JudikaturJustiz4Ob532/95

4Ob532/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Mai 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang S*****, vertreten durch Dr.Anke Reisch, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Stadtwerke Elektrizitätswerke, ***** vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 90.072,45 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses und Rekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungs- und Rekursgericht vom 28. Februar 1995, GZ 45 R 542/94-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 2.Mai 1994, GZ 4 C 20/94t-8, abgeändert und sein Urteil vom 27.Mai 1994, GZ 4 C 20/94t-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben; der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von der Beklagten S 90.072,45 sA mit der Behauptung, die Beklagte habe zu Unrecht den mit ihm geschlossenen Stromlieferungsvertrag über die Anlage in W*****, gekündigt und die Stromzufuhr abgesperrt. Die von ihm gemieteten Geschäftsräumlichkeiten in W*****, seien deshalb vom 3.5.1991 bis zum Juli 1992 nicht benützbar und die Mietaufwendungen fustriert gewesen. Die Beklagte hafte für diesen Schaden.

Die Beklagte erhob gegen den Zahlungsbefehl des Erstgerichtes vom 12. Jänner 1994, ON 1, Einspruch. Sie habe mit dem Kläger niemals einen Stromlieferungsantrag in Ansehung der Anlage W*****, geschlossen und könne daher nicht wegen des Unterlassens der Energielieferung schadenersatzpflichtig sein.

In der Tagsatzung vom 25.März 1994 brachte der Kläger hierauf vor, daß der ursprüngliche Vertragspartner der Beklagten die ***** Z***** GmbH gewesen sei, welche ihren Anspruch gegen die Beklagte an ihn abgetreten habe.

Die Beklagte bestritt und beantragte, die Klageänderung nicht zuzulassen. Für den Fall der Zulassung wandte sie die sachliche Unzuständigkeit ein, da der Strombezugsvertrag zwischen ihr und der ***** Z*****GmbH ein Handelsgeschäft sei.

In der darauf folgenden Tagsatzung vom 2.Mai 1994 verkündete der Erstrichter den Beschluß, daß die Klageänderung, der ursprüngliche Vertragspartner der Beklagten sei die ***** Z***** GmbH gewesen, deren Anspruch gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten worden sei, nicht zugelassen werde. Nach § 235 Abs 3 ZPO sei eine Klageänderung unzulässig, wenn dadurch die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts überschritten werde. Die Unzuständigkeit sei in diesem Falle von Amts wegen wahrzunehmen (ON 8).

Im Hinblick auf das geänderte Vorbringen des Klägers wies der Erstrichter mit Urteil vom 27.Mai 1994, ON 9, das Klagebegehren ab.

Das Gericht zweiter Instanz ließ infolge Rekurses des Klägers die Klageänderung zu und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Als Berufungsgericht hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Ersetzung der ursprünglich rechtserzeugenden Tatsachenbehauptung, daß die Forderung dem Kläger aus eigenem Recht zustehe, durch jene, daß er Zessionar sei, bedeute eine Klageänderung. Durch diese Klageänderung habe sich weder die Bezeichnung der Beklagten noch das auf ihrer Seite zugrundeliegende Geschäft geändert. Für die Zuständigkeit nach § 51 Abs 1 Z 1 JN komme es nur darauf an, ob auf seiten der Beklagten ein Handelsgeschäft vorliege und nicht auch darauf, ob dies auch auf der Seite des Klägers zutreffe. Ändere sich aber bei der Geltendmachung abgeleiteter Rechte für die Beklagte nichts an der Rechtsnatur des Rechtsgeschäftes, so bewirke auch die Klageänderung keine Überschreitung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes.

Aus der Zulassung der Klageänderung ergebe sich die Notwendigkeit, die Frage der Abtretung und der sich daraus ergebenden Ansprüche zu prüfen. Das Ersturteil sei daher aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den abändernden Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung auch solcher Fragen abhängt, zu denen - soweit ersichtlich - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt (§ 528 Abs 1 ZPO). Dennoch war dem Kläger keine Rekursbeantwortung freizustellen, weil die Entscheidung über die Zulassung einer Klageänderung nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht zu den in § 521 a ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen gehört (5 Ob 1510/86; 8 Ob 69, 70/86; 2 Ob 522/89; 6 Ob 535/90; 4 Ob 48/90; 1 Ob 535/93 ua).

