JudikaturJustiz4Ob58/99d

4Ob58/99d – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 23. 4. 1996 verstorbenen Theresia B*****, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Tochter Gertrude H*****, vertreten durch Dr. Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 14. Jänner 1999, GZ 3 R 295/98v, 3 R 296/98s-53, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Weiz vom 15. Juli 1998, GZ 1 A 122/96g-49, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen Punkt I. des angefochtenen Beschlusses richtet, Folge gegeben und der angefochtene Beschluß in seinem Punkt I. dahin abgeändert, daß dem gegen Punkt 6. des erstgerichtlichen Beschlusses gerichteten Rekurs nicht Folge gegeben wird.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Zu Erben der ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Erblasserin sind Sohn und Tochter berufen. Der Sohn gab aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß eine unbedingte Erbserklärung ab und errichtete ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis. In der Verlassenschaftstagsatzung vom 9. 9. 1996 schritt ein Rechtsanwalt als Vertreter der Tochter ein. Er berief sich auf die ihm erteilte Vollmacht und erklärte, seine Mandantin entschlage sich ihrer gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte, sie stelle keine Forderungen an den Nachlaß und verzichte auch auf die Geltendmachung eines allfälligen Schenkungspflichtteiles hinsichtlich einer dem Sohn im Jahr 1972 geschenkten Liegenschaftshälfte. Das Erstgericht faßte daraufhin den Mantelbeschluß und erließ die Einantwortungsurkunde. Es nahm die namens der Tochter abgegebene Erbsentschlagungserklärung zur Kenntnis und antwortete den Nachlaß zur Gänze dem Sohn ein. In ihrem dagegen gerichteten Rekurs machte die Tochter geltend, sie habe ihren Rechtsvertreter nicht zur Abgabe einer Erbsentschlagungserklärung bevollmächtigt. Das Rekursgericht gab ihrem Rekurs nicht Folge. Es veranlaßte die Einvernahme des Rechtsvertreters der Tochter, welcher ausführte, er berufe sich auf eine auch den Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsansprüche umfassende Spezialvollmacht im Sinn des § 1008 ABGB. Seine Mandantin habe ihm im Zuge von letztlich erfolgreichen Vergleichsgesprächen über die Abfindung ihrer Erbs- und Pflichtteilsansprüche zumindest konkludent Vollmacht erteilt, alle im Verlassenschaftsverfahren zur Durchsetzung oder Umsetzung dieser Vereinbarung notwendigen Erklärungen abzugeben. Er sei daher der Ansicht, die ihm erteilte Vollmacht sei eine Vollmacht im Sinn des § 1008 ABGB. Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht amtswegige Erhebungen darüber auf, ob die Tochter ihrem Anwalt Vollmacht zur Abgabe einer Erbsentschlagungserklärung erteilt habe. Die Tochter gab daraufhin mit Schriftsatz vom 14. 10. 1997 bedingte Erbserklärung aufgrund des Gesetzes zur Hälfte des Nachlasses ab und beantragte deren Annahme zu Gericht. Gleichzeitig stellte sie den Antrag, die in ihrem Vollmachtsnamen abgegebene Entschlagungserklärung sowie die zum gesamten Nachlaß abgegebene Erbserklärung des Sohnes zurückzuweisen und das Verlassenschaftsverfahren mit beiden gesetzlichen Erben fortzusetzen.

Nach Einvernahme der Tochter und ihres Rechtsvertreters nahm das Erstgericht die Entschlagungserklärung der Tochter mit der Begründung zur Kenntnis, ihr Anwalt sei beauftragt und bevollmächtigt gewesen, für sie eine derartige Erklärung im Verlassenschaftsverfahren abzugeben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Tochter - welche sich neuerlich darauf berief, den Anwalt zur Abgabe einer Entschlagungserklärung nicht bevollmächtigt zu haben - nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ihren Antrag nach § 14a AußStrG wies es zurück.

Das Erstgericht erließ daraufhin einen Mantelbeschluß, in welchem es den Antrag der Tochter auf Errichtung eines Inventars und Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens abwies (Punkt 1), die Erbserklärung der Tochter wies es zurück (Punkt 2); es nahm die vom erblasserischen Sohn abgegebene Erbserklärung zu Gericht an und erklärte sein Erbrecht für ausgewiesen (Punkt 3); es nahm die vom Gerichtskommissär vorgenommene Anzeige an das Finanzamt (Punkt 4) und die Niederschriften vom 9. 7. 1996 und 9. 9. 1996 mit dem hierin errichteten eidesstättigen Vermögensbekenntnis abhandlungsbehördlich zur Kenntnis (Punkt 5) und verständigte die im Beschluß näher bezeichneten Banken davon, daß der erblasserische Sohn über die angeführten Guthaben verfügungsberechtigt sei (Punkt 6). Ferner bestimmte es die Gebühren des Gerichtskommissärs und trug dem Sohn deren Berichtigung auf (Punkt 7); das Verlassenschaftsverfahren wurde für beendet erklärt und der Nachlaß dem Sohn eingeantwortet (Punkt 8). Dabei ging das Erstgericht davon aus, daß Erbs- und Pflichtteilsenschlagungserklärung der erblasserischen Tochter rechtskräftig zu Gericht angenommen und eine Erbserklärung daher nicht mehr möglich sei. Es bestehe daher weder die Notwendigkeit einer Inventarisierung noch der Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens mit der Antragstellerin. Das Erstgericht antwortete den Nachlaß zur Gänze dem Sohn ein.

Das Rekursgericht wies den gegen Punkt 6 des Mantelbeschlusses gerichteten Rekurs der erblasserischen Tochter mangels Beschwer zurück; ihrem gegen die Punkte 1, 2, 5 und 8 des Mantelbeschlusses sowie gegen die Einantwortungsurkunde gerichteten Rekurs gab es nicht Folge und bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes in seinem Punkt 1 (Abweisung der Anträge auf Inventarerrichtung und Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens) mit der Maßgabe, daß diese Anträge zurückgewiesen werden. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Zulässigkeit einer Erbserklärung unter den hier vorliegenden Umständen fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die Erbserklärung eines Erben, der die Erbschaft zunächst ausgeschlagen habe, sei dann zu Gericht anzunehmen, wenn er Willensmängel bei Abgabe der Entschlagungserklärung behaupte, worüber im streitigen Verfahren zu entscheiden sei. Im vorliegenden Fall behaupte die Antragsteller jedoch keinen Willensmangel in bezug auf die Erbsentschlagungserklärung. Sie stütze sich nur darauf, daß die von ihrem damaligen Rechtsvertreter abgegebene Erklärung nicht durch die erteilte Vollmacht gedeckt gewesen sei; diese Behauptung habe sich bereits als unzutreffend herausgestellt. Aus der rechtskräftigen Entscheidung des Erstgerichts vom 6. 11. 1997 (ON 39) ergebe sich nämlich, daß die Tochter ihren damaligen Rechtsvertreter mit der Abgabe einer Erbs- und Pflichtteilsentschlagungserklärung beauftragt habe. Anhaltspunkte für einen Willensmangel bestünden nicht. Es müsse daher von einem wirksamen Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht ausgegangen werden. Unter diesen Umständen könne die Erbserklärung der erblasserischen Tochter auf keinen Fall zur Einantwortung des Nachlasses führen, das Erstgericht habe ihre Erbserklärung daher zu Recht zurückgewiesen. Damit sei die Antragstellerin aber nicht mehr Beteiligte des Verlassenschaftsverfahrens, sodaß ihre weiteren Anträge zurückzuweisen seien. Zur Bekämpfung der in Punkt 6 erfolgten Verständigung der Banken fehle der Antragstellerin die Beschwer, greife doch diese Verständigung nicht in ihre Rechte ein.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, und soweit er sich gegen Punkt I. des angefochtenen Beschlusses richtet, auch berechtigt, im übrigen jedoch nicht berechtigt.

Die einem Erben nach § 805 ABGB freistehende Erklärung, die Erbschaft auszuschlagen, wird rechtswirksam, sobald sie dem Abhandlungsgericht oder dem Gerichtskommissär zur Kenntnis gelangt und dem Verfahren zugrundegelegt wird, ohne daß es einer förmlichen Beschlußfassung durch das Abhandlungsgericht (geschweige denn einer abhandlungsbehördlichen Genehmigung) bedürfte (Welser in Rummel ABGB2 Rz 33 zu §§ 799, 800; RIS-Justiz RS0005936). Sie kann jedoch wegen Willensmängeln im streitigen Verfahren angefochten werden (RIS-Justiz RS0013026 und RS0013014; 4 Ob 52/97v). Die Revisionsrekurswerberin weist zu Recht darauf hin, daß eine auf einen Erbrechtstitel, der zu einer Einantwortung des Nachlasses führen kann, gestützte Erbserklärung vom Gericht auch dann anzunehmen ist, wenn der sich zum Erben Erklärende die Erbschaft zunächst ausgeschlagen hatte. In einem solchen Fall ist ein Verfahren nach den §§ 125 f AußStrG einzuleiten (SZ 44/72; RIS-Justiz RS0007934, RS0013043 und RS0013014).

Eine Zurückweisung der Erbserklärung kommt allerdings dann in Betracht, wenn von vornherein zweifelsfrei feststeht, daß dem Bewerber auf keinen Fall eingeantwortet werden kann, so zB wenn ein Erbrecht des Bewerbers zweifelsfrei nicht besteht (GlUNF 2582; SZ 44/72; SZ 55, 165 uva), der behauptete Erbrechtstitel fehlt oder aufgrund der Aktenlage niemals zur Einantwortung führen kann (SZ 61/227; EvBl 1974/113; RIS-Justiz RS0007676) oder der Erklärende aus anderen Gründen nach der Sach- und Rechtslage mit Sicherheit nicht als Erbe in Betracht kommt (Welser in Rummel ABGB2 Rz 16 zu §§ 799, 800; NZ 1972, 62).

Eine derartige Konstellation liegt diesmal vor. Die erblasserische Tochter bekämpft die von ihrem Rechtsanwalt abgegebene Erbsentschlagungserklärung nicht etwa wegen eines bei Abgabe der Erklärung unterlaufenen Willensmangels, sondern deshalb, weil sie offenbar nach wie vor die Auffassung vertritt, ihr damaliger Anwalt sei zur Abgabe einer derartigen Erklärung nicht ermächtigt gewesen. Bei diesem Einwand geht es nicht um die Frage der Wirksamkeit der Entschlagungserklärung im Hinblick auf allfällige Willensmängel, sondern um eine nur für das Innenverhältnis bedeutsame Frage, die im Fall ihrer Verneinung zu Schadenersatzansprüchen führen könnte. Daß aber die Revisionsrekurswerberin ihrem Anwalt konkludent Generalvollmacht zur Abgabe der Entschlagungserklärung erteilt hat, haben die Vorinstanzen nach Einvernahme der daran Beteiligten bereits rechtskräftig entschieden. Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin bedurfte die Klärung dieser Frage keines streitigen Verfahren. Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann schon deshalb nicht vorliegen, weil die am Bevollmächtigungsvertrag Beteiligten gehört wurden, insbesondere wurde die Revisionsrekurswerberin nach Erstattung ihres entsprechenden Vorbringens dazu auch persönlich befragt. Auch das gegen die beschlußmäßige Annahme der Entschlagungserklärung erhobene Rechtsmittel der Revisionsrekurswerberin wurde behandelt. Es besteht auch kein Zweifel, daß der Anwalt tatsächlich zumindest konkludent bevollmächtigt war, dem Abhandlungsgericht gegenüber eine seine Mandantin bindende Erbsentschlagungserklärung abzugeben und daß er diese Erklärung mit Wirksamkeit für die Vertretene nach außen auch abgegeben hat.

Die Revisionsrekurswerberin macht auch nicht geltend, daß diese unwiderrufliche und nur im Wege der §§ 869 ff ABGB anfechtbare Erklärung aus einem der Gründe der §§ 869 ff ungültig sei. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß die dennoch (trotz Wirksamkeit und Unwiderruflichkeit der Entschlagung) abgegebene Erbserklärung nicht mehr zur Einantwortung des Nachlasses führen kann. Selbst wenn der Anwalt zur Abgabe der Entschlagungserklärung (im Innenverhältnis) nicht beauftragt oder ermächtigt gewesen wäre, ist seine Erklärung angesichts der ihm nach den Feststellungen des Erstgerichts erteilten Vollmacht im Außenverhältnis wirksam geworden. Sie steht damit einer Einantwortung des Nachlasses an die Revisionsrekurswerberin zweifellos entgegen.

Das Rekursgericht hat daher zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zurückweisung der Erbserklärung bejaht. Dem dagegen erhobenen unberechtigten Rekurs wird ein Erfolg versagt.

Hingegen ist der Einwand der erblasserischen Tochter, das Rekursgericht habe ihre Beschwer zur Anfechtung des Punktes 6. des erstgerichtlichen Beschlusses zu Unrecht verneint, berechtigt. Das Erstgericht hatte in Punkt 6. seines Mantelbeschlusses die Banken davon verständigt, daß der erblasserische Sohn über die bei ihnen bestehenden Guthaben verfügungsberechtigt sei. Damit erfolgte aber ein Eingriff in die Rechte weiterer - im Beschluß nicht angeführter - erbserklärter Erben. Daß die angesprochenen Banken die Guthaben nach Erhalt des Rotsiegelbeschlusses an den im Beschluß als Erben Bezeichneten ausfolgen werden, unterliegt keinem Zweifel. Die vom Rekursgericht zur Begründung fehlender Beschwer herangezogenen Entscheidungen von Gerichten zweiter Instanz betrafen die Beschwer dritter Personen, nicht jedoch jene erbserklärter Erben, denen - solange die Erbserklärung nicht rechtskräftig zurückgewiesen wurde - jedenfalls Parteistellung und Rechtsmittellegitimation zukommt.

Allerdings erweist sich der gegen Punkt 6. des erstgerichtlichen Beschlusses gerichtete Rekurs der erblasserischen Tochter schon deswegen als nicht berechtigt, weil - wie bereits dargelegt - die Zurückweisung ihrer Erbserklärung zu Recht erfolgte und der Mantelbeschluß (einschließlich der darin enthaltenen Verständigung der Banken) somit aufrechterhalten wird.

Rechtssätze
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