JudikaturJustiz7Ob31/22t

7Ob31/22t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI (FH) H* S*, vertreten durch Dr. Peter Zach und andere Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, gegen die beklagten Parteien 1. W* S*, und 2. S* S*, vertreten durch die Frimmel / Anetter Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2021, GZ 4 R 203/21a 21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Beim vorliegenden Räumungsbegehren handelt es sich um eine Streitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO, für die die Berufungsbeschränkungen des § 501 Abs 1 ZPO nicht gelten (§ 501 Abs 2 ZPO). Die Beweisrüge der Beklagten in ihrer Berufung war daher – entgegen der Ansicht des Klägers, der meint, es handle sich um eine Rechtsstreitigkeit mit einem die Bagatellgrenze von 2.700 EUR nicht übersteigenden Streitwert – zulässig.

[2] 2. Gemäß § 482 Abs 2 ZPO dürfen neue Beweise im Berufungsverfahren nur zur Dartuung oder Widerlegung der Berufungsgründe vorgebracht werden (vgl RIS Justiz RS0105484). Im Fall der Beweiswiederholung bleibt der entscheidungserhebliche Sachverhalt und damit der Entscheidungsstoff unverändert; es soll nur seine Wertung geändert werden (RS0041961 [T2]). Auch wenn das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung angeordnet hat, gilt das Neuerungsverbot (RS0041969).

[3] Das Berufungsgericht führte eine Beweiswiederholung durch. Wenn es die erstmals vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträge als im Sinn des § 482 Abs 2 ZPO unzulässige Neuerungen qualifizierte, ist dies daher nicht zu beanstanden.

[4] 3. Soweit der Revisionswerber einen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens wegen der durchgehenden Teilnahme einer Zeugin – erkennbar gemeint ist die Tochter der Beklagten – in der Berufungsverhandlung erblickt, ist ihm schon die fehlende Relevanzdarstellung entgegenzuhalten (RS0116273 [T1]).

[5] 3.1. Nach ständiger Rechtsprechung gilt § 879 Abs 1 ABGB nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Rechtsgeschäfte wie eine Kündigung (RS0016534). Das Berufungsgericht hat in Anlehnung an die Judikatur (1 Ob 501/83 = SZ 56/72 = RS0016642; 10 Ob 42/00z) die – von den Beklagten substanziiert eingewendete – Sittenwidrigkeit der vom Kläger auf § 1120 ABGB gestützten Kündigung bejaht. Der Kläger habe gewusst, dass die Beklagten die Almhütte auf ihre Kosten errichtet hatten und das Bestandobjekt auf die Dauer von 99 Jahren nutzen wollen, dass ihnen sein Vater als Rechtsvorgänger die weiterhin unveränderte Ausübung ihres Pachtrechts zugesagt habe und er selbst habe kein Problem mit der Nutzung der Hütte durch die Beklagten und deren Familie gehabt. Der Kläger habe über alle relevanten Umstände Bescheid gewusst. Die Beklagten hätten nicht nur auf eigene Kosten die Holzhütte errichtet, sondern auch dem ersten Bestandgeber als Vorauszahlung den Bestandszins für die gesamte vereinbarte Nutzungsdauer gezahlt.

[6] Dem Berufungsgericht ist bei dieser Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Aufkündigung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls keine Verkennung der Rechtslage vorzuwerfen, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden muss.

[7] 3.2. Die Entscheidung des vorliegenden Falls hängt nicht mehr von der weiteren, vom Revisionswerber bekämpften Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Verspätung der Aufkündigung ab, weil das Kündigungsrecht nach § 1120 ABGB nicht binnen angemessener Frist geltend gemacht worden sei.

[8] 4. Wer das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts behauptet, hat die Voraussetzungen hiefür zu beweisen (RS0018177). Mit der bloßen Behauptung, beim gegenständlichen Vertrag handle es sich um ein „nichtiges Umgehungsgeschäft“, zeigt der Kläger in der Revision nicht auf, inwiefern der im Jahr 1976 abgeschlossene Bestandvertrag (Grundverkehrs )Vorschriften widersprochen hätte.

Zudem wäre eine bei Bejahung des Umgehungsgeschäfts allenfalls erforderliche Genehmigung des Bestandvertrags (RS0016469) durch die Grundverkehrsbehörde eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrags (RS0038627; vgl § 5 Abs 1 [Kärntner] Grundverkehrsgesetz, LGBl 1974/70). Ein aufschiebend bedingt geschlossener Vertrag wird durch den Bedingungseintritt wirksam. Bis zu diesem Zeitpunkt befindet er sich in einem Schwebezustand. Dieser endet nicht nur durch die Genehmigung des Vertrags, sondern auch durch ihre Versagung oder durch die Feststellung, dass der Vertrag keiner Genehmigung bedarf. Das Rechtsgeschäft, dessen Rechtswirksamkeit von einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhängt, bindet die Parteien solange, bis die Genehmigung versagt wird (RS0038627 [T22, T25]). Selbst wenn der Bestandvertrag der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte , wäre er nach wie vor in Schwebe, sodass dem Räumungsbegehren des Klägers, der an diesen Vertrag gebunden ist, keine Berechtigung zukommt (vgl RS0038627 [T18, T34]).

[9] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
9