Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann (Vorsitzender), den Richter Dr. Nowak und den Kommerzialrat Swoboda in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ** verstorbenen A*, zuletzt wohnhaft in **, vertreten durch Mag. Dietmar Heck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* AG, **, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 111.834,63 samt Nebengebühren, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5.3.2025, **-126, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.945,72 (darin EUR 657,62 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Zugunsten des A* (in der Folge: Versicherter) als Versicherungsnehmer bestand bei der Beklagten eine Unfallversicherung zu Polizzennummer **.
Dem gegenständlichen Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung AUVB 1976 (AUVB) zugrunde, welche für den Fall der dauernden 100 %igen Invalidität eine Versicherungssumme von EUR 124.260,79 vorsehen.
Der Versicherte kam am 23.12.2020 zu Sturz, wodurch er ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Nach diesem Unfall lag beim Versicherten eine Dauerinvalidität von 100 % vor.
Die Klägerin begehrte die Zahlung von EUR 111.834,63 samt Nebengebühren und brachte dazu vor, durch die beim gegenständlichen Unfall entstandenen Verletzungen habe sich beim Versicherten eine 100 %ige Funktionseinschränkung und somit eine 100 %ige Invalidität eingestellt, weswegen ein Anspruch auf die gesamte Versicherungssumme bestehe.
Die Beklagte habe zunächst nur die Höhe des Klagebegehrens bestritten, wie aus der vorprozessualen Korrespondenz, der Klagebeantwortung und dem Schriftsatz der Beklagten vom 12.09.2022 hervorgehe.
Sie habe am 27.6.2022, also nach der Klagebeantwortung, eine Teilzahlung im Ausmaß jener anerkannten 10 % der Versicherungssumme, sohin EUR 12.426,07, an den Versicherten zur Auszahlung gebracht. Dadurch habe die Beklagte das Vorliegen eines vom verfahrensgegenständlichen Versicherungsvertrag gedeckten Versicherungsfalles rechtswirksam anerkannt, sodass die daran anschließende Bestreitung unbeachtlich sei.
Die Beklagte erwiderte insbesondere, es liege aus neurotraumatologischer Sicht tatsächlich eine Dauerinvalidität von 100 % vor, jedoch sei diese zumindest zu 90 % auf eine bereits vorbestehende Demenz bzw auf einen erheblichen Vorschaden und die Folge von vier früheren Operationen am Schädel des Versicherten zurückzuführen. Es liege nur eine unfallkausale Invalidität von 10 % vor.
Außerdem habe sich mangels äußeren Einwirkens kein Unfall im Sinn der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen ereignet.
Selbst wenn ein Unfall angenommen würde, wäre für sämtliche hierdurch ausgelöste psychische Störungen des Versicherten nicht einzustehen. Für psychische und nervöse Störungen werde eine Leistung nur erbracht, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder auf eine Epilepsie zurückzuführen seien, die durch den Unfall erstmals entstanden seien. Jene Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt erachtete es als unstrittig „bzw“ als nicht substantiiert bestritten, traf weiters die auf den Seiten 6 bis 10 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird, und folgerte in rechtlicher Hinsicht, dass die Klägerin zwar Umstände nachgewiesen habe, die ein versichertes Unfallereignis als möglich erscheinen ließen. Der Beklagten als Versicherer sei jedoch der Nachweis gelungen, dass der gegenständliche Unfall durch einen epileptischen Anfall des Versicherten verursacht worden sei, weshalb der gegenständliche Sturz nach Art 3 II. 7. AUVB von der Versicherung ausgeschlossen sei.
Hinsichtlich des offenen Klagsbetrags liege kein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten vor.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Klagsstattgabe; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Der Behandlung der Berufung ist voranzustellen, dass die Berufungswerberin mit ihrer Klage dann durchdränge, wenn entweder eine vom Versicherungsschutz umfasste unfallkausale Dauerinvalidität von 100 % vorläge oder von einem entsprechenden konstitutivem Anerkenntnis der Beklagten auszugehen wäre.
2. Zur Beweisrüge
2.1. Die Berufungswerberin bekämpft folgende erstgerichtliche Feststellung
„A* kam am 23.12.2020 aufgrund eines erlittenen epileptischen Anfalls und nicht aufgrund eines Ausrutschens (etwa auf den zusammengekehrten Steinchen) zu Sturz.“
und begehrt stattdessen nachstehende Ersatzfeststellung:
„Der im gegenständlichen Zeitraum über 80 jährige A* kam am 23.12.2020 zu Sturz und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Gehsteig auf, als er vor seinem Haus auf Gehweg die Steinchen des Streudienstes zusammenkehrte. Ursache für diesen Sturz kann sowohl ein Ausrutschen auf den Steinchen des Streudienstes, aber auch ein epileptischer Anfall gewesen sein.“
Die begehrte Feststellung sei rechtlich relevant, da sich daraus ergeben würde, dass Umstände vorliegen würden, die die Möglichkeit eines Unfalles naheliegend erscheinen ließen, sodass bei richtiger rechtlicher Beurteilung von einem vom gegenständlichen Unfallversicherungsvertrag umfassten Unfallereignis auszugehen wäre und dem Klagebegehren daher im Hinblick auf die erstgerichtliche Feststellung, dass nicht festgestellt werden könne, in welchem Ausmaß bei A* C* vor dem Sturz vom 23.12.2020 eine dauernde Invalidität vorgelegen sei, zur Gänze stattgegeben werden müsste.
2.2. Die Erledigung der Beweisrüge kann unterbleiben, weil der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt und der davon abweichende, von der Beweisrüge angestrebte Sachverhalt zum gleichen rechtlichen Ergebnis führen (RS0042386).
2.2.1. Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes trifft den Versicherer (RS0043565; 7 Ob 57/17h zum Ausschlusstatbestand einer Bewusstseinsstörung).
Unter Annahme der als Alternativfeststellung formulierten begehrten Ersatzfeststellung wäre davon auszugehen, dass der Beklagten der Beweis eines Ausschlusstatbestandes misslungen wäre und solcherart grundsätzlich Versicherungsdeckung bestünde.
2.2.2. Das Erstgericht stellte unbekämpft fest:
„Es lag eine durch den Unfall vom 23.12.2020 bedingte unfallkausale dauernde Invalidität von 10% vor […] Es kann nicht festgestellt werden, ob und inwieweit der Unfall vom 23.12.2020 bei A* eine darüber hinausgehende dauernde Invalidität verursacht hat.“ (Seite 9 der Urteilsausfertigung).
2.2.2.1. Aus dieser Feststellung folgt, dass die Klägerin einen unfallkausalen Anteil an der Invalidität von 10 % beweisen konnte, nicht aber einen darüber hinausgehenden; umgekehrt folgt daraus, dass der nicht unfallkausale Anteil an der Invalidität 90 % beträgt und nicht festgestellt werden kann, dass dieser Anteil geringer ist.
2.2.2.2. Weil der Versicherungsnehmer auch für diese Umstände behauptungs- und beweispflichtig ist (7 Ob 15/16f), geht die (Negativ-)Feststellung zu seinen Lasten. Den weiteren Erwägungen ist daher zugrundezulegen, dass der Unfall des Versicherten zu 10 % an der Invalidität mitwirkte.
2.2.2.3. Gemäß Art 3 I. 1. AUVB wird eine Versicherungsleistung nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht.
Werden somit die Unfallfolgen durch nicht mit dem Unfall zusammenhängende Krankheiten oder Gebrechen beeinflusst, so wird die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens an diesen Folgen gekürzt. Der Anteil bleibt unberücksichtigt, sobald er weniger als 25 % beträgt (Art 3 I. 1. a) AUVB).
2.2.2.4. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960).Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand oder Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]).
2.2.2.5. Aus dem klaren Wortlaut des Art 3 I. 1. a) AUVB resultiert, dass in einem Fall wie dem vorliegenden eine Kürzung der Leistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung von nicht mit dem Unfall zusammenhängenden Krankheiten oder Gebrechen zu erfolgen hat. Als Ergebnis gebührt dem Versicherungsnehmer 10 % der Versicherungssumme – die bereits von der Beklagten gezahlt wurde.
2.2.3. Wenn die Berufungswerberin die Ansicht vertritt, aus der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, dass nicht festgestellt werden könne, in welchem Ausmaß bei A* vor dem Sturz vom 23.12.2020 eine dauernde Invalidität vorgelegen sei, folge (auch in Zusammenschau mit der begehrten Ersatzfeststellung) eine gänzliche Klagsstattgabe, lässt sie die soeben zitierten unbekämpften Feststellungen und die oben wiedergegebene Judikatur zur entsprechenden Beweislastverteilung außer Acht.
2.2.4. Im Ergebnis führen die getroffene Feststellung und die begehrte Ersatzfeststellung zum selben Ergebnis; zugleich ergibt sich aus den bisherigen berufungsgerichtlichen Ausführungen, dass ein Anspruch auf den Klagsbetrag nicht aus dem Versicherungsvertrag abgleitet werden kann.
3. Zur Rechtsrüge
3.1. Als sekundären Feststellungsmangel releviert die Berufungswerberin das Fehlen nachstehender Feststellungen:
[a] „Bis zur Tagsatzung vom 01.03.2023 hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eingewendet, dass der Sturz des A* gar kein Unfall im Sinne des gegenständlichen Unfallversicherungsvertrages gewesen sei, da der Sturz durch eine innere Ursache verursacht wurde und somit überhaupt keine Leistungspflicht bestünde.
Im Rahmen der Leistungsabrechnung der Beklagten vom 27.01.2022 (Beilage ./C) wurde dem verfahrensgegenständlichen Sturzereignis […] ein 10-prozentiger Anteil an der unstrittig vorliegenden 100-prozentigen Dauerinvalidität des A* beigemessen und dementsprechend lediglich ein Auszahlungsbetrag im Umfang von 10 Prozent der Versicherungssumme, sohin EUR 12.426,07, angeboten.
In keiner Weise wurde in der Leistungsabrechnung der Beklagten vom 27.01.2022 (Beilage ./C) ausgeführt, dass bei Nichtannahme dieses Angebotes in weiterer Folge doch noch bestritten werden würde, dass der Sturz des A* vom 23.12.2020 ein vom gegenständlichen Unfallversicherungsfall gedecktes Ereignis gewesen wäre.
[b] Mit Schreiben an die Beklagte vom 01.04.2022 ( Beilage ./G ) hat der Klagevertreter zwecks Erzielung eines Vergleiches unpräjudiziell angeboten, die Ansprüche des Klägers durch Leistung von 65 Prozent der im gegenständlichen Unfallversicherungsvertrag festgelegten Versicherungssumme, sohin EUR 80.769,00, abschließend zu bereinigen.
In diesem Schreiben hat der Klagevertreter darauf Bezug genommen, dass auf Seiten der Beklagten ein Anerkenntnis hinsichtlich des Vorliegens eines versicherten Ereignisses vorliegen würde, jedoch dafür nur 10 Prozent der Versicherungssumme zur Auszahlung gelangen soll (Beilage ./G, Seite 1, letzter Absatz).
In der Email vom 05.05.2022 (Beilage ./H) teilte die Beklagte mit, dass an der übermittelten Abrechnung (Beilage ./C) festgehalten werde und übermittelte das mit 25.04.2022 datierte Ergänzungsgutachten Dris. C* (ebenfalls Beilage ./H), in welchem der vorprozessual von der Beklagten beigezogene Sachverständige seine Einschätzung einer 10-prozentigen Anteilhabe des verfahrensgegenständlichen Unfallereignisses an der 100-prozentigen Dauerinvalidität des A* aufrechthält.
Weder in der Email vom 05.05.2022 selbst (Beilage ./H) noch in dem damit übermittelten Ergänzungsgutachten Dris. C* wurde das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestritten. Ebenso wenig wurde das in der Leistungsabrechnung vom 27.01.2022 abgegebene Anerkenntnis relativiert oder gar zurückgezogen.
[a] In der Klagebeantwortung vom 20.06.2022 führte die Beklagte zwar aus, dass das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten werde, doch wurde das Vorliegen eines Versicherungsfalles und sohin auch das Klagebegehren dem Grunde nach, auf Seite 3, zweiter Absatz, analog zu ihrer vorprozessualen Verantwortung weiterhin nicht bestritten und lediglich die Höhe des vorfallkausalen Anspruches bestritten.
[a] Auch im vorbereitenden Schriftsatz vom 12.09.2022 (Seite 3, vorletzter Absatz, letzter Satz, und Seite 3, letzter Absatz) hat die Beklagte weiterhin nur die Höhe des vorfallkausalen Anspruches, jedoch nicht das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestritten.
[c] Den von der Beklagten anerkannten Betrag hat sie am 24.06.2022, also zwischen Klagebeantwortung und vorbereitendem Schriftsatz vom 12.09.2022, an die Klag[s]seite zur Auszahlung gebracht.
[d] Hätte die Beklagte das Vorliegen eines vom verfahrensgegenständlichen Unfallversicherungsvertrag zu Polizzennummer ** gedeckten Versicherungsfalles nicht anerkannt, hätte die Beklagte nicht einmal 10 Prozent der Versicherungssumme geleistet.“
Die Berufungswerberin führt dazu aus, unter Berücksichtigung dieser Feststellungen hätte das Erstgericht das Vorliegen eines von der Klägerin behaupteten konstitutiven Anerkenntnisses eines vom verfahrensgegenständlichen Unfallversicherungsvertrag gedeckten Versicherungsfalles dem Grunde nach bestätigen und in weiterer Folge dem Klagebegehren zur Gänze stattgeben müssen.
3.2. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317).
3.2.1. Die vom Berufungssenat mit [a] bezeichneten und von der Berufungswerberin vermissten Feststellungen betreffen das Beklagten vorbringen oder (ohnehin unstrittige) Urkundeninhalte . Dass alldies nicht wiedergegeben wurde, vermag einen sekundären Feststellungsmangel nicht zu begründen.
3.2.2. Die mit [b] bezeichnete Feststellung hat das Erstgericht überdies ohnehin (weitgehend) getroffen (Seite 10 der Urteilsausfertigung).
3.2.3. Für „Feststellung“ [c] gilt dies mit der Maßgabe, dass das Erstgericht diese Sachverhaltsannahmen seiner Entscheidung – unbekämpft – als unstrittig „bzw“ als nicht substantiiert bestritten zugrundelegte.
3.2.4. „Feststellung“ [d] bezieht sich nicht auf Tatsachen, sondern stellt das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung dar: Die Berufungswerberin will damit aufzeigen, dass (auch) deshalb von einem Anerkenntnis auszugehen sei, weil die Beklagte gezahlt habe; siehe die nachstehenden Rechtsausführungen.
3.2.5. Die Klägerin legte im Verfahren die ihrem Inhalt nach unstrittigen Urkunden ./C, ./G und ./H vor; diese können daher der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden, ohne dass es hierzu expliziter Feststellungen des Erstgerichts oder der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung bedürfte (vgl RS0040328, RS0040321, RS0121557, RS0042533, RS0040083; 3 Ob 24/15y).
3.3. Ein konstitutives Anerkenntnis liegt vor, wenn der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt (RS0032496 [T6, T7, T9]). Es setzt somit die – nach der Vertrauenstheorie zu beurteilende (RS0032496 [T5]) – Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1], RS0032779 [T4], RS0032541 [T2]). Das Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen (RS0032779). Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben soll, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RS0032496 [T6, T7]).
Demgegenüber ist ein deklaratives Anerkenntnis (Rechtsgeständnis) kein Leistungsversprechen, sondern eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung (RS0032784 [T10]). Durch ein konstitutives Anerkenntnis wird eine bisherige Unsicherheit endgültig beseitigt, es bleibt auch gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch strittig und unsicher war. Das Anerkenntnis entfaltet somit wie ein Vergleich Bereinigungswirkung (RS0110121).
Ob ein deklaratorisches (unechtes) oder konstitutives (echtes) Anerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitigen Interessenlagen und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RS0017965, RS0032666).
Ein konstitutives Anerkenntnis kann sich auch nur auf den Teil einer Forderung oder deren Höhe (RS0122872) oder allein auf den Anspruchsgrund (vgl RS0032959, RS0040880, RS0032319 [T10]) beziehen.
Im Zweifel gilt ein Regulierungsanbot nicht als eigenes konstitutives Anerkenntnis des Versicherers dem Grunde nach (RS0032959).
Auch aus einer Teilzahlung allein ist die Anerkennung der Restschuld nicht zu erschließen (RS0014276).
3.4. Das gesamte Verhalten der Beklagten bis zur von der Berufungswerberin nun kontestierten Bestreitung durch die Beklagte, der gegenständliche Unfall unterfalle gar nicht dem vereinbarten Unfallversicherungsschutz, lässt für einen redlichen und verständigen Erklärungsempfänger ( Kajaba in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1375 Rz 16 [Stand 15.12.2023, rdb.at]) aus dem Kreis der Versicherungsnehmer keinen Zweifel daran offen, dass die Beklagte bis dahin den Standpunkt vertrat, dem Versicherten gebühre – endgültig und abschließend – ein Betrag von EUR 12.426,07, also 10 % der Versicherungssumme aufgrund eines Anteils von 10 % des Unfalls an der Dauerinvalidität. Auch die erfolgte Zahlung ändert nichts daran, weil einem redlichen und verständigen Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände einsichtig sein musste, dass die Beklagte dadurch keine Teilzahlung leisten wollte, sondern den aus ihrer Sicht gesamten geschuldeten Betrag.
Auch wenn es der Berufungswerberin mit Blick auf das Neuerungsverbot unbenommen ist, im Rahmen des Vorgebrachten andere rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer,ZPO-ON § 482 ZPO Rz 12 [Stand 9.10.2023, rdb.at]), ist doch anzumerken, dass auch sie im erstinstanzlichen Verfahren bis zuletzt inhaltlich ihres Vorbringens davon ausging, dass die Beklagte einen EUR 12.426,07 übersteigenden Betrag der Höhe nach nicht anerkannt habe (siehe Seiten 3 und 6 des Schriftsatzes vom 4.12.2024 [ON 119]).
4. Weil die Beklagte die von einem allfälligen Anerkenntnis erfassten EUR 12.426,07 bereits gezahlt hat, ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten eines EUR 12.426,07 übersteigenden Betrages jedoch jedenfalls zu verneinen ist, war der Berufung ein Erfolg zu versagen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Ansatz war geringfügig zu korrigieren.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zur Beurteilung anstand.
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