt, Verhaftungen, körperlichen Angriffen und Schüssen berichtet.

Ende Januar meldete das SOHR mehrere Fälle, in denen bewaffnete Gruppen, von denen einige behaupteten, mit der MOA in Verbindung zu stehen, Zivilisten aus politischen und konfessionellen Gründen angriffen und töteten. Insbesondere in Gemeinden im Umland von Homs, in denen die alawitische und schiitische Bevölkerung überwiegt, kam es zu einer drastischen Eskalation von Übergriffen, Straftaten und außergerichtlichen Tötungen von Zivilisten. In einem Dorf im Nordwesten des Gouvernements Hama, das hauptsächlich von Alawiten bewohnt wird, haben Bewaffnete Zivilisten erschossen und getötet. Nach Angaben der Behörden befanden sich unter den Getöteten ehemalige Offiziere und Soldaten.

Anfang Februar wurden weitere Angriffe auf Alawiten gemeldet. Die neuen Behörden leiteten Ermittlungen wegen unrechtmäßiger Tötungen ein und kündigten gleichzeitig Sicherheitsoperationen gegen Loyalisten der früheren Regierung an. Interimspräsident Ahmad Al-Sharaa betonte die Notwendigkeit, den zivilen Frieden zu wahren, und warnte vor den Gefahren einer Vertiefung der konfessionellen Spaltung.

Gregory Waters, Experte für syrische Sicherheitsfragen, wies auf die sehr unterschiedlichen Bedingungen in ehemaligen Regierungshochburgen wie Tartous, Latakia, Homs und Hama hin. Während von Fällen konfessioneller Einschüchterung und Belästigung durch Sicherheitskräfte berichtet wurde, beschrieben einige Alawiten in diesen Regionen den Umgang mit den Behörden als höflich und respektvoll. Laut Waters scheinen die dokumentierten Verstöße eher auf unprofessionelles Verhalten bei Verhaftungen als auf explizite konfessionelle Ziele zurückzuführen zu sein, wobei viele der begangenen Straftaten Banden und Zivilisten zugeschrieben werden, die keine Verbindung zur Übergangsregierung haben. Er stellte ferner fest, dass Menschenrechtsverletzungen manchmal im Kontext einer instabilen Sicherheitslage oder eines Sicherheitsvakuums sowie als Reaktion auf bestimmte Vorfälle begangen wurden, wie beispielsweise, als ehemalige Regierungsmilizionäre Ende Dezember in den ländlichen Gebieten von Tartus einen Hinterhalt gegen Sicherheitskräfte legten. Die Streitkräfte leiteten daraufhin eine Operation ein, die Hausdurchsuchungen, die Errichtung von Kontrollpunkten und Schießereien gegen Dörfer umfasste, die im Verdacht standen, die Kämpfer zu beherbergen, wie z. B. Khirbet Maazah, wo zahlreiche ehemalige Kämpfer der Regierungsmiliz und ein hochrangiger Gefängnisbeamter lebten, der beschuldigt wurde, an der Ermordung von Hunderten von Gefangenen beteiligt gewesen zu sein. Waters ist der Ansicht, dass zahlreiche Verbrechen von Banden und Zivilisten verübt wurden, die nicht mit der neuen Regierung verbunden sind, während einige untergeordnete Soldaten und lokale Führer an sektiererisch motivierten Einschüchterungen und Entführungen von alawitischen Zivilisten beteiligt waren.

Anfang März wurden bei Zusammenstößen zwischen pro-Assad-Gruppen und Sicherheitskräften in Latakia, Tartus und Hama Hunderte von Zivilisten getötet, die meisten von ihnen Alawiten. Dabei kam es auch zu Hinrichtungen im Schnellverfahren durch Kräfte, die mit der Übergangsregierung verbunden sind.

(…)

