16R169/24a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Elhenicky und Dr. Rieder in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* , geb. am **, Ministerialrat, **, vertreten durch B S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Dr. B*, geb. am **, Arzt, **, vertreten durch Maraszto Milisits Rechtsanwälte OG in Wien, wegen EUR 31.000,-- s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 31.000,--; Gesamtstreitwert: EUR 62.000,--), über die Berufungen der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 18.880,--) und der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 31.000,--) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Juli 2024, **-107, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 19. September 2024, ON 110, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, dass in seinem Zuspruch von EUR 12.120,-- samt 4 % Zinsen seit 19.9.2020 als unbekämpft unberührt bleibt, wird in seinem klageabweisenden Teil (Punkt 2.) als Teilurteil bestätigt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.220,42 (darin EUR 370,07 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den das Berufungsgericht insgesamt entschieden hat, übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
II . den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Berufung der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird in seinem Punkt 3. und der Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen .
Die Kosten der Berufung des Beklagten und der Berufungsbeantwortung des Klägers sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist als Facharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie im C* Krankenhaus angestellt, aber auch als Privatarzt in seiner Ordination und in Belegspitälern tätig. Unter seiner Assistenz als Privatarzt wurde der Kläger aufgrund der Indikation zur Implantation einer Knietotalendoprothese am 19.7.2019 im ** Krankenhaus D* als Belegspital operiert.
Der Kläger begehrte EUR 31.000,-- sA an Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen, derzeit nicht bekannten Schäden, die ihm aus der vom Beklagten nicht lege artis durchgeführten Wundversorgung und Nachbehandlung des rechten Knies nach der Operation vom 19.7.2019 entstehen. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, nach der unter Assistenz des Beklagten am 19.7.2019 durchgeführten Operation im ** Krankenhaus D* sei eine Infektion mit einem MRSA-Keim aufgetreten, die bereits anlässlich der Nahtentfernung Anfang August 2019 erkennbar gewesen sei und auf die der Beklagte umgehend hätte reagieren müssen. Mangels rechtzeitiger Maßnahmen habe der Kläger massive zusätzliche Beeinträchtigungen mit Dauerfolgen erlitten. Aufgrund der dramatischen Entwicklung des Infektionsgeschehens sei noch am 4.8.2019 eine septische Revisionsoperation im C* Spital unter Assistenz des Beklagten durchgeführt worden. Der Allgemeinzustand des Klägers habe sich danach drastisch verschlechtert, weshalb er am 8.8.2019 aufgrund der mittlerweile notwendigen weiteren Revisionsoperation mit Prothesenausbau in höchst kritischem Zustand in das E* habe überstellt werden müssen, wo er mehrfach operiert worden sei. Er habe am 9.8.2019 aufgrund eines sepsisbedingten Multiorganversagens sogar für zwei Wochen in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden müssen. Danach habe er sich bis 2.9.2019 auf der Intensivstation des E* befunden und sei erst am 25.9.2019 in häusliche Pflege entlassen worden. Durch die fehlerhafte Nachbehandlung sei die Gewebedestruktion so weit fortgeschritten, dass Ober- und Unterschenkelknochen bereits erheblichen Schaden genommen gehabt hätten. Nach einer weiteren Operation vom 27.11.2019 habe der Kläger an stark eingeschränkter Beweglichkeit und extremen Schmerzen gelitten und hätte einer starken Nerven- und Schmerzmedikation bedurft. Die bleibenden Beeinträchtigungen wie Schwellungen und Taubheitsgefühle ab dem Knie abwärts im rechten Bein und die starken Schmerzen seien auf eine Critical-Illnes-Polyneuropathie zurückzuführen, die der Beklagte zu verantworten habe. Dazu kämen noch die vorfallskausalen psychischen Belastungen: die Angstzustände und die Traumatisierung im Zuge der Aufwachphase nach dem künstlichen Tiefschlaf seien noch immer nicht überwunden. Die Polyneuropathie habe sich kaum gebessert. Mit Folge- und Dauerschäden sei zu rechnen, zumindest könnten sie nicht ausgeschlossen werden.
Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass ihn der Kläger bereits am 1.8.2019 über Schmerzen im rechten Knie informiert habe. Am 2.8.2019 habe der Beklagte den Kläger in der Nachbehandlungsabteilung im C* Krankenhaus untersucht und festgestellt, dass sein Knie geschwollen und gerötet gewesen sei. Infolge der nicht zu übersehenden Anzeichen einer möglicherweise einsetzenden Infektion habe er einen beginnenden Infekt vermutet und den Kläger ausdrücklich und eindringlich auf die Notwendigkeit zur stationären Aufnahme in das C* Krankenhaus hingewiesen. Er habe dem Kläger erläutert, dass in weiterer Folge durch Blutabnahme das Ausmaß und die Stärke der Infektion eruiert werden und auch intravenöse Schmerzmittel verabreicht werden könnten; die weitere Therapie habe nach Vorliegen der Ergebnisse der Blutabnahme festgelegt werden sollen. Der Kläger habe allerdings die sofortige stationäre Aufnahme trotz Hinweis auf die Ernsthaftigkeit der Situation abgelehnt und nach Nahtentfernung und Verbandswechsel das C* Krankenhaus verlassen. Erst am 4.8.2019 seien die Schmerzen für den Kläger offenkundig derart unerträglich gewesen, dass er sich zu einer Aufnahme ins C* Krankenhaus bereit erklärt habe, wo schließlich die bereits fortgeschrittene Infektion diagnostiziert worden sei. Der Beklagte habe seine Verpflichtung als Arzt erfüllt; das Verschulden liege beim Kläger, der die aus der Weigerung der stationären Aufnahme resultierenden Nachteile sich selbst zuzuschreiben habe. Bestritten werde auch die Berechtigung des Klägers für die Erhebung eines Feststellungsbegehrens.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Zahlungsbegehren im Umfang von EUR 12.120,-- sA und dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt. Das Zahlungsmehrbegehren von EUR 18.880,-- sA wies es ab. Es traf dazu die oben wiedergegebenen sowie weitere aus den Seiten 3 bis 9 der Urteilsausfertigung ersichtliche Feststellungen, auf die verwiesen wird. Dabei ging es - soweit für das Verständnis dieser Entscheidung von Bedeutung – von folgendem Sachverhalt aus (die im Berufungsverfahren strittige Feststellung ist durch Fettdruck hervorgehoben):
Die Operation am 19.7.2019 verlief komplikationslos, die Entlassung aus dem Spital am 27.7.2019 erfolgte bei zunächst unauffälligem Zustand. Ende Juli nahmen jedoch die Schmerzen, die Schwellung und auch die Rötung des Knies zu. Der Kläger, der eine hohe Schmerzschwelle hat, unternahm vorerst nichts, weil ohnehin der 2.8.2019 zur Nahtentfernung und Kontrolle vereinbart war. Aufgrund der zunehmenden Schmerzen wandte sich der Kläger aber am späten Abend des 1.8.2019 an den Beklagten mit der Nachricht, „[...], Schmerzen kaum ertragbar“ und über Nachfrage des Beklagten sinngemäß, dass er vor Schmerzen nicht schlafen konnte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hielt der Beklagte das Vorliegen einer Keiminfektion für möglich.
Aufgrund der langjährigen Freundschaft und über Ersuchen des Klägers ermöglichte der Beklagte, dass die Kontrolle und Nahtentfernung im Anschluss an seinen Nachtdienst im C* Krankenhaus zeitig in der Früh des 2.8.2019 stattfinden konnte, und zwar ohne die übliche Anmeldeprozedur. Bei dem Termin schilderte der Kläger, dass er starke Schmerzen habe. Der Allgemeinzustand des Klägers war noch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Sichere Hinweise wie eine Sekretion, eine Eiterung, eine Hautnekrose etc. lagen noch nicht vor. Nach der klinischen Untersuchung, die das Knie geschwollen und rot zeigte, vermutete der Beklagte (vor allem wegen des typischen Schmerzbildes) bereits eine Keiminfektion; diese Einschätzung war zutreffend. Er wies den Kläger auf eine Entzündung hin und sagte, er solle zur weiteren Abklärung im C* Krankenhaus bleiben und, falls es schlechter werde, müsse die Wunde gespült werden. Der Beklagte gab sich aber nicht besonders alarmiert und wies auch nicht auf die möglicherweise rasante Entwicklung einer Infektion und deren drastische Konsequenzen hin, wie es lege artis in dieser Situation geboten wäre.
Der Kläger ging noch immer von einem Normheilungsverlauf aus; er verstand den Ernst der Lage deshalb nicht und wollte vorerst nicht stationär aufgenommen werden. Hätte der Beklagte den Kläger auf seinen Verdacht des Keimbefalls, die damit verbundene mögliche rasante Entwicklung, das Risiko aus einer unterlassenen zeitnahen Diagnose und Behandlung mit der nötigen Dringlichkeit hingewiesen, vor allem, dass ansonsten weitere Operationen nötig sein könnten und sich der Allgemeinzustand bis zum letalen Ausgang verschlechtern könne, hätte der Kläger einer ambulanten oder sogar stationären Aufnahme zur weiteren Abklärung zugestimmt und sich den nötigen Untersuchungen und Behandlungen unterzogen.
Die Streitteile verblieben so, dass sich der Kläger zur Nachkontrolle bzw. umgehend dann, wenn der Zustand sich verschlechtern sollte, melden solle.
Lege artis hätte der Beklagte bereits am 2.8.2019, spätestens am 3.8.2019 wegen Verdachts auf eine Infektion eine Blutabnahme zur Bestimmung der Entzündungsfaktoren (das Ergebnis liegt im Spital nach ca 30 Minuten vor) und eine Punktion des Kniegelenkes (Ergebnis erst nach zwei Tagen) durchführen und der Beginn einer antibiotischen Therapie erfolgen müssen. Sowohl eine Punktion des Kniegelenks als auch eine Blutabnahme sind im C* Krankenhaus zu jeder Zeit (auch ambulant) möglich. Außerdem hätte der Kläger dem Beklagten eindringlich erklären müssen, welche Folgen das Unterbleiben dieser Maßnahmen bedeuten könne.
