JudikaturJustiz6Ob14/01d

6Ob14/01d – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. März 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dietmar K. G*****, vertreten durch Neumayr Walter, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Günther S*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Widerrufs ehrverletzender Behauptungen, über die ordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 22. August 2000, GZ 3 R 86/00p-21, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. März 2000, GZ 10 Cg 116/98m-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 39.455,30 S (darin 6.575,80 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 28.597 S (darin 2.999,50 S Umsatzsteuer und 10.600 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 22.155 S (darin 2.589,20 S Umsatzsteuer und 6.620 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 1995 war der Öffentlichkeit durch Medienberichte ein Skandal um ein Unternehmen bekannt geworden, das Anlegern im Rahmen eines Pyramidenspiels große Schäden verursacht haben soll. Der klagende Detektiv und der beklagte Rechtsanwalt standen zu dem Unternehmen beruflich in Verbindung. Am 5. 10. 1995 erschien in einem Wochenmagazin ein Artikel, der sich mit dem Skandal beschäftigte. Der Beklagte hatte dem Journalisten zuvor ein telefonisches Interview gegeben. Im Zeitungsartikel wurde folgende Äußerung des Beklagten über den Kläger zitiert:

"Ich habe dem Spuk ein Ende gesetzt. Dieser lümmelhafte und größenwahnsinnige Brutalo-Faschist gehört weg aus der Szene".

Über die vom Kläger am 17. 11. 1995 wegen des Delikts nach § 115 Abs 1 StGB eingebrachte Privatanklage erging ein Schuldspruch. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten am 27. 11. 1997 Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf. Es trug dem Erstgericht die Vernehmung des Journalisten als Zeugen auf und führte in der Urteilsbegründung ua Folgendes aus:

"Im erneuten Verfahren wird daher der Zeuge B***** - unter Zuhilfenahme seiner Gesprächsnotizen (vgl AS 113 unten) - punktuell darüber zu befragen sein, auf welche Weise es zu den inkriminierten Bezeichnungen durch den Angeklagten gekommen ist und ob er damit vermeintliche Eigenschaften des Privatanklägers angesprochen hat oder nicht. Dies auch deshalb, weil die im Artikel abgedruckte Wortfolge eine Zusammenfassung wiederzuspiegeln scheint, die nur zum Teil auf jene den Äußerungen zugrunde liegenden Sachverhalte eingeht, wird doch zB der Begriff des Größenwahnsinns im Artikel völlig isoliert und nicht nachvollziehbar dargestellt, während der Verantwortung des Angeklagten eine passende Ausdeutung zweifelsfrei zu entnehmen ist".

Über Antrag des Beklagten übermittelte dessen Rechtsvertreter am 11. 12. 1997 der Austria Presseagentur eine Presseerklärung mit folgendem Wortlaut:

"Wie Sie wissen, vertrete ich Herrn Kollegen Dr. Günther S***** in der Auseinandersetzung mit Herrn Dietmar G***** vor dem Landesgericht St. Pölten. Sie haben seinerzeit in Ihrer Aussendung vom November 1997 über das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten berichtet.

Ich teile mit, dass das Oberlandesgericht Wien der Berufung meines Mandanten schon in nicht öffentlicher Sitzung und innerhalb kürzester Zeit stattgegeben, das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen hat. Aus dem beiliegenden Urteil können Sie entnehmen, dass darin der Erstrichter gerügt wird, sich mit der Darstellung meines Klienten nicht ernsthaft auseinandergesetzt zu haben und solcher Art erhebliche Bedenken gegen seine Beweiswürdigung aufgezeigt werden. Geradezu gegenteilig sieht das OLG Wien in der Darstellung meines Klienten entsprechende Hinweise auf die Charaktereigenschaften des Herrn Dietmar G***** und zitiert auch (Seite 4 des Urteiles) die Darstellung des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Günther S***** - es werden sogar Passagen aus dem angetretenen Wahrheitsbeweis zitiert - was auf Seite 6 unten besonders drastisch zum Ausdruck kommt, als dort die Verantwortung meines Klienten gerade, was den Begriff des Größenwahnsinns des Herrn G***** betrifft mit den Worten 'eine passende Ausdeutung zweifelsfrei zu entnehmen ist' manifestiert ist.

