JudikaturJustiz9Ob32/12i

9Ob32/12i – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** P*****, 2. F***** P*****, beide vertreten durch Wetzl Partner, Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagte Partei OÖ G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Eckhard Pitzl und Dr. Gerhard W. Huber, LLM, Rechtsanwaltspartnerschaft in Linz, wegen 59.268 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 11. April 2012, GZ 4 R 61/12m-20, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 21. November 2011, GZ 4 Cg 82/11h-15, Folge gegeben und das Ersturteil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind rechtskräftig eingeantwortete Erben der am ***** 2009 verstorbenen H***** P***** (idF: Erblasserin). Die Erblasserin begab sich am 14. 9. 2007 aufgrund eines Diabetes-Fuß-Syndroms und einer Nekrose an der linken Ferse in stationäre Behandlung in das Landeskrankenhaus (LKH) S*****. Dessen Träger ist die Beklagte. Trotz operativer Entfernung des nekrotischen Gewebes verbreiterte sich dieses weiter, sodass weitere operative Entfernungen durchgeführt wurden. Am 26. 9. 2007 teilte die behandelnde Oberärztin der Erblasserin mit, dass es erforderlich sein werde, das Bein unterhalb des Knies zu amputieren, wenn das Ausbreiten der Nekrose nicht verhindert werden könne, zumal das Risiko einer Sepsis zu groß wäre. Die Erblasserin, ihre Tochter (Erstklägerin) sowie ihre Schwester waren damit nicht einverstanden, sodass sie sich im Bekanntenkreis und im Internet über alternative Behandlungsmethoden erkundigten. Dabei stießen sie auf eine Wiener Ärztin, die bei derartigen Nekrosen auch eine Madentherapie zur Wundversorgung einsetzt. Es kam in der Folge zu einem Telefonat zwischen der Oberärztin und der Wiener Ärztin, in dem die Oberärztin der Wiener Ärztin Auskunft über den Zustand der Erblasserin und ihre geplante weitere Vorgehensweise gab. Für die Oberärztin kam für die weitere Behandlung aus medizinischen Überlegungen nur eine operative Entfernung der Nekrosen und eine allenfalls anschließende Entfernung des Beines in Frage, nicht aber eine Madentherapie zur Entfernung der Nekrosen, weil der Fußbrand noch nicht gestoppt war. Die Durchführung einer Madentherapie wäre im LKH S***** aber grundsätzlich möglich gewesen. Am 2. 10. 2007 entschloss sich die Erblasserin, die Behandlung im LKH S***** abzubrechen und bestätigte in einem Revers, auf eigenen Wunsch und auf eigene Gefahr und Verantwortung das Krankenhaus zu verlassen. Sie begab sich nach Wien, wo die Madentherapie erfolgreich durchgeführt wurde. Anschließend wurden in Wien auch die Folgetherapien weitergeführt, bis die Erblasserin am ***** 2009 infolge eines Herzinfarktes verstarb.

Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung von 59.268 EUR mit dem Vorbringen, dass die Oberärztin österreichweit als Spezialistin für Wundversorgung und Anwendung der Madentherapie bekannt sei und diese alternative Behandlungsmethode zum unmittelbar beworbenen Kompetenzbereich der am LKH S***** errichteten Spezialambulanzen gehöre. Die Oberärztin hätte die Erblasserin daher auch über alternative Behandlungsmethoden zur Beinamputation aufzuklären und die Erblasserin im Rahmen des Behandlungsvertrags gemäß ihrer Entscheidung zu behandeln gehabt. Da die Oberärztin aber ausschließlich auf die Amputation gedrängt und eine alternative Behandlung abgelehnt habe, sei die Erblasserin gezwungen gewesen, sich nach Wien zu begeben und die Behandlung dort auf eigene Kosten fortzuführen. Der Klagsbetrag setzte sich aus den Behandlungskosten bis zum Abschluss der Therapie von 20.744,20 EUR, den Fahrtkosten von 35.839 EUR und den Unterbringungskosten in Wien von 2.658 EUR zusammen. Die Gebietskrankenkasse habe die Fahrtkosten nur soweit ersetzt, als sie vom Wohnort der Erblasserin bis in das LKH S***** aufgelaufen wären.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die behandelnde Ärztin sei berechtigt gewesen, eine bestimmte, ihr in der konkreten Situation nicht adäquat erscheinende Behandlungsmethode (Madentherapie) abzulehnen. Alternative Therapien würden bei strenger Indikationsstellung auch im LKH S***** durchgeführt, bei der Erblasserin wäre diese Therapie zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht lege artis und keine gleichwertige Behandlungsmethode gewesen, weshalb diesbezüglich auch keine Aufklärung geschuldet gewesen sei. Es habe sich um eine tiefe Nekrose gehandelt, die so weit fortgeschritten gewesen sei, dass es bei der Erblasserin am 7. 10. 2007 zum Fersenbeinbruch gekommen sei. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Krankenanstalt, entgegen der ärztlichen Einschätzung nach dem Willen eines Patienten eine spezielle Art der Behandlung vorzunehmen, zumal kein Fall des Kontrahierungszwanges vorgelegen sei. Die Kosten der Behandlung in Wien wären der Erblasserin auch bei entsprechender Aufklärung entstanden. Sie hätte auch Anspruch auf Rückersatz bei der Gebietskrankenkasse gehabt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine allfällige Verletzung der Aufklärungspflicht könne nicht zu einer Schadenersatzpflicht führen, weil die Kläger und die Erblasserin zum Zeitpunkt des Behandlungsabbruchs über die alternative Behandlungsmethode der Madentherapie Bescheid gewusst hätten. Weder aus den Bestimmungen des KAKuG und des ÄrzteG noch aus dem Behandlungsvertrag folge ein Recht des Patienten auf Durchführung einer Behandlungsmethode, die der Arzt nicht für zweckmäßig erachte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, hob das Ersturteil auf und wies es zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Patient habe aus dem Behandlungsvertrag ein Recht auf Behandlung nach den erforderlichen und dem jeweiligen Krankheitsbild adäquaten Behandlungsmaßnahmen. Sei eine Behandlungsmethode anerkannter „Stand der medizinischen Wissenschaft“, sei sie dem stationär aufgenommenen Pflegling auch anzubieten. Abgelehnt werden könne nur eine aus medizinischer Sicht nicht indizierte Behandlungsmaßnahme. Zur Beurteilung der Frage, ob die Madentherapie eine adäquate Behandlungsalternative dargestellt hätte, sei der Sachverhalt zu ergänzen. Der Rekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Patient einer Krankenanstalt ein subjektiv durchsetzbares Recht darauf habe, dass ihm alle von mehreren für das jeweilige Krankheitsbild in Betracht kommenden adäquaten Behandlungsmaßnahmen angeboten und auf Wunsch auch durchgeführt würden.

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs beantragt die Beklagte, den Beschluss des Berufungsgerichts im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht beantragt.

Die Kläger begehren, den Rekurs zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig , jedoch nicht berechtigt .

Folgendes war zu erwägen:

1. Die Beklagte meint, sie könne nicht verpflichtet sein, jede dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlungsmethode anzubieten. Der Inhalt der Behandlungspflicht sei vorrangig durch § 133 Abs 2 ASVG zu ermitteln. Es komme darauf an, dass die Behandlungsmethode ausreichend und zweckmäßig sei und das Maß des Notwendigen nicht übersteige (Wirtschaftlichkeitsgebot), nicht aber auf die jeweils weltbeste medizinische Versorgung. Umso weniger habe der Patient einen Rechtsanspruch auf Auswahl unter mehreren medizinisch adäquaten Behandlungsmethoden.

Im vorliegenden Fall stellt sich das Problem aber nicht in dieser Tragweite, weil die Alternativtherapie (Madentherapie) ohnedies am LKH S***** angeboten wird, die Beklagte auch nicht behauptet hat, dass diese Behandlung schon als solche keine wirtschaftlich sinnvolle und effiziente Methode zur Wundheilung ist und ihre Durchführung grundsätzlich auch möglich gewesen wäre. Ausgehend davon, dass die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung auch im Bereich der sozialen Krankenversicherung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern auch das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall zu berücksichtigen ist (vgl RIS-Justiz RS0083816; RS0083823 [T1]; s auch Grillberger/Mosler , Ärztliches Vertragspartnerrecht [2012] 224 ff, 226), bedarf es auch keiner näheren Erörterung, dass der Erhaltung eines Beines dann, wenn sie in therapeutisch adäquater Weise erzielbar ist, idR der Vorzug vor einer Beinamputation zu geben sein wird. Denn zweifellos ist erstere in weitaus höherem Maß geeignet, die Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wiederherzustellen (vgl § 133 Abs 2 zweiter Satz ASVG).

