1Ob97/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei M*, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 626.480 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Mai 2025, GZ 14 R 8/25m 72, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Oktober 2024, GZ 31 Cg 15/23p 59, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Die Nebenintervenientin als Pflegschaftsrichterin bestellte mit Beschluss vom 18. 2. 2016 für die im Jahr 1929 geborene, an Demenz erkrankte Adoptivmutter des Klägers (in der Folge: Betroffene) deren Ehemann zum einstweiligen Sachwalter. Hintergrund waren dessen Angaben vor Gericht, dass infolge der Pflegebedürftigkeit der Betroffenen sämtliche Ersparnisse aufgebraucht seien und daher die in deren Alleineigentum stehende Liegenschaft samt dem darauf errichteten und von den Eheleuten seit 1992 gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zu verkaufen sei. Die Betroffene habe schon zu Beginn ihrer Demenzerkrankung geäußert, immer im Haus wohnen bleiben zu wollen. Mit Beschluss vom selben Tag bestellte die Nebenintervenientin einen vom Ehemann namhaft gemachten Rechtsanwalt zum Kollisionskurator für den in Aussicht genommenen Liegenschaftsverkauf, weil auch dem Ehemann (einstweiligen Sachwalter) ein Wohnrecht eingeräumt werden sollte (Beilage ./C). Am 10. 3. 2016 legte ihr der Kollisionskurator einen Kaufvertrag über die Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 378.000 EUR zur Genehmigung vor. Dabei wurde auf ein eingeholtes „Wertermittlungsgutachten“ Bezug genommen, nach dem von einem Liegenschaftswert von 502.000 EUR abzüglich eines Betrags von 124.000 EUR für das von der Käuferin den Eheleuten eingeräumte lebenslange Wohnrecht auszugehen sei. Über Aufforderung der Nebenintervenientin wurde das Gutachten am 25. 3. 2016 nachgereicht, das – wie darin offengelegt – der Ehemann, vertreten durch den späteren Kollisionskurator, bereits im November 2015 in Auftrag gegeben hatte. Als Zweck des (zum Bewertungsstichtag 23. 11. 2015 erstatteten) Gutachtens war die „Ermittlung des Verkehrswerts der Liegenschaft … zu Bilanzierungszwecken“ angegeben. Unter „Punkt III. Verfahrenswahl“ wurde ausgeführt: „Durch die Absicht des Erwerbers der gegenständlichen Liegenschaft, diese zu vermieten, kommt in Folge das Ertragswertverfahren zur Anwendung. Der Liegenschaftswert wird durch nachhaltige sowie wertgesicherte erzielbare Mieten bestimmt.“ Die gewählte Bewertungsmethode war für die Ermittlung des Verkaufswerts der selbst genutzten Liegenschaft mit Einfamilienhaus nicht geeignet.
[2] Mit Beschluss vom 29. 3. 2016 erteilte die Nebenintervenientin dem vorgelegten Kaufvertrag die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.
[3] Am 2. 6. 2016 bestellte sie den Ehemann zum (endgültigen) Sachwalter für alle Angelegenheiten der Betroffenen.
[4] Am 3. 8. 2016 gab der Ehemann beim Pflegschaftsgericht zu Protokoll, er habe das Haus mit der Betroffenen gemeinsam errichtet und bewirtschaftet und wünsche daher, dass ihm die Hälfte des Kaufpreises von 189.000 EUR zugesprochen würde. Er sei nur deshalb nicht im Grundbuch als Miteigentümer einverleibt gewesen, weil er als Einzelunternehmer das Risiko habe vermeiden wollen, im Fall einer Insolvenz das Haus zu verlieren.
[5] Die Nebenintervenientin trug dem Ehemann daraufhin auf, (nur) den auf die Betroffene entfallenden Hälftebetrag des Kaufpreises mündelsicher zu veranlagen.
[6] Nach dem Tod der Betroffenen am 8. 1. 2020 wurde dem Kläger (als Testamentserben) ihr Nachlass zur Gänze eingeantwortet.
