JudikaturJustiz4Ob73/08a

4Ob73/08a – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 7. August 2007 verstorbenen Maria Rosina K*****, zuletzt *****, über den Revisionsrekurs des testamentarischen Erben Josef K*****, geboren am 13. September 1926, Pensionist, *****, und des Pflichtteilsberechtigten Josef K*****, geboren am 18. Juni 1955, Großhandelskaufmann, *****, beide vertreten durch Dr. Christoph Schwab, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 23. Jänner 2008, GZ 23 R 219/07f 13, mit welchem der Rekurs der Rechtsmittelwerber gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Eferding vom 27. September 2007, GZ 1 A 151/07h 5, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Maria Rosina K***** starb am 7. 8. 2007. Der Erstrechtsmittelwerber ist als ihr Witwer testamentarischer Erbe, der Zweitrechtsmittelwerber ist als Sohn pflichtteilsberechtigt. Nach dem Inhalt der Todesfallaufnahme waren als Aktiven nur wertlose Bekleidung, Einrichtung und Hausrat sowie ein Sparguthaben von 100 EUR vorhanden. Eine Enkelin stellte den Antrag, sie zu ermächtigen, diese Aktiven nach § 153 Abs 2 AußStrG 2005 zu übernehmen. Die Rechtsmittelwerber nahmen an der Todesfallaufnahme teil, erklärten jedoch, das darüber errichtete Protokoll nicht unterfertigen zu wollen.

Das Erstgericht sprach in Beschlussform aus, dass die Abhandlung gemäß § 153 AußStrG 2005 unterbleibe, da die Aktiven der Verlassenschaft den Wert von 4.000 EUR nicht überstiegen (Punkt I). Weiters ermächtigte es die Enkelin nach § 153 Abs 2 AußStrG 2005, das konkret genannte Verlassenschaftsvermögen (Bekleidung, Einrichtung und Hausrat, Guthaben von 100 EUR) zur Gänze zu übernehmen und hierüber zu verfügen (Punkt II). Schließlich kündigte es an, dass Abschriften der Todesfallaufnahme an das Finanzamt übermittelt würden (Punkt III).

Der Witwer und der Sohn der Verstorbenen bekämpften „den" Beschluss mit Rekurs. Sie hätten den Gerichtskommissär auf ein Sparbuch und vorhanden gewesenen Schmuck hingewiesen. Bei Durchführung von Nachforschungen hätte sich ergeben, dass die Verlassenschaft über Vermögen verfüge, das abzuhandeln gewesen wäre. Gegen die Ermächtigung der Enkelin und die Übermittlung der Todesfallaufnahme an das Finanzamt machten die Rechtsmittelwerber keine Rekursgründe geltend.

Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Ausspruch, dass die Abhandlung unterbleibe, sei kein anfechtbarer Beschluss. Denn die Beteiligten seien vom Unterbleiben der Abhandlung nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes nicht zu verständigen. Damit liege kein anfechtbarer Beschluss vor. Statt einer Anfechtung könnten die Parteien ohne Bindung an eine Frist die Durchführung der Abhandlung beantragen. Das Gericht habe die Abhandlung - anders als in 9 Ob 32/03a - nicht endgültig verweigert. Soweit sich der Rekurs auch gegen die Ermächtigung der Enkelin richten sollte, sei Folgendes zu erwägen: Die rechtliche Wirkung der Ermächtigung nach § 153 Abs 2 AußStrG sei unklar. Der Gesetzgeber habe in § 798a ABGB nur den Beschluss auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt als Erwerbstitel genannt. Daher bleibe der ruhende Nachlass bei Unterbleiben der Abhandlung weiter bestehen; der Rechtserwerb könne erst auf originäre Weise erfolgen. Die Enkelin habe daher bloß einen Titel für den Besitz der Nachlassaktiven erworben. Würde der Nachlass aufgrund eines Antrags abgehandelt, so wären auch die überlassenen Aktiven Gegenstand dieser Abhandlung. Damit werde die Rechtsstellung der Rekurswerber als potentielle Erben durch die Verfügungsermächtigung nicht berührt. Die Ermächtigung greife auch nicht in ihr allfälliges Recht auf Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses ein. Denn die Rekurswerber hätten bisher weder eine Erbantrittserklärung abgegeben noch die Ermächtigung zur Übernahme der Aktiven beantragt. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, da Rechtsprechung zu Aussprüchen über das Unterbleiben einer amtswegigen Abhandlung fehle.

