Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat am 3. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin Mag. Wilder als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Mag. Frigo als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 zweiter Fall StGB, 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. März 2025, GZ **45.3, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss, in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschweski sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und des Verteidigers Dr. Peter Philipp durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung:
I./ zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II./ den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss auf Widerruf der bedingten Entlassung zu AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt aufgehoben wird.
Im Übrigen wird der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenenauch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch sowie Verfalls- und Einziehungserkenntnisse enthaltenden - Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 zweiter Fall StGB, 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) und „des“ Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (III./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie der §§ 19 Abs 1 iVm 5 Z 4 JGG (richtig: § 19 Abs 4 Z 1 JGG) nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.
Unter einem fasste das Schöffengericht den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB die zu AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt gewährte bedingte Entlassung und die zu AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen. Hingegen sah es gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB vom Widerruf der ihm gewährten bedingten Strafnachsicht zu AZ ** und AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt ab.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in ** vorschriftswidrig Suchtgift
I./A./ in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus den USA aus- und nach Österreich eingeführt, indem er vor dem 12. November 2024 unbekannte Täter durch Bestellung im „Darknet“ dazu bestimmte, 9.875,1 Gramm Cannabiskraut (Reinsubstanz: 143,8 Gramm Delta-9-THC und 1.885 Gramm THCA) sowie 60,1 Gramm „Magic Mushrooms“ (Wirkstoff: Psilocybin) nach Österreich zu versenden, wo das Suchtgift am Flughafen von Mitarbeitern des Speditionsunternehmens entdeckt wurde (US 6);
III./ bis zum 13. November 2024 wiederholt erworben und besessen, nämlich Marihuana (Wirkstoffe: Delta-9-THC und THCA) zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch, zuletzt 2,2 Gramm Cannabisharz und 2,3 Gramm Cannabiskraut.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht mildernd das umfassende – jedoch nicht reumütige - Geständnis, weil der Angeklagte versuchte, die Verantwortung auf seinen Auftraggeber abzuwälzen, die Sicherstellung des Suchtgifts und das Alter unter 21 Jahren, hingegen erschwerend die vier einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während mehrerer offener Probezeiten und das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 24. Juli 2025, GZ 14 Os 62/25m 7, verbleibt die Entscheidung über die, eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren teilweisen Strafnachsicht andringende Berufung des Angeklagten sowie dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung (ON 49, ON 52.2).
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Die vom Schöffengericht angezogenen Strafzumessungsgründe sind dahin zu ergänzen, dass die Verwirklichung alternativer Mischtatbestände auf mehrere verschiedene Begehungsweisen (hier: Ein- und Ausfuhr [Faktum I.A.]) zusätzlich erschwerend wirkt (RIS-Justiz RS0111410 [T2] und [T8]; RS0114037 [T10]) und dahin zu präzisieren, dass die Tatbegehung innerhalb (mehrerer) offener Probezeiten zwar keinen eigenen Erschwerungsgrund bildet, jedoch die Schuld des Täters im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen aggraviert (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB; RISJustiz RS0090954, RS0090597). Letzteres stellt ungeachtet des erfolgten Widerrufs bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar, denn die Delinquenz während offener Probezeit ist keine die Strafdrohung mitbestimmende Tatsache (RISJustiz RS0091096 [T3, T4]; RS0111324).
Die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung des Suchtgifts (I.A.) wirkt – wenn auch (da ohne Zutun des Angeklagten erfolgt [ON 2.2, ON 2.36) nur marginal – zusätzlich mildernd ( Riffel , WK 2StGB § 34 Rz 33; zuletzt: 13 Os 106/24y; RIS-Justiz RS0088797).
Zutreffend reklamiert der Berufungswerber, dass sein Geständnis auch reumütig im Sinne des § 34 Abs 1 Z 17 erste Variante StGB ist, nachdem er bereits zu Beginn der Hauptverhandlung sich schuldig bekannte und dieses Geständnis während der gesamten Hauptverhandlung aufrecht erhielt (ON 45.2, 3 und 5 ff; vgl Birklbauer/Stiebellehner, SbgK StGB § 34 Rz 122).
