34R35/25m – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht fasst durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Julia Kömürcü-Spielbüchler und Dr. Verena Pottmann-Danhel in der Rechtssache der Klägerin Mag. S** K**, N***gasse **, **** Wien, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wider den Beklagten A** R**, S***gasse **, **** Wien, vertreten durch Mag. Helfried Schaffer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen Besitzstörung, über den Rekurs der Klägerin gegen den Endbschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 31.3.2025, 18 C 470/24f-17, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Endbeschluss wird dahingehend abgeändert, dass er lautet:
„1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin dadurch, dass er Erdbarbeiten an dem ihm zur Nutzung überlassenen Liegenschaftsteils *** der Liegenschaft EZ **** KG **** durchführte, den ruhigen Besitz der Klägerin gestört hat.
2. Der Beklagte ist schuldig, jede weitere derartige oder ähnliche Störung zu unterlassen.
3. Hingegen werden die Begehren,
es möge festgestellt werden, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin dadurch, dass er auf der ihm zur Nutzung überlassenen Liegenschaftsteils einen Kran aufgestellt habe, den ruhigen Besitz der Klägerin gestört und er sei schuldig, dies künftig unterlassen, sowie
der Beklagte sei schuldig, den vorigen Zustand hinsichtlich der Grabungsarbeiten wiederherzustellen in eventu eine Baugruben-Hinterfüllung gemäß ÖNORM B 16907-1 Tab B.4.5., eine fachgerechten Baugruben-Verdichtung gemäß ÖNORM EN 16907 Tab. B 1, einen Einbruch von Schütt-Lagen und eine abflusswirksamen Drainage am Fußpunkt des Stützbauwerkes herzustellen, abgewiesen .
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten dessen mit 409,44 Euro bestimmte Kosten des Verfahrens (darin 68,24 Euro Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten dessen mit 112,27 Euro bestimmte Kosten des Rekursverfahrens (darin 18,71 Euro Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO).
Begründung:
Text
Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien Döbling. Laut Benützungsregelung ist jedem der Streitteile ein genau bezeichneter Teil zur alleinigen Benützung zugewiesen und können die jeweils den Miteigentümern zur alleinigen Benützung zugewiesenen Flächen von den jeweils Benützungsberechtigten so benützt werden, als wäre diese in ihrem Alleineigentum stehend.
Die Klägerin ist weiters Alleineigentümerin einer angrenzenden Liegenschaft.
Der Beklagte ist weiters Alleineigentümer einer anderen angrenzenden Liegenschaft.
Mit der gegenständlichen Besitzstörungsklage begehrte die Klägerin zuletzt die Feststellung, der Beklagte habe dadurch, dass er Erdarbeiten hinsichtlich des ihm zur Nutzung überlassenen Liegenschaftsanteils durchgeführt und einen Kran aufgestellt habe, den ruhigen Besitz der Klägerin gestört. Er sei schuldig, jede weitere derartige oder ähnliche Störung zu unterlassen und binnen 14 Tagen den vorherigen Zustand wiederherzustellen, in eventu, den durch eine Baugrubenhinterfüllung, eine fachgerechte Baugruben-Verdichtung, Einbruch von Schütt-Lagen sowie eine abflusswirksame Drainage am Fußpunkt des Stützbauwerkes.