Damit wurde den Ausführungen zur Beweiswürdigung des Herrn Richters zu St. Pölten eine entsprechende Disqualifikatoin erteilt, denn es kann wohl keine größere Entwertung des erstrichterlichen Handelns geben, wenn ihm eine übergeordnete Instanz erklärt, dass er sich nicht ernsthaft mit der Verantwortung eines Angeschuldigten auseinandergesetzt hat und darüberhinaus ausweist, dass gegen diese Beweiswürdigung erhebliche Bedenken bestehen. Natürlich wird mein Klient, Herr Rechtsanwalt Dr. Günther S*****, im neuen Verfahren den von ihm immer angebotenen und bereits auch angetretenen - wie das OLG Wien kurz darauf hingewiesen hat - Wahrheitsbeweis erbringen".

Das Strafgericht erster Instanz erkannte am 9. 10. 1998 auch im zweiten Rechtsgang den Beklagten des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB deswegen für schuldig, weil er durch die gegenüber dem Journalisten abgegebene Äußerung, der Kläger sein ein größenwahnsinniger Brutalo-Faschist und gehöre weg aus der Szene, öffentlich beschimpft habe. In der Urteilsbegründung stellte das Gericht ua fest, dass der Beklagte billigend in Kauf genommen habe, dass der Journalist seine Äußerung veröffentlichen werde. Er habe nicht verlangt, dass seine Aussage über den Kläger nicht veröffentlicht werden sollte.

Das Berufungsgericht des Privatanklageverfahrens bestätigte am 4. 10. 1999 den Schuldspruch und die rechtliche Qualifikation des Erstgerichtes.

Der Kläger begehrt mit seiner am 21. 4. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage die Unterlassung von Äußerungen und deren Verbreitung, in denen behauptet oder der Eindruck erweckt wird,

a) der Vorwurf des Beklagten gegenüber dem Kläger, dieser sei größenwahnsinnig, sei durch ein Urteil des Oberlandesgerichtes Wien manifestiert worden oder es hätte das Oberlandesgericht Wien in einem aufhebenden Urteil Feststellungen getroffen, oder eine Begründung gegeben, in der erhebliche Indizien im Rahmen einer Beweiswürdigungsprüfung dafür festgehalten worden seien, dass der Kläger tatsächlich größenwahnsinnig sei und/oder

b) der Kläger sei ein Brutalo-Faschist oder verhalte sich wie ein Brutalo-Faschist und/oder

c) der Kläger sei größenwahnsinnig.

Der Kläger begehrt ferner zum Unterlassungsanspruch a) den Widerruf der Behauptung, in einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien sei die Behauptung des Beklagten, der Kläger sei größenwahnsinnig, manifestiert worden, gegenüber der Austria Presseagentur sowie den Widerruf gegenüber der N*****gesellschaft mbH Co KG und b) den Widerruf gegenüber dem Journalisten Emil B***** hinsichtlich der Behauptung, der Kläger verhalte sich wie ein Brutalo-Faschist.

