JudikaturJustiz6Ob155/01i

6Ob155/01i – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Bundesbahnen, Immobilien und Recht - Region Süd, 9500 Villach, 10. Oktober-Straße 20, vertreten durch Dr. Michael Augustin und Mag. Peter Haslinger, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Manfred F*****, vertreten durch Mag. Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, und die Nebenintervenientin Marktgemeinde U*****, wegen 60.246,50 S, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2000, GZ 3 R 286/00s-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 23. August 2000, GZ 2 C 287/00h-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 60.246,50 S (4.378,28 EUR) samt 4 % Zinsen seit 25. Jänner 2000 binnen 14 Tagen zu zahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit insgesamt 3.234,28 EUR (darin enthalten 392,17 EUR Umsatzsteuer und 881,22 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte, ein ÖBB-Bediensteter, plante, auf seiner Gartenparzelle ein unterkellertes Gartenhaus zu errichten. Über seine Parzelle führt in einer Höhe von 8 bis 9 m eine 110 kV-Übertragungsleitung der klagenden Partei. Der Beklagte erkundigte sich bei einem Kollegen, worauf bei der Errichtung eines Gebäudes unter einer Hochspannungsleitung Bedacht zu nehmen sei. Dieser übergab dem Beklagten Kopien aus der Dienstvorschrift EL 42, die der Beklagte seiner Anzeige über die beabsichtigte Bauführung an die als Nebenintervenientin beigetretene Marktgemeinde beilegte. In Punkt

23.4 dieser Dienstvorschrift sind die Mindestabstände angeführt, die zwischen spannungsführenden Leitungen und kleineren Bauwerken einzuhalten sind. Die Bauanzeige wurde seitens der Gemeinde für ausreichend erachtet. Der Beklagte wurde nicht darauf hingewiesen, dass er mit der Klägerin in Kontakt treten müsse. Der Beklagte bestellte den Beton für den Keller bei einem S***** Unternehmen, das den Beton mit einem von Dietmar S***** gelenkten Bettonlieferwagen mit Pumpenarm zur Baustelle transportieren ließ. Die erste Betonlieferung erfolgte am 7. 4. 1997, die zweite am 11. 4. 1997. Bei der letzten Lieferung hatte es Dietmar S***** eilig, weil er sich um eineinhalb Stunden verspätet hatte. Das Abladen geschah, anders als am 7. 4. 1997, diesmal nicht vom Einfahrtsbereich zur Gartenparzelle, sondern von einer geschotterten Zufahrtsstraße und einem Bereich aus, in dem der Mischwagen ziemlich genau unter der Hochspannungsleitung stand. Deshalb wies der Beklagte den Lenker darauf hin, er solle vorsichtig sein, damit er nicht mit dem Pumpenarm des Lieferwagens zu nahe an die stromführenden Drähte herankomme. Der Beklagte riet ihm, den Lieferwagen lieber wieder so hinzustellen wie bei der ersten Betonlieferung. Auch ein auf der Baustelle anwesender Freund des Beklagten, der bei der Kellererrichtung mithalf, ermahnte Dietmar S***** zur Vorsicht. All dies konnte ihn aber nicht dazu veranlassen, den Aufstellungsort des Betonlieferwagens zu verändern: Er fuhr den Pumpenarm der an seinem LKW angebrachten Fertigbetonpumpe aus und bediente diese neben dem LKW stehend über die Kabelfernsteuerung. Er hielt den Ausgießer am Ende des Betonschlauches fest und verteilte damit den Fertigbeton im Arbeitsbereich. Der Pumpenarm stand während der Arbeitsverrichtung in einer annähernd waagrechten Position, sodass er nicht in den Nahebereich der Leiterseile der Hochspannungsleitung gelangen konnte. Nachdem die Betonabladung abgeschlossen war, machte sich Dietmar S***** daran, den Pumpenarm einzufahren. Dabei bewegte er den Arm in eine ziemlich aufrechte Position, wodurch der Arm zu nahe an eines der Leiterseile geriet. Dabei sprang ein Lichtbogen von der Leitung auf die Pumpeneinrichtung über. Der Mann erhielt über die Kabelfernsteuerung einen tödlichen Stromschlag. Die Starkstromleitung wurde in weiterer Folge durch die Kraft der freiwerdenden Elektrizität zum Pumpenarm geschleudert und blieb einige Sekunden lang mit diesem in Kontakt, wurde dann von diesem weggeschleudert, prallte im Zuge der Rückwärtsbewegung neuerlich auf die Pumpeneinrichtung und blieb wiederum eine Zeit lang an dieser haften. Durch die hiebei auf den LKW einwirkenden Kräfte explodierten die beiden Vorderreifen, wodurch sich der LKW absenkte und der Pumpenarm nunmehr endgültig gegen die Starkstromleitung kippte.

