JudikaturJustiz8Ob33/08y

8Ob33/08y – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria T*****, vertreten durch Dr. Peter Strele, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Mihai T*****, vertreten durch Mag. Gabriele Pfandlsteiner, Rechtsanwältin in Bregenz, als Verfahrenshelferin, wegen Ehescheidung, über den in der außerordentlichen Revision enthaltenen Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 23. November 2007, GZ 1 R 284/07h-57, womit der als Rekurs bezeichneten Berufung des Beklagten gegen den im Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 4. September 2007, GZ 2 C 80/06v-43, enthaltenen Beschluss nicht Folge gegeben wurde, und über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 23. November 2007, GZ 1 R 284/07h-57, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der in der außerordentlichen Revision enthaltene Rekurs wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Das Erstgericht verwarf mit seinem in das Urteil aufgenommenen Beschluss die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit der Klage (gemeint: Einrede der Unzuständigkeit).

Das Berufungsgericht gab dem dagegen vom Beklagten erhobenen Rechtsmittel, das er gleichzeitig mit der Berufung gegen die Hauptsachenentscheidung des Erstgerichts erstattete und als „Rekurs" bezeichnete, nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Diese vom Berufungsgericht gefasste Entscheidung, mit welcher die Verwerfung der Prozesseinrede durch das Erstgericht bestätigt wurde, bekämpft der Beklagte mit seiner auch gegen die Hauptsachenentscheidung gerichteten außerordentlichen Revision.

Zur Zulässigkeit dieses Rechtsmittels wurde erwogen:

Die Anfechtbarkeit einer in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommenen Entscheidung des Erstgerichts über eine Prozesseinrede richtet sich gemäß der ausdrücklichen Anordnung in § 261 Abs 3 ZPO danach, welches Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen steht: § 261 Abs 3 ZPO spricht aus, dass, sofern der Ausspruch über die inländische Gerichtsbarkeit, die Zulässigkeit des Rechtswegs, die sachliche oder örtliche Zuständigkeit, die Streitanhängigkeit oder die Rechtskraft in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufgenommen wird, derselbe nur mittels des gegen die Entscheidung in der Hauptsache offenstehenden Rechtsmittels angefochten werden kann.

Der Beklagte konnte daher die vom Erstgericht gefällte und in seine Hauptsachenentscheidung aufgenommene Entscheidung über die Verwerfung der vom Beklagten erhobenen Prozesseinrede nur mit Berufung bekämpfen (1 Ob 745/78 = JBl 1979, 375 [Sprung]; RIS-Justiz RS0036404; Kodek in Fasching/Konecny² III § 261 ZPO Rz 78; Rechberger/Klicka in Rechberger³ §§ 260 bis 261 Rz 4). Der Ausnahmefall, dass die Hauptsachenentscheidung nicht angefochten wird, liegt hier nicht vor. Der gemeinsam mit der Berufung gegen die Hauptsachenentscheidung erhobene Rekurs des Beklagten litt allerdings nur an einer unrichtigen Bezeichnung des Rechtsmittels: Sowohl für die Frage der Zweiseitigkeit als auch für die Länge der Rechtsmittelfrist ist die Unterscheidung ohne Bedeutung. Der Rekurs ist in diesem Fall als falsch bezeichneter Teil der Berufung zu behandeln (Kodek in Fasching/Konecny² III § 261 Rz 79; 9 ObA 273/90; RIS-Justiz RS0036258).

Daraus folgt zunächst, dass das Berufungsgericht zutreffend über das vom Beklagten gegen die Verwerfung der Prozesseinrede erhobene Rechtsmittel funktionell als Berufungsgericht entschieden hat. Im Ergebnis behandelte es somit den „Rekurs" des Beklagten ohnedies als falsch bezeichneten Teil der Berufung.

Die in Beschlussform ergangene Entscheidung des Berufungsgerichts, mit welcher es dem als Rekurs bezeichneten Teil der Berufung des Beklagten bezüglich der Verwerfung der Prozesseinrede durch das Erstgericht nicht Folge gab, unterliegt den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 ZPO (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 Rz 78 f mwN, Kodek in Fasching/Konecny² III § 261 Rz 87) und ist somit unanfechtbar.