[7] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von zuletzt 626.480 EUR sA. Die Betroffene habe vom Wert der Liegenschaft von 1.340.000 EUR nur einen Teilbetrag von 189.000 EUR erhalten. Zuzüglich der Kosten für ein eingeholtes Gutachten ergebe sich ein Vermögensschaden der Betroffenen von insgesamt 1.151.480 EUR, von dem die vom Kollisionskurator und von der Verfasserin des „Wertermittlungsgutachtens“ aufgrund einer vergleichsweisen Einigung zwischenzeitig geleisteten Schadenersatzzahlungen von 525.000 EUR abzuziehen seien. Der Nebenintervenientin sei insbesondere vorzuwerfen, dass sie den Liegenschaftskaufvertrag pflegschaftsgerichtlich genehmigt habe, obwohl ihr hätte auffallen müssen, dass der im „Wertermittlungsgutachten“ angegebene Verkehrswert wegen der gewählten ungeeigneten Bewertungsmethode nicht dem tatsächlichen Wert der Liegenschaft entsprochen hätte. Außerdem sei die Vorgangsweise, die Hälfte des Kaufpreises auf bloße Aufforderung dem Ehemann zu überlassen, obwohl die Betroffene Alleineigentümerin der Liegenschaft gewesen sei, unvertretbar gewesen.
[8] Die Beklagte und die Nebenintervenientin bestreiten. Die Nebenintervenientin habe richtig, jedenfalls aber vertretbar gehandelt. Eine fachliche Beurteilung des vorgelegten „Wertermittlungsgutachtens“ sei ihr weder möglich noch zumutbar gewesen. Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Ehemanns, auf die sie sich hätte verlassen dürfen, sei ihm auch die Hälfte des Kaufpreises zu überlassen gewesen.
[9] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren – mit Ausnahme der mittlerweile rechtskräftigen Abweisung von 480 EUR sA für Gutachterkosten – statt. Der Kläger sei hinsichtlich der bereits zu Lebzeiten im Vermögen der Betroffenen eingetretenen Schäden in Höhe von 626.000 EUR, die auf ihn als Gesamtrechtsnachfolger übergegangen seien, aktiv klagelegitimiert. Selbst wenn man die Vorlage eines Privatgutachtens für ausreichend erachtete, hätte die Nebenintervenientin bei entsprechender Aufmerksamkeit erkennen müssen, dass das vorgelegte Gutachten für die Ermittlung des Verkaufswerts untauglich gewesen sei, zumal der dort angegebene Zweck an den tatsächlichen Erfordernissen vorbeigegangen sei. Unverständlich und jedenfalls unvertretbar rechtswidrig sei auch die Überlassung der Hälfte des vereinnahmten Kaufpreises an den Ehemann, der nicht einmal behauptet habe, über einen Titel für seine Forderung zu verfügen.
[10] Über Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin wies das Berufungsgerichtdas Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
[11] Der Nebenintervenientin hätte nach dem maßgeblichen Sorgfaltsmaßstab eines durchschnittlichen Pflegschaftsrichters als in Fragen der Liegenschaftsbewertung fachlich laienhafter Person nicht auffallen müssen, dass und gegebenenfalls warum und inwiefern die vom Sachverständigen angewandte Liegenschaftsbewertungsmethode im vorliegenden Fall nicht geeignet bzw unrichtig gewesen sein sollte. Immerhin sei in dem als „Wertermittlungsgutachten betreffend den Verkehrswert“ bezeichneten Gutachten als Zweck auch „Ermittlung des Verkehrswerts der Liegenschaft“ angegeben worden, wobei der „Verkehrswert der gegenständlichen mit einem Wohnrecht belastenden Liegenschaft“ mit 378.000 EUR beziffert worden sei.
[12] Einer Amtshaftung im Zusammenhang mit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Kaufvertrags sei mangels irgendeiner Unvertretbarkeit des Organverhaltens schon dem Grunde nach der Boden entzogen.
[13] Dasselbe gelte auch in Ansehung der Überlassung des halben Kaufpreises von 189.000 EUR an den Ehemann der Betroffenen. Die Nebenintervenientin habe dessen Angaben bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbar als lebensnah und glaubwürdig beurteilen und ihm sachlich begründet innerhalb ihres Ermessensspielraums die Hälfte des Kaufpreises als Ausgleichszahlung für seine sehr plausiblen Aufwendungen überlassen dürfen.
