Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2025, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) reiste im November 2022 illegal nach Österreich ein, wo er am 16.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Am 17.11.2022 fand eine Erstbefragung durch die Polizei und am 02.08.2023 eine Einvernahme des BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt.
Mit Bescheid vom 19.12.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der BF im Wege seiner Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 12.01.2024 Beschwerde.
Am 30.04.2025 fand am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Der BF wurde ausführlich zu seiner Person und seinen Fluchtgründen befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist syrischer Staatsbürger und reiste im November 2022 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit gegenständlichem Bescheid vom 19.12.2023 hat das BFA diesen Antrag abgewiesen, dem BF jedoch den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der BF ist Angehöriger der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Richtung des Islam. Seine Identität steht fest.
Der BF ist verheiratet und hat acht Töchter und einen Sohn. Zwei Töchter sind verheiratet und er hat zwei Enkelkinder.
Der BF wuchs im Dorf XXXX , im Rif Halab, im Gouvernement Aleppo auf, besuchte 9 Jahre die Schule und arbeitete als Fliesenleger und Kraftfahrer.
Der BF ist über 40 Jahre alt und leistete seinen Wehrdienst beim syrischen Militär 2005 und 2006 als einfacher Soldat in einer FM-Einheit ab.
Der BF und seine Familie verließen 2015 Syrien und er lebte und arbeitete bis 2022 legal in der Türkei. Dort wurden auch drei seiner Kinder geboren.
Der BF reiste für 9.000 Euro von der Türkei illegal nach Europa.
In Syrien leben noch eine Schwester und ein Bruder sowie weitere entfernte Verwandte.
Die Familie hat Vermögenswerte in Syrien.
In Türkei leben zwei Brüder und sieben Schwestern, sowie die Ehefrau, acht Töchter und ein Sohn des BF. Zwei Töchter sind bereits verheiratet und haben eigene Kinder. Zu den Angehörigen besteht regelmäßiger Kontakt. Der Vater des BF ist vor ungefähr einem Jahr verstorben.
In Deutschland lebt eine Schwester des BF.
Der BF ist unbescholten.
Der BF lebt gemeinsam mit fünf weiteren Personen in einer Mietwohnung. Er erhält staatliche Unterstützung, macht Kurse beim AMS und ist geringfügig beschäftigt.
Es wird festgestellt, dass der BF eine individuelle Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat Syrien nicht glaubhaft machen konnte bzw. nicht plausibel behauptet hat. Er konnte nicht glaubwürdig darlegen, dass er aktuell in das Blickfeld der neuen syrischen Regierung oder anderer Konfliktparteien geraten ist.
Es wird auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD hinsichtlich der Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung bzw. der Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen hingewiesen. Das Dokument wurde erstmals am 21.03.2025 veröffentlicht und nun geringfügig überarbeitet. Demnach habe der Präsident der syrischen Übergangsregierung erklärt, die Wehrdienstpflicht abgeschafft zu haben und stattdessen auf freiwillige Rekrutierungen zu setzen. Außerdem wird festgestellt, dass eine Wehrdienstpflicht per se kein asylrelevanter Grund ist.
Sein vorgebrachter Fluchtgrund den Wehrdienst bzw. Reservedienst in der syrischen Armee des Assad-Regimes leisten zu müssen ist aufgrund des Regimewechsels somit obsolet.
Der BF hat bereits 2015 Syrien verlassen. Seine Heimatregion steht unter der Herrschaft der neuen syrischen Regierung. Der BF hat keine offen oppositionelle Einstellung gegenüber der neuen Regierung dargelegt. Der erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Fluchtgrund, er würde wegen der Flucht seiner Brüder aus den Streitkräften der HTS als Familienmitglied verfolgt werden, wird als unglaubwürdig und als reine Steigerung seines Fluchtvorbingens gewertet. Auch die Angabe, der BF habe mit niemandem in Syrien Kontakt, ist ebenso unglaubwürdig.
Dem BF droht somit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den syrischen Staat oder durch Mitglieder regierungsfeindlicher oder –freundlicher (bewaffneter) Gruppierungen.
Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen durch die Kurzinformation der Staatendokumentation zu Syrien vom 10.12.2024 zur Sicherheitslage und zur politischen Lage in Syrien wiedergegeben:
1. Zusammenfassung der Ereignisse
Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von
Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:
Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).
Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij
ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).
Die untere Karte zeigt die Gebietskontrolle der Akteure mit Stand 10.12.2024:
Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).
2. Die Akteure
Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).
Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassenwurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).
Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).
Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).
National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).
Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).
Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).
Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).
Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).
Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).
Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).
3. Aktuelle Lageentwicklung
Sicherheitslage
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Sozio-Ökonomische Lage
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnenwerde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).