Sie brachte dazu vor, Hangrutschungen drohten nicht nur auf dem der Klägerin überlassenen Teil der Liegenschaft, sondern auch auf der in ihrem Alleineigentum stehenden angrenzenden Liegenschaft. Da durch den Kran auch in den Luftraum angrenzender Miteigentümer eingedrungen werde, bestehe die Gefahr, dass angrenzende Nachbarn die Klägerin als Miteigentümerin der Liegenschaft für diese Störungen und daraus resultierende Beschädigungen in Anspruch nähmen. Der Beklagte habe den Sachbesitz und den Rechtsbesitz der Klägerin (die bisherige Gebrauchsordnung) gestört. Die Arbeiten seien ohne Vorliegen einer Baubewilligung im Schutzgebiet „Wald und Wiese“ unter Verstoß gegen baupolizeiliche Vorschriften und gegen das Wiener Naturschutzgesetz erfolgt. Die Klägerin sei von einem Mitarbeiter der Baupolizei telefonisch informiert worden, dass sie als als Miteigentümerin mit einer Verwaltungsstrafe zu rechnen und die Wiederherstellung des früheren Zustandes durchzuführen habe. Durch das Aufstellen des Krans und der damit Hand in Hand gehenden Beeinträchtigung des Luftraums über dem Grundstück der Klägerin sei ebenfalls eine Besitzstörung gegeben. In der Folge gab die Klägerin bekannt, dass der Beklagte nach Zustellung der Besitzstörungsklage die Baugrube zugeschüttet habe. Das Aufschütten sei nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Der Beklagte hielt dem entgegen, er habe geringfügige Erdarbeiten unter Verwendung einer Baumaschine durchgeführt. Ein Kran sei auf dem ihm zur Alleinnutzung überlassenen Grundstücksteil niemals aufgestellt worden. Zu einem Überschwenken des der Klägerin zugewiesenen Grundstücksteils oder eines ihrer weiteren Grundstücke sei es daher nie gekommen. Der erst nach Einbringung der Klage auf dem Grundstück des Beklagten aufgestellte Kran überschwenke ausschließlich Grundstücke von Eigentümern, die einer Überschwenkung zugestimmt hätten. Grundstücke der Klägerin seien nicht betroffen. Sämtliche Arbeiten seien im Rahmen der erteilten Baubewilligung erfolgt. Die geringfügige Geländeveränderung sei wieder rückgängig gemacht. Eine Besitzstörung sei nicht erfolgt, zumal die Klägerin im Zuge der Benützungsvereinbarung hinsichtlich des dem Beklagten überlassenen Teil der Liegenschaft sämtliche aus dem Eigentumsrecht abgeleiteten Rechte an den Beklagten übertragen habe.
Mit dem angefochtenen Endbeschluss wies das Erstgericht die Klage ab.
Es stellte fest, dass die Parteien entsprechend der Benutzungsvereinbarung die ihnen überlassenen Grundstücksteile bislang jeweils so genutzt hätten, als stünden diese in ihrem jeweiligen Alleineigentum.
Der Beklagte plane, auf der in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaft die Errichtung eines Einfamilienhauses. Im Zuge der Umsetzung des Bauvorhabens habe ein Bauunternehmen Anfang Juni 2024 auf der Liegenschaft eine mit Kleinbohrpfählen gesicherte Baugrube errichtet und die Löcher dafür mit einem Bohrturm ohne Schwenkarm senkrecht nach unten gegraben, der sich zwischen den Pfählen bewegt habe und ausschließlich auf der Liegenschaft des Klägers zum Einsatz gekommen sei. Weder in den Luftraum des der Klägerin zur alleinigen Nutzung überlassenen Teils der im Miteigentum stehenden Liegenschaft noch in den Luftraum der im Alleineigentum der Klägerin stehenden Liegenschaft sei eingegriffen worden.
Die Baugrube hätte lediglich auf der Liegenschaft des Beklagten errichtet werden sollen, doch hätten die Bauarbeiter im Juni 2024 aufgrund eines Fehlers auch auf einem Stück des dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassenen Teils der im Miteigentum stehenden Liegenschaft gegraben. Zwischen Mitte Juni und August 2024 sei die von den Grabungsarbeiten betroffene Fläche auf dem dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassenen Teil der der im Miteigentum stehenden Liegenschaften von Mitarbeitern es Bauunternehmens wieder aufgefüllt, planiert und begrünt worden.
Die Arbeiten in Zusammenhang mit der Baugrubenerrichtung hätten etwa 14 Tage gedauert. Dass es zu Lärm- und Staubimmissionen gekommen wäre, die über das ortsübliche Maß oder über das mit einer Baustelle üblicherweise verbundene Maß hinausgegangen wären, könne nicht festgestellt werden. Dass die Klägerin durch den von der Baustelle ausgehenden Lärm und Staub in der ortsüblichen Nutzung ihrer Grundstücke wesentlich beeinträchtigt worden wäre, sei nicht feststellbar.
Durch die Bauarbeiten sei weder dem der Klägerin zur Alleinnutzung überlassenen Teil der im Miteigentum stehenden Liegenschaft noch dem Haus der Klägerin auf ihrer Liegenschaft die erforderliche Stütze entzogen worden. Es sei zu keinem Verbruch des Bodens und zu keinen Hangrutschen auf diesen Liegenschaften gekommen. Zu einem kleinräumigen Verbruch des Bodens sei es auf dem dem Beklagten zur Alleinnutzung überlassenen Teil der Liegenschaft gekommen, nachdem die von den Grabungsarbeiten betroffene Fläche auf dem dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassenen Teil der im Miteigentum stehenden Liegenschaft von Mitarbeitern des Bauunternehmens wieder planiert und begrünt gewesen sei. Dass sich der bereits vor Juni 2024 bestehende Riss hinter der Steinstiege auf dem der Klägerin zur Alleinnutzung überlassenen Teil durch die Bauarbeiten vergrößert habe, stehe nicht fest. Weitere Arbeiten seien auf dem dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassenen Teil nicht durchgeführt worden. Ein Kran sei dort nicht aufgestellt worden.
Nach Einbringung der Besitzstörungsklage durch die Klägerin am 19.6.2024 sei auf der im Alleineigentum des Beklagten stehenden Liegenschaft ein Kran aufgestellt worden, der nur Lufträume von Grundstückseigentümern überschwenkt habe. Grundstücke im Eigentum der Klägerin seien davon nicht betroffen gewesen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, es sei zu keiner Besitzstörung gekommen.
Dass ein Hangrutsch bzw. Bodenverbruch drohe, könne mittels Besitzstörungsklage nicht geltend gemacht werden, wenn noch keine Störung erfolgt sei. Die Möglichkeit einer vorbeugenden Besitzstörungsklage werde verneint. Mitbesitz werde nur durch Besitzentziehung oder Störung der bisherigen Gebrauchsordnung gestört. Im vorliegenden Fall sei eine Besitzentziehung nicht erfolgt und auch keine Änderung der Gebrauchsordnung, weil die Parteien entsprechend der im Jahr 2011 getroffenen Benutzungsvereinbarung die ihnen überlassenen Grundstücksteile bislang jeweils so genutzt hätten, als stünden sie in ihrem Alleineigentum. Die Gefahr, dass die Klägerin schadenersatzrechtlich von Eigentümern der benachbarten Grundstücke in Anspruch genommen werde und für etwaige Verwaltungsstrafen hafte, stelle keine Besitzstörung dar.
Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin . Sie strebt eine Klagsstattgebung an und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Im Rahmen der Beweisrüge wendet sich die Klägerin gegen die Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Mitarbeiter der Baupolizei „zunächst die Klägerin betreffend der erstatteten Anzeige kontaktierte“. Das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass der Mitarbeiter primär die Klägerin betreffend die zu erstattende Anzeige kontaktiert habe. Bekämpft wird weiters die Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass es durch die Erdaushubarbeiten auf den im Miteigentum stehenden Liegenschaftsanteilen zu Lärm- und Staubemmissionen auf der der Klägerin zur Alleinnutzung überlassenen Liegenschaft und auf der im Alleineigentum der Klägerin befindlichen Liegenschaft gekommen sei, die über das ortsübliche Maß oder über das mit einer Baustelle üblicherweise verbundene Maß hinausgingen. Das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass es zu Lärm- und Staubimmissionen gekommen sei, die über das ortsübliche Maß hinausgegangen seien.
Die Beweiswürdigung ist beim Endbeschluss grundsätzlich unanfechtbar; wegen der Ausgestaltung des Rekursverfahrens als bloßes Aktenverfahren können nämlich vom Erstgericht aufgenommene Beweise im Rekursverfahren nicht wiederholt werden; eine Rekursverhandlung ist nicht vorgesehen; der Umwürdigung vom Erstgericht aufgenommener Beweise ohne Wiederholung steht aber der Unmittelbarkeitsgrundsatz entgegen (stRsp: LGZ Wien, 34 R 103/22g uva; Kodek in Fasching/Konecny³ III/2 § 459 ZPO Rz 65).
Das Erstgericht traf die bekämpften Feststellungen auf Grund der Aussagen der Klägerin und von Zeugen, sodass die Beweiswürdigung auf unmittelbaren Wahrnehmungen des Erstgerichts beruht und vom Rekursgericht nicht überprüft werden kann.