Obgleich § 39 Eisenbahngesetz (EisbG) eine Bewilligung der "Behörde" vorsieht, wurde die Klägerin von den Bauarbeiten vor dem Unfall nicht informiert. Die Klägerin stimmt Bauvorhaben nur dann zu, wenn bestimmte Mindestabstände zwischen den Leitungen und den Bauwerkteilen eingehalten werden. Annäherungen von Personen, Geräten und Gegenständen auf weniger als 3 m an die unter Hochspannung stehenden Leitungsanlagen werden wegen der besonderen Lebensgefahr generell untersagt. Die Klägerin fordert regelmäßig, dass die auf der Baustelle tätigen Unternehmen und Arbeiter nachweislich auf dieses Verbot hinzuweisen sind. Bei einer Gefahr der Unterschreitung des Sicherheitsabstandes von 3 m fordert die Klägerin jedenfalls die Verständigung des Fahrleitungsmeisters der zuständigen Elektrobetriebsstelle. Sie untersagt grundsätzlich jede Verwendung von Kränen, Kranarmen udgl im Gefährdungsbereich. Dementsprechende Auflagen wurden dem Beklagten schließlich auch erteilt, als er nach dem Unfall um die Bewilligung nach § 39 EisbG ansuchte. Der tödlich Verunglückte hinterließ ein minderjähriges Kind, für das die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) und die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (PVA) Leistungen zu erbringen haben. Die AUVA beglich weiters auch die Begräbniskosten. Die AUVA und die PVA forderten die Klägerin zur Leistung von Regresszahlungen auf, weil sie nach dem Reichshaftpflichtgesetz (RHPflG) für die Unfallsfolgen hafte. Es kam zu einem Vergleichsabschluss, in dem sich die Klägerin zur Zahlung eines Viertels der aus dem Tod des Dietmar S***** resultierenden Ansprüche verpflichtete. Die Klägerin zahlte schließlich an die AUVA und an die PVA insgesamt 120.493 S. Darin war ein Betrag von 24.623 S für anteilige Überführungs- und Bestattungskosten, S 11.909 für bereits fällige Waisenrenten für das Kind und 100.000 S an pauschalierten, bis zum Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes des Verstorbenen zu leistenden Waisenrenten (bzw Waisenpension) enthalten.