Dieser Beurteilung steht auch die zitierte Bestimmung des § 261 Abs 3 ZPO nicht entgegen: Eine dem § 261 Abs 3 ZPO entsprechende Bestimmung ist dem drittinstanzlichen Verfahren fremd (1 Ob 32, 33/93 = SZ 67/7; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 513 Rz 1) und kann auch nicht über die „Generalklauseln" der §§ 513, 463 Abs 1 ZPO in das Revisionsverfahren einbezogen werden. Der vom Berufungsgericht gefasste und gemäß § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbare Beschluss erfordert verfahrensrechtlich eine gänzlich andere Behandlung als die Erledigung des Rechtsmittels in der Hauptsachenentscheidung. Bejahte man dennoch die Anwendbarkeit des § 261 Abs 3 ZPO im Verfahren dritter Instanz und ließe auch im Umfang der Entscheidung über die Prozesseinrede eine Bekämpfung mittels Revision zu, entstünde ein erheblicher Wertungswiderspruch. Ein nach den Intentionen des Gesetzgebers unanfechtbarer Beschluss unterläge dann nämlich (bloß) den Beschränkungen des Revisionsrechts, wäre also etwa im Anlassfall zumindest mit außerordentlicher Revision bekämpfbar. Deutlich erkennbar ist dieser Wertungswiderspruch auch bei einem Vergleich mit jenem Fall, in dem das Erstgericht über eine Prozesseinrede abgesondert (§ 261 Abs 4 ZPO) im Sinne ihrer Verwerfung entschied und das Rekursgericht diesen Beschluss bestätigte. Dann nämlich läge ebenfalls ein absoluter Anfechtungsausschluss (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) vor. Einen vergleichbaren Wertungswiderspruch bei einer abändernden Entscheidung des Berufungsgerichts über eine vom Erstgericht verworfene Prozesseinrede nahm die Rechtsprechung unter Hinweis auf die Meinung von Kodek (in Rechberger³ § 519 Rz 14) zum Anlass, diesen Fall den Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO zu unterwerfen (1 Ob 63/02z = EvBl 2002/161; RIS-Justiz RS0116348). Dieser Beurteilung steht auch die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 276/06s; RIS-Justiz RS0120715) nicht entgegen, wonach eine Entscheidung des Rekursgerichts, mit welcher in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung eine Prozesseinrede verworfen wurde, nicht in analoger Anwendung des § 519 ZPO jedenfalls unbekämpfbar ist. Im Unterschied dazu rechtfertigen die hier vorliegenden übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen, die die Prozesseinrede verwarfen, wegen der höheren Richtigkeitsgewähr den Ausschluss der weiteren Überprüfung.

Daraus folgt, dass jener Teil der außerordentlichen Revision, der inhaltlich einen Rekurs gegen den vom Berufungsgericht gefassten Beschluss darstellt, mit welchem die Verwerfung der Prozesseinrede bestätigt wurde, als absolut unzulässig zurückzuweisen war.

Zu 2.:

Wird der Klageanspruch bzw der Antrag auf Klageabweisung auf mehrere selbstständige rechtserzeugende bzw rechtsvernichtende Tatsachen gestützt und beziehen sich die Rechtsausführungen in einer Berufung nur auf einzelne dieser Tatsachen, nicht aber auch auf die anderen, so ist der Umfang der durch eine gesetzmäßige Rechtsrüge veranlassten Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die noch geltend gemachten Umstände zu beschränken. Die allseitige Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof beschränkt sich auf jene Umstände, die Gegenstand des Berufungsverfahrens waren (1 Ob 14/01t; RIS-Justiz RS0043573 [T40, T41]).

Der Beklagte hat in seiner Berufung keine Rechtsrüge zu seinem vom Erstgericht bejahten Alleinverschulden an der Ehezerrüttung erhoben. Die versuchte Aufrollung der Verschuldensfrage in der außerordentlichen Revision ist demnach unstatthaft. Mit der in der außerordentlichen Revision aufgestellten Behauptung, dass die Feststellungen des Erstgerichts entgegen den Parteiaussagen getroffen wurden, wird inhaltlich nicht der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit geltend gemacht, sondern in unzulässiger Weise die irreversible Beweiswürdigung der Vorinstanzen angefochten (RIS-Justiz RS0043383).

Rechtssätze
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