4R119/25i – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz) und Mag. a Zeiler-Wlasich sowie den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH Co KG , FN **, **, vertreten durch die Summereder Pichler Wächter Rechtsanwälte GmbH in Leonding, gegen die beklagte Partei B* , geboren am **, Landwirtin und Pensionistin, **, vertreten durch RA Dr. Franz P. Oberlercher RA Mag. Gustav H. Ortner Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Spittal an der Drau, wegen (eingeschränkt) EUR 25.200,00 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 12.600,00) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. April 2025, **-39, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.564,92 (darin EUR 260,82 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Thema des Berufungsverfahrens ist (nur mehr) der auf einen Alleinvermittlungsauftrag gestützte Anspruch der klagenden Immobilienmaklerin auf Zahlung einer (der Höhe nach unstrittigen) Maklerprovision gegenüber der beklagten auftraggebenden Verkäuferin für den letztlich gescheiterten Verkauf eines Grundstücks. Den Schwerpunkt der Berufung bildet die im Verkaufsfall von der Beklagten zu entrichtende Immobilienertragsteuer und deren Kenntnis von der Höhe dieser Steuer. Dem liegt folgender, im Berufungsverfahren nicht mehr strittiger Sachverhalt zugrunde [Hervorhebungen in Fett druck stammen vom Berufungsgericht]:
Die Beklagte ist Eigentümerin unter anderem der Liegenschaft EZ ** KG ** mit dem Grundstück Nr ** und einer Fläche von 3934 m², von der 3148 m² als Wohngebiet und 741 m² als für die Land- und Forstwirtschaft bestimmte Fläche gewidmet sind. Die Beklagte ging zunächst davon aus, dass die gesamte Liegenschaft eine Widmung als Bauland aufweise.
Für den beabsichtigten Verkauf dieses Grundstücks wandte sie sich an die Klägerin. In einem persönlichen Gespräch am 13. Juli 2021 legte eine Mitarbeiterin der Klägerin auf Nachfrage der Beklagten dar, dass sie eine Auskunft zur Immobilienertragsteuer nicht erteilen könne , sondern die Beklagte sich dafür an eine anwaltliche oder steuerrechtliche Vertretung wenden müsse . Die Beklagte erteilte der Klägerin noch am selben Tag schriftlich einen Alleinvermittlungsauftrag, in dem vertraglich Folgendes festgehalten bzw vereinbart wurde:
„Bezüglich steuerlicher Fragen (zb.: Immobilienertragsteuer ) beachten Sie bitte die Nebenkostenübersicht und wenden Sie sich an den Steuerberater . […]
2.5. Besondere Provisionsvereinbarung:
Bei fehlendem Vermittlungserfolg gebührt die vereinbarte Vermittlungsprovision zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer gemäß 15 Maklergesetz für folgende Fälle:
Die Mitarbeiterin der Klägerin übergab der Beklagten unter anderem eine Nebenkostenübersicht, in deren Punkt VI.1. Folgendes angeführt ist:
„1. Veräußerungs- und Spekulationsgewinn ( Immobilienertragsteuer ):
Gewinne aus der Veräußerung privater Liegenschaften werden ab 01.04.2012 unbefristet besteuert. Bei Immobilien, die nach dem 31.03.2012 veräußert werden, ist hinsichtlich der Besteuerung zwischen „steuerverfangenen Immobilien“, die ab dem 01.04.2002 (bzw. 01.04.1997) entgeltlich angeschafft wurden, und „Altfällen“ zu unterscheiden. [...]
HINWEIS: Vor allem bei vermieteten Immobilien kann die Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Regelfall nur im Zusammenwirken mit dem Steuerberater und Immobilienverwalter des Verkäufers ermittelt werden. [...]
- „Altfälle“: 4,2 % (bzw. 18 %) Steuer auf gesamten Kaufpreis
Bei einem letzten entgeltlichen Erwerb vor dem 01.04.2002 [...] wird pauschal der Veräußerungserlös (tatsächlicher erzielter Kaufpreis) besteuert. Unter der gesetzlich vorgegebenen Annahme eines Veräußerungsgewinnes von 14 % ergibt dies einen Steuersatz von 4,2 % vom Veräußerungserlös bzw. 18 % vom Veräußerungserlös, wenn seit dem 01.01.1988 eine Umwidmung stattgefunden hat. […]“
Die Beklagte erteilte den Alleinvermittlungsauftrag nicht unter der Voraussetzung, keine Immobilienertragsteuer vom Verkaufserlös zu entrichten.
