JudikaturJustiz9Ob41/17w

9Ob41/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen H*, wegen Regelung des Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Großmutter Mag. A*, vertreten durch Dr. Bernd Paul Grama, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 2017, GZ 44 R 169/17d 475, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der mütterlichen Großmutter gegen die Aussetzung ihres Besuchsrechts wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

1. Die geltend gemachten Revisionsrekursgründe der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).

2. Die Erhebung eines weiteren Rekurses ist nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels unzulässig. Dieser gilt auch im außerstreitigen Verfahren (RIS Justiz RS0007007). Nachträge oder Ergänzungen sind auch dann unzulässig, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist angebracht werden (RIS Justiz RS0041666). Selbst wenn man die Ansicht der Rechtsmittelwerberin teilte, dass eine Rechtsbelehrung, die nicht ausdrücklich auf diesen Umstand hinweist, unvollständig ist, würde dies nicht zur Zulässigkeit der Rechtsmittelergänzungen führen (vgl RIS Justiz RS0041478). Die Zurückweisung der Rechtsmittel-ergänzungen durch das Rekursgericht ist daher nicht zu beanstanden.

3. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert der Grundsatz des Parteiengehörs, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, das der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich ist. Das rechtliche Gehör einer Partei ist auch dann gegeben, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat. Eine mündliche Verhandlung ist im Außerstreitverfahren nicht zwingend vorgeschrieben (RIS Justiz RS0006048; RS0006036). Die Rechtsmittelwerberin hatte vor der Beschlussfassung die – von ihr auch genutzte – Möglichkeit, ihren Standpunkt schriftlich darzulegen, sodass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht aufgezeigt wird.

4. Richtig ist, dass Obsorge bzw Kontaktrechtsentscheidungen eine zukunftsbezogene Rechtsgestaltung zum Inhalt haben. Sie können nur dann sachgerecht sein, wenn sie auf einer aktuellen bis in die jüngste Gegenwart reichenden Tatsachengrundlage beruhen (RIS Justiz RS0106312). Dies bezieht sich aber nur auf unstrittige und aktenkundige Umstände (RIS Justiz RS0048056 [T10, T11]), die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern. Weshalb die Geburt eines weiteren Kindes in der Familie des Vaters eine geänderte Entscheidungsgrundlage für das Besuchsrecht der Großmutter bedingen soll, ist nicht nachvollziehbar.

5. Die Neuregelung in § 188 Abs 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 hat zu keiner inhaltlichen Änderung des Kontaktrechts der Großeltern geführt. Dieses kann auch weiterhin eingeschränkt oder untersagt werden, wenn dadurch das Familienleben der Eltern oder deren Beziehung zum Kind gestört würde. Das Kontaktrecht der Großeltern ist daher schwächer als jenes der Eltern (RIS Justiz RS0048015). Ob und inwiefern es ihnen zusteht, hängt in erster Linie vom Wohl des Kindes ab; dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RIS Justiz RS0048004). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, weswegen eine erhebliche Rechtsfrage nur vorliegt, wenn leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS Justiz RS0097114, speziell zum Kontaktrecht der Großeltern [T4]).

Der konkrete Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Minderjährige durch häufige Wechsel des Umfelds und der Bezugspersonen nunmehr beim Vater eine Stabilität gefunden hat, in der sie sich gut aufgehoben fühlt. Diese Sicherheit wird aber vom Kind durch das Gesamtverhalten der mütterlichen Großmutter, die unter anderem gegenüber dem Kind den Vater abwertet und es unerwartet vor der Schule aufsucht, als bedroht wahrgenommen, wobei die mütterliche Großmutter keine Einsicht in ihren Anteil an der Konfliktsituation zeigt. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Vorinstanzen, das Besuchsrecht der mütterlichen Großmutter auszusetzen, jedenfalls als vertretbar anzusehen. Dabei ist nicht der Konflikt zwischen dem Vater und der Großmutter relevant, sondern ausschließlich das Wohl des Kindes, das derzeit auch den intensiven und stabilen Wunsch zum Ausdruck bringt, ihre Großmutter nicht zu sehen. Auch das Grundrecht auf Familienleben (Art 8 EMRK) steht im Pflegschaftsverfahren unter dem Vorbehalt des Kindeswohls (RIS Justiz RS0125108; vgl auch RS0129588).

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