JudikaturOGH

15Os119/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lonin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * P * wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 3. Oktober 2022, GZ 13 Hv 39/22i 274, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die hier zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben iSd § 19 Abs 4 Z 1 JGG darstellt, ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18. August 2000 geborene * P* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (Ⅰ./) und des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB (Ⅱ./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit hier von Interesse – am 23. September 2020 in R* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * V*, S* U* und I* U*

I./ F* T* mit Gewalt gegen diesen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), indem sie mit einem Messer das Durchschneiden der Kehle andeuteten und dieses mehrfach an seiner Brust ansetzten, sowie durch Versetzen eines Schlages gegen das Gesicht und Fesselung der Gliedmaßen und Knebelung des Kopfes unter Einschluss des Mundbereichs mit Klebebändern Bargeld im Betrag von 80 Euro und ein Handy sowie Bargeld in der Höhe von 2.300 Euro der E* T* mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, wobei der Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde;

...

* P* wurde nach § 143 Abs 1 StGB „unter Bedachtnahme auf §§ 28 Abs 1, 39a Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 4 StGB sowie § 19 Abs 4 JGG“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt (US 2).

[3] Zur Strafbemessung hielt das Erstgericht fest, dass „von einer Freiheitsstrafe von zwei bis zu 15 Jahren auszugehen (§ 39a Abs 1 Z 5 und Abs 2 Z 4 StGB, § 19 Abs 4 JGG)“ sei (US 5).

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Nichtigkeitbeschwerde und Berufung.

[5] In seiner Sanktionsrüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 11) macht der Rechtsmittelwerber unter anderem geltend, das Erstgericht habe einen „unrichtigen Strafrahmen berücksichtigt“, weil „die Anwendung des § 19 Abs 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren“ führen würde.

[6] Das Erstgericht g ing bei der Strafbemessung – ausgehend von der Strafdrohung des § 143 Abs 1 StGB (ein bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe) – aufgrund der Bestimmung des § 39a Abs 1 Z 5 („mit mindestens einer weiteren Person in verabredeter Verbindung“) iVm Abs 2 Z 4 StGB von einem Mindeststrafmaß von zwei Jahren Freiheitsstrafe aus.

[7] Abweichend von der für junge Erwachsene geltenden günstigeren Bestimmung des § 19 Abs 1 JGG blieb das Erstgericht unter Anwendung des § 19 Abs 4 (ersichtlich: Z 1) JGG bei der „Strafandrohung der allgemeinen Strafgesetze“, weil es davon ausging, dass das Verbrechen des (schweren) Raubes eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben im Sinn letzterer Gesetzesstelle darstellt.

[8] Diese Frage wird in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet. Während AZ 12 Os 140/21m und 11 Os 90/22b davon ausgehen, dass „Raub in der Begehungsform der 'Gewalt gegen eine Person'“ eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben iSd § 19 Abs 4 Z 1 JGG darstellt, wurde dies von AZ 14 Os 4/21a und 15 Os 122/21m (implizit) verneint.

[9] Zur Beseitigung dieser Rechtsprechungsdivergenz ist die Befassung eines verstärkten Senates geboten (§ 8 Abs 1 Z 2 OGH G ).

Rückverweise