JudikaturJustiz5Ob77/19p

5Ob77/19p – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. D*****, geboren *****, 2. N*****, geboren *****, 3. M*****, geboren *****, alle vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in Graz, wegen Einverleibung einer Dienstbarkeit ob EZ ***** und EZ ***** je KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Dienstbarkeitsberechtigten M*****, geboren *****, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. März 2019, AZ 4 R 16/19f, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob die einverleibten rechtsgeschäftlichen Belastungs und Veräußerungsverbote der begehrten Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens aufgrund eines von der Dienstbarkeitsberechtigten erwirkten Anerkenntnisurteils entgegenstehen.

Das Erstgericht wies das Einverleibungsbegehren insoweit ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Dienstbarkeitsberechtigten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Die – wie hier – nach § 364c ABGB verbücherten Belastungs und Veräußerungsverbote bewirken grundsätzlich eine allgemeine Grundbuchssperre für sämtliche rechtsgeschäftlichen oder zwangsweise begehrten, vom Verbot erfassten Eintragungen (5 Ob 196/11a = NZ 2012/88; 5 Ob 193/14i = wobl 2016/84; Eccher/Riss in KBB 5 § 364c ABGB Rz 7 mwN; Illedits in Schwimann , ABGB TaKom 2 § 364c Rz 2, 5).

2. Richtig ist, dass ein vertragliches Belastungs und Veräußerungsverbot nicht die exekutive Einverleibung einer ersessenen Servitut hindert (RIS Justiz RS0011977; RS0010782; 3 Ob 111/57; 3 Ob 127/11i mwN; 5 Ob 193/14i). Davon ging auch das Rekursgericht aus, die behauptete Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist nicht zu erkennen.

3. Das Grundbuchsgericht hat nach § 94 Abs 1 GBG das Ansuchen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Der Fall, dass die Eintragung nicht vom Grundbuchsgericht, sondern von einem anderen Gericht bewilligt worden wäre (was die Kognitionsbefugnis auf die Frage der Zulässigkeit der Eintragung mit Rücksicht auf den Grundbuchstand beschränken würde – § 94 Abs 2 GBG; RS0002519; 5 Ob 67/17i mwN) liegt hier nicht vor. Damit oblag dem Grundbuchsgericht die Prüfung des Urkundeninhalts nicht nur in formeller Beziehung, sondern ob dieser auch in materiell rechtlicher Hinsicht frei von Zweifeln ist (RS0060878).

4. Das Grundbuchsgericht hatte daher den Urkundeninhalt dahin zu prüfen, ob sich aus der vorgelegten Titelurkunde zweifelsfrei die Feststellung einer ersessenen Dienstbarkeit ergibt; nur diesfalls stünden die einverleibten Belastungs und Veräußerungsverbote der begehrten Eintragung nicht entgegen. Dabei war es dem Grundbuchsgericht verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen; durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen (RS0060573; vgl zu einem Urteil auch 5 Ob 130/17d). Ob die dem Gesuch angeschlossenen Urkunden im Licht des § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu Zweifeln Anlass geben, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen könnte, wenn dem Rekursgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (5 Ob 19/18g). Eine solche ist hier aber nicht zu erkennen.

5.1 Die Auffassung des Rekursgerichts, aus dem Anerkenntnisurteil ergebe sich nicht ohne jeglichen Zweifel, dass die Eintragung einer ersessenen Servitut beantragt wird, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Der Spruch des Anerkenntnisurteils verpflichtet die Antragsteller zwar jeweils, in die Einverleibung der näher beschriebenen Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über deren Grundstücke zuzustimmen, erwähnt eine Ersitzung aber mit keinem Wort. Auch den – nur der Begründung der Kostenentscheidung dienenden – Entscheidungsgründen ist dies nicht zu entnehmen. Dort ist vielmehr davon die Rede, die Beklagten hätten sich geweigert, den Entwurf eines Dienstbarkeitsvertrags zu unterschreiben.

5.2 Dass aus § 33 Abs 1 lit d GBG abzuleiten ist, dass der Rechtsgrund der Leistung aus dem Urteil nicht ersichtlich sein muss (RS0004572; RS0004558), ändert nichts daran, dass hier die Ersitzung der Dienstbarkeit aus dem Titel zweifelsfrei hervorgehen müsste. Das die Verpflichtung der Dienstbarkeitsbelasteten aussprechende Anerkenntnisurteil kann nur deren Zustimmung ersetzen, nicht aber die – bei einem einverleibten Belastungs und Veräußerungsverbot jedenfalls dann, wenn sich aus dem Titel der Umstand der Ersitzung nicht zweifelsfrei ergibt, erforderliche – Zustimmung der Verbotsberechtigten in grundbuchsfähiger Form bzw den Nachweis des Erlöschens dieses Verbotsrechts aufgrund Ablebens der Verbotsberechtigten durch entsprechende Standesurkunden.

5.3 Die Entscheidung 3 Ob 111/57 = SZ 30/13 sagt nichts anderes. Dort ergab sich die Ersitzung bereits aus dem Exekutionstitel, was hier nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts nicht der Fall war. Warum es aufgrund eines Anerkenntnisurteils niemals möglich sein soll, eine derartige Einverleibung zu bewirken, ist nicht nachvollziehbar. Der Umstand der Ersitzung kann zum Gegenstand des Begehrens und damit des Urteilsspruchs gemacht werden. Die Frage, ob das Titelgericht das einverleibte Belastungs und Veräußerungsverbot vor Fällung des Anerkenntnisurteils hätte berücksichtigen müssen (zur Problematik der Prüfung der Rechtsmäßigkeit des Grundgeschäfts siehe Deixler Hübner in Fasching/Konecny 3 III/2, § 395 ZPO Rz 9), kann dahinstehen. Hier war als Eintragungsgrundlage nur das mit Rechtskraftbestätigung versehene Anerkenntnisurteil zu berücksichtigen.

6. Die Vorlage der Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz im Titelprozess, die im Übrigen nur die Kostenfrage betraf, ist schon aufgrund des strikten Neuerungsverbots im Grundbuchsverfahren (§ 122 Abs 2 GBG) unbeachtlich.

7. Da es dem Revisionsrekurs nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualität aufzuzeigen, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rechtssätze
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