Die Klägerin begehrte die Hälfte der von ihr an die AUVA und PVA im Vergleichsweg geleisteten Zahlungen, somit 60.246,50 S. Sie habe die gemäß § 332 ASVG an sie herangetragenen Ansprüche aufgrund der Bestimmungen des RHPflG zu einem Viertel anerkannt, wobei das Mitverschulden des Getöteten mit drei Viertel berücksichtigt worden sei. Den Beklagten treffe ein Mitverschulden am Unfall, weil er entgegen der Bestimmung des § 39 Abs 3 EisbG keine Bewilligung der Klägerin vor der Bauausführung eingeholt habe. Hätte er dieser Verpflichtung entsprochen, wäre der Unfall vermieden worden, weil die Klägerin entsprechende Maßnahmen zur Unfallverhütung vorgeschrieben hätte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Getöteten, sodass die Klägerin nicht zu Ersatzzahlungen verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte habe unverschuldet keine Kenntnis von der Genehmigungspflicht des Gartenhauses durch die Klägerin gehabt. Der Unfall hätte auch im Fall einer Bewilligung der Klägerin nicht vermieden werden können. Das Begehren auf Ersatz der Waisenrente sei hinsichtlich des über den Schluss der Verhandlung hinausreichenden Zeitraumes noch nicht fällig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den Getöteten treffe zwar ein erhebliches Verschulden, doch sei sein Fehlverhalten noch nicht derart gravierend, dass die Klägerin zur Gänze aus ihrer Haftung nach § 1a RHPflG entlassen werden könne. Den Beklagten treffe ein kausales Mitverschulden, das in der Verletzung der Bestimmung des § 39 EisbG über die Bewilligungspflicht derartiger Bauvorhaben durch die Klägerin gelegen sei. Sein Mitverschulden sei mit zumindest einem Achtel, das dem eingeklagten Betrag entspreche, anzusetzen. Die Klägerin habe durch die vergleichweise getroffene Regelung mit den Sozialversicherungsträgern im Hinblick auf die Ungewissheit über den Ausgang eines Gerichtsverfahrens ihre Schadensminderungspflicht nicht verletzt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. "Höhere Gewalt" im Sinn des § 1a Abs 3 Z 3 RHPflG liege nicht vor, wenn Freilandleitungen - wie hier bei Bauarbeiten - fahrlässig berührt würden, weil ein solches Ereignis grundsätzlich zu den mit elektrischen Freileitungen typischerweise verbundenen Betriebsgefahren zähle. Es sei auch die Ansicht des Erstgerichtes zu billigen, dass das Fehlverhalten des Getöteten noch keinen Haftungsausschluss zugunsten der Klägerin rechtfertige. Dessen Eigenverschulden sei gegenüber der Klägerin zutreffend mit 75 % berücksichtigt worden. § 39 Abs 3 EisbG sei ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB. Der Beklagte könne sich gemäß § 2 ABGB nicht auf die Unkenntnis dieser Bestimmung berufen. Die Rechtskenntnis sei ihm auch durchaus zumutbar gewesen. Bei der von ihm zu verlangenden Sorgfalt, wobei ein strenger Maßstab anzulegen sei, hätte er sich durch entsprechende Erkundigung Kenntnis von der Bewilligungspflicht verschaffen können. Bei einem Ansuchen um eine Bewilligung wäre es nicht zum Unfall gekommen, weil dem Beklagten die Verwendung von Kränen, Kranarmen udgl im Gefährdungsbereich untersagt worden wäre. Die Klägerin habe im legitimen Interesse, auch die zukünftig zu gewärtigenden Ansprüche bereits jetzt einer abschließenden Regelung zuzuführen, eine Pauschalzahlung von 100.000 S hinsichtlich der Waisenrente vereinbart. Eine Beeinträchtigung der Interessen des Beklagten könne darin nicht erblickt werden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des Regresses verglichener zukünftiger Forderungen keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt. Der Anspruch gegen den Schädiger entsteht nicht unmittelbar in der Person des Versicherungsträgers, sondern in der Person des Verletzten und dessen Hinterbliebenen und geht gemäß § 332 ASVG von diesen auf den Sozialversicherungsträger sofort über. Gegen den also bloß abgeleiteten Anspruch des Sozialversicherers stehen dem Schädiger alle Einwendungen zu, die ihm gegen den Verletzten zugestanden wären (RIS-Justiz RS0032777). Auf das Verhältnis des Schädigers zum Verletzten als dem ursprünglichen Gläubiger kommen die privatrechtlichen Grundsätze über die Übertragung von Forderungen zur Anwendung (RIS-Justiz RS0032961). Durch den Forderungsübergang des Verletzten bzw der Hinterbliebenen auf die Sozialversicherungsträger blieben daher sowohl der Klägerin als gemäß § 1a RHPflG Haftpflichtigen als auch dem Beklagten als möglichen weiteren Ersatzpflichtigen alle Einwendungen, die ihnen auch gegen den Verletzten bzw die Hinterbliebenen zugestanden wären, erhalten. Gemäß § 1a RHPflG (aF) ist der Inhaber der Anlagen verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, wenn ein Unfall, der den Tod oder die Gesundheitsschädigung eines Menschen oder eine Sachbeschädigung zur Folge hat, auf die Wirkung der Elektrizität oder des Gases zurückzuführen ist. Nach Abs 3 ist die Ersatzpflicht nach Abs 1 ausgeschlossen, ... 3. wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht worden ist, es sei denn, dass er auf das Herabfallen von Leitungsdrähten zurückzuführen ist. Nach Abs 4 gilt § 1304 ABGB, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat.