4. Aktuelle Sicherheitstrends

4.1. Gebiete unter der Kontrolle der Übergangsverwaltung

Am 27. November 2024 starteten HTS und verbündete, von der Türkei unterstützte Gruppierungen eine Blitzoffensive im Nordwesten Syriens, die schließlich zum Sturz von Assads Herrschaft führte. Diese Operation folgte einer deutlichen Intensivierung der Angriffe von Truppen der Assad-Regierung und russischen Streitkräften. ACLED verzeichnete zwischen dem 1. Oktober und dem 26. November 684 Luft- und Artillerieangriffe auf oppositionskontrollierte Gebiete in Nordsyrien. Diese Angriffe forderten Berichten zufolge mindestens 39 Todesopfer unter Militanten und Zivilisten. Zeitgleich mit der am 27. November gestarteten HTS-Offensive führten Attentate, israelische Angriffe, IS-Angriffe und wahlloses Feuer in den ehemals von der Assad-Regierung kontrollierten Gebieten zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. Bei Luftangriffen pro-Assad-Truppen, darunter auch russischer Flugzeuge, wurden zwischen dem 27. November und dem 2. Dezember 2024 in der Stadt Idlib Dutzende Zivilisten getötet, darunter 22 Zivilisten bei einer Reihe von Angriffen, die am 1. Dezember einen Markt und fünf Wohngebiete trafen, sowie bei Angriffen auf ein Krankenhaus in der Stadt Aleppo (1. Dezember) und Gebiete im westlichen Umland von Aleppo (zwischen dem 27. und 30. November).

Unterdessen wurden vier Studierende getötet, als eine HTS-Rakete ihr Wohnheim in Aleppo traf (29. November 2024). Bis zum 12. Dezember 2024 wurden aufgrund der Eskalation der Feindseligkeiten seit Beginn der Offensive mehr als 1,1 Millionen Menschen vertrieben.

Im Februar und Anfang März 2025 umfassten die von der Militäroperationsverwaltung (MOA), der Kommandozentrale der neuen, von HTS geführten Übergangsverwaltung, kontrollierten Gebiete den größten Teil West-, Zentral- und Südsyriens sowie das westliche Euphratufer in Deir Ez-Zor. Dazu gehörten die Städte Damaskus, Idlib, Aleppo, Hama und Homs sowie die Küstenstädte Latakia und Tartus. Quellen zufolge blieb die Kontrolle der neuen Behörden in bestimmten Gebieten fragmentiert. Während ihre Kontrolle in den Städten Damaskus, Aleppo und Hama Berichten zufolge effektiv war, sind die MOA-Streitkräfte in Gebieten um Homs, im ländlichen Raum Hamas und im Süden Syriens (den Gouvernements Dar'a und Sweida) überfordert und konkurrieren mit anderen autonomen bewaffneten Gruppierungen. Die Küstengebiete von Latakia und Tartus waren nach Assads Sturz häufig Angriffen auf Sicherheitskräfte und konfessioneller Gewalt ausgesetzt (weitere Informationen finden Sie in Abschnitt 4.1.2).

Laut ACLED-Daten waren im Berichtszeitraum die Distrikte Ain Al Arab/Kobane (401 Vorfälle), Jebel Saman (307 Vorfälle) (beide Gouvernement Aleppo) und Deir Ez-Zor (258 Vorfälle) im Gouvernement Deir Ez-Zor am stärksten von Sicherheitsvorfällen (Kämpfen, Explosionen/Ferngewalt, Gewalt gegen Zivilisten) betroffen. Unter allen Gouvernements wurden in Tartus die wenigsten Sicherheitsvorfälle registriert (40 Vorfälle). In den Küstengebieten wurde die höchste Zahl von Sicherheitsvorfällen im Distrikt Latakia registriert (47 Vorfälle). Die meisten Sicherheitsvorfälle in Südsyrien wurden in den Distrikten Dar'a (75 Vorfälle), Izra (66) und Quneitra (57 Vorfälle) registriert.

4.1.1. Kriminalität, Gesetzlosigkeit und konfessionelle Gewalt

In verschiedenen Regionen herrschten Unsicherheit und eine instabile Sicherheitslage aufgrund von Kriminalität und Gesetzlosigkeit. In den Küstengebieten kam es zu Übergriffen, gezielten Angriffen und Tötungen von Zivilisten, Angriffen auf Kontrollpunkte, Raubüberfällen, Plünderungen und Entführungen. Auch im ländlichen Raum Damaskus wurden Fälle von Tötungen durch unbekannte Männer/bewaffnete Gruppen, Entführungen und Plünderungen gemeldet. Tödliche Angriffe auf Zivilisten wurden außerdem in Idlib, Hama und im Lager Jarmuk in Damaskus registriert. Laut der zivilgesellschaftlichen Organisation Civil Peace Group in Syria kam es zwischen dem 9. Dezember 2024 und Mitte Februar 2025 in der Stadt Homs zu 64 Entführungen, darunter mindestens 13 Zivilisten. Diese Entführungen nahmen im Dezember 2024 allmählich zu und erreichten am 27. Dezember ihren Höhepunkt. Im Januar sanken sie auf Null, bevor sie wieder anstiegen. 19 dieser Entführten wurden getötet.