Der Beklagte habe seine Beschimpfung anlässlich des Telefoninterviews nicht mit bestimmten Verhaltensweisen des Klägers erklärt. Der Beklagte habe in der Presseerklärung seine Äußerung wiederholt und die unwahre Behauptung aufgestellt, das Oberlandesgericht habe in seinem Aufhebungsurteil die Wahrheit der Äußerung festgestellt. Dadurch sei der durch den Text der Urteilsbegründung nicht gedeckte falsche Eindruck entstanden, das Berufungsgericht habe im Rahmen einer Entscheidung und einer Beweiswürdigung festgestellt, dass der Kläger größenwahnsinnig sei und dass Indizien dafür gegeben seien, dass die Bezeichnung "Brutalo-Faschist" der Wahrheit entspreche. Diese Bezeichnungen seien geeignet, den Kläger in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen. Es liege Wiederholungsgefahr vor. Der Beklagte habe eine Unterlassungsverpflichtung abgelehnt und beharre auf der Richtigkeit seiner Äußerungen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Der Kläger habe den Beklagten vor dessen Interview mehrfach bedroht. Unter Bezugnahme auf Handlungsweisen und Charaktereigenschaften des Klägers habe der Beklagte den Kläger als größenwahnsinnig und sein Verhalten als das eines brutalen Faschisten bezeichnet, aber darauf hingewiesen, dass diese Äußerungen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Es liege daher der Rechtfertigungsgrund nach § 1330 Abs 2 letzter Satz ABGB vor. Mit seiner Presseerklärung habe der Beklagte nur auf eine Veröffentlichung des erstinstanzlichen Strafurteils durch den Kläger reagiert. Der Beklagte habe seinerseits wahrheitsgemäß aus dem Aufhebungsurteil des Berufungsgerichtes zitiert. Er habe überdies mit der Presseerklärung eine ungekürzte Urteilsausfertigung mitübersandt. Der Beklagte wolle im Strafverfahren den Wahrheitsbeweis für die Richtigkeit seiner gegenüber dem Journalisten geäußerten Behauptungen antreten (die Rechtskraft des Schuldspruchs trat erst in anhängigen Zivilverfahren ein). Im Zivilverfahren müsse der Kläger die Unwahrheit der Behauptungen beweisen. Ergänzend führte der Beklagte noch verschiedene Vorfälle an, aus denen sich die Richtigkeit seiner Äußerungen über den Kläger ergeben sollte (ua gefährliche Drohungen des Klägers gegenüber seiner Ehegattin; Äußerungen mit nationalsozialistischem Gedankengut; Ehrenbeleidigungen; Strafanzeigen gegen Schweizer Untersuchungsrichter). Zuletzt erhob der Beklagte noch den Einwand der Verjährung.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich dahin, dass der rechtskräftige Schuldspruch im Strafverfahren die Bindungswirkung entfalte, dass der Entscheidung eine Ehrenbeleidigung gemäß § 1330 Abs 1 ABGB zu Grunde zu legen sei. Beide Gerichte des Strafverfahrens hätten die Umstände dargelegt, dass die bekämpften Äußerungen spontan und ohne jeden Zusammenhang mit einem substantiierten Charakter- oder Verhaltensvorwurf gegen den Kläger erfolgt seien. Bei einer Ehrenbeleidigung (§ 115 StGB; § 1330 Abs 1 ABGB) sei der Wahrheitsbeweis nicht zulässig. Bei der Presseaussendung des Beklagten handle es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Das Berufungsgericht des Strafverfahrens habe sich mit der Verantwortung des Beklagten hinsichtlich des Vorwurfs des Größenwahnsinns inhaltlich nicht auseinandergesetzt und den Vorwurf des Beklagten nicht "manifestiert", worunter eine inhaltliche Bestätigung zu verstehen sei. Die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr liege deswegen vor, weil der Beklagte im Prozess weiterhin die Auffassung vertrete, zu den bekämpften Äußerungen berechtigt zu sein. Der Widerrufsanspruch sei verschuldensabhängig. Leichte Fahrlässigkeit genüge. An einen Rechtsanwalt seien erhöhte Sorgfaltsanforderungen zu stellen. Der Beklagte habe die in seiner Presseaussendung vorgenommene Umdeutung des Urteils des Oberlandesgerichtes zu widerrufen. Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Er habe innerhalb von sechs Wochen nach Erscheinen des Interviews Privatanklage erhoben. Die Verjährung werde gemäß § 1497 ABGB durch den Anschluss im Strafverfahren als Privatbeteiligter unterbrochen. Umso mehr müsse dies für den Fall der Erhebung einer Privatanklage gelten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es gab den auf die Presseerklärung des Beklagten gestützten Ansprüchen statt und wies die übrigen Begehren ab. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes über die Bindungswirkung des Strafurteils, unabhängig von dessen materieller Richtigkeit. Bei reinen Werturteilen ohne Charakter- oder Verhaltensvorwurf sei der Wahrheitsbeweis nicht zulässig. Die auf § 1330 Abs 1 ABGB gestützten Ansprüche seien aber verjährt. Die Erhebung einer Privatanklage führe nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung, weil mit ihr nicht ein zivilrechtlicher Anspruch, sondern nur der staatliche Strafanspruch geltend gemacht werde. Zivilrechtliche Ansprüche könnten im Strafverfahren durch einen Anschluss als Privatbeteiligter geltend gemacht werden. Auch ein Privatankläger könne im Verfahren über seine Privatanklage selbst als Privatbeteiligter auftreten. Dies habe der Kläger nicht getan. Die Klageeinbringung mehr als zweieinhalb Jahre nach der bekämpften Äußerung sei gemäß § 1490 Abs 1 ABGB verjährt.