[14] Gegen dieses Urteil wendet sich die – nach Freistellung von der Beklagten und der Nebenintervenientin beantwortete – außerordentliche Revision des Klägers , die auf eine Klagestattgebung abzielt.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die außerordentliche Revision ist zulässig , weil die Beurteilung des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf; sie ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt .
[16] 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Amtshaftungsprozess nicht zu prüfen, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern nur, ob es auf einer vertretbaren Gesetzesauslegung bzw Rechtsanwendung beruhte (RS0049955 [T2, T8, T22] ). Eine unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsauffassung vermag keinen Amtshaftungsanspruch zu begründen ( RS0049955 [T1]; RS0050216 ). Das Abweichen von einer klaren Rechtslage oder ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung, das nicht erkennen lässt, dass es auf einer sorgfältigen Überlegung beruht, ist allerdings in der Regel unvertretbar (RS0049969 [T1] ;RS0049912 [T1] ; ua).
[17] Die Frage nach der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und bildet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt ( RS0110837 ).
[18] 2. Letzteres ist hier der Fall, weil das Berufungsgericht die Handlungen der Nebenintervenientin im Anlassverfahren in unvertretbarer Weise als vertretbar beurteilt hat.
[19]2.1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auf die Vorgänge im Anlassverfahren die Bestimmungen vor dem 2. ErwSchG, BGBl I Nr 59/2017, anwendbar sind, und zwar insbesondere die §§ 223, 275 Abs 3 ABGB aF über die Veräußerung von unbeweglichem Gut iVm § 132 AußStrG.
[20]2.2. Aus § 21 Abs 1 ABGB ist eine umfassende Fürsorgepflicht des Gerichts für Minderjährige und andere Pflegebefohlene abzuleiten ( 1 Ob 30/92 =RS0009078). Zu den Aufgaben des Pflegschaftsgerichts gehört es auch, die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters der unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehenden Personen zu überwachen sowie die Gesetzmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit der von ihm getroffenen oder in Aussicht genommenen Rechtshandlungen zu prüfen. Das Pflegschaftsgericht hat auch selbst innerhalb seines Aufgabengebiets das Wohl der seinem Schutz anvertrauten Personen und deren Interessen in jeder Weise zu wahren ( 7 Ob 36/11m Pkt 3.1 mwN). Die Verletzung dieser Pflichten kann Amtshaftungsansprüche zur Folge haben (vgl RS0005755 ).
[21] Es trifft zwar zu, dass der Schutzzweck der Bestimmungen über die Fürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichts die Sicherung des Pflegebefohlenen vor Nachteilen für seine Person und sein Vermögen ist, sodass der Erbe aus einer durch Verletzung dieser Pflicht verursachten Schmälerung seines Erbes keine Amtshaftungsansprüche gegen den Bund ableiten kann. Der Erbe kann aber – wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat – Amtshaftungansprüche geltend machen, die schon dem Erblasser, für den ein Sachwalter (jetzt Erwachsenenvertreter) bestellt war, erwachsen waren ( RS0050064 ).
[22] 2.3. Nach§ 275 Abs 2 ABGB aF (siehe nunmehr § 258 Abs 4 ABGB) hatte der Sachwalter in wichtigen, die Person des Pflegebefohlenen betreffenden Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichts einzuholen. § 275 Abs 3 ABGB aF übernahm insbesondere durch Verweis auf § 214 Abs 2 iVm § 167 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013 die Genehmigungspflicht von Maßnahmen im außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb, wo zu auch die Veräußerung einer Liegenschaft (eines Liegenschaftsanteils) gehört (vgl 1 Ob 199/15v Pkt 2.3) .
[23]Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur dann genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit seinem Wohl entspricht. Diese Voraussetzung ist in der Regel nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (RS0048176). Es sind aber nicht nur allein materielle Gesichtspunkte maßgebend, sondern auch die Interessen und Wünsche des Pflegebefohlenen, seine Befindlichkeit und seine konkreten Lebensumstände zu berücksichtigen (RS0048176 [T16]).