Einen Verfahrensmangel erblickt die Klägerin darin, dass der beantragt gewesene Lokalaugenschein nicht durchgeführt wurde. Im Rahmen des Lokalaugenscheins hätte das Erstgericht festgestellt, dass durch die Erdaushubarbeiten und die Aufstellung des Bohrturms massive Störungen aufgetreten seien, Hangrutschungen gedroht hätten und Emissionen aufgetreten seien. An Ort und Stelle hätte das Erstgericht erkannt, dass die Beilage ./G die im Miteigentum befindlichen Liegenschaft betreffe und nicht die im Alleineigentum des Beklagten befindliche Liegenschaft.
Es trifft zu, dass die Klägerin einen Lokalaugenschein beantragt hat. Dies zum Beweis dafür, dass der Beklagte auf dem ihm zur Alleinnutzung überlassenen Teil der Liegenschaft einen Kran montieren habe lassen, wodurch die Gefahr bestehe, dass an den Gebäudeteilen der Baulichkeit der Klägerin durch die Krankschwenkungen und durch Baumaterial Schäden entstehen könnten; dass es durch diesen Kran und die damit durchzuführenden Arbeiten zu Emissionen in Form von Lichtbeeinträchtigungen und Lärm auf dem zur Nutzung der Klägerin überlassenen Teil der Liegenschaft komme (ON 1 Seite 4); dass der Beklagte gegen die Bestimmungen des Naturschutzgesetzes verstoße und durch den aufgestellten Kran in den Luftraum angrenzender Miteigentümer eingedrungen werde, sodass die Gefahr bestehe, dass die angrenzenden Nachbarn die Klägerin als Miteigentümerin für diese Störungen und daraus resultierende Beschädigungen in Anspruch nehmen würden; diese fühlten sich auch durch die Bauarbeiten am gegenständlichen Grundstück massiv gestört und befürchteten ebenfalls Hangrutschungen (ON 1 Seiten 5 f); dass eine Störung des Rechtsbesitzes der Klägerin vorliege, die von der Baubehörde kontaktiert und über eine mögliche Verwaltungsstrafe informiert worden sei; sowie dass die Klägerin von der Naturschutzbehörde und von Nachbarn in Anspruch genommen werden könne (ON 1, Seite 7).
Mit Schriftsatz ON 4 vom 16.9.2024 gab die Klägerin jedoch bekannt, dass der Beklagte nach Zustellung der Besitzstörungsklage den Kran entfernt und die Baugrube zugeschüttet habe. Demnach wäre ein Lokalaugenschein nicht mehr zielführend gewesen. Ob Hangrutschungen drohen, kann im Rahmen eines Lokalaugenscheins ohne Sachverständige nicht beurteilt werden. Zum Beweis dafür, dass die Beilage ./G die im Miteigentum befindliche Liegenschaft betreffe, war der Lokalaugenschein nicht angeboten.
Ein Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
Als aktenwidrig bekämpft wird die Feststellung, dass der Bohrturm ausschließlich auf dem Grundstück des Beklagten zum Einsatz gekommen sei. Aufgrund der Angaben der Klägerin, wonach sie gesehen habe, dass der Bohrturm auf dem im Miteigentum stehenden Liegenschaftsanteil gestanden sei, und aufgrund des Fotos Beilage ./G hätte das Erstgericht feststellen müssen, dass der Bohrturm auf der im Miteigentum stehenden Liegenschaft gestanden sei, die dem Beklagten zur Alleinnutzung zustehe.
Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS-Justiz RS0043347). Die Aktenwidrigkeit besteht in einem entscheidungswesentlichen Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und dem zu ihrer Begründung angeführten Beweismittel (RS0043284).