Eine von der Klägerin namhaft gemachte Kaufinteressentin , eine GmbH mit dem Geschäftszweig „planende Baumeisterin“, stellte am 14. Jänner 2022 ein schriftliches Kaufanbot zu einem Preis von EUR 350.000,00, das die Beklagte am 29. Jänner 2022 annahm .
Sowohl zum Zeitpunkt der Erteilung des Alleinvermittlungsauftrags als auch zum Zeitpunkt der Annahme des Kaufanbots wusste die Beklagte, dass bei Grundstücksverkäufen grundsätzlich Immobilienertragsteuer anfallen kann .
Ein Notar, den die Beklagte zur Prüfung des ihr übermittelten Kaufvertragsentwurfs aufsuchte, teilte ihr in einem persönlichen Gespräch mit, dass es durch die beim Verkauf anfallende Immobilienertragsteuer zu einer Steuerbelastung von 4,2 % bzw 18 % des Kaufpreises je nach Widmung des Grundstücks kommen könne. Eine konkrete Bezifferung war ihm beim Erstgespräch mangels entsprechender Informationen nicht möglich. Die Beklagte ging zu diesem Zeitpunkt von einer Immobilienertragsteuer von 4,2 % des Kaufpreises aus . Mit Schreiben vom 26. April 2022 informierte der Notar die Beklagte, dass der gewidmete Teil des Grundstücks tatsächlich mit einem Steuersatz von 18 % des Kaufpreises, der damals ungewidmete Teil mit 4,2 % zu versteuern sei und dass bei Umwidmung durch den Käufer eine weitere Steuerlast von 18 % durch das Finanzamt vorgeschrieben werden würde.
Die Beklagte verweigerte die Unterfertigung des Kaufvertrags aufgrund der anfallenden Immobilienertragsteuer von 18 % , weshalb der Verkauf des Grundstücks letztlich scheiterte.
Nicht feststellbar ist, ob einer Veräußerung der Liegenschaft an die GmbH, insbesondere aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Geschäftsführers bzw der GmbH und mangels Widerspruchs gegen die allgemeinen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen oder wirtschaftlich leistungsfähiger bäuerlicher Betriebe, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt worden wäre.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten (nach einer Einschränkung) die Zahlung von EUR 25.200,00 samt Zinsen, darunter die im Berufungsverfahren nur mehr (dem Grunde nach) strittige Verkäuferprovisionvon EUR 12.600,00 samt Zinsen. Die Beklagte habe das Kaufanbot eines von der Klägerin namhaft gemachten Kaufinteressenten angenommen, wodurch der Kaufvertrag zustande gekommen und der Provisionsanspruch der Klägerin (3 % vom Kaufpreis von EUR 350.000,00 = EUR 10.500 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer iHv EUR 2.100,00) gemäß § 7 MaklerG entstanden sei. Selbst wenn kein verdienstlicher Vermittlungserfolg vorläge, schulde die Beklagte die Provision aufgrund der getroffenen besonderen Provisionsvereinbarung nach § 15 MaklerG. Die Beklagte habe nämlich in ungerechtfertigter Weise die Unterfertigung des notariellen Kaufvertrags verweigert. Über die Immobilienertragsteuer und deren Höhe sei die Beklagte schriftlich aufgeklärt worden; eine Mitarbeiterin der Klägerin habe ihr zudem explizit im Gespräch geraten, insoweit einen Steuerberater aufzusuchen. Einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung hätte der Verkauf nicht bedurft; selbst wenn eine solche benötigt worden wäre, wäre sie erteilt worden.
