JudikaturJustiz7Ob159/23t

7Ob159/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*gmbH, *, vertreten durch Mag. Christof Brunner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*-Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Nikolaus Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2023, GZ 4 R 180/22b 26, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. August 2023, GZ 4 R 180/22b 29, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. September 2022, GZ 19 Cg 70/21x 18, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in der Hauptsache wiederhergestellt wird und die Kostenentscheidung lautet:

„2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.813,16 EUR (darin enthalten 792 EUR an Barauslagen und 836,86 EUR an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 1.740,72 EUR (darin enthalten 290,12 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.031,40 EUR (darin enthalten 1.526 EUR an Barauslagen und 250,90 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der zwischen der Klägerin als Versicherungsnehmerin und der Beklagten abgeschlossene Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt :

Betriebshaftpflichtversicherung

[...]

Individuelle Vereinbarungen

Versicherte Risiken

Der Versicherungsschutz bezieht sich auf die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus allen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten, für die eine Gewerbeberechtigung gegeben ist und die im Firmenbuch eingetragen sind, insbesondere

Aluminium-, Metall- und Stahlbau

Elektro-, Audio-, Video- und Alarmanlagentechniker

Energietechnik

Elektrogroßhandel

Fahrzeug- und Transportbegleitung

Vertragsgrundlagen

Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB und EHVB 2006) der [Beklagten] sowie gegenständliche Besondere Bedingungen zugrunde.

[...]“

[2] Die AHVB 2006 lauten auszugsweise :

„Artikel 1

Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert?

1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Pkt. 2) erwachsen oder erwachsen könnten.

[...]

Artikel 7

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

[...]

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

[…]

10.4 beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung oder Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen;

[...]“

[3] Die Besonderen Bedingungen lauten auszugsweise :

Besondere Bedingung Nr. 7857

Be- und Entladung von fremden Fahrzeugen und fremden Containern

1. Der Versicherungsschutz bezieht sich abweichend von Art. 7, Punkte 5.3 und 10. AHVB auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an fremden Land- und Wasserfahrzeugen sowie fremden Containern bei – oder infolge – des Beladens oder Entladens durch:

- Hebe- und Verlademaschinen aller Art sowie durch Hand;

Versicherungsschutz besteht auch für Schäden an Containern beim Abheben von und Heben auf Land und Wasserfahrzeuge.

Nicht versichert sind Haftpflichtansprüche aus Beschädigung, Verlust, Vernichtung oder Abhandenkommen des Ladegutes.

[...]

Besondere Bedingung Nr. 7858

Verwahrung von beweglichen Sachen

1. Die Bestimmungen gemäß Pkt. 3. gelten ausschließlich für solche beweglichen Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen zur Bearbeitung, Verarbeitung oder Reparatur übernommen haben.

[...]

3. Der Versicherungsschutz bezieht sich abweichend von Art. 7, Punkte 10.2 und 10.3 AHVB auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen gemäß Pkt. 1. aus dem Titel der Verwahrung, und zwar auch im Zuge der Verwahrung als Nebenverpflichtung oder im Rahmen von bloßen Gefälligkeitsverhältnissen.

Schäden an diesen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen, bleiben gemäß Art. 7, Pkt. 10.4 AHVB vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

[...]

Besondere Bedingung Nr. 7878

Tätigkeiten an beweglichen Sachen

1. Abweichend von Art. 7, Pkt. 10.4 AHVB erstreckt sich die Versicherung auch auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (Bearbeitung, Reparatur, Prüfung und dgl.) entstehen, sei es auch im Zuge der Verwahrung als Nebenverpflichtung.

2. Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen bleiben:

2.1 Schäden an Sachen, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen entliehen, gemietet oder geleast haben;

2.2 Schäden an motorbetriebenen Fortbewegungs- und Transportmitteln, Luftfahrzeugen, Luftfahrgeräten und Wasserfahrzeugen;

2.3 Schäden an elektronischen Datenverarbeitungsanlagen und -geräten (Beispiel: PCs, Server, Laptops, PDAs) sowie Computer und Datenträgermedien aller Art;

2.4 Schäden durch Restaurierung an Schmuck, Kunstgegenständen aller Art, Antiquitäten und sonstige Kostbarkeiten;

2.5 Beförderungen aller Art außerhalb des Betriebsgeländes des Versicherungsnehmers, und außerhalb des Betriebsgeländes des jeweiligen Kunden des Versicherungsnehmers.