[24]Nach § 223 iVm § 275 Abs 3 ABGB aF (nunmehr iVm § 258 Abs 3 ABGB) darf ein unbewegliches Gut nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des Pflegebefohlenen veräußert werden. Diese Frage muss das Gericht nach seinem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilen. Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend muss dabei ein strenger Maßstab angelegt werden, um das unbewegliche Vermögen des Betroffenen zu erhalten ( RS0081749 [T3]). Ein Notfall liegt dann vor, wenn die Veräußerung unvermeidlich ist, etwa wenn ansonsten der Unterhalt der betroffenen Person nicht mehr bestritten werden könnte ( 4 Ob 46/19x Pkt 3.2; 4 Ob 232/19zPkt 2.2). Richtig hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass vor allem bei älteren Menschen auch ein vorsichtiger Verbrauch des Vermögens zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung dem Wohl des Betroffenen besser dienen kann als eine weitere Vermehrung (RS0117512). Zu 1 Ob 199/15v (Pkt 3.) billigte der Senat in einem Amtshaftungsverfahren die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Genehmigung eines Liegenschaftsverkaufs unvertretbar gewesen sei, weil das Pflegschaftsgericht trotz Fehlens der materiellen Bewilligungsvoraussetzungen davon ausgegangen war, dass die Veräußerung zum offenbaren Vorteil der betroffenen Person erfolgte.
[25] 2.4. Mag daher im vorliegenden Fall auch der Verkauf der im Alleineigentum der Betroffenen stehenden Liegenschaft gegen Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts zulässig gewesen sein, um weiterhin die 24 Stunden Betreuung der Betroffenen in ihrer gewohnten Umgebung sicherstellen zu können, was mangels näherer Feststellungen zu dessen Alternativlosigkeit nicht abschließend beurteilt werden kann, kann daraus entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht abgeleitet werden, dass die Höhe des Kaufpreises „sachlich gerechtfertigt völlig in den Hintergrund“ treten durfte. Die Nebenintervenientin war – nur weil ein Verkauf geboten war – keinesfalls von ihrer Pflicht entbunden, im Interesse der Betroffenen einen angemessenen Kaufpreis sicherzustellen, zumal ja Ziel des Verkaufs war, den Unterhalt und die Betreuung der Betroffenen für die Zukunft zu gewährleisten. Eine Rechtfertigung für einen weit unter dem Verkehrswert liegenden Verkauf lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ein – allenfalls – notwendiger Verkauf ganz besonders dringlich war.
[26]Davon ausgehend traf die Nebenintervenientin aber auch die Pflicht, im Genehmigungsverfahren nach § 132 AußStrG den Verkehrswert der Liegenschaft zu ermitteln, um beurteilen zu können, ob der Verkauf zum offenbaren Vorteil der Betroffenen erfolgte. In diesem Zusammenhang begnügte sie sich mit dem vorgelegten Privatgutachten, ohne die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des vorgelegten Gutachtens näher zu überprüfen. Dazu wäre sie aber umso mehr verpflichtet gewesen, als das Gutachten vom Ehemann der Betroffenen, der damals – wie im Privatgutachten offengelegt wurde – vom späteren Kollisionskurator vertreten wurde, bereits vor Einschaltung des Pflegschaftsgerichts in Auftrag gegebenen worden war. Von der Verpflichtung, das Bewertungsgutachten auf seine Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit zu kontrollieren, entbindet die Pflegschaftsrichterin auch der Rechtssatz nicht, dass die Auswahl der Bewertungsmethode grundsätzlich dem Sachverständigen obliegt (vgl RS0109006 ). Hätte die Nebenintervenientin geprüft, ob das eingeholte Privatgutachten den vereinbarten Verkaufspreis rechtfertigt, hätte ihr auffallen müssen, dass dieses Gutachten fragwürdig war: So war dessen Zweck mit „zu Bilanzierungszwecken“ angegeben, womit – wie festgestellt – nahe lag, dass es „für steuerliche Belange bzw Kapitalmarktfragen geeignet“ war. Schließlich war darin auch von der „Absicht des Erwerbers der gegenständlichen Liegenschaft, diese zu vermieten“ die Rede, sodass „das Ertragswertverfahren zur Anwendung“ komme. Damit stellte das Gutachten ausdrücklich nur auf die Interessen eines speziellen Erwerbers ab, der offenbar bei Einholung des Gutachtens schon feststand, nicht aber auf das für das Pflegschaftsgericht maßgebliche Interesse der betroffenen Person (Verkäuferin). Aus Sicht der Verkäuferin handelte es sich bei dem (weiterhin) selbst bewohnten Einfamilienhaus ja um kein Investitionsobjekt. All dies hätte die Nebenintervenientin zum Anlass nehmen müssen, den ausgewiesenen „Verkehrswert“ zu hinterfragen. Aufgrund des zumindest Zweifel erweckenden Privatgutachtens wären weitere Erhebungen durch die Nebenintervenientin geboten gewesen, die sie pflichtwidrig nicht durchgeführt hat. Entgegen ihrer Meinung durfte sie nicht ohne Weiteres von der Richtigkeit des Gutachtens ausgehen.