Die Beklagte wendet gegen die geltend gemachte Vermittlungsvergütung ein, dass die Klägerin keine Leistungen erbracht habe und ein Kaufvertrag mit der GmbH nicht rechtswirksam zustande gekommen sei. Dieses Rechtsgeschäft hätte angesichts der nicht gänzlichen Baulandwidmung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft, die nicht erteilt worden wäre. Für den Fall, dass ein Rechtsgeschäft mit der GmbH durch das Tätigwerden der Klägerin zustande gekommen sein sollte, wende sie insoweit eine kausale arglistige Irreführung durch die Klägerin ein. Sie ficht den Alleinvermittlungsauftrag - den sie der Klägerin nur unter der Voraussetzung erteilt habe, dass sie keine Immobilienertragsteuer zu zahlen habe - wegen listiger Irreführung bzw wegen eines wesentlichen Geschäftsirrtums an. Die Klägerin habe die von einer Grundstücksmaklerin zu erwartenden Aufklärungs- und Hinweispflichten massiv verletzt und sie im Wissen um ihre Unkenntnis hinsichtlich Steuerangelegenheiten in die Irre geführt. Hätte sie gewusst, welche Steuern anfielen, und wäre sie ordnungsgemäß und richtig auf die Immobilienertragsteuer von 18 % des Kaufpreises hingewiesen worden, hätte sie den Vermittlungsauftrag nicht erteilt. Auch das spätere Kaufanbot habe sie nur aufgrund der falschen - von der Klägerin listig herbeigeführten - Annahme unterzeichnet, dass der Käufer die Liegenschaft für die Dauer von zehn Jahren nicht bebauen würde und sie sie innerhalb dieses Zeitraums nutzen und bewirtschaften könne.
Mit der angefochtenen Entscheidung verpflichtet das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 12.600,00 samt Zinsen („Verkäuferprovision“) an die Klägerin und weist - insoweit rechtskräftig - das auf Schadenersatz gestützte Mehrbegehren von EUR 12.600,00 samt Zinsen („Käuferprovision“) ab. Es trifft die eingangs wiedergegebenen Feststellungen (im Detail Seiten 3 bis 7 des Urteils) und folgert bezogen auf den stattgebenden Teil rechtlich :
1. Der beabsichtigte Verkauf der Liegenschaft hätte der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft. Diese vom Gesetz vorgesehene „Rechtsbedingung“ stelle eine Suspensivbedingung für die Wirksamkeit des Vertrags dar.
2. Gemäß § 7 Abs 1 MaklerG entstehe der Provisionsanspruch des Maklers mit der Rechtswirksamkeit des Geschäfts. Im Falle einer aufschiebenden Bedingung entstehe der Provisionsanspruch erst mit deren Eintritt, hier mit Erteilung der behördlichen Genehmigung. Sei das vermittelte Geschäft aufschiebend bedingt und werde es vor Eintritt der Bedingung einvernehmlich aufgelöst, stehe dem Makler eine Provision nur bei absichtlicher Provisionsverhinderung oder bei Vorliegen einer Vereinbarung nach § 15 Abs 1 Z 1 MaklerG zu. Der Nachweis, dass die Bedingung eingetreten wäre, genüge nicht.
3. Nach § 15 Abs 1 MaklerG sei eine Vereinbarung, wonach der Auftraggeber auch ohne einen dem Makler zurechenbaren Vermittlungserfolg einen Betrag zu leisten habe, nur bis zur Höhe der vereinbarten oder ortsüblichen Provision und nur für den Fall zulässig, dass das im Maklervertrag bezeichnete Geschäft wider Treu und Glauben nur deshalb nicht zustande komme, weil der Auftraggeber entgegen dem bisherigen Verhandlungsverlauf einen für das Zustandekommen des Geschäfts erforderlichen Rechtsakt ohne beachtenswerten Grund unterlasse. Beachtenswerte Gründe für den Nichtabschluss des vermittelten Vertrags seien nach der Rechtsprechung etwa eine vorerst nicht geplante Änderung des Wohnorts infolge Berufswechsels, eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (Kündigung), eine Scheidung oder der Tod eines Angehörigen.
4. Zwischen den Streitteilen sei eine solche Vereinbarung nach § 15 Abs 1 Z 1 MaklerG getroffen worden. Zwischen der Beklagten und der GmbH sei zwar eine Willenseinigung über Kaufgegenstand und Preis zustande gekommen. Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrags sei aber gar nicht beantragt worden, weil die Beklagte den schriftlichen Kaufvertrag wegen der damit einhergehenden Belastung durch die Immobilienertragsteuer nicht unterzeichnet habe. Das sei kein beachtenswerter Grund für das Unterlassen der Unterfertigung des Kaufvertrags; diese Vorgehensweise der Beklagten sei entgegen dem bisherigen Verhandlungsverlauf erfolgt.