Die auf die Presseerklärung vom 11. 12. 1997 gestützten Ansprüche des Klägers seien berechtigt. Die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung des Beklagten liege darin, dass mit der Presseerklärung der Eindruck erweckt worden sei, das Oberlandesgericht habe sich mit der Verantwortung des Beklagten inhaltlich auseinandergesetzt und in seiner Verantwortung Hinweise auf die Charaktereigenschaften des Klägers erblickt. Tatsächlich habe das Oberlandesgericht aber jede inhaltliche Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Beklagten unterlassen und das erstinstanzliche Urteil nur wegen eines formellen Begründungsmangels aufgehoben. Die Behauptung des Beklagten, dass seine Verantwortung in Bezug auf den Vorwurf des Größenwahnsinns vom Oberlandesgericht "manifestiert" worden sei, sei unrichtig. Es liege keine wahre Tatsachenbehauptung nach dem Verständnis des Durchschnittslesers vor. Der Beklagte habe als Rechtsanwalt und Verbreiter der unwahren Behauptung wissen müssen, dass seine Presseaussendung unrichtig gewesen sei. Wegen leichter Fahrlässigkeit sei auch der Widerrufsanspruch berechtigt. Durch die Presseaussendung sei der Ruf des Klägers beeinträchtigt worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich jedes einzelnen Begehrens 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage der Unterbrechung der Verjährung infolge der Erhebung einer Privatanklage liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass der Klage zur Gänze stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt mit seiner ordentlichen Revision die Abänderung dahin, dass die Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind zulässig. Nur die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die bekämpfte Bezeichnung "größenwahnsinniger Brutalo-Faschist" nicht nur ehrverletzend im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB sei, sondern auch eine rufschädigende Tatsachenbehauptung nach Abs 2 leg cit darstelle. In der Frage der rechtlichen Qualifikation bestehe keine Bindung an das über die Privatanklage ergangene Strafurteil. Der Beklagte wendet sich gegen die Auslegung des Bedeutungsinhalts seiner Presseerklärung, lässt aber unbekämpft, dass er sich diese Äußerung seines Rechtsvertreters im Sinne der Entscheidung MR 1997, 23 zurechnen lassen muss. Der Beklagte habe nur wahrheitsgetreu den Inhalt des Aufhebungsurteils des Strafgerichts zweiter Instanz wiedergegeben.

Zu beiden Revisionen kann in einem Stellung genommen werden.