Im konkreten Fall unterblieb eine Erörterung der Alternativtherapie mit der Erblasserin auch nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern lediglich deshalb, weil die behandelnde Oberärztin die Alternativtherapie nach ihrer Einschätzung im vorliegenden Fall als nicht sinnvoll erachtete. Fraglich kann daher nur sein, ob die Erblasserin im Rahmen des konkreten Behandlungsvertrags dennoch über diese Behandlungsmöglichkeit am LKH S***** aufzuklären gewesen wäre und ob die Alternativmethode bei Befürwortung durch die Erblasserin in der Folge auch gegen die Überzeugung der Oberärztin am LKH S***** durchzuführen gewesen wäre.

2. Zur Aufklärungspflicht ist es ständige Rechtsprechung, dass der Arzt nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungsmöglich-keiten oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern muss. Er muss ihn aber, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostische oder therapeutische adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat; eine solche Verpflichtung besteht gerade bei einem Unterschied im Risiko, den Folgen, vor allem aber in der Erfolgssicherheit und der Schmerzbelastung. Gleiches hat zu gelten, wenn bei einer alternativen Operationsmethode ein besseres Ergebnis des Eingriffs im kosmetischen Bereich in einem für den Patienten erkennbar nicht unwichtigen Teilbereich erwartet werden kann. Ist eine Spezialbehandlung angezeigt, die in der betreffenden Klinik nicht durchgeführt werden kann, ist eine Weiterverweisung des Patienten oder jedenfalls der Hinweis im Aufklärungsgespräch auf solche Kliniken erforderlich (RIS-Justiz RS0026426).

Nach diesen Grundsätzen kann nicht fraglich sein, dass die Oberärztin dann, wenn auch die Alternativtherapie am LKH S***** - ex ante gesehen - eine therapeutisch adäquate Alternative war, die Erblasserin darüber aufzuklären gehabt hätte. Selbst wenn eine solche Adäquatheit bestanden haben sollte, wäre das Fehlen der entsprechenden Aufklärung im konkreten Fall jedoch nicht kausal für die Kosten der Erblasserin, weil sie aufgrund ihrer eigenen Nachforschungen ohnedies in Kenntnis der Alternativtherapie und insofern zur Beurteilung der ihr offen stehenden Behandlungsmöglichkeiten nicht auf die Informationen durch die Oberärztin angewiesen war. Die geltend gemachten Behandlungs- und Fahrtkosten resultieren hier nicht aus der unterbliebenen Aufklärung der Erblasserin, sondern aus der von der behandelnden Oberärztin im vorliegenden Fall abgelehnten Alternativtherapie. Eine Schadenersatzforderung wäre daher nur dann berechtigt, wenn die Beklagte gegenüber der Erblasserin verpflichtet war, diese Alternativtherapie anzubieten und durchzuführen.

3. Eine grundsätzliche Behandlungspflicht besteht nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

Gemäß § 22 Abs 2 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) müssen unabweisbare Kranke in die Anstaltspflege genommen werden. Öffentliche Krankenanstalten sind weiters verpflichtet, Personen, für die Leistungsansprüche aus der sozialen Krankenversicherung bestehen, als Pfleglinge aufzunehmen. Gemäß § 23 Abs 1 KAKuG darf darüber hinaus niemandem die unbedingt notwendige ärztliche Hilfe in öffentlichen Krankenanstalten verweigert werden. Ein bestimmter Inhalt des Behandlungsvertrags und insbesondere ein Anspruch auf eine bestimmte Behandlungsmethode wird damit jedoch nicht festgelegt.

4. Die Beklagte beruft sich für ihren Standpunkt auf die von § 133 Abs 2 Satz 1 ASVG gezogenen Grenzen, wonach die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. Diese Bestimmung wird als Missbrauchskontrolle gegen eine zweckwidrige Leistungsgewährung gesehen (vgl RIS-Justiz RS0106240) und führt unter dem Aspekt der Kostentragung auch zur Ablehnung einer freien Methodenwahl: Dem Patienten ist zwar grundsätzlich freie Arztwahl, nicht aber auch freie Therapiewahl gesichert. In den Fällen, in denen sowohl wirksame allgemein anerkannte als auch wirksame Außenseitermethoden zur Verfügung stehen, dürfen letztere nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung angewendet werden (RIS-Justiz RS0112196; vgl auch RS0104903, RS0102470). Aus diesen Grundsätzen ist für den vorliegenden Fall jedoch nichts zu gewinnen, weil die Frage, ob eine bestimmte Behandlung nach dem Wunsch des Patienten durchzuführen ist, nicht allein aus den Kostenersatzregeln abgeleitet werden kann.

