Spruch
W233 2293295-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER über die Beschwerde der XXXX alias XXXX , Staatsangehörige von Eritrea, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmBH – BBU, in 1020 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 03.05.2024, Zl. 1372478903-232048616 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.04.2025 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.10.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 11.10.2023 erfolgte ihre Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In der darüber angefertigten Niederschrift ist als Name der Beschwerdeführerin XXXX , ihr Geburtsdatum mit XXXX , ihr Geburtsort Asmara/Eritrea und ihre Staatsangehörigkeit mit Eritrea angegeben. Darüber hinaus ist in dieser Niederschrift festgehalten, dass die Beschwerdeführerin seit ihrem dritten Lebensjahr in Äthiopien gelebt habe und dass sie als Eritreerin in Äthiopien nicht willkommen gewesen sei.
In der Folge wurde die Beschwerdeführerin am 29.03.2024 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu ihren Lebensumständen und zu den Motiven ihres Antrags auf internationalen Schutz befragt. Im Zuge dieser Befragung wiederholte die Beschwerdeführerin, dass sie Staatsangehörige von Eritrea und in der Hauptstadt von Eritrea, Asmara, geboren sei, bereits als Dreijährige Eritrea mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern Eritrea in Richtung Äthiopien verlassen habe und im Anschluss nicht mehr nach Eritrea zurückgekehrt sei sondern sich in Äthiopien, in Addis Abeba, aufgehalten habe. Befragt, warum sie damals Eritrea verlassen habe, führte die Beschwerdeführerin aus, dass dies wegen des Krieges zwischen Äthiopien und Eritrea gewesen sei. Im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea fürchte sie um ihr Leben, da dort Krieg herrsche.
Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 6 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihr keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und ihre für ihre freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt V.).
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Vertretung am 31.05.2024 vollinhaltlich Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 07.06.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 23.04.2025 vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Amharisch eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Beschwerdeführerin zu ihrer Identität, zu ihrer Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen in Eritrea und in Äthiopien, zu ihrem Leben in Österreich, zu ihren familiären Beziehungen im Herkunftsstaat, zu ihren Flucht- und Verfolgungsgründen und zu ihrer Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt wurde. Ferner wurde mit der Beschwerdeführerin das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Eritrea mit Stand vom 02.01.2024 erörtert. Für eine diesbezügliche Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen gewährt.
Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin langte am 06.05.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Eritrea.
Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX , alias XXXX .
Die Beschwerdeführerin wurde in Asmara in Eritrea geboren. Das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin kann nicht festgestellt werden. Zum Entscheidungszeitpunkt ist die Beschwerdeführerin 31 Jahre alt.
Die Beschwerdeführerin verfügt über keine identitätsstiftenden Personaldokumente.
Die Beschwerdeführerin hat keine Schulbildung erfahren. Sie kann die Sprache Amharisch ein wenig lesen und schreiben.
Die Beschwerdeführerin hat im Alter von ca. drei Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern ihren Herkunftsstaat Eritrea verlassen und hat sich in der Folge bis 2021 in Äthiopien aufgehalten.
Im Jahre 2021 hat die Beschwerdeführerin Äthiopien verlassen und ist in der Folge bis nach Österreich gereist, wo sie am 08.10.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Die Beschwerdeführerin lehnt den eritreischen National- respektive Militärdienst aus Gewissensgründen ab.
In Eritrea ist weder das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen noch die Möglichkeit eines Ersatzdienstes vorgesehen.
Der Beschwerdeführerin droht im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Einziehung zum unbefristeten Nationaldienst, der eine Art Zivildienst und einen obligatorischen Militärdienst umfasst, welcher untrennbar mit Zwangsarbeit und sklavenähnlichen Praktiken verbunden ist. Darüber hinaus droht der Beschwerdeführerin im Zuge der Leistung dieses National- respektive Militärdienstes aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen in Eritrea sexuelle Übergriffe, welche von den zuständigen Behörden nicht angemessen untersucht werden.
Der eritreische Staat ist weder in der Lage noch willens solche Übergriffe auf die Beschwerdeführerin zu unterbinden bzw. ihr effektiven Rechtsschutz dagegen zu bieten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Eritrea (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Eritrea vom 02.01.2024):
Politische Lage:
Die Bertelsmann Stiftung (BS) beschreibt Eritrea als Überwachungsstaat samt Planwirtschaft wie autokratischem politischen System (BS 23.2.2022), das deutsche Auswärtige Amt spricht von einer „Einparteiendiktatur“ (AA 3.1.2022), und Freedom House (FH) von einem militarisierten autoritären Staat (FH 2023). Offiziell ist das Land eine Präsidialrepublik. Nachdem Eritrea, vormals italienische Kolonie, britisches Mandatsgebiet und autonome Region innerhalb des äthiopischen Kaiserreichs (CIA 6.12.2023), 1962 von Äthiopien annektiert wurde, entbrannte ein Unabhängigkeitskrieg für 30 Jahre, der am 24.5.1993 in die formelle sowie völkerrechtlich anerkannte Unabhängigkeit mündete (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022, CIA 6.12.2023). Anschließend wurde Isayas Afewerki, damals der Generalsekretär der „Eritrea People’s Liberation Front“ (EPLF), die seit den frühen 1980er-Jahren den Freiheitskampf dominiert hatte (BS 23.2.2022), von einer Übergangsnationalversammlung, die nicht gewählt wurde, zum Präsidenten ernannt, bis Wahlen nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung abgehalten werden konnten (FH 2023). Eine liberaldemokratische Verfassung wurde zwar von der provisorischen Nationalversammlung angenommen, sie ist aber bis dato nicht in Kraft getreten (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022, FH 2023, HRW 12.1.2023, USDOS 20.3.2023). Indessen wurden seit dem Unabhängigkeitsreferendum von 1993 keine Wahlen mehr auf nationaler Ebene abgehalten (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023).
Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien (Mai 1998 bis Juni 2000) ist der demokratische Prozess Eritreas zum Stillstand gekommen (AA 3.1.2022). Nach diesem ging Afewerki gegen führende Reformisten der „People’s Front for Democracy and Justice“ (PFDJ), wie die EPLF seit 1994 genannt wird, vor (BS 23.2.2023). Elf Mitglieder dieser G-15 genannten Gruppe altgedienter Politiker wurden damals verhaftet, nachdem sie den Präsidenten in einem offenen Brief aufgefordert hatten, die Verfassung zu vollziehen und freie Wahlen abzuhalten (AI 27.3.2023). Über ihr Schicksal, die sich seit 2001 in Isolationshaft befinden, gibt es keine Informationen, wobei angenommen wird, dass mehrere von ihnen im Gefängnis verstorben sind (UNHRC 6.5.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023). Präsident Afewerki ist daher bis heute ohne Wahlmandat im Amt (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022), und seine Herrschaft, besonders seit 2001, ist durch ein sehr autokratisches und repressives Vorgehen gekennzeichnet (CIA 6.12.2023). Seitdem hat er seine Macht weiter gefestigt, indem er den ganzen Staatsapparat unter seine Kontrolle gebracht hat (BS 23.2.2022). Afewerki regiert ohne demokratische Kontrolle, gestützt auf die Sicherheitsbehörden und den Apparat der PFDJ (AA 3.1.2022), welche als einzige Partei zugelassen ist (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022, USDOS 20.3.2023) und die gesamte politische Führung des Landes stellt. Andere politische Parteien sind verboten. Oppositionelle befinden sich, soweit sie nicht ins Ausland fliehen konnten, ohne Gerichtsverfahren wie Kontakt zur Außenwelt an unbekannten Orten in Haft [siehe Kapitel 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition und 13. Haftbedingungen, Anm.] (AA 3.1.2022), auch, weil es der gut organisierten Exilopposition weitgehend nicht gelungen ist, das Regime in Eritrea selbst herauszufordern (C24 8.4.2022).
Afewerki ist gleichzeitig Staats- wie Regierungschef, und steht dem Staatsrat, dessen Minister er ernennt, und der Nationalversammlung vor (CIA 6.12.2023). Allerdings regiert er Berichten zufolge nur mithilfe eines informellen Beraterzirkels, während der Staatsrat sowie die Sicherheitsbehörden seine Entscheidungen lediglich ausführen (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Laut der BS verwandelte er Eritrea in eine autoritäre Alleinherrschaft, wie z.B. durch eine systematische Militarisierung der Gesellschaft, instabile persönliche Netzwerke, eine Teile-und-herrsche-Politik entlang ethnischer, regionaler Linien [Cleavages, Anm.] oder seinen harten autoritären Regierungsstil samt totalitären Tendenzen. Der handverlesene Staatsrat hat grundsätzlich nur sehr wenig Entscheidungsbefugnis und das Amt des Verteidigungsministers ist seit 2014 unbesetzt, aber das Militär verfügt weiterhin über erhebliche politische Macht [siehe Kapitel 5. Sicherheitsbehörden, Anm.] (BS 23.2.2022).
Die stillgelegte Übergangsnationalversammlung ist seit 2022 nicht mehr zusammengekommen (BS 23.2.2022; vgl. AA 3.1.2022), ungeachtet dessen, dass die Verfassung von 1997 eine 150-köpfige Nationalversammlung vorsehen würde, welche den Präsidenten aus ihrer Mitte per Mehrheitswahl bestimmen sollte. Überdies würde sie einen Wahlausschuss verlangen, aber die Wahlgesetze sind ebenfalls noch nicht verabschiedet (FH 2023). Seit 1993 setzte die Regierung zweimal Wahlen an, sagte sie jedoch ohne Erklärung ab (USDOS 20.3.2023). Wahlen zur Nationalversammlung sind ob des Kriegs mit Äthiopien bis auf Weiteres verschoben (CIA 6.12.2023), Präsidentschaftswahlen wegen einer Gefährdung der nationalen Sicherheit (C24 8.4.2022). Kommunal- wie Wahlen zu den Regionalversammlungen finden regelmäßig statt (FH 2023). Gewählt werden hierbei Verwalter, Geschäftsführer und Dorfkoordinatoren. Alle Staatsbürger über 18 Jahren sind wahlberechtigt, und jene Wahlen werden in geheimer Abstimmung durchgeführt (USDOS 20.3.2023). Sie werden aber von der PFDJ sorgfältig inszeniert und bieten den Wählern daher keine echte Wahlmöglichkeit (FH 2023).
Die PDFJ ist innenpolitisch nur begrenzt gefordert, vornehmlich, da sie alle Formen des Dissenses unterdrückt (C24 14.4.2022). Eine Parteimitgliedschaft ist zwar nicht verpflichtend, wobei manche Personen, insbesondere diejenigen mit öffentlichen Ämtern, unter Druck gesetzt werden, der PDFJ beizutreten. Es wird berichtet, dass die Behörden Rekruten nach Beendigung des Wehrdienstes zu Hause aufsuchen und sie zuweilen zwingen, der Partei beizutreten, um die dann fälligen Gebühren einzutreiben. Ganz grundsätzlich sind eritreische Bürger verpflichtet, hin und wieder an politischen Indoktrinierungsveranstaltungen teilzunehmen, ansonsten werden ihnen Vergünstigungen, wie z.B. Lebensmittelgutscheine entzogen. Auch an eritreischen Botschaften soll es solche Treffen geben, die u.a. Auswirkungen auf Reisepassausstellungen haben können (USDOS 20.3.2023). Die PDFJ bestimmt über Parteiunternehmen außerdem das gesamte wirtschaftliche Leben des Landes (AA 3.1.2022), eine andere Quelle spricht diesbezüglich von einer „Mafiawirtschaft“ (BS 23.2.2022).
Das Algier-Friedensabkommen vom 12.12.2000 beendete offiziell den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien. Spannungen zwischen den beiden Nachbarn bestanden aber zunächst fort und führten von 2012 bis 2016 mehrmals zu bewaffneten Zusammenstößen an der gemeinsamen Grenze. Im Juli 2018 wurde diese Fehde durch die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung über Frieden und Freundschaft“ praktisch beendet (AA 3.1.2022). Eine Umsetzung scheiterte erst einmal an der Regionalregierung von Tigray [eine äthiopische Region an der Grenze zu Eritrea, Anm.], die gegen eine Grenzfestlegung agitierte. Anstatt die Armee zu demobilisieren, trat Asmara somit 2020 an der Seite der äthiopischen Streitkräfte in den nicht deklarierten Bürgerkrieg gegen die „Tigray People’s Liberation Front“ (TPLF) ein (BS 23.2.2022). Zwar wurde im November 2022 ein Waffenstillstand zwischen Addis Abeba und der TPFL geschlossen (BAMF 25.9.2023), es kommt aber noch immer zu schweren Menschenrechtsverstößen in Tigray, für welche vor allem die amharische Fano-Miliz und die eritreische Armee verantwortlich sind. Berichtet wird u.a. von sexueller Gewalt, Tötungen, willkürlichen Festnahmen, Plünderungen und Vertreibungen (BAMF 25.9.2023; vgl. FH 2023, HRW 12.1.2023, WP 1.3.2023). Die eritreischen Truppen sind auch noch nicht aus Äthiopien abgezogen (BAMF 25.9.2023). Außerdem gibt es Stimmen, die vor einem neuen Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea warnen, trotz der gegenwärtigen Allianz (FP 7.11.2023). Grundsätzlich diente die Fixierung auf den äthiopisch-eritreischen Konflikt dem eritreischen Regime bisher als Rechtfertigung für die Beschränkungen im politischen und gesellschaftlichen Leben, aber auch für den Rückstand in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes (AA 3.1.2022).
[…]
Sicherheitslage:
Grundsätzlich verfügt der Staat in Eritrea über das Gewaltmonopol. Seit der äthiopisch-eritreischen Annäherung 2018 sind die einst in Äthiopien ansässigen militanten Oppositionsgruppen nicht mehr aktiv (BS 23.2.2022). Trotz des im November 2022 vereinbarten Waffenstillstandes zwischen der äthiopischen Regierung sowie der TPLF bleibt die Sicherheitslage in den Regionen Äthiopiens, die an Eritrea grenzen, angespannt (AA 14.12.2023). Aufgrund der repressiven Regierungspolitik sind Unruhen selten. Der allgegenwärtige Sicherheitsapparat ist stets bereit, aggressiv auf alle Formen von Protest zu reagieren (C24 22.4.2022). In Asmara ist die Lage stabil und ruhig (AA 14.12.2023). Es hat in Eritrea in jüngerer Zeit keine Terroranschläge gegeben, auszuschließen sind sie laut dem Außenministerium des Vereinigten Königreichs dennoch nicht (FCDO 19.12.2023).
Die Grenzregionen des Landes sind instabil, und Eritrea ist in der Vergangenheit immer wieder ob territorialer Streitigkeiten mit seinen Nachbarn kollidiert (C24 8.4.2022; vgl. EDA 29.6.2023). Daher hat Asmara keine stabilen Beziehungen zu seinen Nachbarländern, darunter der Sudan, Dschibuti, Saudi-Arabien oder Ägypten. Laut der BS hängen diese nämlich von den Launen Afewerkis ab, der der internationalen Staatengemeinschaft misstraut (BS 23.2.2022). Alle Grenzübergange zwischen Dschibuti und Eritrea sind zurzeit geschlossen. 2008 kam es zu Scharmützel zwischen den beiden, nachdem eritreische Streitkräfte in die umstrittene Grenzregion von Dschibuti eingedrungen waren.
Obgleich sich die Beziehungen inzwischen verbessert haben, bleibt die Situation ungelöst (FCDO 19.12.2023; vgl. AA 14.12.2023, EDA 29.6.2023). Auch an der äthiopisch-eritreischen Grenze sind alle Übergänge gegenwärtig geschlossen, besonders aufgrund militärischer Aktivitäten auf beiden Seiten (FCDO 19.12.2023). Die Kampfzonen des vormaligen äthiopisch-eritreischen Grenzkonflikts sind stark vermint (EDA 29.6.2023; vgl. BMEIA 27.6.2023, FCDO 19.12.2023). Akute Minengefahr besteht auch in den Grenzbereichen zu sowohl Dschibuti als auch zum Sudan (BMEIA 27.6.2023). Nach Ausbruch des sudanesischen Bürgerkrieges am 15.4.2023 wurde die Grenze zwischen den zwei Staaten geschlossen (AA 14.12.2023; vgl. EDA 29.6.2023). Auf sudanesischer Seite kommt es zu Kampfhandlungen (AA 14.12.2023; vgl. FCDO 19.12.2023), während die Seite Eritreas durch zusätzliche Militäreinheiten gesichert ist. Die Lage ist dort angespannt (AA 14.12.2023).
Eritreische Häfen ziehen gegenwärtig regionales sowie globales Interesse auf sich, vornehmlich in Anbetracht des andauernden Kriegs in Gaza - die Huthi-Rebellen attackieren momentan vermehrt Handels- und Marineschiffe im Roten Meer. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterhalten einen Stützpunkt in Eritrea, von dem aus seit Längerem Militärschläge gegen die jemenitische Miliz durchgeführt werden (TNA 11.12.2023). Die Hanisch-Inseln befinden sich überdies in unmittelbarer Nähe zum Jemen und somit zum dortigen Bürgerkrieg, weshalb die eritreischen Behörden keinen Zugang gewähren. In den vergangenen drei Jahren wurden Seeleute, die auf diesen Inseln ohne Genehmigung an Land gegangen waren, immer wieder festgenommen (FCDO 19.12.2023). Auch Moskau - Asmara vertritt auf internationalem Parkett stets russlandfreundliche Positionen, obwohl es keine nennenswerten sicherheitspolitischen oder wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Eritrea und dem Kreml gibt (WINEP 13.4.2022) - kündigte 2018 an, ein Logistikzentrum im Land zu bauen (TNA 11.12.2023). Zusätzlich wurde im September 2023 berichtet, dass Massaua in Zukunft einen russischen Militärstützpunkt am Roten Meer aufnehmen könnte (ADF 5.9.2023; vgl. JF 6.11.2023). Ähnliche Ideen werden Peking nachgesagt (ADF 5.9.2023). Ende Juli 2023 kündigte Abiy Ahmed, Äthiopiens Premierminister, an, dass Addis Abeba alle Optionen prüft, um dem Land einen eigenen Hafen zu sichern, notfalls auch mit Gewalt. Man befinde sich zurzeit in Verhandlungen mit Eritrea, Dschibuti und Somaliland. Hierzu ist anzumerken, dass Äthiopien seit der Unabhängigkeit Eritreas ein Binnenstaat ist (BAMF 31.7.2023).
Östlich von Eritrea, besonders Richtung Süden entlang der somalischen Küste, besteht die Gefahr von Piratenüberfällen (AA 14.12.2023).
[…]
Rechtsschutz/Justizwesen:
Die Gewaltenteilung mitsamt der gegenseitigen Kontrolle ist sowohl de jure als auch de facto nicht vorhanden, da Eritrea über keine in Kraft gesetzte Verfassung verfügt. Präsident Afewerki, welcher per Dekret regiert, kontrolliert die Judikative. Folglich unterliegt die Staatsgewalt nicht dem Gesetz (BS 23.2.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023), Rechtsstaatlichkeit ist nicht gewährleistet (AA 3.1.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023), und die Rechte auf ein faires wie öffentliches Verfahren werden nicht beachtet (USDOS 20.3.2023). Es gibt kein funktionierendes System von Pflichtverteidigern (FH 2023). Der UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation in Eritrea spricht in puncto Rechtsschutz von einer „andauerenden Menschenrechtskrise“ im Land (UNHRC 9.5.2023).
Eritrea besitzt keine institutionelle Mindestinfrastruktur für die Rechtsprechung (UNHRC 9.5.2023). Die formelle Justiz ist schlecht organisiert sowie von der Regierung abhängig, gleichbedeutend mit häufigen Interventionen durch den Präsidenten (BS 23.2.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023). Berufungen gegen Urteile sind nicht möglich, es gibt keine Beschränkungen des Strafmaßes (AA 3.1.2022), die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden systematisch verletzt, und Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen ist üblich, wenn nicht gewollt (UNHRC 9.5.2023). Seit 2002 ist der Oberste Gerichtshof stillgelegt (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023), ebenso die Justizkommission, die für die Ernennung der Richter zuständig wäre. Alle Richter werden hingegen vom Präsidenten ernannt wie entlassen, und selbst nominell gewählte Richter werden durch das Justizministerium bestimmt (FH 2023). Hinzu kommt, dass es seit der Schließung der Universität Asmara 2006, nach der viele ehemalige Richter das Land verlassen haben, keine Möglichkeit mehr gibt, Rechtswissenschaften in Eritrea zu studieren (BS 23.2.2022).
Informelle, traditionelle Institutionen bilden das Rückgrat der juristischen Praxis in Zivilsachen und, in gewissem Maße, auch in Strafsachen. Sie entscheiden Fälle auf Basis des Gewohnheitsrechts, das sich stark auf Schlichtung und Versöhnung zwischen den Konfliktparteien stützt. Daneben gibt es auch staatliche Kommunalgerichte, welche ebenfalls Gewohnheitsrecht sprechen, aber weniger Vertrauen in der Bevölkerung genießen (BS 23.2.2022). Zur Strafverfolgungspraxis - Tatbestände, Strafmaß - liegen keine Informationen vor (AA 3.1.2022). Das Präsidialamt dient als Clearingstelle für Bürgerpetitionen an bestimmte Gerichte. Zudem fungiert es bei einigen Gerichten als Mediator in Zivilsachen (USDOS 20.3.2023).
Neben der allgemeinen zivilen Gerichtsbarkeit gibt es Militärgerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor welchen keine Rechtsanwälte zugelassen sind (AA 3.1.2022). Andererseits sollen die bis dato Recht sprechenden Sondergerichte, die von Militärs geleitet wurde, nicht mehr existieren - gemäß der BS regieren die Mächtigen des Landes noch informeller wie willkürlicher als zuvor (BS 23.2.2022). Verhaftungen ohne Haftbefehl und Angabe von Gründen sind üblich, wobei Häftlinge umgekehrt auch ohne Angabe von Gründen freigelassen werden (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022). Folglich werden eritreische Bürger manchmal für mehrere Monate oder gar Jahre ohne formale Anklage gefangen gehalten. Da die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Herrschaft in Eritrea fließend sind, erfüllen hochrangige Offiziere juristische Funktionen gegenüber den Rekruten (BS 23.2.2022).
[…]
Folter und unmenschliche Behandlung:
[…]
Auch Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, einschließlich Folter, ausgesetzt (HRW 12.1.2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Eritreer, die „nicht anerkannten“ Religionen [siehe Kapitel 15. Religionsfreiheit, Anm.] angehören, werden zudem gefoltert, um sie zur Aufgabe ihrer Religion zu zwingen (HRW 12.1.2023). Abgeschobene sind dem Risiko von Verfolgung sowie Menschenrechtsverletzungen in Eritrea ausgesetzt, einschließlich willkürlicher Inhaftierung, Folter, Zwangsarbeit sowie Zwangsrekrutierung [siehe Kapitel 22. Rückkehr, Anm.] (UNHRC 9.5.2023; vgl. HRW 12.1.2023, UNHCHR 13.4.2022). Gemäß einem Bericht des SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) wurde im Mai 2022 zum ersten Mal bewiesen, dass ein eritreischer Rückkehrer, der sich oppositionell betätigt hatte, bei der Ankunft gefoltert und im Anschluss daran inhaftiert wurde (SRF 4.5.2022).
Straflosigkeit für ausführende Sicherheitskräfte ist die Norm (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Folterer bestraft worden sind (AA 3.1.2022). Die Regierung veröffentlicht keine Hinweise auf Ermittlungen zu mutmaßlichen Gewalttaten (USDOS 20.3.2023) bzw. ermittelt häufig gar nicht (FH 2023), weshalb eine Quantifizierung des Ausmaßes der Folter in den verschiedenen Abteilungen der Sicherheitsdienste schwer zu erstellen ist (USDOS 20.3.2023).
[…]
Wehrdienst und Rekrutierung:
Die eritreische Gesellschaft wird vom Militär stark dominiert, und die meisten Bürger müssen einen unbefristeten Militär- oder anderweitigen Nationaldienst leisten (FH 2023; vgl. CIA 6.12.2023). Alle Eritreer im Alter von 18 bis 40 Jahren sind ex lege verpflichtet, den 18-monatigen Nationaldienst, hiervon vier bis sechs Monate militärische Ausbildung sowie zwölf Monate Militär- oder Zivildienst, abzuleisten (CIA 6.12.2023). Das gilt für taugliche Männer wie Frauen in gleicher Weise (FH 2023), weshalb der Frauenanteil des eritreischen Militärs Stand 2020 auf bis zu 30 % geschätzt wird (CIA 6.12.2023). Für Frauen dauert die Dienstpflicht bis zum 27., für Männer bis zum 50. Lebensjahr, laut einer anderen Quelle bis zum 47. bzw. 57. Lebensjahr (AA 3.1.2022). Eine Mobilisierung ist bis zum 55. Lebensjahr jederzeit möglich (CIA 6.12.2023) und seit 2012 soll es die sog. „Volksmiliz“ geben, eine Art weiterführender Militärdienst, bei dem die obere Altersgrenze wahrscheinlich bei 60 Jahren für Frauen und 70 für Männer liegt (HO 9.2021).
Asmara verfolgt eine Politik des unbefristeten Nationaldienstes, der eine Art Zivildienst und einen obligatorischen Militärdienst umfasst (UNHRC 9.5.2023; vgl. HO 9.2021), d.h., dass die Dauer des Nationaldienstes in der Praxis unbefristet und dadurch stets auf unbestimmte Zeit verlängerbar ist (CIA 6.12.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023). Neben dem Militärdienst, der am häufigsten vorkommt (CIA 6.12.2023) und für den das Verteidigungsministerium zuständig ist, können Wehrpflichtige je nach Tauglichkeit auch in zivilen Bereichen eingesetzt und somit anderen Ministerien zugeteilt werden. Ein Teil von ihnen wird in einem der rund 30 Unternehmen eingesetzt, die der PFDJ oder der Armee gehören und in Branchen wie in z.B. der Landwirtschaft, Bauwesen, Verkehr, Tourismus oder Handel operieren (HO 9.2021; vgl. FH 2023). Ergo ist der Nationaldienst für das Regime nach wie vor eines der wichtigsten Instrumente zur sozialen bzw. wirtschaftlichen Kontrolle. Gemäß dem UN-Sonderberichterstatter ist er aber in seiner derzeitigen Form untrennbar mit Zwangsarbeit und sklavereiähnlichen Praktiken verbunden (SFH 25.8.2023; vgl. FH 2023).
Hunderttausende Eritreer, vornehmlich Männer und unverheiratete Frauen, leisten jedes Jahr ihren Militär- und Zivildienst auf unbestimmte Zeit, für einen Hungerlohn und ohne freie Berufswahl (SFH 25.8.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Verweigerung aus Gewissensgründen wird nicht anerkannt, sondern bestraft. Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, u.a. Folter, ausgesetzt, ohne dass dagegen Beschwerde eingereicht werden kann (HRW 12.1.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Sexuelle Gewalt wird von hochrangigen Offizieren als Bestrafungsmethode gegen Wehrpflichtige genehmigt (GCR2P 31.8.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Im Allgemeinen fehlt eine Rechenschaftspflicht bzgl. der im Rahmen des Nationaldienstes begangenen Übergriffe völlig (SFH 25.8.2023).
Die Wehrpflicht beginnt im Militärlager Sawa, in dem Schüler, manche erst 16 Jahre alt, das letzte Oberstufenjahr absolvieren und gleichzeitig eine militärische Ausbildung durchlaufen [siehe Kapitel 16.2. Kinder, Anm.] (HRW 12.1.2023; vgl. AA 3.1.2022). Die Entlassung aus dem Nationaldienst erfolgt willkürlich und die diesbezüglichen Modalitäten sind unklar (HRW 12.1.2023). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär- bzw. Nationaldienst entlassen. In erster Linie betrifft das aber das Militär selbst, keineswegs ausgeschlossen bleibt eine zivile Weiterarbeit (AA 3.1.2022). Stand 2020 wurde der Frauenanteil des eritreischen Militärs auf bis zu 30 % geschätzt (CIA 6.12.2023). Jedes Jahr fliehen Tausende junge Eritreer aus dem Land, um sich dem Nationaldienst zu entziehen. Der Konflikt in Tigray hat diese Situation noch verschärft, da eritreische Männer, Frauen und Kinder versuchen, nicht an die Front in Äthiopien eingezogen zu werden (SFH 25.8.2023).
Seit der Beteiligung Eritreas am Tigray-Konflikt wird regelmäßig über Massenverhaftungen von Deserteuren berichtet, die sich dem Dienst entzogen haben sollen, um die Reihen der Armee aufzufüllen, wobei nach Angaben des UN-Sonderberichterstatters auch Kinder rekrutiert wurden. Im August und September 2022 nahmen die Razzien zu, als die Kämpfe in Äthiopien wieder aufflammten; auch die Familien von Wehrdienstverweigerern waren mit Repressalien konfrontiert, darunter willkürliche Verhaftungen und Zwangsräumungen ihrer Häuser. Im September berichteten die Medien, dass auch Reservisten, d. h. Männer unter 55 Jahren, die aus der Armee entlassen worden waren, aber noch Wachdienst leisten sollten, einberufen wurden. Die Familien erhalten keine offiziellen Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen, die zum Kampf geschickt wurden (HRW 12.1.2023).
[…]
Frauen:
[…]
Vergewaltigungen von Frauen sind im Gefängnis und Militärdienst gängig. Sexuelle Übergriffe auf weibliche Wehrpflichtige sind ebenfalls weit verbreitet und werden von den Behörden nicht eingehend untersucht [siehe hierzu Kap. 9. Wehrdienst und Rekrutierungen, Anm.] (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022).
[…]
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin Staatsangehörige von Eritrea ist, gründet sich auf ihr über das gesamte Verfahren hinweg gleichbleibendes glaubhaftes Vorbringen. Hingegen vermögen die Ausführungen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin als Person völlig unglaubwürdig wäre und ihr betreffend ihre eritreische Staatsangehörigkeit kein Glaube geschenkt werde, da sie keine Beweise für ihre Herkunft aus Eritrea habe vorlegen können (vgl. S 20f des angefochtenen Bescheids), nicht zu überzeugen. Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben zufolge im Besitz eines in Äthiopien ausgestellten Ausweises gewesen ist. Allerdings kann der vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid darauf aufbauenden Beweiswürdigung, dass die Beschwerdeführerin deshalb jedenfalls in Äthiopien registriert gewesen wäre bzw. davon auszugehen wäre, dass sie dort über ein Aufenthaltsrecht verfüge (vgl. S 24 des angefochtenen Bescheids), nicht gefolgt werden. Denn diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich im Besitz eines amtlichen, von einer äthiopischen Behörde ausgestellten Personaldokuments gewesen ist. Die Beschwerdeführer beschreibt diesen Ausweis als einen Zettel mit ihrem Namen und Geburtsdatum. Auch der Umstand, dass in der Niederschrift über ihre Erstbefragung festgehalten ist, dass sie im Besitz eines Personalausweises gewesen sei, denn sie verloren habe, vermag daran nichts zu ändern, denn die Beschwerdeführerin hat anlässlich ihrer Befragung vor dem Bundesamt über Verständigungsschwierigkeiten mit dem per Telefon zugeschalteten Dolmetscher bei der Erstbefragung berichtet. Zudem kann das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehen, wie eine wie in der Niederschrift über die Erstbefragung dokumentierte korrekte Wiedergabe der Aussagen der Beschwerdeführerin im darüber aufgenommen Protokoll mit Hilfe eines per Telefon zugeschalteten Dolmetschers erfolgt sein soll. Für das Bundesverwaltungsgericht steht daher nicht mit ausreichender Sicherheit fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung tatsächlich angegeben habe, dass sie im Besitz eines Personalausweises war.
Auch die pauschale Behauptung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin mangels Kenntnis der Sprache Tigrinya nicht aus Eritrea stamme (vgl. S. 25 des angefochtenen Bescheids), ist nicht geeignet das glaubhafte Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ihre eritreische Staatsangehörigkeit, in Zweifel zu ziehen. Denn nach den einschlägigen Länderinformationen ist Eritrea ein multiethnischer Staat, bestehend aus zumindest neun Ethnien und Sprachen, wobei die Ethnie der Tigrinya ca. 50 % der Gesamtbevölkerung ausmacht. Eine nähere Begründung, weshalb die belangte Behörde im Fall der Beschwerdeführerin mangels deren Kenntnis der Sprache Tigrinya davon ausgeht, dass sie nicht aus Eritrea stamme, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin von Beginn ihres Verfahrens als ihren Geburtsort „Asmera“ (gemeint wohl Asmara) genannt (vgl. AS 9). Auch in ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Beschwerdeführerin auf die Frage nach ihrem Geburtsort angegeben, dass sie in der Hauptstadt von Eritrea, „Asmera“ geboren worden sei (vgl. AS 65). Weshalb das Bundesamt in der Folge die Frage an die Beschwerdeführerin richtet, wieso sie diesen Umstand nicht bereits damals gesagt habe, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar (vgl. AS 65), hat sie doch ihren Geburtsort wie oben beschrieben bereits in ihrer Erstbefragung genannt. Auch dem in ihrem Akt einliegenden Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem ist als Geburtsort der Beschwerdeführerin „Asmera“ zu entnehmen. Im angefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde jedoch mit dem Geburtsort der Beschwerdeführerin nicht weiter auseinandersetzt, sondern bloß pauschal festgestellt, dass ihr Herkunftsland bzw. Herkunftsgebiet nicht festgestellt werden könne (vgl. S 20 des angefochtenen Bescheides).
In einer Gesamtbetrachtung - nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Aussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung über ihren Geburtsort und ihre Abstammung – konnte die Beschwerdeführerin glaubhaft dargelegt, dass sie Staatsangehörige von Eritrea ist.
Die Feststellung über den Namen der Beschwerdeführerin stützt sich auf ihre diesbezüglichen Angaben, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Beschwerdeführerin hat dabei glaubhaft dargelegt, dass der im Rahmen der Erstbefragung per Telefon zugeschaltete Dolmetscher ihren Namen offensichtlich falsch verstanden habe. Bereits im Zuge ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Beschwerdeführerin korrigierend ausgeführt, dass sie den Namen XXXX führe. Diese Aussage wiederholte sie auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und ergänzte, dass es sich bei dem Namen XXXX um den Vornamen ihres Vaters handle. Da die Beschwerdeführerin von Beginn ihres Verfahrens den Namen ihres Vaters mit „ XXXX “ bzw. mit „ XXXX “ angegeben hat und laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über Eritrea zum Namensrecht vom 12.05.2021, es in Eritrea keine Nach-/Familiennamen im europäischen Sinne gibt und sich der Name einer eritreischen Person üblicherweise aus dem eigenen Namen, dem Namen des leiblichen Vaters und dem Namen des Großvaters väterlicherseits zusammensetzt, erachtet das Bundesverwaltungsgericht die Ausführungen der Beschwerdeführerin über ihren Namen als zutreffend an. Die Ausführungen des Bundesamtes, wonach die Unglaubwürdigkeit der Person der Beschwerdeführerin schon an der Stelle beginne, wo sie nach ihrem Namen befragt wurde (vgl. S 22 des angefochtenen Bescheides) vermögen somit nicht zu überzeugen.
Dass das konkrete Geburtsdatum der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden kann, stützt sich darauf, dass sie dieses bloß nach dem äthiopischen Kalender kenne. Angesichts der mangelnden Schulbildung der Beschwerdeführerin sind ihre diesbezüglichen Angaben für das Bundesverwaltungsgericht glaubhaft. Somit konnte das Bundesverwaltungsgericht mit Hilfe des in der mündlichen Beschwerdeverhandlung anwesenden Dolmetschers das Alter der Beschwerdeführerin mit 31 Jahren feststellen.
Die Feststellungen in Bezug auf ihre Schulbildung und Kenntnisse der Sprache Amharisch gründen sich auf ihre eigenen Angaben.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Alter von ca. 3 Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern Eritrea verlassen und sich in der Folge bis 2021 in Äthiopien aufgehalten hat, kann anhand ihrer über das gesamte Verfahren hinweg gleichbleibenden glaubhaften Angaben getroffen werden.
Dass die Beschwerdeführerin in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, wird anhand einer aktuellen Strafregisterauskunft festgestellt.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin den eritreischen National- respektive Militärdienst aus Gewissengründen ablehnt beruhen auf ihren im gesamten Verfahren gleichbleibenden Angaben. Es wird nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Befragung vor dem Bundesamt auf die Frage, was sie im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea befürchte bloß antwortete, dass sie Angst vor dem Krieg habe (vgl. AS 73) und sie Angst um ihr Leben habe, da dort noch immer Krieg herrsche (vgl. AS 75). Allerdings ist im Fall der Beschwerdeführerin ihre mangelnde Schulbildung zu berücksichtigen und hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ergänzend vorgebracht, dass in Eritrea auch Frauen verpflichtet seien, zum Militär zu gehen, was sie allerdings ablehne (vgl. OZ 7, S. 12). Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch dargelegt, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea befürchte festgenommen und in ein Militärcamp gebracht zu werden (vgl. OZ 7, S. 13). Dass auch dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht sehr ausführlich ist, so ist wiederum auf ihre mangelnde Schulbildung zu verweisen und den Umstand, dass sie bereits als Dreijährige ihren Herkunftsstaat verlassen hat und deshalb auch glaubhaft ist, dass sie über die genauen Umstände des Wehr- bzw. Nationaldienstes in Eritrea keine Kenntnis hat. Allerdings zeigen die in das Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationen über Eritrea, dass der dortige Militär- bzw. Nationaldienst für alle Eritrea im Alter von 18 bis 40 Jahren verpflichtend und die Dauer des Nationaldienstes in der Praxis unbefristet und dadurch stets auf unbestimmte Zeit verlängerbar sei, weshalb dieser verpflichtende Dienst gemäß dem UN-Sonderberichterstatter untrennbar mit Zwangsarbeit und sklavereiähnlichen Praktiken verbunden sei. Den Länderinformationen zu Folge wird eine Verweigerung des Militär- bzw. Nationaldienstes aus Gewissensgründen nicht anerkannt, sondern bestraft, wobei häufig unmenschliche und erniedrigende Strafen zu Anwendung kommen. Sexuelle Übergriffe auf Frauen im Militärdienst seien sogar gängig und werden von den Behörden nicht untersucht.
Die Feststellung, dass der eritreische Staat weder in der Lage noch willens ist, Übergriffe auf die Beschwerdeführerin zu unterbinden bzw. ihr effektiven Rechtsschutz dagegen zu gewähren, gründet sich ebenfalls auf die einschlägigen Länderinformationen. Dort ist hinreichend beschrieben, dass es in Eritrea keinen Schutz der Bürgerrechte gibt, Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren systematisch verletzt werden und Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen üblich ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A) Stattgabe der Beschwerde
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182; VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083; VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113; VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080) ist unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (Hinweis E vom 24. März 2011, 2008/23/1443, mwN).
§ 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter.
Gemäß Art. 9 Abs 1 lit a und f Statusrichtlinie können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt bzw. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind, als "Verfolgung" angesehen werden.
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter Bezugnahme auf Judikatur des EuGH bereits ausgeführt, dass die Verweigerung des Militärdienstes in vielen Fällen Ausdruck politischer Überzeugungen (sei es, dass sie in der Ablehnung jeglicher Anwendung militärischer Gewalt oder in der Opposition zur Politik oder den Methoden der Behörden des Herkunftslandes bestehen) oder religiöser Überzeugungen sein bzw. ihren Grund in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe haben kann. In diesen Konstellationen können die Verfolgungshandlungen aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes den einschlägigen Verfolgungsgründen zugeordnet werden.
Die Verweigerung des Militärdienstes kann allerdings auch aus Gründen erfolgen, die in den Verfolgungsgründen von Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. Art. 10 Statusrichtlinie keine Deckung finden. In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die (bloße) Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrelevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen kann.
Neben Fällen, in denen die Wehrdienstverweigerung des oder der Betroffenen auf einem Verfolgungsgrund, wie etwa politischer Gesinnung oder religiöser Überzeugung, beruht, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Wehrdienstverweigerung bei entsprechenden Verfolgungshandlungen auch dann Asylrelevanz zukommen, wenn dem Betroffenen wegen seines Verhaltens vom Verfolger eine oppositionelle (politische oder religiöse) Gesinnung unterstellt wird (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108; VwGH 4.6.2024, Ra 2024/18/0133).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 26.04.2021, Ra 2020/01/0025; VwGH 14.08.2020, Ro 2020/14/0002; VwGH 28.05.2020, Ra 2019/18/0421; VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0295; VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350) gilt nach der Definition des Art. 10 Abs 1 lit d der Statusrichtlinie eine Gruppe insbesondere als eine "bestimmte soziale Gruppe", wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen müssen die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. das Urteil des EuGH vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12). Bei der sozialen Gruppe handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Eine soziale Gruppe kann aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (Hinweis B vom 29. Juni 2015, Ra 2015/01/0067, und das E vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479, mwN).
Ebenfalls hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505; VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177), dass eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant ist, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256, mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509, mwN; VwGH 20.09.2004, 2001/20/0430; VwGH 17.10.2006, 2006/20/0120; VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).
Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191).
Für den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:
Im vorliegenden Fall droht der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer ablehnenden Haltung zum Militär- bzw. Nationaldienst, dass ihr in Eritrea eine oppositionelle Gesinnung von Seiten des eritreischen Staates zumindest unterstellt wird und es derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass sie deshalb bei einer Rückkehr nach Eritrea Verfolgungshandlungen in Form von langer Haft, Folter und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre. Wie bereits dargelegt, wird die Verweigerung des Militär- bzw. Nationaldienstes in Eritrea bestraft, wobei häufig unmenschliche und erniedrigende Strafen zur Anwendung kommen, wobei allein schon die Haftbedingungen in Eritrea lebensbedrohlich sind und gegen die Menschenrechtsstandards und die Menschenwürde verstoßen.
Zudem läuft die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Gefahr, asylrelevant verfolgt zu werden, weil nicht mit der für ein Asylverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass sie im Zuge der Leistung des Militär- bzw. Nationaldienstes aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen sexuellen Übergriffen ausgesetzt ist, wovor sie von den zuständigen Behörden in Eritrea nicht angemessen geschützt wird. Denn wie den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen zu Folge sind Vergewaltigungen von Frauen im Militärdienst gängig und wird sexuelle Gewalt als Bestrafungsmethode gegen Wehrpflichtige eingesetzt.
Gemäß § 3 Abs 3 Z 1 und § 11 Abs 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; VwGH 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Im gegenständlichen Fall kann nicht mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zur Verfügung steht, da es gemäß den oben angeführten Länderfeststellungen in Eritrea keine Region gibt, in der man sich der Kontrolle durch die Regierung entziehen könnte. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht daher nicht, da der Beschwerdeführerin Verfolgungshandlungen in ganz Eritrea drohen.
Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.
Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 ergeben.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der Verfahrensgegenstand überwiegend im Bereich der Tatsachenfragen angesiedelt war. Die maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde unter Punkt A) wiedergegeben.