[…]
Zusätzlich wird noch auszugsweise das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:
Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
...
Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)
…
Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).
[…]
Syrische Rückkehrende aus Europa
Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann laut deutschem Auswärtigen Amt für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden. Auch UNHCR und andere Menschenrechtsorganisationen haben keinen freien und ungehinderten Zugang zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist. UNHCR kann unverändert weder ein umfassendes Monitoring zur Lage von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherstellen, noch einen Schutz ihrer Rechte gewährleisten. Dennoch bemüht sich UNHCR, Beispiele von Rechtsbrüchen zu sammeln, nachzuverfolgen und gegenüber dem Regime zu kommunizieren (AA 2.2.2024).
Die verfügbaren Informationen über SyrerInnen, die aus Europa nach Syrien zurückkehren, sind begrenzt (Rechtsexperte 14.9.2022, DIS 5.2022). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es auch aufgrund deren geringer Zahl keine Angaben (ÖB Damaskus 12.2022): Im Jahr 2020 kehrten 137 syrische Flüchtlinge freiwillig und mit Unterstützung der dänischen Behörden aus Dänemark nach Syrien zurück. Im selben Jahr suchten zehn SyrerInnen bei den niederländischen Behörden um Hilfe für eine Rückkehr nach Syrien an. In Dänemark leben rund 35.000 Syrer und Syrerinnen, in den Niederlanden ca. 77.000 (EASO 6.2021). Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kehrten von 2017 bis Juni 2020 über 1.000 SyrerInnen mit finanzieller Unterstützung Deutschlands aus Deutschland nach Syrien zurück (Daily Sabah 15.6.2020). Die meisten syrischen Flüchtlinge in der EU erwägen nicht, in (naher) Zukunft nach Syrien zurückzukehren, wie Umfragen aus verschiedenen europäischen Staaten illustrieren. Diejenigen, die nicht nach Syrien zurückkehren wollten, wiesen auf verschiedene Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter das Fehlen grundlegender Dienstleistungen (wie Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit) und die derzeitige syrische Regierung, die an der Macht geblieben ist (Rechtsexperte 14.9.2022).
Die meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Europäische Union selbst sowie der UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), bleiben bei ihrer Einschätzung, dass Syrien nicht sicher für eine Rückkehr von Flüchtlingen ist. Im Juli 2022 entschied das Netherlands Council of State, dass syrische Asylsuchende nicht automatisch nach Dänemark transferiert werden dürften angesichts der dortigen Entscheidung, Teile Syriens für 'sicher' zu erklären (HRW 12.1.2023). Auch die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) kommt zum Schluss, dass die Bedingungen für eine sichere Rückkehr in Würde nicht gegeben sind, auch angesichts von Fällen von Rückkehrverweigerungen, willkürlichen Verhaftungen und der Verhinderung der Rückkehr zu ihren Heimen in Regierungsgebieten (UNCOI 7.2.2023). Das deutsche Auswärtige Amt weist darauf hin, dass UNHCR, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) und die International Organization for Migration (IOM) unverändert die Auffassung vertreten, dass die Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr von Geflüchteten nach Syrien in Sicherheit und Würde angesichts der unverändert bestehenden, signifikanten Sicherheitsrisiken in ganz Syrien nicht erfüllt sind. UNHCR bekräftigte, dass sich seine Position und Politik nicht geändert hätten. Im Einklang mit dieser Einschätzung führt laut deutschem Auswärtigem Amt weiterhin kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union Rückführungen nach Syrien durch (AA 2.2.2024). Auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht nicht die menschenrechtlichen Voraussetzungen für Abschiebungen nach Syrien gegeben (Die Presse 5.6.2023).
2. Beweiswürdigung:
Die Staatsbürgerschaft und Identität des BF steht aufgrund eines Personalausweises im Original fest (Kopie AS 79, 80).
Die Feststellungen zu seiner Einreise und der Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Erstbefragungsprotokoll.
Aus dem im Akt aufliegenden Bescheid geht hervor, dass der BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt bekommen hat.
Die Feststellungen zur Schulbildung und Erwerbstätigkeit stützen sich auf seine diesbezüglichen Angaben in der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA.
Die Feststellungen zu seinem abgeleisteten Militärdienst stützen sich auf seine diesbezüglichen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (AS 61).
Der Verbleib der Familienangehörigen des BF wurde aufgrund seiner hierzu getätigten Angaben in der Erstbefragung, vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung festgestellt (AS 63, 65; VHP S 4ff).
Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF ergeben sich aus den Angaben in der Erstbefragung und vor dem BFA, sowie aus der Beschwerdeschrift und aus der mündlichen Verhandlung.