[27] Ob die Nebenintervenientin das vorgelegte Privatgutachten gelesen hat oder nicht, kann dahingestellt bleiben, weil sie es unterlassen hat, eine taugliche Sachverhaltsgrundlage für die Genehmigung des Liegenschaftsverkaufs zu ermitteln, und damit dem strengen Maßstab nicht gerecht wurde, den die Rechtsprechung an den Verkauf von unbeweglichem Vermögen von Betroffenen anlegt. Ihr Vorgehen beruhte auf keiner sorgfältigen Überlegung und kann daher nicht mehr als vertretbar beurteilt werden.
[28] 2.5. Das gilt auch für ihre Entscheidung, dem Ehemann die Hälfte des Kaufpreises zu überlassen.
[29]Der Ehemann der Betroffenen behauptete gegenüber dem Pflegschaftsgericht keinen Titel und auch keinen konkreten Rechtsgrund für die auf die Kaufpreishälfte erhobene Forderung. Die langjährige Ehe, auf die das Berufungsgericht verweist, rechtfertigt die Forderung nicht und ist allein auch kein ausreichendes Indiz für ihre Berechtigung. Wenn das Berufungsgericht von einer „Ausgleichszahlung für seine sehr plausiblen Aufwendungen“ und „plausiblem wirtschaftlichen Eigentum“ des Ehemanns spricht, übersieht es, dass er gegenüber dem Pflegschaftsgericht weder aufschlüsselte noch nachvollziehbar zur Darstellung brachte, welche seiner Mittel und Ersparnisse in den Bau und die Erhaltung des Hauses geflossen sein sollen. Die Nebenintervenientin unterließ es auch, seine Angaben in irgendeiner Form – etwa durch Einsichtnahme in Rechnungen und Kontobewegungen – zu überprüfen. Da sich die Interessen zwischen der Betroffenen und ihrem Ehemann als Sachwalter in Ansehung der Überlassung von 189.000 EUR evident widerstritten, hätte sie zudem nach § 271 Abs 1 ABGB aF (nunmehr § 277 Abs 2 ABGB) jedenfalls einen Kollisionskurator für die Betroffene zu bestellen gehabt (vgl RS0048982), und zwar eigens für die vom Sachwalter gegen die Betroffene geltend gemachten Ansprüche. Der mit dem Verkauf der Liegenschaft beauftragte Kollisionskurator war nicht mit dieser Aufgabe betraut und wäre angesichts der Tatsache, dass er im Vorfeld als Rechtsvertreter des Sachwalters tätig war, wie sich aus dem vorgelegten Gutachten ergab, hierfür auch ungeeignet gewesen.
[30] Die ohne ausreichende Rechts- und Sachverhaltsgrundlage und ohne Beiziehung eines Kollisionskurators getroffene Entscheidung der Nebenintervenientin war bei pflichtgemäßer Überlegung keinesfalls mehr vertretbar.
[31] 3. Das Handeln der Nebenintervenientin im Anlassverfahren war daher rechtswidrig und unvertretbar, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, ohne dass es noch auf die weiteren vom Kläger in der Revision behaupteten Vorwürfe ankommt. Dennoch kommt eine Wiederherstellung des Ersturteils nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht die Beweisrüge der Beklagten und die Verfahrens- und Beweisrüge der Nebenintervenientin zum tatsächlichen Liegenschaftswert und dessen Realisierbarkeit sowie zu allfälligen „Ersparnissen“ des Klägers (als Gesamtrechtsnachfolger der Betroffenen) unerledigt ließ. Damit fehlt es an einer gesicherten Sachverhaltsgrundlage, um die Höhe des Amtshaftungsanspruchs des Klägers beurteilen zu können.
[32] 4. Der Revision ist daher Folge zu geben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.
[33]5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.