Hingegen erschließt sich dem Berufungssenat nicht, inwiefern bei der Bestellung von beinahe 10kg Cannabiskraut im „Darknet“ der Handlungs- und Gesinnungsunwert als mäßig und unauffällig erachtet werden kann, nur weil die Tatbegehung der Suchtmittelergebenheit des Angeklagten geschuldet sei.
Bei rechtbesehener Abwägung der korrigierten Strafzumessungserwägungen sowie unter Berücksichtigung, dass das Ausmaß der verhängten Strafe in einer realistischen Relation zum Unrechts und Schuldgehalt der konkreten Tat stehen muss (RISJustiz RS0090854), wird die vom Schöffengericht ausgemittelte Freiheitsstrafe von zwei Jahren angesichts des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von einembis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 19 Abs 4 Z 1 JGG iVm § 28a Abs 4 Z 3 SMG; vgl zur rechtsgutbezogenen Auslegung 15 Os 119/22x [verstärkter Senat]; RIS-Justiz RS0134087; US 6 „Der Angeklagte hat die Bestellung im Auftrag einer anderen Person durchgeführt, hätte dafür 50 Gramm Cannbiskraut bekommen sollen“ ) dem Schuld und dem massiven Unrechtsgehalt der Taten gerecht.
Eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe kam insbesondere mit Blick auf die spezifisch einschlägigen Vorstrafen und die ansteigende kriminelle Energie des Angeklagten (I.A.) nicht in Betracht. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Angeklagten ist der Vollzug einer zweijährigen Freiheitsstrafe dringend geboten, um eine dauerhaft abhaltende Wirkung auf den Angeklagten, der eine verfestigte negative Einstellung gegenüber den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft hat und den auch der Vollzug einer Freiheitsstrafe (Punkt 2 der Strafregisterauskunft) bislang nicht vor erneuter Straffälligkeit abhielt, zu erzielen.
Ebensowenig kann seinem Begehren auf eine teilbedingte Strafnachsicht Erfolg beschieden werden, haben doch bisher gewährte Rechtswohltaten ([teil]bedingte Strafnachsichten, Anordnung von Bewährungshilfe [auch anlässlich einer bedingten Entlassung]) und der (teilweise) Vollzug eines unbedingten Strafteils (vgl zu alldem erneut die Strafregisterauskunft) keine verhaltenssteuernde Wirkung zu entfalten vermocht. Wenngleich der Angeklagte nach den Ausführungen der Bewährungshelferin eine positive Entwicklung aufzeige (45.2, 21), wurde er innerhalb offener Probezeiten neuerlich spezifisch einschlägig straffällig, sodass eine neuerliche teilbedingte Strafnachsicht nicht in Betracht kommt.
Zur Beschwerde des Angeklagten ist auszuführen, dass in Folge des Ablaufs der Probezeit der Beschluss auf Widerruf der bedingten Entlassung zu AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt aufzuheben war.
Die Wirkungslosigkeit der bisher dem Angeklagten gewährten Rechtswohltaten (vgl oben) und eines bereits verspürten Haftübels (Pkt 3 der Strafregisterauskunft) sowie die neuerliche Delinquenz (I.A) trotz des zu AZ ** des Landesgerichts Wiener Neustadt offenen Strafvollzugs (vgl Punkt 4 der Strafregisterauskunft iZm ON 148.2 und ON 150.2 im bezughabenden Akt) lässt zusätzlich den Widerruf der mit Urteil des Landesgericht Wiener Neustadt vom 13. November 2023, AZ **, gewährten bedingten Strafnachsicht erforderlich erscheinen, um den Angeklagten in Hinkunft von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Damit war sowohl der Berufung als auch der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
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