3. Die Versicherungssumme beträgt im Rahmen der Pauschalversicherungssumme EUR 200.000,--.

[...]“

[4] Die S* GmbH beauftragte die Klägerin, Gehäuse für von ihr beigestellte Wechselrichter anzufertigen und die Wechselrichter darin einzubauen. Die V* GmbH war Herstellerin und Absenderin der Wechselrichter. Die H. * GmbH war bei der Lieferung der Wechselrichter als Spediteurin tätig, als Frachtführerin fungierte die A* s.p., Empfängerin war die Klägerin. Es kann nicht festgestellt werden, dass es eine im Rahmen des Speditionsvertrags getroffene Vereinbarung gab, wonach das Entladen der Wechselrichter von der H. * GmbH oder der A* s.p. durchzuführen ist. Die Klägerin traf keine Vereinbarung über die Gefahrtragung und über die Durchführung des Beladens und Entladens der Wechselrichter mit der S* GmbH oder mit der V* GmbH.

[5] Bei Lieferungen von schweren Geräten führt die Klägerin immer das Entladen durch, weil sie am Betriebsgelände über die zur Entladung notwendigen Geräte verfügt. Am 8. April 2021 wurden die Wechselrichter geliefert. Ein Mitarbeiter der Klägerin wollte einen Wechselrichter mit einem Gabelstapler vom LKW ab laden. Als er den Wechselrichter ca 15 cm von der Ladefläche anhob und den Stapler zurücksetzte, kippte der Wechselrichter zur Seite. Dabei erlitt der Wechselrichter einen Totalschaden.

[6] Die Klägerin begehrt die Feststellung der Versicherungsdeckung für den Schaden am Wechselrichter. Sie brachte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, die Beklage habe aufgrund der Besonderen Bedingungen (BB) 7858 und 7878 Deckung zu gewähren.

[7] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie brachte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, das Schadenereignis habe sich nicht im versicherten Betrieb der Klägerin ereignet, sodass sich kein versichertes Risiko im Sinn des Art 1.1.1 AHVB 2006 verwirklicht habe. Im Übrigen würde der Risikoausschluss gemäß Art 7.10.4 AHVB 2006 vorliegen. Die Besonderen Bedingungen würden zwar den Risikoausschluss abändern, kämen aber auf den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.

[8] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dass ein Entladen durch den Frächter vereinbart gewesen sei , habe nicht festgestellt werden können, weshalb die Entladeverpflichtung im Zweifel die Klägerin als Empfängerin treffe. Deren Mitarbeiter habe den Wechselrichter auch tatsächlich abgeladen. D er Schaden habe sich folglich im versicherten Betrieb der Klägerin durch eine Handlung ihres Mitarbeiters ereignet. Der Risikoausschluss gemäß Art 7.10.2 AHVB 2006 sei durch die BB 7858 abbedungen worden, weil der Wechselrichter von der Klägerin ab dem Moment des Abladens in Verwahrung übernommen worden sei. Der Ausschluss gemäß Art 7.10.4 AHVB 2006 sei durch die BB 7878 abbedungen worden, weil der Wechselrichter im Betrieb der Klägerin übernommen worden sei, um diesen zu bearbeiten. Die Beklagte habe der Klägerin daher Deckung zu gewähren.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Der eindeutige Wortlaut der BB 7857 lasse keinen Zweifel daran, dass der Versicherungsschutz für Schadenersatzverpflichtungen aus dem Be- und Entladen fremder Fahrzeuge mit dieser speziellen Regelung abschließend dahin geregelt werde , dass Beschädigungen des Ladegutes selbst nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien . Die BB 7857 beziehe sich auf den gesamten Art 7.10. AHVB 2006, sodass nicht davon auszugehen sei , dass eine Einbeziehung in den Versicherungsschutz von Beschädigungen am Ladegut über die BB 7858 und 7878 erfolgen solle. Die Beklagte sei daher leistungsfrei.

[10] Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung , die Revision der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist auch berechtigt.

[13] 1.1. Die Beklagte argumentiert, der Entladevorgang sei nicht im versicherten Betrieb der Klägerin, sondern im Betrieb der Frachtführerin ausgeführt worden, weil das Be- und Entladen als Verwendung eines Kraftfahrzeugs, hier des LKW, anzusehen und daher der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Frachtführerin zuzuordnen sei.