Bei der Erstbefragung gab der BF zu den Fluchtgründen an, dass es für ihn und seine Familie keine Sicherheit und keine Sicherheitsperspekiven gäbe.
Bei der Befragung vor dem BFA am 02.08.2023 gab der BF nunmehr an, dass sein Fluchtgrund im Wesentlichen die Einberufung zum Reservemilitärdienst Mitte 2014 durch das syrische Regime gewesen sei. Er habe niemanden töten wollen, weder auf der einen noch auf der anderen Seite (AS 69).
Das BFA hat im Wesentlichen festgestellt, dass keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung oder durch andere Konfliktparteien bestehen würde. Der BF habe Syrien frühestens im Jahr 2015 in Richtung Türkei, wegen der schlechten Sicherheitslage, den schwierigen Lebensverhältnissen und des Bürgerkriegs verlassen. Er habe bereits über sieben Jahre in Sicherheit in der Türkei gelebt und diese aus sozioökonomischen Motiven Richtung Österreich verlassen. Mit dem syrischen Militär habe er keinen persönlichen Kontakt gehabt. Er sei auch nicht von relevanten persönlichen Zwangsrekrutierungsversuchen von den Kurden oder operierenden Milizen betroffen gewesen und habe sich nicht politisch engagiert.
In der Beschwerde wurden im Wesentlichen die vom BF vorgebrachten Fluchtgründe wiederholt moniert. Der BF sei tagesaktuell reservedienstpflichtig und habe den Reservedienst 2014 nicht angetreten. Er gelte daher als Verräter und es werde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Ergänzend wurde nun vorgebracht, dass ein Bruder für die FSA kämpfen habe müssen, nunmehr aber desertiert sei und versteckt in einem Auffanglager in XXXX lebe. Dem BF würde daher auch von der FSA eine feindliche Gesinnung unterstellt werden, da er Familienangehöriger eines Deserteurs sei (AS 306).
In der mündlichen Verhandlung wurde auf Vorhalt, worin nach dem Fall des Assad-Regimes nunmehr eine asylrelevante Verfolgung bestehe, vom BF vorgebracht, er habe bereits im Asylverfahren angegeben, dass zwei Brüder für Ahrar al-Scham gearbeitet hätten und später geflohen seien. Aufgrund dessen würden alle Familienmitglieder im Falle der Rückkehr nach Syrien auch von der neuen Regierung gesucht werden. Er habe das im Verfahren angegeben, der Dolmetscher habe das leider so nicht übertragen und er habe das nicht so kontrollieren können, weil er zur Zeit der Einvernahme so vom Tod seiner Mutter traumatisiert gewesen sei. Befragt nach Hinweisen, führte der BF aus, dass u.a. die Sicherheitslage instabil sei, wie solle er Hinweise oder Beweise vorlegen, dass seine Familie bei einer Rückkehr verfolgt werde. Er gab auch zu, dass zwei seiner Brüder in einer islamistischen Organisation gekämpft hätten, sie seien aber von dieser islamistischen Organisation geflohen. Er selbst habe jedoch überhaupt keinen Kontakt oder Berührungspunkte mit solchen Organisationen gehabt, aber diese islamistische Gruppierung sei der Meinung, dass sie alle (Anm: er und seine Brüder) bei einer Rückkehr nach Syrien verfolgt werden würden (VHP S 7).
Auf Vorhalt, dass er nicht wegen dem IS geflohen sei, der in der Gegend gewesen war, sondern wegen des alten syrischen Regimes, bejahte er dies zwar, wiederholte aber, dass jetzt ein weiterer Grund aufgetaucht sei und zwar, dass er von der neuen Regierung wegen Desertion seiner Brüder bei einer Rückkehr nach Syrien verfolgt werden würde.
Auf Anfrage warum einer seiner Brüder weiterhin in Syrien leben könne, antwortete der BF, dass dieser in einem „Flüchtlingszelt“ an der Grenze zur Türkei in einem Ort namens XXXX frinlebe. Er wisse nicht, was mit seinem Bruder in der nächsten Zeit passieren werde. Alles sei nicht überschaubar (VHP S 8).
Auf die Frage, woher der BF wisse, dass er gesucht werde, gab er an, dass er dies vom Mukthar erfahren habe. Diese Person sei unparteiisch und er habe ihm gesagt, dass sie als Familie Ahmad von der neuen Regierung bei einer Rückkehr verfolgt werden würden (VHP S 8f).
Auf Nachfrage, wie er mit dem Muktar in Kontakt habe treten können, ergänzte der BF, dass ihn dieser vor acht Monaten per Internet an der Grenze zur Türkei angerufen habe. Dieser habe auch seine Brüder in der Türkei angerufen und uns darüber informiert, dass wir aufpassen müssten und nicht nach Syrien zurückkehren dürften.