Der Oberste Gerichtshof gelangte zwar bei einem ähnlich gelagerten Unfall - auch dort geriet ein Teil eines Betonmischwagens in den Nahebereich einer Starkstromleitung - zur Bejahung eines Verschuldens des getöteten Lenkers des Betonmischwagens, das gegenüber der Haftung des Inhabers der Starkstromleitung nach § 1a RHPflG mit 75 % zu gewichten sei (Entscheidung vom 11. 11. 1993, 2 Ob 27/93 - nicht veröff.). Im vorliegenden Fall ist jedoch primär die Frage der Verschuldensteilung zwischen dem Getöteten und dem Beklagten und nicht bloß die Frage der Gewichtung des Verschuldens des Getöteten gegenüber der Gefährdungshaftung des Inhabers der Starkstromanlage entscheidend:

Die maßgebende Bestimmung für den Regress des nach § 1a RHPflG haftenden Inhabers einer Anlage gegen einen allfälligen ebenfalls haftenden Dritten ist § 9b RHG, der lautet: "(1) Ist der Schaden durch mehrere in § 1a bezeichnete Anlagen verursacht worden und sind die Inhaber der Anlagen einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Inhaber zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden überwiegend durch die eine oder andere Anlage verursacht worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schaden einem der Inhaber entstanden ist, von der Haftpflicht, die einen anderen von ihnen trifft. (2) Abs 1 gilt entsprechend, wenn neben der Haftung des Inhabers der Anlage die Haftung eines anderen für den Schaden durch Gesetz bestimmt ist."

Durch diese Bestimmung wurde bei mehreren gesamtschuldnerisch Haftenden eine Ausgleichsvorschrift für den Fall geschaffen, dass zumindest einer nach § 1a RHPflG haftet (6 Ob 617/85). Entsprechend der im deutschen Recht üblichen Formulierung spricht § 9b RHPflG davon, dass es im Innenverhältnis zwischen den mehreren Ersatzpflichtigen auf die überwiegende Verursachung ankommt. Da die Verursachung jedoch nicht abstufbar ist, kann es nur auf Stärke der übrigen Zurechnungsgründe ankommen (Koziol Haftpflichtrecht II², 426). Durch § 9b RHPflG wurde eine Haftpflicht der Beteiligten nicht erst begründet. Seine Anwendung setzt vielmehr voraus, dass eine solche kraft Gesetzes bereits besteht (6 Ob 617/85). Voraussetzung der Regresspflicht des Beklagten, der nicht der Haftung nach der RHPflG unterliegt, ist gemäß § 9b Abs 2 RHPflG aber jedenfalls, dass er gegenüber dem Verletzten (den Hinterbliebenen) aus irgend einem (anderen) Rechtsgrund, beispielsweise wegen Verschuldens, kraft Gesetzes für den Schaden haftet (Biermann, RHPflG, 260, 261). Diese Erwägungen führen im Ergebnis dazu, dass zu prüfen ist, ob bei Abwägung des Fehlverhaltens des Beklagten, der entgegen der Bestimmung des § 39 EisbG keine Genehmigung der Klägerin zur Errichtung seines Gartenhauses eingeholt hatte, und jenem des Getöteten Anlass besteht, eine Haftung des Beklagten gegenüber den Hinterbliebenen zu bejahen.

§ 39 EisbG lautet: "(1) In der Umgebung von Eisenbahnanlagen (Gefährdungsbereich) ist die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen verboten, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Betriebsführung, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder bei schienengleichen Eisenbahnübergängen, gefährdet wird. (2) Bei Hochspannungsleistungen beträgt, unbeschadet der Bestimmung des Abs 3, der Gefährdungsbereich, wenn sie Freileitungen sind, in der Regel je 25 m, wenn sie verkabelt sind, in der Regel je 5 m beiderseits der Leitungsachse. (3) Wenn im Gefährdungsbereich Steinbrüche, Stauwerke oder andere Anlagen errichtet oder Stoffe, die explosiv oder brennbar sind, gelagert oder verarbeitet werden sollen, durch die der Eisenbahnbetrieb gefährdet werden kann, so ist vor der Bauausführung oder der Lagerung oder Verarbeitung die Bewilligung der Behörde einzuholen; diese ist zu erteilen, wenn Vorkehrungen getroffen sind, die eine Gefährdung des Eisenbahnbetriebes ausschließen."