In ihrem Revisionsrekurs beantragen die Rechtsmittelwerber, dem Erstgericht „die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens durch Einleitung von Erhebungen" aufzutragen. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Ausspruch des Erstgerichts über das Unterbleiben der Abhandlung (Punkt I seiner Entscheidung) ist kein anfechtbarer Beschluss.

1.1. Sind Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden oder übersteigen sie nicht den Wert von 4.000 EUR und sind keine Eintragungen in die öffentlichen Bücher erforderlich, so unterbleibt nach § 153 Abs 1 AußStrG 2005 die Abhandlung, wenn kein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt wird; einer Verständigung bedarf es nicht. Der Fortsetzungsantrag ist an keine Frist gebunden ( Fucik/Kloiber , AußStrG [2005] § 153 Rz 4; Obermaier , Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008, 125, 128). Diese Bestimmung trat an die Stelle von § 72 Abs 1 und 2 AußStrG 1854; die dort vorgenommene Unterscheidung zwischen vermögenslosen und geringwertigen Nachlässen wurde aufgegeben. Nach § 72 Abs 2 AußStrG 1854 hatte das Gericht bei geringwertigen Nachlässen die Erben und Noterben vom Unterbleiben der Abhandlung mit dem Beisatz zu verständigen, dass es ihnen frei stehe, die Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung zu begehren. Diese Verständigungspflicht fiel mit § 153 Abs 1 AußStrG 2005 weg.

1.2. Nach altem Recht betrachtete der Oberste Gerichtshof die Nichteinleitung der Verlassenschaftsabhandlung zunächst generell als anfechtbare gerichtliche Verfügung (6 Ob 118, 163/63 = EvBl 1963/435). Diese Auffassung hielt er später zumindest für den Fall aufrecht, dass der angefochtene Beschluss nach seinem Wortlaut die Absicht des Gerichts zum Ausdruck bringe, die Durchführung der Abhandlung endgültig abzulehnen (9 Ob 32/03a).

Zum neuen Recht bezeichnet Sailer (in KBB2 § 797 Rz 7) einen Beschluss über das Unterbleiben der Abhandlung unter Hinweis auf 6 Ob 118, 163/63 als anfechtbar. Demgegenüber leitet Obermaier (ÖJZ 2008, 128) aus der Möglichkeit der jederzeitigen Fortsetzung ab, dass das (vorläufige) Unterbleiben der Abhandlung (nur) einen ruhensähnlichen Zustand bewirke. Diese Rechtsfolge trete ex lege ein. Da das Gesetz keine Verständigung der Beteiligten vorsehe, müsse darüber kein Beschluss gefasst werden. Ein Ausspruch über das Unterbleiben der Abhandlung sei als ein die Rechtslage beurkundender Aktenvermerk anzusehen, sodass ein dagegen erhobener Rekurs wegen Nichtvorliegens einer gerichtlichen Entscheidung zurückzuweisen sei.

1.3. Auf dieser Grundlage hat der Senat Folgendes erwogen:

1.3.1. § 153 Abs 1 AußStrG 2005 sieht ausdrücklich vor, dass es keiner Verständigung - gemeint offenkundig: der Erben und Noterben vom Unterbleiben der Abhandlung - bedarf. Ein darüber zu fassender Beschluss, der nach § 38 AußStrG 2005 den Parteien zugestellt werden müsste, wäre mit dieser Regelung schon aufgrund eines Größenschlusses unvereinbar. Denn wenn schon keine Verständigung erforderlich ist, dann um so weniger ein förmlicher Beschluss.

