Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. I*, geboren * 2010, 2. M*, geboren * 2015, beide wohnhaft bei der Mutter C*, beide vertreten durch das Land Kärnten als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt-Land, Völkermarkter Ring 19, 9020 Klagenfurt am Wörthersee) wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters A*, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 17. Oktober 2024, GZ 1 R 187/24f-102, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 13. Mai 2024, GZ 2 Pu 256/17i-96, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die durch den Kinder- und Jugendhilfeträger vertretenen Minderjährigen beantragten, ihren Vater zu einer höheren Unterhaltsleistung zu verpflichten.
[2] Das Erstgericht gab diesem Antrag teilweise statt und verpflichtete den Vater zur Zahlung erhöhter Unterhaltsbeträge an seine Kinder. In der Begründung führte das Erstgericht – soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich – aus, dass der Vater freiwillig auf erzielbare Einnahmen aus Vermietung verzichte, weshalb der Anspannungsgrundsatz greife und die erzielbaren Mietzinse in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es verneinte die geltend gemachten, mit der behaupteten Verletzung einerseits des rechtlichen Gehörs andererseits des Untersuchungsgrundsatzes begründeten Rekursgründe der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Auch die Beweis- und die Rechtsrüge sah es als nicht berechtigt an.
[4] Das Erstgericht habe die erzielbaren Einnahmen aus der Vermietung zweier Objekte – entgegen der Behauptung des Rekurswerbers – zu Recht zur Gänze der Bemessungsgrundlage hinzugerechnet. Der Vater sei zwar nur zu 3/4 Eigentümer dieser Liegenschaft, die weitere Miteigentümerin habe ihm aber ihren Miteigentumsanteil auch in diesem Sinn zur freien Nutzung überlassen. Den Einwand, im Fall der Berücksichtigung fiktiver Mieteinnahmen sei eine fiktive Einkommensteuer von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, habe der Rekurswerber im Verfahren vor dem Erstgericht nicht ausreichend konkret erhoben.
[5] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verpflichtung zur ziffernmäßigen Darlegung einer fiktiven Steuerlast und zur Frage, ob im Falle der Berücksichtigung fiktiver Mieteinnahmen in der vorliegenden Größenordnung überhaupt eine fiktive Einkommensteuer von der Bemessungsgrundlage abzuziehen wäre, fehle.
[6] Der – von den Minderjährigen unbeantwortet gelassene – Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen demden Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig und zurückzuweisen.
[7] 1.1. Der Vater begründet die Zulässigkeit und die Berechtigung seines Revisionsrekurses damit, dass die Vorinstanzen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu Unrecht zwar die fiktiven Einnahmen aus der möglichen Vermietung, nicht aber die diesfalls zu entrichtende Einkommensteuer berücksichtigt hätten. Zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Frage, ob bei der Anspannung eines Unterhaltspflichtigen um erzielbare Mietzinse für tatsächlich nicht vermietete Wohnungen die erzielbaren Brutto- oder aber Nettoerträge (vermindert um die abzuführende Einkommensteuer) heranzuziehen sind, bestehe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die Lösung der Vorinstanzen widerspreche jedenfalls der ständigen Rechtsprechung, wonach die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes nie zu fiktiven Ergebnissen führen dürfe, die Anspannung also kein Einkommen zum Ergebnis haben dürfe, das der Unterhaltspflichtige tatsächlich nie erzielen könne.
[8] 1.2. Das Rekursgericht begründete die Richtigkeit der Außerachtlassung der fiktiven Steuerlast des Vaters durch das Erstgericht – entgegen dem Verständnis des Revisionsrekurswerbers – nicht primär damit, dass im Fall der Berücksichtigung fiktiver Mieteinnahmen die fiktive Einkommensteuer aus materiell rechtlichen Gründen nicht zu berücksichtigen sei. Das Erstgericht habe die (fiktive) Steuerlast vielmehr schon deshalb zu Recht nicht ermittelt und von der Bemessungsgrundlage abgezogen, weil der Vater dazu in erster Instanz kein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstattet habe. Das Rekursgericht begründete auch die Zulassung des Revisionsrekurses damit, dass zur Frage der Verpflichtung zur ziffernmäßigen Darlegung einer fiktiven Steuerlast keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiere.