Einen solchen Widerspruch legt die Rekurswerberin nicht dar. Eine Aktenwidrigkeit ist nicht erkennbar. Die Ausführungen im Rekurs sind als Beweisrüge anzusehen. Insoweit das Erstgericht die Klägerin vernommen hat und die Beweiswürdigung im angefochtenen Beschluss auf unmittelbaren Wahrnehmungen des Erstgerichts beruht, kann sie vom Rekursgericht nicht überprüft werden. Dem Foto Beilage ./G kann das Rekursgericht nicht entnehmen, auf welchem Grundstück der Bohrturm stand. Angemerkt sei, dass die Rekurswerberin folgende Aussage des Zeugen Ritzal nicht berücksichtigt: „Die auf Beilage./G ersichtliche Maschine ist aber nicht auf dem Grundstück gestanden, das im Miteigentum der Parteien steht, sondern ist auf dem Grundstück gestanden, das im Alleineigentum des Beklagten ist und wo sich auch die eigentliche Baugrube befindet. Der Teil des Grundstücks, das im Miteigentum der Parteien steht und das dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, ist ja erhöhter und es wäre gar nicht möglich da eine Maschine hinzustellen. Über Befragung durch die KV: Wenn mir vorgehalten wird, dass die Klägerin beobachtet habe, dass die Maschine, welche auf Beilage ./G ersichtlich ist auf dem im Miteigentum stehenden Grundstück und dort auf dem Teil, das dem Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, gestanden ist, gebe ich an, dass das nicht möglich ist. Es ist nämlich so, dass die Maschine zwar beweglich ist, aber sie fährt von einem Pfähler zum anderen. Auf dem dem Beklagten zur Alleinnutzung überlassenen Liegenschaftsanteil befinden sich gar keine Pfähler“. (Das bloße vorübergehende Abstellen eines Bohrturms auf dem Teil der im Miteigentum stehenden Liegenschaft, der dem Beklagten zur Alleinnutzung zusteht, wäre im Übrigen keinesfalls als Besitzstörung zu werten.)
Das Rekursgericht übernimmt den vom Erstgericht als erwiesen angesehenen Sachverhalt. Von diesem ausgehend ist die Rechtsrüge teilweise berechtigt.
Nach dem diesbezüglich übereinstimmenden Vorbringen sind die Streitteile Miteigentümer der Liegenschaft. Nach der Grundkonzeption des § 833 ABGB ist bei Miteigentum von einem gemeinschaftlichen Sachbesitz der Miteigentümer auszugehen ( Klausberger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB 3 § 833 ABGB Rz 3; RS0124236).
Der Sachbesitz der Klägerin ging dadurch, dass dem Beklagten ein Teil der Liegenschaft zur exklusiven Benutzung überlassen wurde, nicht verloren; vielmehr blieb sie mittelbare Sachbesitzerin dieses Liegenschaftsteils; der Kläger, welcher allein die Gewahrsame über die ihm exklusiv überlassenen Liegenschaftsteil hat, vermittelt ihr die Sachherrschaft. Der Besitzwille der Miteigentümer als Mitbesitzer erstreckt sich nämlich auch bei exklusiver Zuweisung des Sachgebrauchs an einzelne Miteigentümer immer auf die gesamte Sache ( Klausberger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB 3 § 833 ABGB Rz 5; H. Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGB ON 1.03 § 833 Rz 5).
Ob die Parteien darüber hinaus infolge der Benützungsvereinbarung zusätzlich Rechtsbesitz haben (so offenbar 2 Ob 155/08w [ErwG 6]; aA mit überzeugender Begründung H. Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.03 § 833 Rz 6; Klausberger a aO Rz 10) muss hier nicht beurteilt werden. Jedenfalls sind sie Sachmitbesitzer der gesamten Liegenschaft.
Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte, wird Mitbesitz durch Besitzentziehung oder Störung der bisherigen Gebrauchsordnung oder Gebrauchsart gestört ( Holzner in Rummel/Lukas, ABGB 4 § 339 ABGB Rz 9 mwN), wenn also ein Mitbesitzer dem anderen durch die Störung in der bisherigen Gebrauchsart den Besitz an der gemeinschaftlichen Sache gänzlich oder teilweise entzieht ( Kodek in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.04 § 339 Rz 12 mwN).
Liegt – wie hier – eine Benützungsvereinbarung (Gebrauchsordnung) vor, ist die Frage einer allfälligen Besitzstörung anhand derselben zu beurteilen, also ob der Mitbesitzer die Sache entgegen der Vereinbarung nutzte.