Nach § 2 ABGB kann sich niemand damit entschuldigen, dass ihm ein gehörig kundgemachtes Gesetz nicht bekannt sei. Das Gesetz ist daher ohne Rücksicht auf die Kenntnis der davon Betroffenen anzuwenden. Daraus ist aber nicht zu folgern, dass eine solche Unkenntnis für sich allein schon ein Verschulden bedeuten muss. Die Unkenntnis verwaltungsrechtlicher Vorschriften begründet ein Schadenersatzansprüche auslösendes Verschulden (hier: Mitverschulden) nur dann, wenn die im besonderen Fall gebotene Aufmerksamkeit außer Acht gelassen wurde (2 Ob 53/99d = ZVR 2000/23 mwN; RIS-Justiz RS0008651). Zwar ist jedermann verpflichtet, sich Kenntnis von den ihn nach seinem Lebenskreis betreffenden Gesetzesvorschriften zu verschaffen. Die Verletzung dieser Pflicht führt aber nur dann zu einem Verschuldensvorwurf, wenn mindestens leichte Fahrlässigkeit vorliegt, wenn also bei Anwendung gehöriger Sorgfalt eines Durchschnittsmenschen die Rechtskenntnis in zumutbarer Weise erlangt hätte werden können (10 ObS 243/93 = EvBl 1994/140 mwN; RIS-Justiz RS0013253).

Im vorliegenden Fall kannte der Beklagte die Bestimmung über die Genehmigungspflicht seines Bauvorhabens durch die Klägerin nicht. Er zog allerdings - was nahe lag - in Erwägung, dass infolge der über sein Grundstück führenden Hochspannungsleitung - neben den landesrechtlichen Bauvorschriften - besondere Vorschriften zu beachten sein könnten. Deshalb erkundigte er sich bei einem (ebenfalls) bei der Klägerin beschäftigten Kollegen, dem er offenbar einschlägige Kenntnisse unterstellte. Da ihm dieser Kollege tatsächlich Unterlagen über die einzuhaltenden Sicherungsabstände zur Verfügung stellte, konnte der Beklagte davon ausgehen, dass seine Annahme, einen einschlägig informierten Kollegen zu Rate gezogen zu haben, nicht verfehlt war. Es bleibt daher lediglich der Vorwurf, dass sich der Beklagte nicht an die für derartige Rechtsauskünfte zuständige Abteilung der Klägerin gewendet hat, um Erkundigungen über einschlägige verwaltungsrechtliche Bestimmungen einzuziehen. Im Hinblick darauf, dass ihn aber weder die Baubehörde (Gemeinde) noch der Kollege, auf dessen Wissensstand er vertraute und der offenbar auch nicht auf seine nicht ausreichenden Kenntnisse hinwies, auf die Genehmigungspflicht aufmerksam gemacht wurde, ist seine Unkenntnis der betreffenden Vorschrift - wenn überhaupt - bloß als sehr geringes Verschulden zu qualifizieren.

Dem steht das grob fahrlässige Verhalten des Getöteten gegenüber, der den Betonmischwagen ohne zwingenden Grund (einige Tage zuvor war die Entladeposition eine andere) unmittelbar unter der gut sichtbaren Hochspannungsleitung positioniert hat, die Warnungen des Beklagten und dessen Helfers missachtete und schließlich dennoch den Pumpenarm - wenn auch offenbar aus Unbesonnenheit - senkrecht stellte und damit in eine Position brachte, die geradezu zwangsläufig zu einem Kontakt mit der Hochspannungsleitung oder Überspringen eines Funkens führen musste.

Nach ständiger Rechtsprechung hebt das weitaus überwiegende Verschulden des Beschädigten die Haftung des anderen Teiles gänzlich auf. Je schwerwiegender das Verschulden des einen am Unfall Beteiligten ist, umso eher kann das des anderen vernachlässigt werden (RIS-Justiz RS0027202). Nach diesen Grundsätzen bietet auch der vorliegende Fall im Hinblick auf das gravierende Fehlverhalten des Getöteten Anlass, von einer Bejahung der Haftung des Beklagten Abstand zu nehmen. Auch wenn daher der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der an der Errichtung eines genehmigungspflichtigen Bauwerkes beteiligten Person vom Schutzzweck des § 39 EisbG, sei es auch nur nebenher (vgl Reischauer in Rummel, Kommentar zum ABGB II², § 1311 ABGB Rz 10 mwN) umfasst wäre, ist eine Mithaftung des Beklagten zu verneinen. Der Klägerin steht daher auch kein Regressanspruch gegen den Beklagten nach § 9b RHPflG zu. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
8