Auf die Frage, warum er dies nicht dem Gericht sofort gemeldet habe, gab der BF an, dass er dies erst in der Verhandlung dem Richter sagen müsse und er habe darüber mit seinem Rechtsberater gesprochen.
Der Rechtberater führte hingegen diesbezüglich aus, dass seine Besprechung mit dem BF erst am 24.04.2024 gewesen sei und der Umstand mit dem Dorfvorsteher sei ihm leider nicht mitgeteilt worden. Er wisse aber nicht, ob der BF sich auf einen anderen Kollegen oder eine andere Kollegin beziehe.
Damit konfrontiert, entschuldigte und korrigierte sich der BF, er habe nicht mit seinem Rechtsberater darüber gesprochen. Es täte ihm leid (VHP S 9).
Eine konkrete Verfolgung ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit deshalb auszuschließen, da der BF Syrien bereits 2015 verlassen hat und keinerlei oppositionelle Tätigkeiten gegen die nunmehrige politische Kraft entfaltet haben kann. Dass der BF nunmehr verfolgt werde, weil zwei seiner Brüder 2017/ 2018 bei der FSA bzw. Ahrar al-Scham gedient hätten und dann desertiert wären, ist nicht plausibil. Diesbezüglich gibt es weder glaubwürdige Indizien noch Hinweise. Die vage Angabe des BF, die erst auf Nachfrage erfolgt ist, dass er und seine Brüder vom Mukthar (Dorfvorsteher) informiert wurde, dass sie aufpassen müssten und nicht nach Syrien zurückkehren dürften, ist völlig unglaubwürdig und wird als bewusste Steigerung des Fluchtvorbringens gewertet. Die Unglaubwürdigkeit wird bereits dadurch manifest, als in der Beschwerde vorgebracht wurde, ein Bruder habe für die FSA kämpfen müssen, dieser sei desertiert und würde sich nunmehr in einem Auffanglager in SyrienI/ XXXX verstecken. Im Gegensatz dazu wurde in der mündlichen Verhandlung von den zwei anderen Brüdern gesprochen, die für die FSA gekämft hätten, dann desertiert wären und nunmehr in der Türkei leben würden (VHP S 9).
Es ist dem BF daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien sowie des Fehlens von aktuellen Fluchtgründen kann daher nicht erkannt werden, dass dem BF im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien basieren aufgrund der gravierenden politischen Änderungen insbesondere auf Informationen der BFA-Staatendokumentation, des UNHCR und ACCORD über die aktuelle Lage in Syrien. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die alte syrische Armee aufgelöst wurde und die Verfassung, die die Wehrpflicht beinhaltet außer Kraft gesetzt wurde und somit derzeit de facto keine Wehrpflicht besteht. Überdies geht aus dem Bericht der Staatendokumentation vom 10.12.2024 hervor, dass alle Wehrpflichtigen, die bei der syrischen Armee gedient haben, von der Generalamnestie der Oppositionskräfte erfasst sind. Ausgenommen davon sind nur Soldaten, die sich für einen freiwilligen Eintritt in das syrische Heer entschieden haben. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass sich Personen, die aufgrund der gesetzlichen Wehrpflicht aus Syrien ausgereist sind, keinerlei Repressionen zu erleiden haben.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.
Aus Medienberichten geht zudem hervor, dass die neue Regierung die Flüchtlinge dezidiert zur Rückkehr eingeladen hat.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die derzeitige Lage noch unübersichtlich und volatil ist. Doch im konkreten Fall ist jedenfalls festzustellen, dass sich keine Hinweise ergeben haben, dass beim BF asylrelevante Gründe vorliegen.
Die Einsichtnahme in die am 08.05.2025 gesamtaktualisierte Version 12 des COI-CMS zu Syrien hat im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren relevanten Themen (insbesondere Gebietskontrolle, Abschaffung der Wehrpflicht) keine maßgebliche Änderung bzw. Ergänzung ergeben, um diese neu vorhalten zu müssen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
"Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH vom 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH vom 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. zu alldem zuletzt VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN).
Fehlt dem Vorbringen zur drohenden Einziehung zum Wehrdienst der kausale Zusammenhang mit einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn, so ist damit auch dem - auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden - Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2023/19/0002).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, unbegründet ist.
Im vorliegenden Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem BF im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Das Vorbringen des BF – insbesondere die allgemein schlechte Lage in Syrien – betrifft nicht speziell den BF, sondern die gesamte syrische Bevölkerung in gleicher Weise, und ist daher nicht asylrelevant. Dieser Gefahrenlage wurde mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Rechnung getragen.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.