[14] 1.2. Zum Risikoausschluss gemäß Art 7.5.3. AHVB (dort: 2004) hat der Oberste Gerichtshof jüngst in 7 Ob 178/22k ausgeführt, dass die Verwendung des Kraftfahrzeugs in der Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung das versicherte Risiko betrifft, sodass eine weite Auslegung des Begriffs durchaus angezeigt ist, während es sich bei der Verwendung des Kraftfahrzeugs in der privaten oder betrieblichen Haftpflichtversicherung um einen – eng auszulegenden – Risikoausschluss handelt. E ine zweckorientierte Auslegung des Ausschlusstatbestands erfordert demnach die Verwirklichung einer primär von der Verwendung des Kraftfahrzeugs unmittelbar ausgehenden Gefahr, nicht aber die Realisierung anderer (zB betrieblicher) Risiken, die in irgendeinem Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug stehen. Der Schaden muss somit dem Kraftfahrzeugrisiko näher stehen als dem betrieblichen Risiko, also bei natürlicher Betrachtung diesem zuzuordnen sein. Wenn sich daher beim Be- und Entladen nicht primär die vom Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr, sondern vor allem ein betriebliches (Fehl )Verhalten verwirklicht hat, greift der Risikoausschluss nicht (vgl v. Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann , Versicherungsrechts-HB³ § 26 Rn 101).

[15] Das ist auch hier der Fall: Das Entladen wurde von einem Mitarbeiter der Klägerin mit einem Gabelstapler durchgeführt. In der Folge hat sich das spezifische Risiko des Gabelstaplers , schwere Gegenstände von einem LKW zu entladen , realisiert, weil der Wechselrichter beim Anheben durch den Stapler zur Seite kippte und beschädigt wurde. Damit ist der Schaden im Betrieb der Klägerin eingetreten .

[16] 1.3. D as Erstgericht konnte auch nicht feststellen, dass es eine Vereinbarung gab, wonach das Entladen der Wechselrichter von der Frachtführerin durchzuführen war . Deren Tätigkeit war daher mit der Beförderung der Ware zum Betriebsgelände der Klägerin abgeschlossen, sie war nicht zum Ausladen verpflichtet (vgl Thume in Thume , CMR Kommentar Art 17 Rn 30 ) . Da die Beklagte eine Entladeverpflichtung der Absenderin nicht einmal behauptet, ist davon auszugehen, dass die Klägerin für den Entladevorgang verantwortlich war. Dies umso mehr als bei der Lieferung von schweren Geräten wie einem Wechselrichter für die Beteiligten ersichtlich wohl nur die Klägerin über die zur Entladung notwendigen Geräte an Ort und Stelle verfügte (vgl zur Zweckmäßigkeit im konkreten Fall Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB² Art 17–19 CMR Rz 24).

[17] 2. Die Beklagte brachte in der Berufung vor, dass der Risikoausschluss gemäß Art 7.10.2 AHVB 2006 nicht einschlägig sei. Auf diese selbständig zu beurteilende Rechtsfrage ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr einzugehen (RS0043338 [T13]).

[18] 3.1. Gemäß Art 7.10.4 AHVB 2006 erstreckt sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen.

[19] Da hier der Schaden an einer beweglichen Sache (Wechselrichter) bei einer Tätigkeit der Versicherungsnehmerin (Abladen) entstanden ist, greift dieser Risikoausschluss. Die Klägerin ist aber der Ansicht, dass der Schadensfall durch die in den Besonderen Bedingungen enthaltenen sekundären Risikoeinschlüsse (allgemein dazu Schauer , Versicherungsvertragsrecht 3 147 f; Perner , Privatversicherungsrecht Rz 1.33 ) gedeckt ist:

[20] 3.2. Die BB 7857 schließt abweichend von Art 7.5.3 und Art 7.10. AHVB 2006 Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an fremden Land- und Wasserfahrzeugen sowie fremden Containern beim Beladen und Entladen in den Versicherungsschutz ein. Ausdrücklich nicht versichert bleiben Haftpflichtansprüche aus Beschädigung, Verlust, Vernichtung oder Abhandenkommen des Ladegutes.

[21] Im vorliegenden Fall wurde das Ladegut im Zuge des Entladevorgangs beschädigt, sodass sich die Versicherungsdeckung nicht aus der BB 7857 ergeben kann. Die Ansicht der Revisionswerberin, es würde sich hier um keinen Entladevorgang (mehr) handeln, weil der Wechselrichter bereits von der Ladefläche abgehoben worden sei, als er zur Seite kippte, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt, war doch der Abladevorgang zu diesem Zeitpunkt eindeutig noch nicht abgeschlossen. Dass diese Bedingung Schäden im Zuge von Be- und Entladevorgängen abschließend regeln soll, lässt sich aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht aus dem Bedingungswerk ableiten.