Die Schmerzen des Klägers nahmen ab Nachmittag des 2.8.2019 massiv zu.
Am 3.8.2019 um 8.55 Uhr fragte der Kläger den Beklagten per SMS, ob es stärkere Schmerzmittel gebe, weil er es nicht mehr aushalte. Der Beklagte antwortete darauf, dass es Tramal gebe, und schrieb außerdem: „Soll ich dich nicht doch aufnehmen für ein paar Tage ins Spital zur Schmerztherapie und Mobilisierung etc.“ Danach rief der Beklagte den Kläger an, um ihm nochmals einen stationären Aufenthalt nahe zu legen. Der Kläger verstand es vorerst so, dass es dabei um eine Spülung des Kniegelenks gehe, die auch nach dem Wochenende (3.8/4.8.2019) möglich wäre; er äußerte den Wunsch nach einem Privatspital.
Um die Mittagszeit des 3.8.2019 teilte der Beklagte dem Kläger per SMS mit, dass das F* wegen Umbaus nicht verfügbar sei und fragte den Kläger, wie es „nächste Woche sei und ob das C* auch okay sei“. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte unter Hinweis auf die möglichen Folgen drängte, noch am 3.8.2019 ins Spital zu kommen.
Der Kläger wäre tatsächlich mit einer stationären Aufnahme erst ab 5.8.2019 einverstanden gewesen, seine Ehefrau bestand aber auf eine sofortige Spitalsbetreuung, weil ihr der Zustand des Gatten bereits sehr bedrohlich vorkam. Daraufhin wurde über telefonische Anweisung durch den Beklagten die stationäre Aufnahme veranlasst; die Ehefrau des Klägers brachte ihn in der Früh des 4.8.2019 ins C* Spital. Dort wurden auf Anweisung des Beklagten ein Blutbefund erhoben und ein hoher Entzündungswert festgestellt. Der Zustand des Kniegelenks hatte sich in der Zwischenzeit massiv verschlechtert, war im Vergleich zum 2.8.2019 mindestens 30 % dicker geschwollen und vollkommen gerötet, im Bereich der ehemaligen Hautnaht bzw. Klammerung waren kleine weißliche Stippchen zu erkennen. Ein antibiotischer Therapieversuch kam nicht mehr in Frage. Die septische Revisionsoperation wurde am 4.8.2019 um 20.48 Uhr unter Assistenz des Beklagten durchgeführt.
Im postoperativen Verlauf kam es zu einer ausgeprägten zundrigen tiefreichenden Hautnekrose. Ab 8.8.2019 befand sich der Kläger im E*, alle Prothesenkomponenten mussten explantiert werden, nach einem Débridement im Bereich der Weichteile und des Knochens sowie eine Lavagierung wurde ein Vakuum-Verband angelegt. Die systemische Situation des Klägers war kritisch. Postoperativ erfolgte die Verlegung auf die Intensivstation.
Es folgten weitere Operationen: am 28.8.2019: Wechsel des Vakuum-Verbandes und Débridement des Wundgrundes; am 5.9.2019: Spacer-Explantation, Implantation eines artikulierenden Spacers rechts, Hautdefekt-Rekonstruktion mit lateralem Gastrocnemius-Lappen.
Während der Aufwachphase aus dem Tiefschlaf plagten den Kläger Alpträume, die ihn nachhaltig schwer belasteten.
Am 6.9.2019 konnte er auf die Normalstation übernommen werden, die Entlassung in die häusliche Pflege erfolgte am 25.9.2019, der Kläger bedurfte der Pflege und konnte das Knie nur wenig beugen, die Fortbewegung bewerkstelligte er mit Stützkrücken; er war kraftlos.
Ab 26.11.2019 befand er sich wieder im E* zu einer Reimplantation einer Knietotalendoprothese.
Ab Februar 2020 bis zum Beginn der Pandemie im März 2020 führte der Kläger eine Physiotherapie durch und trainierte intensiv, um den Zustand zu verbessern.
Das Unterlassen einer zielführenden Aufklärung des Klägers und die Verzögerung der medizinisch notwendigen Schritte (Diagnosemaßnahmen und antibiotische Therapie oder operativer Eingriff) führte dazu, dass die Infektion in dieser Zeit rasant zunahm und der weitere Verlauf dadurch ungünstig beeinflusst wurde. Wäre die [Behandlung der] Keiminfektion lege artis bereits am 2.8.2019 begonnen worden, hätten die drei weiteren Eingriffe (Spacer-Wechsel, Keimbestimmung und Spülung unmittelbar, Prothesenexplantation und Spacer, und zu späteren Zeitpunkt die neuerliche Implantation) in gleicher Weise stattfinden müssen. Der intensivmedizinische Aufenthalt des Klägers wäre aber mit Ausnahme von wenigen Tagen, die unmittelbar dem Operationsgeschehen nachgefolgt wären, bei rechtzeitigem Einschreiten durch den Beklagten nicht notwendig gewesen. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu den Hautveränderungen auch bei einem lege artis Vorgehen des Beklagten gekommen wäre.
Bei gebotenem Vorgehen durch den Beklagten hätte sich der Kläger Schmerzen erspart: Kausal auf die Fehlbehandlung zurückzuführen sind (auf den 24 Stunden Tag gerafft und unter Berücksichtigung für die Zukunft bereits vorhersehbarer kausaler Schmerzen) 2 1/2 bis 3 Wochen starke Schmerzen (insbesondere bedingt durch den Aufenthalt in der Intensivstation, die plastische Deckung und auch die weitere Operation mit Neurolyse, Befreiung der Nerven nach der plastischen Lappenoperation).
Aus unfallchirurgischer Sicht ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass durch die gegenständliche Fehlbehandlung Spät- oder Dauerfolgen eintreten werden.
Beim Kläger bestand bereits vor dem gegenständlichen Vorfall eine geringe Polyneuropathie. Durch die verspätete Behandlung kam es zu einer Verstärkung der neuropathischen Schmerzen im Umfang von 5 Tagen mittelstarken und 20 Tage leichten Schmerzen. Es ist davon auszugehen, dass pro futuro die Neuropathie weiter bestehen wird, dies ist jedoch nicht vorfallskausal, sondern diabetogen begründet. Aus neurologischer Sicht sind zukünftige operative Eingriffe infolge der verspäteten Behandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Aus der Fehlbehandlung ergaben sich durch die damit verbundene psychische Beeinträchtigung im Sinn einer Anpassungsstörung weitere 20 Tage leichte Schmerzen. Da eine Anpassungsstörung in einem maximal umschriebenen Zeitraum von bis zu 2 Jahren auftritt, sind weiterbestehende Beschwerden nicht mehr auf die Fehlbehandlung durch den Beklagten zurückzuführen. Nach Ablauf dieses Geschehens sind aus neurologisch-psychiatrischer Sicht Spätfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Es kann nicht festgestellt werden, ob die Schädigung des Nervus peroneus communis durch den Muskellappentransfer auf die Fehlbehandlung zurückzuführen ist oder ob sich dieser Schaden aus dem ohnehin komplizierten Verlauf ergeben hat. Die Gefühlsstörung im Bereich des Nervus peroneus communis rechts ist verursacht durch die lokale Druckschädigung aufgrund des Muskellappentransfers bzw. Druck des Sehnenspiegels. Es besteht eine Schädigung der sensiblen Anteile des Nervus peroneus communis rechts sowie des Nervus suralis rechts. Daraus ergaben sich zusätzlich leichte Schmerzen komprimiert auf den 24-Stundentag im Ausmaß von 50 Tagen.
Der Kläger ist heute noch beeinträchtigt in seiner allgemeinen Lebensführung, insbesondere im Hinblick auf die vor dem Geschehen gepflegte sportliche Betätigung. Zu welchem Anteil dies jedoch kausal auf die Fehlbehandlung zurückzuführen ist oder aber eine Folge des Sowiesoverlaufs war, ist nicht feststellbar.
Gegen den abweisenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im gänzlich klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Nur gegen die Stattgebung in Ansehung des Feststellungsbegehrens richtet sich die Berufung des Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Abweisung des Feststellungsbegehrens abzuändern; hilfsweise stellt auch der Beklagte einen Aufhebungsantrag.
Die Parteien beantragen jeweils, der Berufung der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung des Klägers ist nicht berechtigt , jene des Beklagten ist im Sinn ihres Aufhebungsantrags berechtigt .
I. Berufung des Klägers:
1. Der Kläger vertritt die Auffassung, ausgehend von den festgestellten Schmerzperioden hätte das Erstgericht das angemessene Schmerzengeld nicht in strikter Anwendung der derzeit geltenden Schmerzengeldsätze mit nur EUR 12.120,-- ausmitteln dürfen, sondern – wie eingeklagt - mit EUR 31.000,--. Die vorfallkausalen Schmerzperioden multipliziert mit den üblichen Schmerzengeldsätzen bildeten bei richtiger rechtlicher Beurteilung nur die Untergrenze für das angemessene Schmerzengeld. Nach der Rechtsprechung solle das Schmerzengeld tendenziell nicht zu knapp bemessen werden. Im Fall des Klägers hätte bei der Schmerzengeldzumessung außerdem berücksichtigt werden müssen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Muskellappentransfer zu einer Dauerfolge der Gefühlsstörung im Bereich des Nervus peroneus communis geführt habe, ebenso dass eine Einschränkung in der Lebensführung insbesondere im Hinblick auf sportliche Betätigung bestehe.
2. Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands abgelten und die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen (2 Ob 175/14w; RS0031040). Es soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für das Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat (RS0031307). Es kann nur nach § 273 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falls, der körperlichen und seelischen Schmerzen sowie der Art und Schwere der Verletzung nach freier Überzeugung des Richters festgesetzt werden (RS0031415 [T12]). Nach ständiger Rechtsprechung hat die Bemessung des Schmerzengeldes nicht nach starren Regeln zu erfolgen; Schmerzperioden können dabei zur Orientierung als Bemessungshilfe herangezogen werden (RS0125618 [T2]), stellen jedoch keine Berechnungsmethode dar (RS0122794; 2 Ob 83/24f). Das Schmerzengeld ist nicht mit mathematischer Genauigkeit auszumessen und soll allgemein nicht zu knapp bemessen werden (7 Ob 281/02b).
Bei der Bemessung des Schmerzengelds ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung aber auch ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RS0031075). Die Zuerkennung höherer Beträge im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen ist einerseits aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung und andererseits aufgrund der Rechtsprechung, wonach das Schmerzengeld tendenziell nicht zu knapp zu bemessen ist, gerechtfertigt (RS0031075 [T10]). Es besteht die Tendenz, den Schmerzengeldanspruch für gravierende Dauerfolgen deutlich höher festzusetzen als noch vor einigen Jahren. (RS0031415 [T17]).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Berufungswerber eine Überschreitung des Ermessensspielraums, der dem Erstgericht bei Ausmittlung des Schmerzengeldes eingeräumt ist, nicht aufzuzeigen. Wie er selbst einräumt, ist das Erstgericht von den festgestellten Schmerzperioden (17 Tage starke Schmerzen [Aufenthalt auf der Intensivstation], 5 Tage mittelstarke und 20 Tage leichte [neuropathische] Schmerzen und 20 Tage leichte Schmerzen [Anpassungsstörung]) ausgegangen und hat als Bemessungshilfe die derzeit in der Praxis des OLG Wien üblichen Tagessätze angewendet (laut Hartl , Schmerzengeldsätze in Österreich in Euro, [Stand: Februar 2024], AnwBl 2024, 208: EUR 120,-- für leichte, EUR 240,-- für mittlere und EUR 360,-- für starke Schmerzen). Allein der Umstand, dass das Erstgericht das so ermittelte Schmerzengeld weder aufrundete noch – wie vom Kläger angestrebt - deutlich erhöhte, bedeutet noch keinen Ermessensfehler, solange nicht wesentliche Erschwerungsgründe unbeachtet blieben. Vom Erstgericht nicht ohnehin berücksichtigte besonders schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gravierende Dauerfolgen, die nach der Rechtsprechung eine deutliche Erhöhung des nach Schmerzperioden und Schmerzengeldsätzen ausgemittelten Schmerzengeldes rechtfertigen könnten, zeigt der Kläger aber weder auf, noch lassen sie sich dem festgestellten Sachverhalt entnehmen.
4. Der Kläger führt für seine Auffassung, ihm gebühre ein weitaus höheres Schmerzengeld, eine Vielzahl höchstgerichtlicher Entscheidungen und eine Entscheidung des OLG Wien (13 R 92/07f) ins Treffen; dazu im Einzelnen:
- In der Entscheidung 2 Ob 65/93 sprach der Oberste Gerichtshof einem 23-jährigen Verletzten ein Schmerzengeld von ATS 1,5 Mio (= EUR 109.009,25) zu, der einen Bruch des dritten Halswirbelkörpers mit Verrenkung zwischen dem dritten und dem vierten Halswirbelkörper mit sofortiger hoher Rückenmarksquerschnittsläsion und kompletter Lähmung der oberen und unteren Extremitäten sowie der Blase und des Mastdarms erlitten hatte und ständig pflegebedürftig sowie schwerst psychisch beeinträchtigt war;
- In gleicher Höhe fiel das Schmerzengeld in der Entscheidung 2 Ob 57/93 für einen 27-jährigen Verletzten aus, der einen Bruch der Halswirbelsäule zwischen dem vierten und fünften Halswirbel samt kompletter motorischer Querschnittslähmung unterhalb des sechsten Halswirbels erlitten hatte, womit Harn- und Stuhlinkontinenz sowie lebenslange psychische Schmerzen verbunden waren.
- Zu 6 Ob 2394/96v billigte das Höchstgericht ein Schmerzengeld von ATS 1,75 Mio (= EUR 127.177,46) bei einem Kind, das infolge Sauerstoffmangels beim Geburtsvorgang eine nicht reparable schwere Gehirnschädigung sowie weitere schwere Körperschäden samt Lähmung aller vier Extremitäten erlitt, deren Folge ua eine nahezu vollständige Bewegungslosigkeit und abnorme Liegehaltung, ein cerebrales Anfallsleiden in Form einer Epilepsie, ein schwerer geistiger und motorischer Entwicklungsrückstand, eine stark eingeschränkte Lebenserwartung und ein schmerzhaftes Dasein sowie eine ständige Pflegebedürftigkeit waren.
- Der Entscheidung 2 Ob 237/01v , in der einem (jungen) Schwerverletzten Schmerzengeld von ATS 3 Mio (= EUR 218.018,50) zugesprochen wurde, lag eine Querschnittsymptomatik mit Lähmung des Atmungsnervs und dadurch bedingter künstlicher Beatmung bis an das Lebensende, nur ganz geringer Bewegungsmöglichkeit im Bereich der rechten Fingergelenke und des rechten Ellenbogengelenks, sowie dem Sehen von Doppelbildern aufgrund einer Augenmuskellähmung zugrunde. Ausschlaggebend war dabei insbesondere, dass der dortige Kläger ständig auf ein Beatmungsgerät angewiesen war, sich selbst in keiner Weise helfen konnte, der ständigen Betreuung von Pflegern bedurfte und sich dieser Situation auch völlig bewusst war.
- Eine nicht unvertretbare Fehlbeurteilung sah der Oberste Gerichtshof im Zuspruch eines Schmerzengeldes von ATS 1,8 Mio (= EUR 130.811,10) in der Entscheidung zu 10 Ob 86/01x bei einem infolge Sauerstoffmangels beim Geburtsvorgang praktisch bewegungsunfähigen Kind.
- Zu 7 Ob 281/02b wurde ein Schmerzengeld von EUR 150.000 für eine Querschnittslähmung mit völliger Lähmung der Beine und weitgehender Lähmung der oberen Gliedmaßen bei einem – hinsichtlich der Kopf- und Rumpfbeweglichkeit bereits deutlich eingeschränkten - 65jährigen, der dadurch rund um die Uhr der Pflege und Aufsicht bedurfte und unter starken, sehr schmerzhaften Muskelkrämpfen litt, als angemessen angesehen.
- In der Entscheidung 2 Ob 180/04s beurteilte der Oberste Gerichtshof ein Schmerzengeld von EUR 160.000,-- für die zum Unfallszeitpunkt 41 Jahre alte Klägerin als angemessen, die ein schwerstes Schädelhirntrauma mit Gehirnquetschung, Hirnödem, Mittelgesichtsfraktur, Nasenbeinfraktur, Abknicktrauma der Halswirbelsäule, Tetraspastik mit Verkürzung der Muskulatur, schwerste Gehbehinderungen und 100 % Minderung der Erwerbsfähigkeit ohne Besserungsaussicht erlitten hatte.
- In der Entscheidung 2 Ob 104/06t wurde ein Schmerzengeld von EUR 180.000,-- einem zwanzigjährigen Mann mit schwerem Schädelhirntrauma samt (nahezu) apallischem Syndrom (Wachkoma) mit Lähmung aller Extremitäten und ohne sprachliche Äußerungsmöglichkeit zugesprochen.
- In der Entscheidung 2 Ob 83/14s billigte der Oberste Gerichtshof ein Teilschmerzengeld von EUR 170.000,-- im Zusammenhang mit einer Klägerin, die von einem Traktoranhänger überrollt wurde und einen ausgedehnten Weichteilverlust vom Unterbauch bis zu den Oberschenkeln und zahlreiche Knochenbrüche im Beckenbereich erlitten hatte, die zahlreiche Operationen und Rehabilitationen, einen künstlichen Darmausgang und Rückoperation, Gefühllosigkeit im Unterleib und dauerhafte starke Schmerzen trotz starker Medikamente (mit dadurch verursachter Opiatabhängigkeit) sowie eine reaktive Depression und posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatten.
- Zu 2 Ob 175/14w hielt das Höchstgericht den begehrten Schmerzengeldbetrag von EUR 130.000,-- für angemessen, weil sich bei der dortigen Klägerin nach einer Reihe von zum Teil lebensbedrohlicher Verletzungen eine prinzipiell nicht heilbare sklerosierende Cholangitis (Gallenwegsentzündung) mit einem deutlichen Anstieg der Leberparameter entwickelte, die Klägerin eine neue Leber benötigte und die Problematik des ungewissen Wartens auf eine Spenderleber und die damit im Zusammenhang stehende ständige Todesangst besonders ins Gewicht fiel.
- In der Entscheidung 1 Ob 31/20w sah der Oberste Gerichtshof ein Schmerzengeld von EUR 180.000,-- im Fall einer Klägerin als gerechtfertigt an, die nach einem Narkosezwischenfall an einer gravierenden Mobilitätsbeeinträchtigung (multifaktorielles Immobilitätssyndrom mit beinahe völliger Immobilität) litt, die eine absolute Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit der Klägerin in allen Verrichtungen des täglichen Lebens zur Folge hatte, die Klägerin aufgrund des schädigenden Ereignisses massive, nicht beherrschbare Schmerzen (auch aufgrund diverser erforderlicher Operationen und Komplikationen) zu erleiden hatte und solche auch in Zukunft – bis an ihr Lebensende – zu ertragen haben wird, und es zu einer erheblichen Verunstaltung der Klägerin (hinsichtlich ihrer Bauchdecke) kam und sie auch psychisch stark beeinträchtigt wurde.
- In der Entscheidung des OLG Wien zu 13 R 92/07f wurde das Schmerzengeld mit EUR 100.000,-- ausgemittelt, wobei die Klägerin wegen eines zu spät erkannten und behandelten Kompartmentsyndroms samt dadurch verursachter kompletter Ischämie (vollständiges Unterbleiben der Blutzufuhr) und Amputation des Unterschenkels an starken Stumpf- und Phantomschmerzen litt, sich ein Nekroseareal ausgebildet hatte und eine akute Belastungsreaktion eingetreten war, womit insgesamt 65 Tage starke, 134 Tage mittelstarke, 291 Tage leichte sowie für die Zukunft ein Tag mittelstarke und sechs Tage leichte Schmerzen pro Jahr verbunden waren.
5. Die vom Kläger zitierten Entscheidungen betreffen damit ausnahmslos die Ausmittlung von Schmerzengeld in Fällen schwerster, meist lebenslanger körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen, die zu Schmerzengeldzusprüchen von weit mehr als den hier in Rede stehenden EUR 31.000,-- führten. Die Angemessenheit eines Schmerzengeldes im Zusammenhang mit Gesundheitsschädigungen infolge einer verspäteten Behandlung einer (schicksalshaften) Keiminfektion, die nach einer (lege artis durchgeführten) Operation zur Implantation einer Knietotalendoprothese aufgetreten ist, waren dabei nicht zu prüfen. Sie erlauben daher keinen Vergleich mit den allein auf die nicht lege artis, weil zu spät erfolgte Behandlung der Keiminfektion nach der Operation vom 19.7.2019 zurückzuführenden Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers. Der Kläger hat sich von diesen Beeinträchtigungen mittlerweile soweit erholt, dass das Erstgericht gerade keine bleibenden Dauerfolgen mehr feststellen konnte. Im Gegenteil wurde festgestellt, dass sich die neuropathischen Schmerzen durch den verspäteten Eingriff zwar verstärkten und zu weiteren 5 Tagen mittelstarken und 20 Tagen leichten Schmerzen führten, die in der Zukunft weiterbestehende Neuropathie aber nicht mehr vorfallskausal, sondern diabetogen begründet ist, und auch weiterbestehende Beschwerden aus der ursprünglich durch die Fehlbehandlung verursachten psychischen Beeinträchtigung (Anpassungsstörung) nicht mehr auf die Fehlbehandlung zurückzuführen sind. Damit waren aber – anders als in den zitierten Entscheidungen – keine vorhersehbaren künftigen Schmerzen aus der Fehlbehandlung zu berücksichtigen, sodass die Bemessung des Schmerzengeldes unter Orientierung an den in der Berufung nicht in Frage gestellten festgestellten Schmerzperioden nicht zu beanstanden ist.
Einen vergleichbaren Fall, bei dem die Valorisierung des als angemessen erachteten Schmerzengeldes zum vom Kläger gewünschten Ergebnis führen würde, zeigt die Berufung nicht auf.
6. Soweit der Kläger bei der Ausmittlung des Schmerzengeldes auch die Schädigung des Nervus peroneus communis durch den Muskellappentransfer und die daraus resultierende Dauerfolge der Gefühlsstörung im Bereich dieses Nervs sowie die Einschränkung in der allgemeinen Lebensführung, insbesondere bei sportlicher Betätigung berücksichtigt haben will, übersieht er, dass ungeachtet der im Arzthaftungsprozess geringeren Anforderungen an den Kausalitätsbeweis der Umstand, dass sich ein ursächlicher Zusammenhang mit der Fehlbehandlung nicht beweisen ließ, zu seinen Lasten als Geschädigter und nicht zu Lasten des beklagten Schädigers geht (8 Ob 58/24y). Auch die Negativ-Feststellung, es sei nicht feststellbar, zu welchem Anteil die Beeinträchtigung des Klägers noch heute in seiner allgemeinen Lebensführung, insbesondere bei sportlicher Betätigung, auf die Fehlbehandlung zurückzuführen oder Folge des Sowiesoverlaufs ist, reicht ähnlich wie eine Feststellung, die Verursachung könne nicht ausgeschlossen werden, trotz Beweiserleichterung nicht aus (RS0038222 [T5]).
Der vom Erstgericht zuerkannte Schmerzengeldbetrag hält sich daher im zu beurteilenden Einzelfall (RS0031075) im Ermessensspielraum und ist nicht zu beanstanden.
Der unberechtigten Berufung des Klägers war somit ein Erfolg zu versagen und das angefochtene Urteil war insoweit als Teilurteil zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
Der Bewertungsausspruch folgt der unbedenklichen Bewertung durch den Kläger. Der für die Zulässigkeit der Revision wesentliche Entscheidungsgegenstand ist immer der, über den das Berufungsgericht (insgesamt) erkannte, und zwar auch wenn das Berufungsgericht ein Teilurteil fällte und im Übrigen einen Aufhebungsbeschluss fasste ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 502 Rz 63 mwN, Lovre k in Fasching/Konecny 3§ 502 ZPO Rz 134; 2 Ob 145/01i; ähnl RS0042478, RS0042821).
Ausgehend von dem EUR 30.000,-- übersteigenden Entscheidungsgegenstand im Berufungsverfahren ist die ordentliche Revision nicht zulässig, da eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten war. Bloßen Ermessensentscheidungen – wie über die Höhe des Schmerzengeldes – kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042887 [T2]).
II. Berufung des Beklagten
1. Der Beklagte wendet sich in der allein ausgeführten Beweisrüge gegen die Feststellung, wonach sich aus unfallchirurgischer Sicht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen lasse, dass durch die Fehlbehandlung Spät- oder Dauerfolgen eintreten würden. Stattdessen wird die Ersatzfeststellung begehrt, wonach auch aus unfallchirurgischer Sicht Spät- oder Dauerfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen seien.
2. Der Beklagte bemängelt, dass das Erstgericht nicht begründet habe, auf welche Beweisergebnisse es die bekämpfte Feststellung stütze. Sollte sich das Erstgericht auf die Ausführungen des unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. G* in der mündlichen Verhandlung vom 14.2.2023 bezogen haben, wonach er - eine Fehlbehandlung vorausgesetzt – nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen könne, dass dadurch Spät- oder Dauerfolgen eintreten könnten, habe es übersehen, dass der Sachverständige später klargestellt habe, dass er als unfallchirurgischer Sachverständiger die Frage nach möglichen Spät- und Dauerfolgen unter der Annahme eines Behandlungsfehlers nicht beantworten könne, sondern diese Frage in das Fachgebiet der neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen falle (vgl. Gutachtensergänzung Protokoll ON 74.1,12). Die neurologisch-psychiatrische Sachverständige Mag. Dr. H* habe in ihrem Gutachten die Polyneuropathie aber als nicht unfallskausal beurteilt und demgemäß aus ihrem Fachgebiet auch sämtliche Spät- und Dauerfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.
3. Mit diesen Ausführungen macht der Beklagte nicht nur eine Unrichtigkeit der bekämpften Feststellung, sondern auch einen – dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zuzuordnenden (vgl Rechberger in Fasching/Konecny 3III/1 § 272 ZPO Rz 8) – Begründungsmangel geltend. Eine unrichtige oder unvollständige Bezeichnung der Rechtsmittelgründe gereicht dem Rechtsmittelwerber aber nicht zum Schaden, wenn die Rechtsmittelausführungen – wie hier – die Beschwerdegründe deutlich erkennen lassen (RS0041851).
3.1 Das Fehlen einer Beweiswürdigung ist ein Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO (RS0102004). Nach dieser Bestimmung sind die Umstände und Erwägungen, welche für die Überzeugung des Gerichtes maßgebend waren, in der Begründung der Entscheidung anzugeben. Die Begründungspflicht bezieht sich auf die objektiven Elemente der richterlichen Beweiswürdigung. Der Richter muss offen legen, aufgrund welcher Erfahrungssätze er zur Auffassung gelangt ist, die festgestellten Tatsachen seien für wahr zu halten ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 3§ 272 ZPO Rz 3). Das Gericht muss in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegen, warum es aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt, damit sowohl die Parteien, als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können (RS0040122 [T1]). Erst die Begründung macht die Beweiswürdigung überprüfbar ( Rechberger/Klicka aaO).
Ein Begründungsmangel liegt demnach vor, wenn dem angefochtenen Urteil nicht die Erwägungen zu entnehmen sind, die zu den getroffenen Feststellungen geführt haben, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich leichtfertig, oberflächlich oder willkürlich erfolgte bzw wenn sich das Erstgericht mit wesentlichen Verfahrensergebnissen überhaupt nicht auseinandergesetzt hat ( Delle-Karth , ÖJZ 1993, 18/19 mwN). Auch eine Begründung der Beweiswürdigung durch Leerformeln oder Kurialfloskeln kommt dem Mangel einer Begründung gleich ( Rechberger aaO Rz 8).
3.2 Das Erstgericht hat die bekämpfte Feststellung, wie der Beklagte zutreffend aufzeigt, nicht begründet. Es hat weder ausgeführt, dass es sich auf die Ausführungen des unfallchirurgischen Sachverständigen stützen wollte, noch hat es sich damit auseinandergesetzt, inwiefern der unfallchirurgische Sachverständige seine Ausführungen durch die spätere Klarstellung, die Frage nach möglichen Spät- und Dauerfolgen falle nicht in sein Fachgebiet, wieder relativierte und im Ergebnis widerrief. Warum das Erstgericht angesichts dieser Klarstellung dennoch davon ausging, der unfallchirurgische Sachverständige wäre dabei geblieben, auch allein aus unfallchirurgischer Sicht Spät- und Dauerfolgen nicht ausschließen zu können, ergibt sich aus der Beweiswürdigung damit nicht. Diese lässt sich daher mangels Kenntnis der Erwägungen des Erstgerichts nicht mit der erforderlichen Sicherheit überprüfen und erfüllt damit in diesem Punkt nicht die Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 272 Abs 3 ZPO.
4. Da die bekämpfte Feststellung somit auf keiner nachvollziehbaren Beweiswürdigung beruht, ist das Ersturteil mit einem erheblichen Begründungsmangel behaftet. Der Berufung des Beklagten war daher im Sinne des Aufhebungsantrags Folge zu geben.
5. Das Erstgericht wird zur Frage der Möglichkeit von Spät- und Dauerfolgen aus unfallchirurgischer Sicht neuerlich eine nachvollziehbar begründete Feststellung zu treffen haben. Ob es dazu einer weiteren Verhandlung und einer nochmaligen Ergänzung des Gutachtens durch den unfallchirurgischen Sachverständigen bedarf, bleibt der Beurteilung des Erstgerichts vorbehalten. Das fortgesetzte Verfahren hat sich auf diesen vom Begründungsmangel betroffenen Teil des erstgerichtlichen Verfahrens und Urteils zu beschränken. Alle anderen Streitpunkte sind als abschließend erledigt anzusehen (§ 496 Abs 2 ZPO).Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.