[9] 1.3. Auch im Außerstreitverfahren sind subjektive Behauptungsund Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RS0006261 [T1]; vgl RS0008752). In Detailfragen der Unterhaltsbemessung hat daher grundsätzlich der Unterhaltspflichtige die für seinen Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen ausreichend zu behaupten und zu beweisen (RS0106533; RS0008752 [T6]); für alle seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände ist demnach der Unterhaltspflichtige behauptungs- und beweispflichtig (RS0111084 [T1]; RS0006261 [T6, T8]); das gilt insbesondere für die Abzugsfähigkeit bestimmter Positionen (RS0106533 [T2]).
[10]Diese Grundsätze brachte der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt auch im Zusammenhang mit Fragen der Steuerpflicht des Unterhaltsschuldners zur Anwendung (6 Ob 186/14t [Steuern aus Schwarzzahlung]; 2 Ob 193/14t [Absetzbarkeit von Betriebsausgaben]; 4 Ob 146/24k [Erklärung der „sonstigen steuerfreie Bezüge“]).
[11] 1.4.Die Frage, ob der Unterhaltspflichtige seiner qualifizierten Behauptungspflicht ausreichend entsprochen hat, betrifft die Auslegung seines Prozessvorbringens. Damit ist sie eine Frage des Einzelfalls, der in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (RS0042828). Gegenteiliges würde im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11, T31]; RS0044273 [T53]).
[12]Eine solche Fehlbeurteilung zeigt der Vater in seinem Revisionrekurs schon deshalb nicht auf, weil er der Beurteilung des Rekursgerichts, wonach er kein ausreichend spezifiziertes Vorbringen zu seiner fiktiven Steuerlast erstattet habe, gar nicht entgegen tritt. Auf die diesbezüglichen Erwägungen des Rekursgerichts und die vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung als erheblich bezeichnete Frage der Verpflichtung zur ziffernmäßigen Darlegung einer fiktiven Steuerlast geht der Revisionsrekurs vielmehr gar nicht ein. Selbst wenn das Rekursgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, dass der Revisionsrekurs zur Klärung dieser bestimmten Rechtsfrage zulässig sei, ist das an den Obersten Gerichtshof gerichtete Rechtsmittel zurückzuweisen, wenn diese Rechtsfrage darin nicht angesprochen wird und nur Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0102059).
[13] 1.5.Ausgehend vom Fehlen eines ausreichend substanziierten Vorbringens und damit dem Fehlen eines entsprechenden Einwands des mit der Behauptungspflicht belasteten Unterhaltsschuldners erübrigt sich die Auseinandersetzung mit der vom Revisionsrekurswerber sowie vom Rekursgericht (als zweite) aufgeworfenen Frage, ob im Fall der Berücksichtigung fiktiver Mieteinnahmen (bei Beträgen in der „gegenständlichen Größenordnung“) eine fiktive Einkommensteuer von der Bemessungsgrundlage abzuziehen wäre. Diese Frage ist hier bloß theoretischer Natur und daher nicht erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0111271). Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]).
[14] 2.1.Der Revisionsrekurs des Vaters zeigt auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[15] 2.2.Die Ausführungen in der Rechtsrüge in Bezug auf das Gebrauchs- und Verfügungsrecht des Vaters über die gesamte vermietbare Liegenschaft entfernen sich von den Tatsachenfeststellungen, so wie sie das Rekursgericht versteht. Die Auslegung der Feststellungen im Einzelfall wirft dabei in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0118891). Eine auffallende, aus Gründen der Rechtssicherheit oder Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Vater in seinem Revisionsrekurs nicht auf.