[22] 3.3. Die BB 7858 enthält Risikoeinschlüsse für die Verwahrung von beweglichen Sachen. Punkt 3. dieser Besonderen Bedingung schließt Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen aus dem Titel der Verwahrung – abweichend von Art 7.10.2 und 7.10.3 AHVB 2006 – wieder in den Versicherungsschutz ein. Schäden an diesen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen, bleiben aber gemäß Art 7.10.4 AHVB 2006 vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

[23] Da das Ladegut im Zuge des Abladevorgangs beschädigt wurde, kann sich die Versicherungsdeckung auch nicht aus der BB 7858 ergeben. Dieser Besonderen Bedingung liegt nämlich die Überlegung zugrunde, dass zwar bewegliche Sachen, die während der Verwahrung selbst beschädigt werden, vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen, hingegen Schäden an diesen verwahrten Sachen, die infolge einer Tätigkeit des Versicherungsnehmers entstehen, nicht gedeckt sein sollen. Es kann daher dahinstehen, ob der Wechselrichter von der Klägerin überhaupt im Sinne der Versicherungsbedingungen in Verwahrung genommen wurde.

[24] 3.4. Die BB 7878 enthält abweichend von Art 7.10.4 AHVB 2006 einen Einschluss für Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen, die bei oder infolge einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind. Im Anschluss daran werden bestimmte Tätigkeiten konkret angeführt (Bearbeitung, Reparatur oder Prüfung). Im vorliegenden Fall ist der Schaden zwar nicht bei oder infolge einer Bearbeitung, Reparatur oder Prüfung entstanden, allerdings ist die Aufzählung in der BB 7878 nur beispielhaft (arg „und dgl“). Aus dem Wortlaut der Klausel kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer somit nicht entnehmen, dass Schäden bei einem Abladevorgang nicht von der BB 7878 umfasst sind, solange die bewegliche Sache bei oder infolge der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit dieser Sache beschädigt wurde, was hier unzweifelhaft der Fall ist. Auch die Systematik des Bedingungswerks spricht für diese Auslegung: Wenn durch Art 7.10.4 AHVB 2006 Schäden an einer beweglichen Sache, die durch eine Tätigkeit der Versicherungsnehmerin – hier Abladen – entstanden sind, ausgeschlossen sind und die BB 7878 expressis verbis einen davon abweichenden sekundären Risikoeinschluss vorsehen, so kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass ein Schaden gedeckt ist, wenn er an einer beweglichen Sache (Wechselrichter) bei oder infolge einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit dieser Sache (Abladen des Wechselrichters zum Zweck des Einbaus dieses Geräts in ein von der Versicherungsnehmerin hergestelltes Gehäuse) entstanden ist.

[25] 3.4. Der geltend gemachte Schaden ist somit durch den sekundären Risikoeinschluss der BB 7878 gedeckt.

[26] 4. Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache wiederherzustellen.

[27] 5. Daraus resultiert die Notwendigkeit, sich mit dem von der Beklagten mit der Berufung verbundenen Kostenrekurs auseinanderzusetzen. Dieser ist berechtigt, weil die von der Klägerin im Verfahren erster Instanz verzeichneten Kosten um den Überweisungsantrag vom 27. Oktober 2012 zu kürzen waren.

[28] Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Nach der zutreffenden Rechtsprechungslinie des zweiten Senats des Obersten Gerichtshofs hat der Erfolg der Berufung im Kostenpunkt auf die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren keinen Einfluss ( RS0119892 [T3, T4, T7]; RS0087844 [T3, T4, T5, T9]).

Rechtssätze
6
  • RS0112256OGH Rechtssatz

    06. März 2024·3 Entscheidungen

    Die Auslegung von AVB's hat sich am Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu orientieren, ein Maßstab, der den Kriterien der §§ 914 f ABGB weitgehend entspricht. Unklarheiten sind zu Lasten des Versicherers auszulegen, weil dies die Interessen des Vertrauensschutzes erfordern, der "erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen" muss aber stets beachtet werden. Risikoeinschränkende Klauseln besitzen in dem Maße keine Vertragskraft, als deren Verständnis von einem Versicherungsnehmer ohne juristische Vorbildung nicht erwartet werden kann.

  • RS0050063OGH Rechtssatz

    06. März 2024·3 Entscheidungen

    Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (vgl VR 1992/277; VR 1992/284).

  • RS0008901OGH Rechtssatz

    06. März 2024·3 Entscheidungen

    Allgemeine Vertragsbedingungen sind so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen.