JudikaturJustiz9Ob28/13b

9Ob28/13b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** F*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart und Mag. Andreas Horacek, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A***** O*****, vertreten durch Dr. Anderwald Mag. Borowan Dr. Ropatsch, Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wegen Feststellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 17. Jänner 2013, GZ 3 R 224/12v 38, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 31. Oktober 2012, GZ 1 C 1203/09f 34, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Begründung dieser Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Für den Umfang der Dienstbarkeit des Fahrrechts (§ 492 ABGB) ist das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend, soweit nicht die Betriebsform des herrschenden Guts wesentlich geändert wird oder der Belastete eine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet (RIS Justiz RS0016369; zuletzt ua 1 Ob 228/12d). Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschenden Guts während dieser Zeit benötigte (RIS Justiz RS0011711 [T6]; RS0016366 [T1]; RS0011664 [T8]; siehe auch RS0016364; jüngst 9 Ob 17/13k).

Servituten dürfen zwar nicht ausgedehnt werden, sie sollen aber der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst werden können (RIS Justiz RS0097852; Spath in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 484 Rz 11). Der Servitutsberechtigte darf das Recht, über das dienende Grundstück mit allen Wirtschaftsfuhren zu fahren, zwar nicht auf andere Wirtschaftsarten ausdehnen. Ob aber etwa die Fuhren mit Pferdefuhrwerk oder mit Lastkraftwagen und Traktor durchgeführt werden, fällt nicht ins Gewicht, da der Eigentümer des herrschenden Guts nicht gehalten ist, den landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise zu führen (RIS Justiz RS0011725).

Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit ist in ein billiges Verhältnis zu setzen, wobei aber keine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entstehen darf (RIS Justiz RS0011733). Dabei ist insbesondere auf die Natur und den Zweck der Dienstbarkeit abzustellen (RIS Justiz RS0011733 [T12]). Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (RIS Justiz RS0016370; RS0011733 [T21]). Ziel der Interessenabwägung ist es stets, dem Dienstbarkeitsberechtigten den angestrebten Vorteil zu ermöglichen, dem Verpflichteten aber so wenig wie möglich zu schaden (RIS Justiz RS0011733 [T23]).

Diese gemäß § 484 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung ist ebenso wie die Frage des Ausmaßes und Umfangs einer Dienstbarkeit stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und stellt daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS Justiz RS0011720 [T17]; RS0034803 [T12, T16]). Eine solche wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt:

3. Nach dem festgestellten Sachverhalt diente der seinerzeitige Karrenweg bereits seit unvordenklicher Zeit, jedenfalls schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs der Bewirtschaftung einer Alm als Viehtriebsweg und Zufahrt bzw Zugang zur Almhütte. Wurden früher größere Transporte noch mit einem Pferdekarren mit einer Breite von 1,20 bis 1,40 m durchgeführt, so wurde der Weg, dessen Verlauf sich im Laufe der Zeit zwar leicht veränderte, im Wesentlichen aber gleich blieb, in der Folge auch mit Allradtraktoren befahren. Nach wie vor wird der Weg vom Beklagten, ca 5 bis 6 mal jährlich, zum Zwecke der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Almhütte nunmehr mit seinem 1,95 m breiten geländegängigen Fahrzeug VW Amarok befahren.

4. Wenn die Vorinstanzen aufgrund dieser Umstände die Begehren des Klägers, die darauf abzielen, dass dem Beklagten kein Fahrrecht mit Fahrzeugen aller Art, ausgenommen Traktoren und gleichartig ausschließlich der Landwirtschaft dienenden Nutzfahrzeugen zu ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken, zustehe, abgewiesen haben, dann ist diese Entscheidung im Einzelfall jedenfalls vertretbar und begründet keinen Korrekturbedarf.

5 . Auch die einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen bildet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0042828 [T16]). Wenn das Berufungsgericht die Prozesserklärungen des Klägers, die Traktorenbreite sei mit etwa 1,90 m beschränkt und sein Klagebegehren stelle auf derartige Fahrzeugbreiten ab, so ausgelegt hat, dass der Kläger damit das Befahren des Wegs durch den Beklagten zu landwirtschaftlichen Zwecken mit Traktoren, deren Breite 1,90 m nicht übersteige, für zulässig erachte, dann ist auch dieses Ergebnis jedenfalls vertretbar.

6. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen.

Rechtssätze
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