[16] 2.3.Der in der Rechtsrüge erhobene Einwand, den Vater treffe an der Unterlassung der Vermietung kein Verschulden, war nicht Gegenstand der Rechtsrüge im Rekursverfahren. Diese selbstständige Rechtsfrage ist daher im Revisionsrekursverfahren nicht zu prüfen (vgl RS0043338 [T13, T27]; RS0041570 [T8]; RS0043352 [T33]).
[17]Abgesehen davon hat das Erstgericht (disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung) festgestellt, dass der Vater mit der Konsequenz eines Nachteils für seine Kinder „freiwillig auf erzielbare Mieteinnahmen“ verzichte. Eine Anspannung auf ein tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf zwar nur erfolgen, wenn der Unterhaltspflichtige zumindest leicht fahrlässig einen Einkommensmangel herbeiführt (RS0047495 [T18]). Soweit ein Unterhaltsschuldner in Kenntnis seiner Verpflichtung zur Zahlung von Geldunterhalt auf erzielbare Mieteinnahmen verzichtet, liegt eine derartige leichte Fahrlässigkeit aber jedenfalls vor (vgl 2 Ob 246/09d).
[18] 2.4. Unter den Rechtsmittelgründen der Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht der Revisionsrekurswerber die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend. Das Erstgericht habe im Zusammenhang mit der Frage der Nutzung der vermietbaren Objekte durch seinen Vater Abfragen aus dem zentralen Melderegister sowie dem Register des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger eingeholt und in der Entscheidung verwertet, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
[19]Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten schweren Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können grundsätzlich auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint worden sind (RS0121265). Dies gilt insbesondere für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG (RS0121265 [T4]). Die Anfechtbarkeit setzt allerdings voraus, dass die Entscheidung darüber von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt (5 Ob 109/23z). Eine solche zeigt der Revisionsrekurs hier aber nicht auf.
[20]Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs wirkt im außerstreitigen Verfahren nicht absolut; sie ist vielmehr nur dann wahrzunehmen, wenn sie zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RS0120213 [T8, T17, T20, T22]). Um diese Prüfung vornehmen zu können, muss der Rechtsmittelwerber daher die Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes einigermaßen konkret aufzeigen (RS0120213 [T15]). Der Rechtsmittelwerber hat darzulegen, welches konkrete (zusätzliche) Vorbringen er erstattet bzw welche konkreten (weiteren) Beweismittel er angeboten hätte, wäre er dem Verfahren erster Instanz umfassend beigezogen worden (RS0120213 [T9]). Er hat auch aufzuzeigen, welche konkrete Auswirkung dies auf die Entscheidung gehabt hätte; für die Entscheidung unerhebliches Vorbringen muss nicht gehört werden (RS0120213 [T10]).
[21]Die Frage, ob der Rechtsmittelwerber die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des rechtlichen Gehörs ausreichend konkretisiert hat, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828) und hat daher grundsätzlich keine über den einzelnen Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung (5 Ob 67/20v). Gegenteiliges würde wiederum nur im Fall einer im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Rekursgerichts gelten.
[22]Eine solche zeigt der Vater in seinem Revisionsrekurs nicht auf. Die ausführlich begründete Beurteilung des Rekursgerichts, dem Vater sei es nicht gelungen, die Relevanz der unterlassenen Zustellung der auf einen Zeugen bezogenen Abfragen aus dem Zentralen Melderegister und dem Register des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger für die Entscheidung aufzuzeigen, ist in diesem Sinn nicht zu beanstanden (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[23] 2.5. Als weiteren Verfahrensmangel rügt der Revisionsrekurswerber, dass das Erstgericht nicht von Amts wegen Erhebungen zu allfälligen, die erzielbaren Mieteinnahmen reduzierenden Instandhaltungs- und Sanierungskosten für die Mietobjekte gepflogen habe.
[24]Diesen nicht unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG subsumierbaren Stoffsammlungsmangel hat schon das Rekursgericht verneint; die darauf gestützte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz kann daher aufgrund der klaren gesetzlichen Anordnung in § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht mehr im Revisionsrekurs geltend gemacht werden (RS0121265 [T12]; RS0030748; RS0050037).
[25] 3.Der Revisionsrekurs war daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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