1. Der Kläger stützte schon in der Klage seine Begehren nicht nur auf die Behauptungen des Beklagten gegenüber dem Journalisten, sondern auch auf die nachfolgende Presseerklärung. In dieser habe der Beklagte seine ursprünglichen Beschimpfungen wiederholt. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, wie er in der Entscheidung 6 Ob 244/98w (RdW 1999, 347) zu beurteilen war. Dort lag kein ausreichendes Parteivorbringen der Klägerin darüber vor, dass sie dem Beklagten sowohl ein unrichtiges Zitat als auch die Identifikation des Täters mit dem Zitierten zur Last legt. Es wird daher zu untersuchen sein, ob der Beklagte mit seiner Presseerklärung seine ursprünglichen Äußerungen wiederholt und damit neuerlich das Delikt der Ehrenbeleidigung verwirklicht hat (dazu unten P. 5.).

2. Für die Abgrenzung der Tatsachenbehauptungen von reinen Werturteilen kommt es auf den Gesamtzusammenhang der Äußerung und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung an. Von ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen kann immer nur dann die Rede sein, wenn der Äußerung ein überprüfbarer Sachverhalt zu Grunde liegt. Der Täter muss dem Verletzten einen konkreten Verhaltensvorwurf machen. Ohne die Behauptung eines weiteren Sachverhalts wurden beispielsweise die Bezeichnungen "Nazijournalismus" und "Nazi" als unüberprüfbare Werturteile qualifiziert (MR 1994, 111; MR 1996, 28). Dies entspricht der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Meinungsfreiheit nach Art 10 MRK. Auch eine Beschimpfung wie beispielsweise durch die Bezeichnung "Trottel" kann unter der Voraussetzung einer objektiv nachvollziehbaren Begründung in der Äußerung selbst, gerechtfertigt sein (EGMR vom 1. 7. 1997, Zl 47/1996/666/852 "Oberschlick Nr 2", zitiert von Grabenwarter/Holoubek in ecolex 1997, 705). Für die Beschimpfung (§ 1330 Abs 1 ABGB; § 115 StGB) gilt die kurze Verjährungsfrist des § 1490 ABGB. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich nicht, dass der Beklagte seine ehrverletzenden Äußerungen gegenüber dem Journalisten mit konkreten Verhaltensvorwürfen näher begründet hat. Der erst im anhängigen Zivilprozess unternommene Versuch, die getroffene Wortwahl mit einem nachträglich vorgebrachten Sachverhalt zu rechtfertigen, scheitert daran, dass es nur auf die Äußerung in dem Gesamtzusammenhang ankommt, in dem sie fiel. Dass ein Werturteil mit den erst im Zivilprozess konkretisierten Verhaltensvorwürfen unter Umständen nach der gebotenen Interessenabwägung gerechtfertigt sein könnte, ändert nichts an der Qualifikation der ursprünglichen Äußerung als reine Beschimpfung. Dies steht hier schon auf Grund der zu erläuternden Bindung an das rechtskräftige Strafurteil fest:

3. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 68/195 wird in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Bindungswirkung strafgerichtlicher Verurteilungen als Ausfluss der materiellen Rechtskraft bejaht. Dies gilt auch für Urteile in Privatanklageverfahren (4 Ob 311/97g = ÖBl 1998, 363) und für Entscheidungen nach § 6 MedienG. Der erkennende Senat bejaht nicht nur eine Bindung an die Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch an die festgestellten konkreten Sachverhaltselemente und an die rechtliche Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand (6 Ob 105/97b = EvBl 1998/39; 6 Ob 2287/96h; zuletzt 6 Ob 265/00i). Die rechtskräftige Verurteilung des Beklagten nach § 115 StGB bewirkt daher für das Zivilverfahren bindend die Qualifikation der Äußerungen als Beschimpfungen im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB. Davon haben die Zivilgerichte ohne eigene Prüfungskompetenz auszugehen.

4. Ehrenbeleidigungen in Form von Beschimpfungen verjähren gemäß § 1490 Abs 1 ABGB in einem Jahr. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Täter vom Berechtigten belangt wird. Unter "Belangen" ist nicht nur die Einbringung einer Klage zu verstehen. Die Geltendmachung des Anspruchs kann auch durch Anschluss als Privatbeteiligter im Strafprozess erfolgen (SZ 43/23; Mader in Schwimann ABGB2 Rz 38 zu § 1497 mwN), durch eine Antragstellung bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte (SZ 63/223) oder durch die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, wenn dieses für die Durchsetzung des Anspruchs vorgesehen ist (Mader aaO Rz 41). Es muss immer eine vom Gesetz vorgesehene Geltendmachung vor einer zuständigen Behörde vorliegen. Das Berufungsgericht hat aus zutreffenden Gründen in der Privatanklage des Klägers keinen Unterbrechungsgrund erblickt, weil mit dieser nur der staatliche Strafanspruch, nicht aber die zivilrechtlichen, auf § 1330 ABGB gestützten Ansprüche geltend gemacht werden. Diese können im Strafverfahren nur durch den Privatbeteiligtenanschluss verfolgt werden. Auch der Privatankläger selbst ist zu einem Anschluss berechtigt (EvBl 1955/61), und zwar auch hinsichtlich der Unterlassungsansprüche (Mayerhofer, Das österreichische Strafrecht II StPO4 § 47/15). Schon daraus ergibt sich, dass mit einer Privatanklage nicht zusätzlich ebenfalls zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden. Bei dieser Rechtslage können nicht einmal ökonomische Gründe ins Treffen geführt werden, die für eine Unterbrechung der Verjährung durch eine Privatanklage sprächen. Der Verletzte ist nicht gezwungen, eine Klage zur Abwehr von Verjährungsfolgen einzubringen. Der bloße Anschluss an das von ihm selbst eingeleitete Privatanklageverfahren genügt. Die Privatanklage ist keine Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche im Sinne des § 1497

ABGB.

5. Ansprüche aus der Beschimpfung durch die Bezeichnung des Klägers als "Brutalo-Faschist" sind aus den dargelegten Gründen jedenfalls verjährt. Anderes könnte für den weiters bekämpften Vorwurf des Größenwahns gelten. Diese Eigenschaftsbezeichnung des Klägers scheint auch in der Presseerklärung des Beklagten auf und wurde innerhalb eines Jahres eingeklagt. Eine Bindungswirkung an das Strafurteil besteht nicht, weil die Presseerklärung nicht Gegenstand des Strafverfahrens war und die Äußerung in einem anderen Zusammenhang stattfand. Entscheidend ist daher, ob das Zitat des Berufungsurteils gleichzeitig auch eine neuerliche deliktische Beleidigung bedeutet, sodass hier von nicht verjährten Ansprüchen ausgegangen werden könnte.

Der Beklagte hat aus der Entscheidung des Berufungsgerichtes zitiert und insofern Wahrnehmungen und Behauptungen eines Dritten wiedergegeben. Die Weiterverbreitung rufschädigender Äußerungen Dritter in Zitatform kann unter gewissen Voraussetzungen wegen des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit (auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG) gerechtfertigt sein (6 Ob 2018/96z = SZ 69/113; 6 Ob 322/98s = MR 1999, 81), setzt aber voraus, dass ein neutrales Zitat vorliegt, der Zitierende sich also nicht mit der Meinung des Zitierten identifiziert und solcherart dessen Meinung zur eigenen macht. Eine solche Identifikation liegt hier zwar zweifellos vor. Die Äußerung des Dritten, d.i. die Begründung des Berufungsurteils im Strafverfahren, ist jedoch für den Kläger weder ehrenbeleidigend noch rufschädigend. Die Besonderheit des Falls liegt darin, dass der Beklagte mit seinem Zitat - die Richtigkeit und Vollständigkeit des Zitats unterstellt - notwendigerweise auch seine eigene Beschimpfung, die Gegenstand des anhängigen Strafverfahrens war, kundtat, sie also mittelbar wiederholte. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände hat er dadurch aber kein neuerliches Delikt gegen die Ehre des Klägers gesetzt. Ehrenbeleidigungen sind nicht Dauerdelikte. Die wahrheitsgemäße Bekanntgabe des Sachverhalts durch den Täter, er habe gegen den Anderen in der Vergangenheit eine bestimmte ehrverletzende und rufschädigende Behauptung aufgestellt, diese werde in einem Privatanklageverfahren geprüft und der Täter wolle den Wahrheitsbeweis erbringen, verwirklicht keinen Deliktstatbestand. Anderes könnte höchstens für den Fall gelten, dass der Täter seine ursprüngliche Äußerung ausdrücklich wiederholt ("Ich behaupte neuerlich ...") und sie mit einem neuen (ergänzenden) Sachverhalt rechtfertigt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es kann einem Beschuldigten eines Strafverfahrens im Rahmen des Rechts auf freie Meinungsäußerung offenstehen, die Öffentlichkeit über Prozessereignisse, insbesondere darüber zu informieren, dass noch kein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt, genauso wie es einem Anzeiger oder Privatankläger unter gewissen Voraussetzungen freisteht, über die Tatsache der Strafanzeige oder der Privatanklage gegen eine bestimmte Person wegen eines bestimmten Tatverdachtes wahrheitsgemäß zu berichten. Die Redefreiheit muss hier schon deshalb gelten, weil über die Kontroverse der Parteien im Zusammenhang mit einem spektakulären Finanzskandal in den Medien ausführlich berichtet worden war. Schon daraus ist im Rahmen einer Güterabwägung ein berechtigtes Rechtsschutzinteresse abzuleiten, aus dem anhängigen Strafverfahren (wahrheitsgemäß) zu zitieren, ohne dass es auf den vom Beklagten behaupteten, aber nicht festgestellten Umstand ankäme, dass der Kläger die Verurteilung des Beklagten durch das Strafgericht erster Instanz bekannt gemacht habe, worauf der Beklagte mit seiner Presseerklärung über das Aufhebungsurteil reagieren habe dürfen.

6. Zu den weiteren auf die unrichtige Wiedergabe der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils im Strafverfahren gestützten Klagebegehren (P. 1a und 2a des Urteilsantrages) ist Folgendes auszuführen:

Hier geht es um Tatsachenbehauptungen. Zu klären ist der Bedeutungsinhalt der zitierten Entscheidungsbegründung in Gegenüberstellung mit dem Bedeutungsinhalt der Presseerklärung des Beklagten. Die Auslegung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers (§ 1297 ABGB) zu erfolgen. Das Berufungsgericht ist der Argumentation des Klägers gefolgt, dass nach dem maßgeblichen Gesamteindruck der Erklärung des Beklagten der Eindruck vermittelt worden sei, das Strafgericht zweiter Instanz habe in seinem Aufhebungsurteil zum Ausdruck gebracht, es habe die Vorwürfe des Beklagten inhaltlich geprüft und für die negativen Charaktereigenschaften des Klägers zumindest Hinweise gefunden. Nach der Urteilsbegründung habe aber eine inhaltliche Auseinandersetzung des Strafgerichtes nicht stattgefunden. Das Zitat des Beklagten sei deshalb unrichtig. Gegen diese Beurteilung führt der Beklagte eine sich am Wortsinn orientierende Auslegung ins Treffen, die im Ergebnis zutrifft. Für einen Erklärungsempfänger "mit erwartbarer durchschnittlicher Intelligenz" ist zumindest bei aufmerksamem Lesen der Enscheidungsbegründung klar, dass das Berufungsgericht im Strafverfahren noch keine sachliche Prüfung der Vorwürfe des Beklagten vorgenommen und gerade deshalb eine Verfahrensfortsetzung angeordnet hat. Der Beklagte hat in seiner Presseerklärung zwar nur Teile aus der Entscheidungsbegründung dargestellt (im Revisionsverfahren ist überdies nicht strittig, dass der Erklärung eine Urteilsausfertigung beigelegt worden war; arg.: "Aus dem beiliegenden Urteil können Sie entnehmen ..."), diese geben aber die Urteilsbegründung durchaus richtig wieder. Auch die Presseerklärung legt unmissverständlich offen, dass das Berufungsgericht die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wegen Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes verfügte, weil es sich mit der "Darstellung" des Beklagten (so die Wortwahl in der Presseerklärung) bzw der "Verantwortungslinie" (so im Strafurteil) nicht ernsthaft auseinandergesetzt hat. Auch die bekämpfte Textstelle über eine "Manifestation" des Vorwurfs des Größenwahns in der Presseerklärung steht im Einklang mit der Entscheidungsbegründung und verwendet dieselben Worte. Schon nach dem Satzzusammenhang hat der Beklagte offengelegt, dass das Berufungsgericht nur nach der Verantwortung des Beklagten den Größenwahn des Klägers als manifestiert ansah. Dies wird durch den anschließenden Text der Presseerklärung, der sich mit der "Disqualifikation" der erstinstanzlichen Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht befasst, wiederum im Einklang mit der Entscheidungsbegründung bestätigt, wird doch auch hier die Notwendigkeit eines Beweisverfahrens und einer ernsthaften Befassung mit der Verantwortung des Beklagten im Strafverfahren hingewiesen. Die Urteilsbegründung und ihre teilweise Wiedergabe durch den Beklagten stimmen daher im Wesentlichen überein. Allfällige Unklarheiten ergeben sich nur aus den für Nichtjuristen nicht leicht durchschaubaren rechtlichen Voraussetzungen, was mit "Bedenken" gegen eine erstinstanzliche Beweiswürdigung gemeint ist und welches Beweisthema im Strafverfahren zu klären sein wird sowie aus der einigermaßen komplizierten Formulierung des Berufungsurteils über eine "passende Ausdeutung" des Begriffs "Größenwahn". Nach Auffassung des erkennenden Senates ist es aber entscheidend, dass der Beklagte die Urteilsbegründung zumindest in den Kernpunkten richtig wiedergegeben hat, insbesondere das für den Erklärungsempfänger wesentliche Faktum, dass in der Beweisfrage des Strafverfahrens noch nicht entschieden wurde und ein weiteres Beweisverfahren notwendig ist. Durch die Wiedergabe der Urteilsbegründung kann sich der Kläger nicht neuerlich in seiner Ehre als verletzt erachten.

7. Die Abweisung der Widerrufsbegehren hatte über die dargelegten Gründe hinaus auch deshalb zu erfolgen, weil ein Widerrufsanspruch nur bei Verstößen nach § 1330 Abs 2 ABGB, nicht aber bei bloßen Werturteilen, denen kein Tatsachensubstrat zu Grunde liegt, zusteht (6 Ob 38/95; ÖBl 1992, 210 ua).

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO. Die verzeichneten Kopierkosten sind im Einheitssatz gedeckt. Bei Klagen nach § 1330 ABGB beträgt die im § 10 RATG zwingend normierte höchste Bemessungsgrundlage bei einer in einem Medium veröffentlichten Ehrverletzung seit 31. 5. 1999 270.000 S (BGBl I 1999/71), davor 240.000 S. Auf dieser Basis sind die Rechtsvertretungskosten für das Verfahren erster und zweiter Instanz zu bestimmen. Für das Revisionsverfahren ist von der Bewertung der einzelnen Ansprüche durch den Kläger auszugehen. Danach machen die von der Revision des Beklagten betroffenen Ansprüche ein Fünftel aller Ansprüche aus, die Kostenbemessungsgrundlage für die Revisionskosten ist daher ein Fünftel der höchstens zulässigen Bewertung von 270.000 S, für die Revisionsbeantwortung dementsprechend vier Fünftel.

Rechtssätze
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