Wie Gregory Waters feststellte, wurden die meisten dieser Verbrechen von Zivilisten und Banden begangen, die nicht mit der Übergangsregierung in Verbindung standen. Einige lokale Kommandeure und einfache Soldaten waren jedoch an Entführungen alawitischer Zivilisten aus konfessionellen Gründen beteiligt. Gebiete wie Damaskus, Latakia und Tartus blieben zudem anfällig für konfessionelle Spannungen, da es keine formalisierten Sicherheitsmechanismen gab.

Laut SOHR nahmen Attentate und Vergeltungsschläge, auch aus konfessionellen und politischen Gründen, im Januar 2025 in den von der Übergangsregierung kontrollierten Gebieten deutlich zu. Die höchsten Raten wurden in Homs (91 Todesopfer, darunter 59 konfessionell motivierte Morde), Hama (46 Todesopfer, darunter 28 konfessionell motivierte Morde) und Latakia (15 Todesopfer, darunter 13 konfessionell motivierte Morde) verzeichnet. Im Januar verzeichnete ACLED die Tötung von über 176 Zivilisten durch unbekannte Bewaffnete, darunter auch ehemalige Kämpfer der Assad-Regierung.

In der Stadt Homs und den ländlichen Gebieten von Homs und Hama waren die Sicherheitskräfte Berichten zufolge überlastet und stützten sich auf unzureichend ausgebildete Rekruten, sodass die Unruhen seit Assads Sturz anhielten. Aus Homs und einigen Teilen Hamas gehen Berichte über lokale konfessionell motivierte Vergeltungsmaßnahmen von Sunniten gegen Alawiten hervor, die ein ernstes Problem darstellen. In den sozialen Medien häuften sich unbestätigte Berichte über Strafrazzien, Verschwindenlassen und Morde, die angeblich zeigen, wie HTS-Kämpfer Alawiten schlugen oder zu Gewalt gegen sie aufriefen. Wie Gregory Waters feststellte, ereigneten sich die schwerwiegenderen Angriffe auf verbliebene Assad-Mitglieder eher in ländlichen Gebieten, in denen sich eine hohe Konzentration ehemaliger „Shabiha“ (bewaffneter Banden, die Assad unterstützten) und eine begrenzte Präsenz von Sicherheitskräften befinden. Solche Angriffe auf ehemalige Assad-Anhänger wurden jedoch auch aus Damaskus gemeldet. In einigen dieser Fälle, die bis Februar 2025 andauerten, blieben die Täter unbekannt.

(…)“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben während des Verfahrens in Zusammenschau mit dem im Original vorgelegten Auszügen aus dem syrischen Personenstands- und Familienstandsregister samt Übersetzung (AS 31 – AS 37 samt Übersetzung AS 63, AS 71). Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht an, dass die Schreibeweise seines Familiennamen XXXX bzw. XXXX anstelle von XXXX lauten würde. Da jedoch auch den von ihm vorgelegten Auszügen aus dem Personen-und Familienstandsregister als Familienname XXXX zu entnehmen ist, war den Feststellungen der Behörde zu Folgen und XXXX festzustellen.

Die Feststellungen zur Nationalität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Muttersprache des Beschwerdeführers stützen sich auf die plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde, die der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte.

Zum Beweis der Eheschließung legte der Beschwerdeführer beim BFA die am 26.02.2023 ausgestellte Heiratsurkunde samt Übersetzung vor, welcher als Datum der Registrierung der Ehe den XXXX , zu entnehmen ist. Dass der Beschwerdeführer einen Sohn und eine Tochter hat ergibst sich aus dem im Original vorgelegten Auszug aus dem syrischen Familienregister samt Übersetzung.

Die Feststellung zum Geburtsort war anhand der Angabe des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 30.09.2024, die er in der mündlichen Verhandlung bestätigte, zu treffen. Da sich das Dorf XXXX im Gouvernment Rif Damaskus, in unmittelbarer Nähe zur syrischen Hauptstadt Damaskus befindet, stellt die Angabe des Beschwerdeführers in der Erstbefragung in Damaskus geboren zu sein, keinen groben Widerspruch dar. Ebenso kann in Hinblick auf die Angabe des Beschwerdeführers vor dem BFA in XXXX in Damaskus Land geboren zu sein sowie der Eintragung in den vorgelegten Dokumenten (Personenstands-und Familienregisterauszug, Heiratsurkunde), dass er in XXXX geboren sei, davon ausgegangen werden, dass es dabei jeweils um verschiedene Schreibweisen desselben Ortes handelt.