In der ausdrücklichen Anordnung, dass keine Verständigung erforderlich sei, liegt ein tragender Unterschied zu jenen Fallgestaltungen, in denen eine ex lege eintretende Rechtsfolge mit Beschluss festzustellen oder zur Kenntnis zu nehmen ist (vgl etwa RIS Justiz RS0043955 zum Beschluss über den Eintritt einer Unterbrechung nach § 7 KO; RS0039652 zur Kenntnisnahme der Klagerücknahme). Dort wird angenommen, dass das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit einen gerichtlichen Ausspruch über die bereits eingetretene Rechtsfolge erfordert ( Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 vor §§ 514 ff ZPO Rz 21 mwN). Demgegenüber hat der Gesetzgeber in § 153 Abs 1 AußStrG 2005 das Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit jenem an einer ökonomischen Gestaltung des Verfahrens untergeordnet.

Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist aus teleologischer Sicht gerechtfertigt: Die unbefristete und an keine weiteren Bedingungen geknüpfte Möglichkeit, durch bloßen Antrag eine Fortsetzung des Verfahrens zu erwirken, macht einen im Instanzenzug anfechtbaren Beschluss über das Unterbleiben der Abhandlung entbehrlich. Die Interessenlage weist, was Obermaier (ÖJZ 2008, 128) zutreffend aufzeigt, Ähnlichkeit mit jener beim Ruhen eines Verfahrens auf. Auch dort führt - nach Ablauf der gesetzlichen oder vereinbarten Ruhensfrist - ein einfacher Antrag zur Fortsetzung des Verfahrens. Daher ist kein das Ruhen feststellender Beschluss erforderlich; es genügt die Beurkundung mit einem Aktenvermerk (RIS Justiz RS0064480). Den Parteien wird zugemutet, eine allenfalls unrichtige Rechtsansicht des Gerichts - anders als im Fall einer Unterbrechung ( Zechner aaO) - dadurch zu bekämpfen, dass sie einen Fortsetzungsantrag stellen und dessen Abweisung anfechten ( Fink in Konecny/Fasching 2 II/2 vor §§ 168 170 ZPO Rz 20 mwN). Um so mehr muss das hier gelten: Während bei einem Ruhen des Verfahrens der Ablauf der vereinbarten oder gesetzlichen Ruhensfrist abzuwarten ist, kann der Fortsetzungsantrag nach § 153 Abs 1 AußStrG 2005 jederzeit gestellt werden; daher ist es um so weniger erforderlich, dass die diesbezügliche Rechtsansicht des Gerichts (sofort) im Instanzenzug überprüft werden kann.

Es hätte daher ausgereicht, wenn das Erstgericht das Unterbleiben der Abhandlung in einem Aktenvermerk festgehalten hätte. Einer Mitteilung an die Parteien hätte es nicht bedurft.

1.3.2. Ungeachtet dessen hat das Erstgericht den „Beschluss" gefasst, dass die Abhandlung gemäß § 153 AußStrG 2005 unterbleibe. Das scheint - wie auch in 9 Ob 32/03a - für das Vorliegen einer anfechtbaren Entscheidung zu sprechen.

Auf die Bezeichnung eines gerichtlichen Ausspruchs kommt es indes nicht an. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rekurses ist vielmehr, dass der angefochtene Ausspruch tatsächlich den Charakter eines Beschlusses hat, dh einer Willenserklärung des Gerichts, mit der es unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Formen eine verfahrensrechtliche Entscheidung oder (in den vom Gesetz zugelassenen Fällen) eine Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren trifft. Fehlt einem Ausspruch des Gerichts der Charakter einer Entscheidung, dann ist er nicht mit Rekurs bekämpfbar, mag das Gericht dafür auch verfehlt die ausdrückliche Bezeichnung als Beschluss gewählt haben (1 Ob 2401/96m = EvBl 1997/140 mwN; RIS Justiz RS0106917; Zechner aaO Rz 26 mwN). Das gilt insbesondere für bloße Verlautbarungen oder Mitteilungen des Gerichts ( Fasching , Lehrbuch2 Rz 1962; Zechner aaO Rz 26; aus der Rsp zuletzt etwa 5 Ob 238/07x und 3 Ob 20/08z).