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Entgegen der Meinung der Beklagten und des Erstgerichtes ist die vom Kläger vorgenommene Änderung des Klagegrundes (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 235 mwN) nicht deshalb unzulässig, weil damit die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes überschritten würde (§ 235 Abs 1 und 3 ZPO). Der Erstrichter hat die Klageänderung nicht sofort - ohne die Beklagte vorher anzuhören - wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen (vgl Fasching III 120); vielmehr hat er zunächst der Beklagten Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Die Beklagte hat - trotz der Einleitung ihres Vortrages mit der Erklärung, daß sie "bestreite" nicht, "ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt" (§ 235 Abs 2 letzter Satz ZPO); sie hat vielmehr sogleich beantragt, die Klageänderung nicht zuzulassen (JUS Z/1396). Zu der damit verbundenen Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes war sie aber nicht berechtigt, kann doch in Streitsachen, die vor ein Bezirksgericht gehören, die Einrede der Unzuständigkeit nicht darauf gestützt werden, daß für die Streitsache ein anderes Bezirksgericht - hier: das Bezirksgericht für Handelssachen Wien - sachlich zuständig ist (§ 43 Abs 3 letzter Satz JN). Darauf, ob das Erstgericht seinerzeit die bei ihm eingelangte Klage im Hinblick auf § 51 Abs 1 Z 1, § 52 Abs 1 JN hätte zurückweisen können, kommt es somit nicht an.

Die Beklagte führt im Revisionsrekurs erstmals ins Treffen, daß der Klageänderung Streitanhängigkeit entgegenstünde. Auch dem ist nicht zu folgen:

Wie der Oberste Gerichtshof erhoben hat -, brachte zwar der Kläger am 2. Mai 1994 - an dem Tag also, an dem der Erstrichter die Klageänderung nicht zugelassen hat - beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eine Mahnklage gegen die Beklagte auf S 90.072,45 sA mit dem Vorbringen ein, daß die Beklagte der Z***** GmbH zu Unrecht den Stromlieferungsvertrag für das Objekt W*****, gekündigt habe und dieser daraus ein Schaden entstanden sei, den sie dem Kläger abgetreten habe. Diese Klage (14 C 1234/94m des BGH Wien) wurde der Beklagten am 21.März 1995 zugestellt. Am selben Tage nahm der Beklagtenvertreter den angefochtenen, die Klageänderung bewilligenden Beschluß des Rekursgerichtes in Empfang.

Selbst wenn festgestellt werden könnte, daß die Zustellung des angefochtenen Beschlusses (um Stunden) später als die Zustellung der Klage erfolgt ist, wäre für die Beklagte nichts zu gewinnen, obwohl ihr zuzustimmen ist, daß das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit einer Klageänderung im Wege steht (SZ 43/56; MietSlg 30.727/23;

Rechberger aaO Rz 5):

Die Streitanhängigkeit wird durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten begründet (§ 232 Abs 1 Satz 1 ZPO). Wird aber - wie hier - von einer Partei erst im Laufe des Prozesses ein Anspruch erhoben, so tritt die Streitanhängigkeit in Ansehung dieses Anspruches mit dem Zeitpunkt ein, in welchem er bei der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wurde (§ 232 Abs 2 ZPO). Hieraus ist im Einklang mit der einhelligen Lehre (Fasching III 87 und LB2 Rz 1243 aE; Steininger, Einige Überlegungen zur Streitanhängigkeit, in FS für Hans Schima, 407 ff [412]; Rechberger aaO Rz 9) zu schließen, daß die Wirkungen der Streitanhängigkeit in allen Fällen der Klageänderung nach Klagezustellung jedenfalls mit dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung eintreten. Ob dann, wenn die Klageänderung in einem Schriftsatz enthalten war, die Streitanhängigkeit schon mit der Zustellung des Schriftsatzes bewirkt würde (in diesem Sinne Böhm, Einige Probleme der schriftlichen Klagserweiterung. Zur Teleologie des § 232 Abs 2 ZPO, RZ 1980, 45 ff; Rechberger aaO Rz 4 zu §§ 232, 233), bedarf hier keiner Untersuchung:

Zur Zeit der Erstattung des den Klagegrund ändernden Vorbringens in der Tagsatzung vom 25.März 1994 war nämlich eine inhaltsgleiche Klage weder eingebracht, geschweige denn der Beklagten zugestellt worden. Der Klageänderung steht somit das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit nicht entgegen.

Daß dem Kläger ein Rechtschutzbedürfnis für die Bekämpfung des erstgerichtlichen Beschlusses auf Nichtzulassung der Klageänderung gefehlt hätte, weil seine gleichzeitig erhobene Berufung inhaltlich verfehlt gewesen sei, trifft nicht zu. Es bedarf hier keiner Untersuchung der Frage, ob das Rekursgericht - wie Fasching (III 123 f) meint - dann, wenn es den Rekurs gegen einen mit dem Urteil in der Sache verbundenen Beschluß über die Klageänderung für begründet erachtet, das Urteil des Erstgerichtes jedenfalls (auch ohne Berufung) aufzuheben hat, hat doch hier der Kläger ohnehin eine Berufung erhoben. Darin hat er - in Verbindung mit dem gleichzeitig ausgeführten Rekurs - hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß das angefochtene Urteil dann keinen Bestand haben könne, wenn ihm infolge Bewilligung der Klageänderung der Boden entzogen ist. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht dieser Berufung auch Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

Soweit die Beklagte in ihrem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes geltend macht, daß der Aufhebungsbeschluß auch bei Aufrechterhaltung der Klageänderungsbewilligung verfehlt sei, erhebt sie einen Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO, der aber nur dann zulässig ist, wenn dies das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat. Ohne einen solchen Zulässigkeitsausspruch ist ein Rekurs, auch ein "außerordentlicher" Rekurs, nicht zulässig (RZ 1992/18; 4 Ob 25, 1015/92; 4 Ob 501, 1501/94).

Nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen Beschluß eines Berufungsgerichtes, mit es die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, aber auch unabhängig von der Höhe des Streitwertes der Rekurs zulässig (RZ 1992/1; RZ 1992/26;

ecolex 1992, 695; Petrasch, ÖJZ 1989, 750; Rechberger/Simotta Rz 745;

Böhm, ecolex 1992, 689). Lehre und Rechtsprechung haben die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO auf berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse anerkannt, mit denen - ohne Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen - dem Verfahren ein Ende gesetzt wird, so daß sie ihrem Wesen nach einer Klagezurückweisung gleichkommen (Fasching IV 410 ff und LB2 Rz 1981; Spruch 50 [neu] = JBl 1958, 365;

JBl 1958, 313; SZ 49/25 ua). Die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO wurde insbesondere in dem Fall bejaht, daß das Gericht zweiter Instanz anders als das Erstgericht eine Klageänderung für nicht zulässig erachtet (JBl 1960, 21; Fasching LB2 Rz 1981) oder aber in Abweichung vom Erstgericht eine Klageänderung zuläßt, das Ersturteil daher aufhebt und die Rechtssache zur Entscheidung über das geänderte Begehren zurückverweist (Fasching III 129; SZ 27/167; SZ 49/25 unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Entscheidungen SZ 47/49 und JBl 1976, 320; RZ 1979/87 ua).

Da aber die Beklagte einen Rekurs im Sinne des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ersichtlich nur für den Fall erhoben hat, daß ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Bewilligung der Klageänderung Erfolg beschieden ist, war dieses Rechtsmittel mangels Eintritts dieser Bedingung nicht zu behandeln.

Rechtssätze
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