5. Für die Determinierung des Inhalts des Behandlungsvertrags sind aber § 49 Abs 1 ÄrzteG und § 8 Abs 2 KAKuG maßgeblich.

Nach § 49 Abs 1 ÄrzteG ist der Arzt verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen.

§ 8 Abs 2 KAKuG sieht vor, dass Pfleglinge von Krankenanstalten nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen bzw zahnmedizinischen Wissenschaft ärztlich bzw zahnärztlich behandelt werden dürfen.

Stöger , Ausgewählte öffentlich-rechtliche Fragestellungen des österreichischen Krankenanstaltenrechts (2008) 641 ff, leitet aus § 8 Abs 2 KAKuG für gemeinnützige, der Aufnahmepflicht unterliegenden Krankenanstalten ab, dass eine Behandlungsmethode dann, wenn sie anerkannter „Stand der medizinischen Wissenschaft“ sei, grundsätzlich auch anzubieten sei, wobei das Behandlungsniveau allerdings auch an der Nachfrageintensität und am Grad der aus dem Anstaltszweck ableitbaren Spezialisierung zu messen sei. Die Anordnung, dass Krankenanstalten ihre Patienten nach den Grundsätzen und anerkannten Methode der medizinischen Wissenschaft behandeln müssen, stelle unabdingbares Recht dar und werde zwingender Inhalt des Behandlungsvertrags, den der Patient auch als subjektives Recht durchsetzen könne. Es sei unstreitig, dass der Patient aus dem Behandlungsvertrag ein Recht auf Behandlung nach den „erforderlichen und dem jeweiligen Krankheitsbild adäquaten Behandlungsmaß-nahmen“ habe ( Stöger , aaO 643 mwN).

Engljähringer , Ärztlicher Behandlungsvertrag, ÖJZ 1993, 488 (V.B.2.), meint, dass der Patient aus dem Behandlungsvertrag heraus keinen Anspruch auf persönliche medizinische Behandlung durch einen bestimmten (iSv Wunsch-)Arzt habe (ebenso Aigner/Kletečka/Kletečka-Pulker/Memmer , Handbuch Medizinrecht für die Praxis [2011] I.1.4.). Hinsichtlich der stationären ärztlichen Betreuung sei vielmehr das Krankenhaus verpflichtet, die erforderlichen und dem jeweiligen Krankheitsbild adäquaten Behandlungsmaßnahmen lege artis zu gewähren. Freilich könne ein medizinischer Eingriff die Sachkunde zB gerade der Person des Chefarztes erfordern; der Anstaltsträger müsse dann für den Einsatz dieses uU besonders qualifizierten Mediziners sorgen.

Auch nach Tumler/Weiß , Wer soll das bezahlen? Die Finanzierung der Anstaltspflege bei Auslandsüberstellung, SozSi 2002, 450, schuldet die Krankenanstalt dem Patienten eine Behandlung lege artis gemäß dem Krankenanstaltentyp. Sie habe daher für eine entsprechende personelle, apparative und organisatorische Ausstattung zu sorgen und dem Patienten, je nach dessen individuellem Bedarf, die dieser Ausstattung entsprechenden Leistungen zu erbringen. Dies sei nach den Autoren zwingender Schuldinhalt und stehe nicht zur Disposition der Parteien.

Ähnlich erachtet die Rechtsprechung den ärztlichen Behandlungsvertrag als ein im Gesetz nicht näher typisiertes Vertragsverhältnis, aufgrund dessen der Arzt dem Patienten eine fachgerechte, dem objektiven Standard des besonderen Fachs entsprechende Behandlung, nicht aber einen bestimmten Erfolg schuldet (RIS-Justiz RS0021335; s auch Jesser-Huß , Der ärztliche Behandlungsvertrag, in Resch/Wallner , Handbuch Medizinrecht [2011] Rz 25). Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst (RIS-Justiz RS0123136 [T1]). Der Patient hat aus dem Behandlungsvertrag Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden sichersten Maßnahmen zur möglichsten Ausschaltung oder Einschränkung bekannter Operationsgefahren (RIS-Justiz RS0026368).