Ob ein anfechtbarer Beschluss oder eine bloße Mitteilung des Gerichts vorliegt, ist durch Auslegung des strittigen Ausspruchs zu ermitteln. Von Bedeutung ist dabei nicht nur dessen Bezeichnung, sondern auch die Rechtsgrundlage. Erfordert sie - bei richtigem Verständnis - keinen anfechtbaren Beschluss, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass das Gericht einen solchen Beschluss fassen wollte. Das trifft hier zu: Aus § 153 Abs 1 Satz 2 AußStrG 2005 folgt, dass nicht einmal eine Verständigung vom Unterbleiben der Abhandlung erforderlich gewesen wäre. Um so weniger kann dem Gericht unterstellt werden, dass es darüber eine anfechtbare Entscheidung treffen wollte. Punkt I seines Beschlusses ist daher als bloße - durch § 153 Abs 1 Satz 2 AußStrG 2005 wohl nicht ausgeschlossene - Mitteilung über den Stand des Verfahrens zu deuten, nicht als hoheitliche Willenserklärung im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung. Dass es auf die Bezeichnung als „Beschluss" nicht entscheidend ankommen kann, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass die Ankündigung der Übermittlung an das Finanzamt in Punkt III des erstinstanzlichen Ausspruchs jedenfalls als bloße Mitteilung zu werten und damit keinesfalls anfechtbar ist.

Die ausdrückliche Anordnung in § 153 Abs 1 Satz 2 AußStrG 2005 unterscheidet die hier zu beurteilende Fallgestaltung auch von jener, die der Entscheidung 4 Ob 106/54 (= SZ 27/253) zugrunde lag. Dort ließ es der Oberste Gerichtshof offen, ob das Ruhen eines Verfahrens mit Beschluss festgestellt werden müsse. Wenn aber ein solcher Beschluss ausgefertigt worden sei, könne er jedenfalls angefochten werden (zustimmend Fink aaO Rz 21; ablehnend Gitschthaler in Rechberger 3 §§ 168 170 Rz 2). Für das Ruhen des Verfahrens fehlt indes eine § 153 Abs 1 Satz 2 AußStrG 2005 entsprechende Regelung. Dem mit „Beschluss" überschriebenen Ausspruch des Gerichts konnte daher zumindest im Zweifel Entscheidungswille unterstellt werden. Anders ist die Rechtslage, wenn das Gesetz - wie hier - nicht einmal eine Verständigung der Beteiligten vorsieht, sodass eine anfechtbare Entscheidung ohne jeden Zweifel zu unterbleiben hat.

1.3.3. Aufgrund dieser Erwägungen ist die zurückweisende Entscheidung des Rekursgerichts in Bezug Punkt I des erstgerichtlichen „Beschlusses" zu bestätigen. Anders als von den Rechtsmittelwerbern angenommen liegt darin keine „endgültige Verweigerung" der Abhandlung; es steht ihnen frei, die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen. Erst die Abweisung eines solchen Antrags wäre eine anfechtbare Entscheidung.

Allgemein gilt: Das Unterbleiben der Abhandlung nach § 153 Abs 1 AußStrG 2005 ist nicht mit Beschluss anzuordnen oder festzustellen. Ein dennoch gefasster „Beschluss" ist im Zweifel nicht als anfechtbare Willenserklärung des Gerichts, sondern als bloße Mitteilung über den Stand des Verfahrens zu verstehen.

2. Gegen die Ermächtigung der Enkelin, über die (derzeit bekannten) Nachlassaktiven zu verfügen (Punkt II des erstgerichtlichen „Beschlusses"), und gegen die Ankündigung der Übermittlung der Todesfallaufnahme an das Finanzamt (Punkt III dieses „Beschlusses") haben die Rechtsmittelwerber schon in ihrem Rekurs keine Rechtsmittelgründe geltend gemacht. Auch der Revisionsrekurs bezieht sich sowohl in den Gründen als auch im Rechtsmittelantrag ausschließlich auf das Unterbleiben der Abhandlung. Damit haben die Rechtsmittelwerber die Zurückweisung des Rekurses gegen die Punkte II und III des erstgerichtlichen „Beschlusses" in Wahrheit gar nicht angefochten; jedenfalls liegt insofern keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vor (§ 65 Abs 3 Z 4 AußStrG 2005; 6 Ob 314/05b). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Rekursgerichts zur Parteistellung im Verfahren über einen Antrag nach § 153 Abs 2 AußStrG 2005 hat daher zu unterbleiben.

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