5. Weder ein arglistiges Verhalten der Klägerin noch ein Irrtum der Beklagten bei Abschluss des Alleinvermittlungsauftrags oder bei Annahme des Kaufanbots lägen vor.
Gegen den Zuspruch von EUR 12.600,00 samt Zinsen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel. Sie beantragt die Abänderung des Ersturteils in vollinhaltliche Klageabweisung, in eventu dessen Aufhebung im angefochtenen Umfang und insoweit die Zurückverweisung der Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht. Die Klägerin erstattet eine Berufungsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt .
1. Die Berufungswerberin argumentiert, es läge „keine Willenseinigung über Teilung“ [gemeint offenbar: Erteilung] „des Alleinvermittlungsauftrags oder der Erstattung des Verkaufsanbots“ vor. Da sie nicht in Kenntnis der Steuerbelastung von 18 % gewesen sei - insoweit begehrt sie ergänzend (allerdings nur) eine Negativfeststellung -, sei es ihr nicht möglich gewesen, Erklärungen abzugeben, die zu einer Willenseinigung geführt hätten. Ausgehend von einem „Dissens über die Höhe der Steuerbelastung“ sei es zu keinem wirksamen Vertragsabschluss (Alleinvermittlungsauftrag) zwischen den Streitteilen, zu keinem wirksamen Verkaufsanbot und zu keiner wirksamen Annahme des Kaufanbots der GmbH vom 14. Jänner 2022, sohin zu keinem Verhalten der Beklagten gekommen, welches provisionsauslösend zugunsten der Klägerin wäre. Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen:
2. Das Rechtsmittelgericht ist – trotz grundsätzlicher Pflicht zur allseitigen rechtlichen Beurteilung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (RIS-Justiz RS0043352) – bei Vorliegen mehrerer selbständig zu beurteilender Streitpunkte an eine Beschränkung der Rechtsmittelgründe gebunden (RS0043338; RS0043352 [insb T23, T26, T27, T30, T33]). Auch selbständige Einwendungen, auf die die Rechtsmittelwerberin nicht mehr zurückkommt, scheiden aus der Beurteilungspflicht des Rechtsmittelgerichts aus (RS0043338 [insb T15, T20, T32]; RS0043352 [insb T25, T30, T35 ua]; 1 Ob 166/24d [Rz 79]).
3. Im erstinstanzlichen Verfahren focht die Beklagte ihren Alleinvermittlungsauftrag an die Klägerin wegen deren listiger Irreführung bzw wegen eines von dieser veranlassten wesentlichen Geschäftsirrtums in Bezug auf die Immobilienertragsteuer an. Die Verneinung dieser Einwendungen durch das Erstgericht bekämpft sie in ihrer Berufung nicht, sodass das Berufungsgericht darauf nach den eben erwähnten Grundsätzen nicht einzugehen hat.
3.1. In ihrer Berufung meint die Beklagte erstmals, der Alleinvermittlungsvertrag zwischen ihr und der Klägerin sei wegen Dissenses über die Höhe der Steuerbelastung nicht wirksam zustande gekommen. Konsequenterweise sei auch ihre Annahme des Kaufanbots der von der Klägerin vermittelten GmbH nicht wirksam und es bestünde kein Provisionsanspruch der Klägerin.
Damit verstößt die Beklagte gegen die Bestimmung des § 482 Abs 1 ZPO, die die Erhebung neuer Einreden im Berufungsverfahren untersagt (vgl G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 482 ZPO Rz 10ff [Stand 9.10.2023, rdb.at]). Während die Regeln zu List und Irrtum (§§ 870ff ABGB) nämlich die Anfechtung eines zustande gekommenen Vertrags betreffen - also einen vorausgegangenen Konsens voraussetzen -, fehlt gerade dieser Konsens bei einem Dissens, sodass ein Vertrag von Anfang an nicht zustande kommen konnte (RS0014704).
3.2. Aber selbst wenn man in der im Berufungsverfahren erhobenen materiell-rechtlichen Einrede des Dissenses in Bezug auf den Alleinvermittlungsauftrag keinen Verstoß gegen das Neuerungsverbot, sondern bloß eine (zulässige) Änderung der rechtlichen Argumentation der Beklagten bei gleichen Tatsachenbehauptungen wie im erstinstanzlichen Verfahren (vgl G. Kodek aaO Rz 16) erblicken wollte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen:
3.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung liegt Dissens dann vor, wenn
° die Vereinbarung wegen des Offenbleibens von Hauptpunkten des Vertrags unvollständig ist,
° wegen der (äußerlichen) Unvereinbarkeit von Antrag und Annahme eine Diskrepanz der Erklärungen besteht oder
° das Vereinbarte trotz (äußerlicher) Übereinstimmung zwischen Antrag und Annahme objektiv mehrdeutig ist und von den Parteien jeweils anders ausgelegt wird (RS0014701; RS0014703).
Im konkreten Fall interessiert nur die dritte Möglichkeit von Dissens: Decken sich die Willenserklärungen äußerlich und umfassen sie alle wesentlichen Vertragspunkte, kann von einem versteckten Dissensnur bei objektiv mehrdeutigen oder unvollständigen Erklärungen bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten gesprochen werden, wobei der objektive Erklärungswert unter Umständen mit Hilfe der Auslegungsregeln zu ermitteln ist (2 Ob 40/05d; RS0014703). Maßgebend sind nicht die subjektiven Vorstellungen der Parteien, sondern es ist die Frage zu klären, ob die Willenserklärungen bei Beurteilung ihres objektiven Erklärungswerts taugliche Grundlage für einen Vertragsabschluss sein können. Nur wenn die Mehrdeutigkeit einer Erklärung auch im Wege der Auslegung nach den §§ 914f ABGB nicht beseitigt werden kann (RS0014704) und die Abweichung des beiderseitigen Vertragswillens (§ 869 ABGB) einen Hauptpunktbetrifft, kommt von Anfang an kein Vertrag zustande (2 Ob 40/05d mwN; RS0014701; RS0014704). Das ist hier nicht der Fall:
3.2.2. Zu den essentialia negotii des Maklervertrags gehört die Vermittlung eines Geschäfts gegen Provisionszusage ( Knittl/Holzapfel , Maklerrecht Österreich, 49; Fromherz, MaklerG § 1 Rz 28), nicht aber etwa der für das zu vermittelnde Geschäft zu zahlende Preis (4 Ob 102/15a ebenfalls zu einem Alleinvermittlungsauftrag an einen Immobilienmakler; Gartner/Karandi, MaklerG³ § 1 Rz 2 [Stand 1.7.2016, rdb.at]). Über die Hauptpunkte des Maklervertrags - also die Vermittlung des Verkaufs der (konkret bezeichneten) Liegenschaft(en) gegen Zahlung einer Provision im Verkaufsfall sowie in bestimmten Fällen auch bei fehlendem Provisionserfolg - waren sich die Parteien einig.
Die Höhe der bei Liegenschaftskaufverträgen von der Verkäuferin (im Regelfall) zu entrichtende Immobilienertragsteuer ist grundsätzlich kein Hauptpunkt des Maklervertrags. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren stellte das Erstgericht im konkreten Fall zudem - unbekämpft - fest, dass die Beklagte den Alleinvermittlungsauftrag nicht unter der Voraussetzung erteilte, keine Immobilienertragsteuer vom Verkaufserlös entrichten zu müssen (US 4 Mitte). Der Alleinvermittlungsauftrag kam daher zwischen den Streitteilen am 13. Juli 2021 gültig zustande. Der Einwand der Beklagten, es läge ein (versteckter) Dissens in Bezug auf die Höhe der Immobilienertragsteuer vor, weshalb der Maklervertrag nicht wirksam abgeschlossen worden wäre, ist schon mangels Bezugs zu einem Hauptpunkt nicht stichhältig.
3.3. Es liegt aber auch die (im erstinstanzlichen Verfahren) der Klägerin angelastete Pflichtverletzung in Bezug auf die Information der Beklagten zur Höhe der Immobilienertragsteuer von 18 % nicht vor:
Die Maklerin muss nach § 3 MaklerG die Interessen der Auftraggeberin redlich und sorgfältig wahren, widrigenfalls die Auftraggeberin nach Abs 4 leg.cit. - hier gar nicht gefordert - Schadenersatz und die Mäßigung des Provisionsanspruchsverlangen kann. Da die Immobilienmaklerin Sachverständige im Sinne des § 1299 ABGB ist, hat sie insbesondere alle wesentlichen allgemeinen Informationen über das Objekt zu erteilen (RS0109996 auch [T18]). Zu diesen wesentlichen Umständen gehören neben den Kosten der Vertragserrichtung etwa die Grunderwerbssteuer, die Eintragungsgebühr, die Dauerbelastung durch Kredite, Hypothekendarlehen, aber auch neben der Gesamtbelastung der effektive Jahreszinssatz, Anzahl, Höhe und Fälligkeiten der rückzuzahlenden Teilbeträge (RS0109996 [T11]). Die Maklerin wird die Verkäuferin (jedenfalls bei einem - hier nach der ungerügten rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts gar nicht vorliegenden - „Privatverkauf“), insbesondere im Hinblick auf die mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 neu eingeführte Grundstücksbesteuerung, auch auf die mögliche Besteuerung des Veräußerungsgewinns hinweisen müssen; keinesfalls muss die Maklerin aber die damit verbundenen - oftmals sehr komplexen - steuerlichen Fragen mit der Auftraggeberin erörtern ( Gartner/KarandiaaO § 3 Rz 26). Eine Aufklärungspflicht, die einer anwaltlichen Beratungstätigkeit gleichkommt, trifft die Maklerin nicht (RS0112587). Sie darf nur keine Informationen erteilen und Zusagen tätigen, die ihren Kenntnisstand übersteigen (RS0112587 [T9]).
Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts wusste die Beklagte bei der Unterzeichnung des Alleinvermittlungsauftrags am 13. Juli 2021, dass beim Verkauf ihrer Liegenschaft Immobilienertragsteuer anfallen kann. In der ihr damals übergebenen Mappe war eine Nebenkostenübersicht enthalten, die unter anderem die „steuerlichen Auswirkungen bei Veräußerung“, konkret die Immobilienertragsteuer und deren Höhe in verschiedenen Fallkonstellationen (Regelfall 30 %; „Altfälle“ 4,2 % bzw 18 % des gesamten Kaufpreises) beschrieb. Auf Nachfrage legte die Mitarbeiterin der Klägerin der Beklagten am 13. Juli 2021 dar, dass sie eine Auskunft zur Immobilienertragsteuer nicht erteilen könne und die Beklagte sich diesbezüglich an eine anwaltliche oder steuerliche Vertretung wenden müsse. Von diesem Sachverhalt ausgehend hat die Klägerin keine Informationspflichtverletzung zu verantworten.
4. Im Zusammenhang mit der Annahme des Kaufanbots der GmbH vom 14. Jänner 2022 durch sie am 29. Jänner 2022 unterstellte die Beklagte der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren listige Irreführung bezüglich der von ihr gewünschten Weiterbewirtschaftung des Grundstücks. Auch die Verneinung dieses Einwands durch das Erstgericht bekämpft sie in ihrer Berufung nicht, sodass das Berufungsgericht darauf nicht einzugehen hat (vgl Punkt 2 der Berufungsentscheidung).
Mit ihrem erstmals in der Berufung vorgetragenen Einwand, dass ein Dissens über die Höhe der Steuerbelastung (zwischen wem?) vorgelegen wäre, der zu keiner wirksamen Annahme des Kaufanbots der GmbH geführt hätte, verstößt die Beklagte gegen das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot (vgl Punkt 3.1. der Berufungsentscheidung).
5. Auf die von der Berufungswerberin angestrebte Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden könne, dass der Beklagten die steuerliche Belastung in der Höhe von 18 % Immobilienertragsteuer bekannt gewesen wäre , kommt es nach dem Vorgesagten weder für den Zeitpunkt des Abschlusses des Maklervertrags am 13. Juli 2021 noch für jenen der Annahme des Kaufanbots am 29. Jänner 2022 an.
6. Der Berufung der Beklagten ist aus den angeführten Gründen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 iVm § 41 ZPO.
7. Die ordentliche Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu beurteilen sind.