Im Rahmen eines mit einem Krankenhausträger abgeschlossenen (Krankenhausaufnahme- und) Behandlungs-vertrags erfolgt die Konkretisierung und Bestimmung der Behandlungsmöglichkeiten durch die aktuell beratenden und behandelnden Spitalsärzte. Insbesondere dann, wenn es sich dabei wie hier um Spezialisten eines bestimmten Gebietes handelt, diese nach ihrem Wissen und ihrer Erfahrung die Durchführung einer bestimmten Behandlungsmethode als nicht erfolgversprechend ablehnen und darin ex ante gesehen innerhalb des Rahmens des medizinischen Kalküls auch keine Verkennung der Sachlage liegt, ergibt sich aber nach den dargelegten Grundsätzen keine Pflicht des Krankenhausträgers, entgegen dieser Expertise so lange weitere gegebenenfalls externe - Ärzte hinzuzuziehen, bis die Durchführung einer vom Patienten in Erfahrung gebrachten alternativen Behandlungsmethode befürwortet wird. Die Pflicht des Krankenhausträgers geht hier nicht so weit, dass er eine vom Patienten gewünschte Behandlungsmethode auch entgegen der im Rahmen des medizinischen Kalküls liegenden hauseigenen ärztlichen Einschätzung anzuwenden hätte.

6. Nichts anderes ergäbe sich, wenn man unter dem Aspekt der öffentlichen Daseinsvorsorge s den in § 18 Abs 1 KAKuG statuierten Versorgungsauftrag der Länder von einem Kontrahierungszwang des Krankenhausträgers zum Abschluss eines bestimmten Behandlungsvertrags ausgehen wollte (vgl Jesser-Huß , aaO Rz 37), weil für die Festlegung des Inhalts des Behandlungsvertrags keine anderen als die aufgezeigten Parameter bestünden. Unabhängig davon kann auch bei Bestehen eines Abschlusszwanges ein Vertragsabschluss als solcher oder in der begehrten Form aus sachlich gerechtfertigten Gründen abgelehnt werden (RIS-Justiz RS0106571; RS0117542; RS0038110 [T3]). Eine sachliche Rechtfertigung für die Ablehnung einer bestimmten Behandlungsmethode durch den Krankenhausträger läge aber auch dann vor, wenn die Methode nach der medizinisch-therapeutischen Einschätzung eines vom Krankenhausträgers beschäftigten Facharztes nach seiner Sachkunde und Erfahrung als nicht zielführend erachtet wird.

7. Die Beurteilung der Frage, ob die Einschätzung der behandelnden Oberärztin über die Aussichten der Alternativtherapie den Rahmen des medizinischen Kalküls verlassen hat, bedarf nach Ansicht des Berufungsgerichts noch der Verbreiterung der Tatsachengrundlage. Dem ist vom Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten (9 Ob 9/08a ua).

Die Frage, ob die Kläger vom Sozialversicherungsträger Kostenersatz begehren könnten, ist nicht revisionsgegenständlich.

Insgesamt erweist sich der Rekurs daher als nicht berechtigt, sodass ihm keine Folge zu geben war.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
13
  • RS0123136OGH Rechtssatz

    21. November 2023·3 Entscheidungen

    a) Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die pränatale Diagnostik dient nicht zuletzt der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes und soll damit auch der Mutter (den Eltern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv voraussehbar, weshalb auch die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst sind. b) Wird beim Organscreening im Rahmen pränataler Diagnostik ein Hinweis auf einen beginnenden Wasserkopf als Folge einer Meningomyelozele nicht entdeckt und unterbleibt eine Wiederbestellung der Schwangeren, obwohl diagnoserelevante Strukturen nicht einsehbar waren, dann liegt ein ärztlicher Kunstfehler vor. Hätten sich die Eltern bei fachgerechter Aufklärung über die zu erwartende schwere Behinderung des Kindes und einen deshalb gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB zu Letzterem entschlossen, haftet der Arzt (der Rechtsträger) für den gesamten Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind. In einem solchen Fall stünden sowohl die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinn vor, als auch der bloße Zuspruch nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit den Grundsätzen des österreichischen Schadenersatzrechts nicht im Einklang.