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, er habe in seinem Heimatdorf von Geburt bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Juli 2022 gelebt und bestätigte vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er in XXXX aufgewachsen sei und die Schule besucht habe. Die Dauer des Schulbesuches war anhand der gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung sowie vor der belangten Behörde festzustellen. Ebenso gab der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens gleichbleibend an, dass er in Syrien als Schneider, Elektriker sowie in der Gastronomie gearbeitet habe. Dass er im Juli 2022 seinen Heimatort in Richtung Türkei verlassen habe, führte der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung sowie vor dem BFA aus und bestätigte diese Angaben in der mündlichen Verhandlung und konkretisierte, dass er sich anschließend in der Türkei für einen Monat in Istanbul aufgehalten habe.

Dass sich der Herkunftsort XXXX (auch: XXXX ) im Gouvernement Rif Damaskus/Damaskus Land aktuell unter der Kontrolle der Übergangsregierung der Hay’at Tahrier al-Sham (HTS) befindet, basiert auf einer Einsichtnahme in die Karte unter https://syria.liveuamap.com und wurde auch vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 15.01.2025 angegeben.

Der Flughafen Damaskus nahm am 08.01.2025 seinen internationalen Betrief wieder auf (vgl. LIB Version 12, Kapitel 14 „Bewegungsfreiheit – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)). Der Einsichtnahme in die Karte unter https://syria.liveuamap.com/ ist zu entnehmen, dass der Weg von der Hauptstadt Damaskus zum Heimatort XXXX durchgängig im Gebiet unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung liegt, sodass die Erreichbarkeit der Herkunftsregion festzustellen war.

Die Feststellungen zu seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsorten war anhand der Ausführungen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA zu treffen, die er in der mündlichen Verhandlung bestätigte und dahingehend konkretisierte, dass seine Schwester seit dem Jahr 2015 in Österreich lebe.

Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem nach der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten klinisch-psychologischen Befundbericht vom 09.10.2024 (OZ 7) sowie der Angabe vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht, dass er über Verletzungen am Rücken aufgrund eines Bombardements verfüge. Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, dass er aufgrund seiner Verletzungen nicht in medizinischer Behandlung stehe (vgl. BFA Einvernahme S. 4).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug.

Das Datum der Asylantragstellung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Festzuhalten ist, dass die geltend gemachten Verfolgungsgründe nicht bewiesen worden sind. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.

Der Beschwerdeführer vermochte nach Einvernahme in der mündlichen Verhandlung eine Verfolgung im Sinne der GFK nicht glaubhaft darzulegen. Dies aus folgenden Gründen:

2.2.1. Zur vorgebrachten Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer Einberufung zum Reservedienst in der syrischen Armee, einer Teilnahme an Demonstrationen sowie der illegalen Ausreise sowie Asylantragsstellung in Österreich:

Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass am 8.12.2024 die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad in Syrien endete. Nachdem Oppositionsgruppierungen unter Führung der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) am 27.11.2024 eine Offensive gegen das syrische Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten, war Bashar Al-Assad war aus Damaskus geflohen. Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt.

Nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad durch die Opposition unter Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) ist keine Gefahr einer Verfolgung durch das syrische Regime mehr gegeben.

2.2.2. Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatort auch keiner Verfolgung durch die HTS ausgesetzt:

Zu einer drohenden Zwangsrekutierung durch die HTS zum staatlichen Wehrdienst:

In der Erstbefragung am 24.10.2022 gab der Beschwerdeführer an, dass er Syrien wegen des Krieges und aufgrund der fehlenden Sicherheit verlassen habe. Zudem sei er vor ca. einem Jahr als Reservist zum Militärdienst einberufen worden und sie hätten verlangt, dass er zur Front gehe. Seitdem habe er sich versteckt und seine Flucht organisiert. Zudem sei er im Februar 2017 festgenommen worden und bis 26.11.2017 in Damaskus inhaftiert gewesen (Anmerkung: das Wort „inhaftiert“ fehlt im Protokoll der Erstbefragung; vgl. Erstbefragung, S. 6). Im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.03.2024 konkretisierte der Beschwerdeführer dahingehend, dass er aufgrund einer Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2017 inhaftiert worden sei und nach der Zahlung von Bestechungsgeld am 26.11.2017 aus der Haft entlassen worden sei. Anschließend sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt, wo er sich bis 2022 versteckt habe (vgl. Einvernahme BFA, S. 8).

In der Stellungnahme vom 15.01.2025 gab der Beschwerdeführer an, dass seit Herkunftsort nunmehr von der HTS kontrolliert werde, die von den Vereinten Nationen, den USA und der EU als Terrororganisaton eingestuft sei und aktuell nicht absehbar sei, ob diese nun tatsächlich moderater geworden wäre. Frühere Berichte legen nahe, dass die HTS bisher teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei und u.a. für Hinrichtungen, außergerichtliche Tötungen, Folter und Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen sowie die Anwendung sexualisierter Gewalt verantwortlich sei (vgl. Stellungnahme vom 15.01.2025, S. 2f).

Erstmals in der Stellungnahme vom 22.05.2025 führt der Beschwerdeführer aus, dass er oppositionell geben die von der HTS dominierte syrische Regierung eingestellt sei und eine drohende Zwangsrekrutierung zum staatlichen Wehrdienst fürchte, welchen er weiterhin verweigern würde, da er es aus Gewissensgründen ablehne, sich an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beteiligen (vgl. Stellungnahme vom 25.05.2025, S. 2).

Zur vorgebrachten Zwangsrekrutierung durch syrische Übergangsregierung unter Führung der HTS zum „staatlichen Wehrdienst“ ist festzuhalten, dass den Länderfeststellungen zur aktuellen Situation in Syrien keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass Zwangsrekrutierungen durch die von der HTS-geführten Übergangsregierung stattfinden. Laut den Länderinformationen der Staatendokumentation vom 08.05.2025 (Version 12) wurde die Syrische Arabische Armee noch vor der Flucht von al-Assad am 08.12.2024 per Befehl aufgelöst und die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauchen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen. Weiters ist den Länderinformationen zu entnehmen, dass sich der Führer der HTS ash-Shara‘ gegen eine Wehrpflicht und für eine freiwillige Rekrutierung entschieden hätte. Das Innenministerium habe seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet, wo sich bereits Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen hätten. Insbesondere junge Männer in Idlib hätten sich der neuen Armee angeschlossen, aber in der Provinz Deir ez-Zor seien binnen weniger Wochen nach der Kontrollübernahme durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten aufgenommen worden. In den ländlichen Gebieten von Damaskus würden junge Männer vor allem der Kriminalpolizei beitreten (vgl. LIB Kapitel 9, Wehr- und Reservedienst – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad Regimes (seit 08.12.2024). Ebenso ist dem EUAA-Bericht Syria: Country Focus von März 2025 noch eindeutiger zu entnehmen, dass die syrische Übergangsregierung die Wehrpflicht, außer in Situationen wie dem nationalen Notstand, abgeschafft habe und die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein werde (vgl. EUAA, S. 22f.)

Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass wie in der Stellungnahme vom 25.05.2025 ausgeführt, dem Kapitel 9 „Wehr-und Reservedienst – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 08.12.2024)“ der Länderinformationen der Staatendokumentation als Anmerkung vorausgestellt ist, dass derzeit keine ausreichenden Informationen zum Wehrdienst oder der Rekrutierung vorliegen würden bzw. unklar sei, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden solle (LIB, S. 139f.), jedoch ist dazu festzuhalten, dass den Länderinformationen sehr wohl - wie bereits ausführt – konkrete Informationen zur Rekrutierungssituation in Syrien enthalten sind und sich aufgrunddessen keinerlei Anhaltspunkte für eine etwaige Zwangsrekrutierung durch die HTS ergeben haben.

Auch die im EUAA-Bericht enthaltene Information, dass die Wehrpflicht für den Fall eines nationalen Notfalles erhalten bleibt, kann zu keinem anderen Ergebnis führen, da sich keinerlei Hinweise finden, dass diese Notfallsbestimmung aktuell zur Anwendung gelangen würde. Vor dem Hintergrund, dass sich laut den Länderinformationen in den Rekrutierungszentren tausende Männer freiwillig zur neuen Armee gemeldet haben, scheint die Anwendung dieser zur Mobilisierung auch nicht notwendig zu sein. Ebenso können aus den Ausführungen in den Länderinformationen, dass abzuwarten sei, wie die neue Armee Syriens aussehen werde und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren werde, keine Schlussfolgerungen auf eine etwaige Rekrutierungspraxis gezogen werden, da es sich hierbei um offene Fragen in Bezug auf die innere Struktur (Brigaden, Divisionen etc.) sowie die Art der Bewaffung und ihre Mission handelt (vgl. LIB, S. 141).

Weiters ist auch der in der Stelllungnahme vom 25.05.2025 zitierten ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierung durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2] vom 21.03.2025 zu entnehmen, dass mehrere Quellen im Februar 2025 berichtet hätten, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze und sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden (vgl. ACCORD-Anfragebeantwortung, S. 2). Zudem ist anzumerken, dass die in der Stellungnahme vom 25.05.2025 zitierte Quelle Syria TV selbst angibt, dass es sich um „Gerüchte“ handle, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte, sodass hierbei keinesfalls von gesicherten Informationen ausgegangen werden kann.

Das übereinstimmende Bild der Länderinformationenen betreffend die Abschaffung der Wehrpflicht und der freiwilligen Rekrutierungen zum Aufbau einer Freiwilligenarmee lassen beim erkennenden Gericht keine Zweifel aufkommen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien keine Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die von der HTS geführte syrische Übergangsregierung droht.

Zur Verfolgung des Beschwerdeführers als oppositionell/dem Regime von Bashar Al-Assad nahestehend wahrgenommene Person:

Weiters brachte der Beschwerdeführer erstmals in der Stellungnahme vom 22.05.2025 vor, dass er infolge der Ableistung seines Wehrdienstes für das ehemalige Assad-Regime bei einer Rückkehr in seinen von der HTS kontrollierten Herkunftsort infolge vermeintlicher Unterstützung des ehemaligen Regimes asylrelevante Verfolgung durch die HTS aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung drohen würde.

Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA am 15.03.2024 angegeben hat, dass weder er noch seine Familienangehörige sich jemals in Syrien politisch oder religiös betätigt haben (vgl. Einvernahme BFA, S. 7), dazu jedoch im Widerspruch ausführte, dass er in den Jahren 2012,2014 und 2015 an Demonstrationen gegen das damalige syrische Regime teilgenommen habe und aufgrunddessen im Jahr 2017 inhaftiert gewesen sei (vgl. Einvernahme BFA, S. 8f.).

Es haben sich für das erkennende Gericht jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer jemals als oppositionell bzw. Gegner der HTS in Erscheinung getreten ist, und wurde dies in der Stellungnahme vom 22.05.2025 auch nicht substantiiert behauptet. Weiters ist festzuhalten, dass sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers erst seit dem Sturz des syrischen Regimes am 08.12.2024 unter der Kontrolle der von der HTS angeführten Übergangsregierung befindet, sodass es auch vor diesem Hintergrund nicht maßgeblich wahrscheinlich erscheint, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Syrien im Juli 2022 jemals in Kontakt mit der HTS gekommen ist bzw. ins Visier der HTS geraten hätte können.

Dass der Beschwerdeführer seinen verpflichtenden Militärdienst in der syrischen Armee in den Jahren 2005 bis 2007 – somit vor Ausbruch der syrischen Revolution im Jahr 2011 –ableistete, gab er vor der belangten Behörde an und bestätigte diese Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Einvernahme BFA, S. 6; vgl. Verhandlungsprotokoll, S.9).

Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 22.05.2025, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen von der HTS kontrollierten Herkunftsort aufgrund der Ableistung seines Wehrdienstes für das ehemalige Assad-Regime asylrelevante Verfolgung durch die HTS wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung drohen würde, decken sich nicht mit den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation, Version 12, vom 08.05.2025, wonach nach dem Umsturz in Syrien von der Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet worden sei und von der neuen syrischen Übergangsregierung sogenannte „Versöhnungszentren“ eingerichtet worden seien. Die syrischen Behörden würden Angehörige des Militärs auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen abzugeben. Anschließend würden die ehemaligen Angehörigen des syrischen Militärs Papiere erhalten, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt hätten. Die „Versöhnungszentren“ seien bereits gut genutzt worden (vgl. LIB 12, Kapitel 9 „Wehr- und Reservedienst – Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2025). Da den Länderinformationen zu entnehmen ist, dass selbst Angehörigen der syrischen Armee die Möglichkeit gegeben wird, sich in einem „Versöhnungszentrum“ mit der neuen syrischen Regierung „zu versöhnen“, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer, der lediglich in den Jahren 2005 bis 2007 – somit sogar vor Ausbruch der syrischen Revolution im Jahr 2011 – seinen verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee abgeleistet hat, von der HTS als eine dem Assad-Regime-nahestehende Person angesehen werden sollte und ihm aufgrunddessen Verfolgung drohen sollte.

Zwar ist den Länderberichten – wie in der Stellungnahme vom 25.05.2025 zitiert – zu entnehmen, dass es zu Racheaktionen gegen Personen gekommen ist, die (vermeintlich) das al-Assad-Regime unterstützt haben, wobei es sich dabei zB. Unterstützer gehandelt habe, die sich geweigert hätten, ihre Waffen in einem „Versöhnungszentrum“ abzugeben. Nachdem es Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit vor allem in der Küstenregion Syriens, aber auch in anderen Gebieten, gegeben habe, wurden diese von syrischen Sicherheitskräften bzw. Zivilisten und ausländischen Kämpfern niedergeschlagen, wobei es auch zu Tötungen von Zivilisten und Gefangenen gekommen sei. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen „die Überreste des Regimes“ in den Küstengebieten bekannt.

Dies deckt sich auch mit den Ausführungen des EUAA-Berichts Syria: Country Focus vom März 2025, wonach Personen, die mit der Regierung von Bashar Al-Assad in Verbindung gebracht wurden in verschiedenen Gouvernements verhaftet bzw. auch außergerichtliche Hinrichtungen durchgeführt worden seien. Insgesamt seien bis Mitte Februar 2025 287 Personen aufgrund dieser Rachemorde getötet worden.

Dazu ist festzuhalten, dass sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, ein Vorort von Damaskus, weder in der Nähe der betroffenen Küstengebiete befindet, noch, dass es Anhaltspunkte gibt, weshalb er von der HTS als Anhänger des Regimes angesehen werden sollte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen verpflichtenden Militärdienst für das syrische Regime, hat, begründet keinesfalls ein besonderes Naheverhältnis des Beschwerdeführers zum syrischen Regime, da die vormalige Wehrpflicht in der syrischen Armee alle syrischen Männer ab dem 18. Lebensjahr umfasste und wie bereits ausgeführt eine Generalamnestie für alle aktuell Wehrpflichtigen erlassen wurde sowie „Versöhnungszentren“ geschaffen wurden.

Zudem absolvierte der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bereits in den in den Jahren von 2005 bis 2007, somit vor Ausbruch der syrischen Revolution im Jahr 2011, sodass auch keine Anhaltspunkte bestehen, dass er ins Visier einer Racheaktion aufgrund einer (vermeintlichen) Teilnahme an Kampfhandlungen bzw. Kriegesverbrechen des syrischen Regimes geraten könnte. Außerdem ist die Militäroperation „gegen die Überreste des Regimes“ laut dem syrischen Verteidigungsministerium mit 10.03.2025 beendet worden, sodass alleine aus diesem Grund keine Gefahr durch die HTS im Entscheidungszeitpunkt zu erkennen ist.

2.2.3. In einer Gesamtschau ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat Syrien in ausreichendem Maße substantiiert vorzubringen und glaubhaft zu machen.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem zitierten Länderberichten zur Lage in Syrien. Die darin enthaltenen Informationen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben.

Angesichts der Seriosität der angeführten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen inhaltlich auch nicht substantiiert entgegengetreten wurde, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung sowie des Parteiengehörs die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Länderberichten bzw. einer Frist zur Erstattung einer solchen eingeräumt.

Mit den oa. Stellungnahmen der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers wurde den Länderinformationen jedoch nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig, sie ist jedoch nicht begründet:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Zur Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Ob dem Beschwerdeführ mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht ist anhand der Situation in ihrer Heimatregion zu prüfen. Dazu ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach zur Bestimmung der Heimatregion der Frage maßgebliche Bedeutung zukommt, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat. In Fällen, in denen der Asylwerber jedoch nicht auf Grund seines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung seinen dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hat und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnte (Zustand innerer Vertreibung), ist der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen (vgl. VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0370, mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, ist der Beschwerdeführer in der Ortschaft XXXX (auch: XXXX ) im Gouvernement Rif Damskus/Damaskus Land in Syrien geboren und aufgewachsen, wo er - bis auf die Ableistung seines verpflichtenden Wehrdienstes in den Jahren 2005 bis 2007 - bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Juli 2022 lebte. Dementsprechend war XXXX (auch: XXXX ) als Heimatregion heranzuziehen und in weiterer Folge der Prüfung einer asylrelevanten Verfolgung zugrunde zu legen.