Nach der vorliegenden Benützungsvereinbarung durften die Miteigentümer die ihnen zur alleinigen Benützung zugewiesenen Flächen so benützen, als stünden diese in ihrem Alleineigentum. Dass der Wortlaut dieser Vereinbarung überschießend ist, ergibt sich bereits aus der Überlegung, dass ein Alleineigentümer sein Eigentum auch zerstören darf (§ 362 ABGB), während grundsätzlich nicht angenommen werden kann, dass einem Mitbesitzer durch eine Benützungsregelung ein solches Recht eingeräumt wird. Die Reichweite der einem Mitbesitzer eingeräumten Sondernutzungsrechte ist daher durch Auslegung festzustellen (vgl H. Böhm/Palma in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.03 § 828 Rz 5 unter Verweis auf 5 Ob 41/18t).
Wurde einem Mitbesitzer von den übrigen Mitbesitzerin der physische Besitz an Teilen der Sache exklusiv überlassen, wird nach allgemeinen Verständnis einer solchen Benützungsregelung davon auszugehen sein, dass er in gewissen Grenzen auch ein Recht zur (baulichen) Veränderung der Sache hat (zum Miteigentum: RS0013205 [T8]). Eine solche Benützungsregelung ist grundsätzlich dahin auszulegen, dass die übrigen Mitbesitzer eine Vorwegzustimmung im Hinblick auf etwaige (bauliche) Veränderungen gegeben haben; die Vorwegzustimmung greift aber dann nicht, wenn die Veränderung wichtige Interessen der übrigen Teilhaber berühren würde (vgl zur Regelung zwischen Miteigentümern: Klausberger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB 3 § 828 ABGB Rz 32).
Im vorliegenden Fall wurden durch die vom Beklagten veranlassten Grabungsarbeiten wichtige Interessen der Klägerin berührt. Die Grabungen waren – wie sich aus den als richtig zugestandenen Fotos (Beilagen ./E und ./F) sowie aus den in der gutachterlichen Stellungnahme (Beilage ./H) enthaltenen Fotos ergibt – metertief, führten trotz Wiederauffüllung zu einem Verbruch des Bodens (Beilage ./H, Foto 1) und fanden unbestritten im Schutzgebiet „Wald- und Wiesengürtel“ statt, sodass die Gefahr bestand, die Klägerin werde einem Verwaltungsstrafverfahren ausgesetzt. Bei verständiger Auslegung der Benützungsvereinbarung ist auszugehen, dass die Klägerin durch die Einräumung einer exklusiven Benutzung eines Liegenschaftsteils nicht auch die Vorwegzustimmung zu Veränderungen ihrer Liegenschaft erteilte, die mit der Gefahr dieser nachteiligen Konsequenzen verbunden waren. Demnach liegt eine Störung des Sachmitbesitzes der Klägerin vor.
§ 339 ABGB gewährt im Fall einer Besitzstörung einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Störungen. Dieser setzt auch im Besitzstörungsverfahren Wiederholungsgefahr voraus ( Holzner in Rummel/Lukas, ABGB 4 § 339 ABGB Rz 17 mwN). Die Beweislast für die Wiederholungsgefahr trägt der Kläger, wobei allerdings aus dem Umstand, dass bereits eine Störung stattgefunden hat, regelmäßig geschlossen werden kann, dass auch weitere Störungen drohen, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen (vgl RS0037661). Dem Störer steht zwar offen nachzuweisen, dass seinem Verhalten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (vgl RS0012087). Ein entsprechendes Vorbringen erstattete der Beklagte allerdings nicht. Dazu kommt, dass die Wiederholungsgefahr im Allgemeinen schon dann angenommen wird, wenn der Störer – wie hier der Kläger – im Prozess auf dem Standpunkt steht, keine Besitzstörungshandlung begangen zu haben und keine Gewähr für das zukünftige Unterlassen des inkriminierten Verhaltens besteht (vgl RS0012055; RS0012064 [T14]; Kodek in Fasching/Konecny 3 III/2 § 454 ZPO Rz 96).
Das Unterlassungsbegehren bezüglich der Grabungsarbeiten besteht daher zu Recht, weshalb der Endbeschluss insofern abzuändern war.