3.1.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie; vgl. VwGH 27.09.2022, Ra 2021/01/0305). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.05.2021, Ra 2019/19/0428 mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss; auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Ausgehend von diesen rechtlichen Voraussetzungen ergibt sich im Lichte des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

3.2. Zur behaupteten Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer Einberufung zum Reservemilitärdienst, einer Teilnahme an Demonstrationen sowie der illegalen Ausreise und Asylantragsstellung in Österreich:

Als Verfolgungshandlung gilt etwa die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der Statusrichtlinie fallen (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. e der Statusrichtlinie).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001 mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Würde der Wehrdienst zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen zwingen, kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen (vgl. VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250 sowie VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, jeweils mwN).

3.2.1. Der Beschwerdeführer brachte hinsichtlich seiner Asylgründe vor, er habe Syrien wegen des Krieges und seiner Verpflichtung, den Reservemilitärdienst beim syrischen Militär ableisten zu müssen, verlassen. Zudem habe er an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen und es drohe ihm auch aufgrund der illegalen Ausreise sowie der Asylantragsstellung in Österreich Verfolgung durch das syrische Regime.

Vor dem Hintergrund der seit Dezember 2024 geänderten Situation in Syrien ist festzustellen, dass diejenigen Umstände, die im Zusammenhang mit der früheren syrischen Zentralregierung des Assad-Regimes standen und in einer Vielzahl von Fällen männlicher syrischer Antragsteller zur Begründung von Asylanträgen geführt haben, nämlich die behauptete Furcht vor Verfolgung durch das damalige Regime aus Folge der (Reserve-)Militärdienstverweigerung aufgrund einer tatsächlichen oder bloß unterstellten oppositionellen Einstellung dem Assad-Regime gegenüber, weggefallen sind. Wie festgestellt bzw. allgemein bekannt, besteht die von Assad geführte Zentralregierung seit dem 08.12.2024 nicht mehr und wurde die Wehrpflicht von der Übergangsregierung abgeschafft.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, das sich auf eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Zusammenhang mit der Verweigerung des Reservedienstes bei der syrischen Armee bzw. aufgrund einer Teilnahme an Demonstrationen gegen das syrische Regime, einer illegalen Ausreise sowie der Asylantragsstellung in Österreich bezieht, ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht einmal denkmöglich geeignet, eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen. Die Soldaten der vormaligen syrischen Regierung wurden außer Dienst gestellt und politische Gefangene des Regimes aus berüchtigten Gefängnissen entlassen. Der frühere Machthaber befindet sich nicht länger auf syrischem Staatsgebiet und wurde die Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht genommen. Durch die Kontrollerlangung oppositioneller Kräfte wurde der Untergang des syrischen Regimes besiegelt, sodass von letztgenanntem im hypothetischen Rückkehrfall keine asylrechtlich aufzugreifende Verfolgungsgefahr ausgehen kann und dahingehend fluchtbegründendes Vorbringen von vornherein nicht glaubhaft ist (vgl. auch die insofern in Einklang stehende UNHCR-Position on Returns to Syria, December 2024).

3.3. Zum Vorbringen der Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen Gründen durch die von der HTS geführten syrische Übergangsregierung aufgrund der Ableistung des Militärdienstes für das syrische Regime, sind den Länderfeststellungen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass alleine der Umstand, dass der Militärdienst für das syrische Regime abgeleistet wurde zu einer Verfolgung führt, zu entnehmen. Wie beweiswürdigend ausgeführt, wurde von der syrischen Übergangsregierung eine Generalamnestie für Wehrpflichtige erlassen sowie „Versöhnungszentren“ für ehemalige Angehörige des syrischen Militärs unter Bashar Al-Assad geschaffen, sodass jedenfalls nicht die maßgebliche Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgung von Personen, die den Wehrdienst unter dem Regime von Bashar Al-Assad abgeleistet haben, vorliegt.

Wie beweiswürdigend ausgeführt, ist der Beschwerdeführer auch zu keinem Zeitpunkt als Gegner der HTS politisch in Erscheinung getreten und wird nicht als Person wahrgenommen, die Verbindungen zur Regierung von Bashar Al-Assad hat.

3.4. Zusammenfassend wurde keine Verfolgung des Beschwerdeführers dargelegt bzw. glaubhaft gemacht, die auf einem der in Art. 1 A Z 2 GFK genannten Konventionsgründe – nämlich Verfolgung aufgrund der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – beruht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002 mwN).

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