Hingegen wies bereits das Erstgericht hinsichtlich des geltend gemachten Wiederherstellungsanspruchs zutreffend darauf hin, dass es sich dabei nach inzwischen überwiegender Auffassung um einen Unterfall des Beseitigungsanspruchs handelt, der sich nicht auf den Ausgleich des eingetretenen Nachteils, sondern auf Ausschaltung der Störungsquelle richtet (vgl LGZ Wien, 34 R 176/22t mwN = RWZ0000230; RLE0000037; Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³, § 339 Rz 158 ff). Denn während bei der Entziehung einer körperlichen Sache, die den Kernbereich des § 345 ABGB darstellt, eine „Wiederherstellung“ durch Herausgabe unproblematisch ist, weil eine Rückgabe ohne besondere Kosten möglich und auch leicht einer allfälligen späteren Korrektur im Petitorium zugänglich ist, zumal sie die dingliche Rechtsstellung des Berechtigten idR unangetastet lässt ( Kodek in Fasching/Konecny 3 III/2 § 454 ZPO Rz 103), stellt sich bei anderen Formen der Besitzstörung, etwa – wie hier - der reinen Sachbeschädigung, das Problem, dass mit einer „Zurücksetzung in die vorige Lage“ oftmals erhebliche Kosten verbunden sind. Dies ist insofern problematisch, weil der im Besitzstörungsverfahren unterlegene Störer im Petitorium zu Recht geltend machen könnte, ein Recht zu der vorgenommenen Handlung zu haben (was auf Grund des vorläufigen Charakters der Entscheidung im Besitzstörungsverfahren möglich ist: vgl RS0041645; RS0041648). Der erkennende Rechtsmittelsenat hat sich daher der auf Kodek (Besitzstörung, 456) zurückgehenden Auffassung angeschlossen, dass außerhalb des Kernbereichs des § 345 ABGB ein possessorischer Wiederherstellungsanspruch nach § 346 (analog) ABGB nicht besteht, wenn dessen Erfüllung mit erheblichen Kosten oder der endgültigen Vernichtung erheblicher wirtschaftlicher Werte verbunden wäre (LGZ Wien 34 R 176/22t mwN = RWZ0000230; so bereits 34 R 89/18t; RLE0000037). Die von der Klägerin behaupteten Kosten für die von ihr begehrte „fachgerechte“ Wiederherstellung von knapp 12.000 Euro sind erheblich, weshalb das Erstgericht das Wiederherstellungbegehren zu Recht abwies.
Dem Rekurs war daher nur teilweise Folge zu geben.
Die Abänderung des Endbeschlusses macht eine neue Kostenentscheidung notwendig. Diese beruht auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin machte zwei unterschiedliche Unterlassungsbegehren (Grabungsarbeiten und Kran) sowie ein Wiederherstellungsbegehren (bzgl der Grabungen) geltend. Das Feststellungsbegehren hat nach zutreffender Ansicht nur klarstellende Bedeutung und ist daher nicht notwendig ( Kodek in Fasching/Konecny 3 III/2 § 454 ZPO Rz 201; LGZ Wien, EFSlg 41.706); es hat insbesondere keinerlei Besitzschutzfunktion (LGZ Wien, EFSlg 57.774; LGZ Graz, 3 R 160/24g uva) und ist daher für das Ausmaß des Obsiegens nicht relevant (im Ergebnis ebenso: LG Salzburg, 22 R 15/12b). Da die Beklagte nur mit einem der beiden Unterlassungsbegehren durchdrang, während sie mit dem anderen sowie dem Wiederherstellungsbegehren unterlag, obsiegte sie nur mit rund einem Drittel; sie hat daher dem Beklagten ein Drittel seiner Vertretungskosten zu ersetzen und hat im Gegenzug Anspruch auf ein Drittel der von ihr getragenen Pauschalgebühr. Ein anteiliger Ersatz der Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Privatgutachten steht der Klägerin nicht zu, weil dieser Aufwand nicht notwendig war und auch nicht bescheinigt wurde, worauf der Beklagte in seinen Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis zutreffend hinwies.
Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren beruht auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Auch hier drang die Beklagte nur mit rund einem Drittel ihres Rekursbegehrens durch. Sie hat der dem Beklagten ein Drittel seiner Rekurskosten zu ersetzen.