JudikaturJustiz4Ob246/14a

4Ob246/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. August 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Z*****, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde St. *****, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 4. September 2014, GZ 21 R 176/14m 25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 23. Mai 2014, GZ 2 C 926/13b 21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

B e g r ü n d u n g:

Der Kläger ist Gastwirt und betreibt in St. ***** ein Restaurant. Die Beklagte ist im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung Pächterin der Grundstücke 457/1 und 457/14 je der EZ 351 KG ***** sowie des Grundstücks 226 der EZ ***** KG *****. Diese Grundstücke stehen im Eigentum der „V*****“ [offenbar gemeint: v*****Gesellschaft mbH] und befinden sich im Nahebereich des Altarmes beim Kraftwerk G*****. Mit seinen Freizeiteinrichtungen stellt dieser einen beliebten Naherholungsraum für die Bevölkerung um G***** dar.

Der Kläger beabsichtigt den Betrieb eines Imbissstandes auf einem der drei von der Beklagten gepachteten Grundstücke. Er stellte bei der Bezirkshauptmannschaft T***** entsprechende Anträge auf Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung. Die Gewerbebehörde forderte den Kläger in dem Bezug habenden Verwaltungsverfahren auf, die dafür erforderliche Zustimmungserklärung des Grundeigentümers nachzureichen. Die V***** als Eigentümerin der Grundstücke erklärte, dass sie selbst keine Einwände gegen das Vorhaben des Klägers habe, aber aufgrund des bestehenden Bestandvertrags eine vertragliche Regelung mit der Beklagten zu treffen sei. Die Beklagte als Pächterin der Grundstücke lehnte wiederholte Ansuchen des Klägers um Erteilung der notwendigen Zustimmung jeweils mit der Begründung ab, dass mit den dort bereits bestehenden Gastronomiebetrieben das Auslangen gefunden werde.

Die Beklagte pachtete die Grundstücke ausschließlich zum Zwecke der gärtnerischen Pflege und Gestaltung der Grünflächen sowie der Schaffung eines Erholungsraums für Gemeindebürger und Dritte. Als der Pachtvertrag zwischen der Beklagten und der V***** abgeschlossen wurde, gab es bereits bestehende Pachtverhältnisse mit verschiedenen Gewerbebetrieben, die von der Beklagten übernommen wurden. Seitdem sind (mit Ausnahme des Lokales „A*****“), keine neuen Restaurantionsbetriebe eröffnet und keine neuen Pachtverhältnisse begründet worden. Die Betreiberin des „A*****“ erhielt die erforderlichen Bewilligungen trotz des Widerstandes der Beklagten; ihr Lokal befindet sich nicht auf dem von der Beklagten gepachteten Grund, sondern auf einem Grund der V*****.

Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, gegenüber dem Grundstückseigentümer sowie der Gewerbe bzw Baubehörde ihre Zustimmung zur Aufstellung eines Imbissstandes des Klägers auf einem von drei genannten Standorten zu erteilen. Die Beklagte habe dem Kläger die Zustimmung zur Aufstellung des Imbissstandes auf dem von ihr gepachteten Grund rechtswidrig verweigert. Mit dieser Vorgehensweise habe sie den Kläger ohne sachlichen Grund anders als andere Gewerbetreibende behandelt und somit gegen den verfassungsgesetzlich verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Die bloß mit dem Schutz bereits bestehender Gewerbebetriebe vor marktwirtschaftlicher Konkurrenz begründete Ablehnung des Ansuchens des Klägers sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Beklagte greife im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung in unsachlicher Weise in die Erwerbsfreiheit des Klägers ein und missbrauche damit die ihr in diesem Bereich zukommende monopolartige Stellung. Das Naherholungsgebiet habe eine überörtliche Bedeutung, und die Beklagte halte sämtliche Grundstücke, die für eine gastronomische Gestaltung in Frage kämen.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Sie habe die Grundstücke ausschließlich zum Zwecke der gärtnerischen Pflege und Gestaltung der Grünflächen sowie der Schaffung eines Erholungsraumes für Gemeindebürger und Dritte gepachtet. Der Pachtzweck sei klar definiert. Es solle der Bevölkerung soweit als möglich die Natur zur Verfügung stehen. Als der Pachtvertrag zwischen der Beklagten und der V***** abgeschlossen worden sei, habe es bereits bestehende Pachtverhältnisse mit verschiedenen Gewerbebetrieben gegeben, welche übernommen worden seien. Seitdem seien jedoch auf keinem von der Beklagten gepachteten Grund neue Pachtverhältnisse begründet worden. In diesem Naherholungsgebiet gebe es eine Vielzahl von weiteren Grundstücken im privaten Eigentum, die als Standort für den Kläger in Frage kämen. Im Übrigen sei die Beklagte im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung nicht an Grundrechte gebunden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagten komme keine monopolartige Stellung zu, es stehe ihr daher frei, ob sie mit dem Kläger einen Vertrag abschließe. Die Erteilung der Zustimmung zur Aufstellung des Imbissstandes durch den Kläger könne ihr gegen ihren Willen nicht aufgezwungen werden. Der Kläger könne sich auch nicht auf Grundrechte berufen. Als im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätige Pächterin der Grundstücke trete die Beklagte im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie ein Privater auf, und zwischen Privaten hätten diese subjektiv öffentlichen Rechte keine unmittelbare Wirkung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach der höchstgerichtlichen Judikatur stehe die öffentliche Hand auch bei privatrechtlicher Tätigkeit unter den weitgehenden Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes. Kontrahierungszwang bestehe überall dort, wo faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität ihm die Möglichkeit der Fremdbestimmung über andere gebe, also insbesondere bei Innehabung einer Monopolstellung. Der Inhaber einer Monopolstellung müsse, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar sei, einen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses haben. Diese Rechtsprechungslinie gelte auch für die Genehmigung oder für einen Gestattungsvertrag seitens einer Stadtgemeinde hinsichtlich der Aufstellung eines Verkaufsständers (Warenständers) auf öffentlichem Straßengrund. Die vorliegende Konstellation sei durchaus ähnlich gestaltet, hier stünden einander der Berufungswerber als ein an der Aufstellung eines Imbissstandes interessierter Unternehmer und die beklagte Marktgemeinde als zur Unterbestandgabe befugte Pächterin des betreffenden Naherholungsgebietes gegenüber. Die Beklagte habe die Grundstücke aber ausschließlich zum Zweck der gärtnerischen Pflege und Gestaltung der Grünflächen sowie der Schaffung eines Erholungsraumes für Gemeindebürger und Dritte gepachtet. Die Beklagte habe die bei Abschluss des Pachtvertrags zum 20. 12. 2004 bereits bestehenden Pachtverhältnisse mit den dort etablierten Gastronomiebetrieben übernommen, seitdem aber keine neuen Restaurationsbetriebe eröffnet oder eröffnen lassen und keine neuen Pachtverhältnisse begründet. Eine bestimmte Interessentin habe in der Zwischenzeit die erforderlichen Bewilligungen trotz Widerstandes der Beklagten erhalten, weil sich das betreffende Lokal nicht auf dem Pachtgrund der Beklagten befinde. Auch wenn das Erstgericht nicht explizit festgestellt habe, dass die Beklagte verhindern wolle, dass der Altarm eine zweite „Copa Cagrana“ werde, wobei es für den Altarm ein Nutzungskonzept gebe, so lasse sich doch aus dem Urteilssachverhalt im Kontext einwandfrei ableiten, dass die Beklagte mit der Pachtung dieses Naherholungsgebietes und der anschließenden Vorgangsweise ganz bestimmte Ziele verfolge (Schaffung eines Erholungsraumes, Unterlassung neuer Lokalansiedlungen, Widerstand gegen diesbezügliche Neueröffnungen, Idee eines auslangenden bestehenden Gastronomieangebots). In diesem Sinne könne der von der Beklagten gegebenen Ablehnungsbegründung kein „Scheincharakter“ beigemessen werden. Dass die Beklagte anlässlich des Abschlusses des Pachtvertrags die bereits bestehenden Pachtverhältnisse mit Gastronomiebetrieben übernommen und damit den „status quo“ beibehalten habe, diesen Zustand jedoch nicht durch eine Vermehrung der Gastronomiebetriebe verändern möchte, könne ihr auch unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht als willkürlich oder unsachlich angelastet werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es die (iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche) Rechtsfrage zu klären gelte, ob die Rechtsprechung zum Kontrahierungszwang einer Stadtgemeinde im Zusammenhang mit der Genehmigung der Aufstellung eines Verkaufsständers auf öffentlichem Straßengrund auf die Ansiedlung von Gastronomiebetrieben in von Gemeinden gepachteten oder im Eigentum von Gemeinden stehenden Naherholungsgebieten anwendbar sei, und, falls man einen derartigen Kontrahierungszwang annehme, ein guter (sachlicher) Grund für die Verweigerung der Zustimmung auch in der beabsichtigten „betriebsarmen“ Ausgestaltung eines solchen Naherholungsgebietes erblickt werden könne.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile erster und zweiter Instanz aufzuheben oder im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht

bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

1. Der Revisionswerber nimmt auf jene Rechtsfragen, die die Zulässigkeitsbegründung des Berufungsgerichts tragen, zwar ausdrücklich Bezug und bezeichnet sie auch als präjudiziell und erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO. Allerdings teilt er die vom Berufungsgericht dazu jeweils vertretene Rechtsansicht. Das Berufungsgericht gehe zutreffend davon aus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei privatrechtlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand zu beachten sei, und die Anwendbarkeit der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Kontrahierungszwang auf den vorliegenden Fall sei nicht anzuzweifeln. Auch in Bezug auf die damit verbundene Konsequenz, dass die Beklagte einen Vertragsabschluss nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen ablehnen dürfe (vgl RIS Justiz RS0106571; RS0016745 [T8, T10]), gesteht der Revisionswerber zumindest erkennbar zu, dass das Berufungsgericht die von ihm erwogenen raumplanerischen Gründe grundsätzlich zu Recht als einen solchen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung der Zustimmung qualifiziert hat. Im Zentrum seiner Ausführungen steht vielmehr der Vorwurf, dass eben diese Gründe dem Urteilssachverhalt nicht zu entnehmen seien (dazu unten 3.).

2. Der Kläger spricht damit die vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen zwar ausdrücklich an, legt seiner Revision aber ohnehin die vom Berufungsgericht dazu vertretene Rechtsansicht zugrunde. Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RIS Justiz RS0102059 [T8, T18]). Im Übrigen hängt es von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, ob ein ausreichend sachlicher Grund vorliegt, aus denen ein Monopolist einen Vertragsabschluss ablehnen darf, sodass diese Frage in der Regel von vornherein keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt (RIS Justiz RS0106571 [T4]; RS0016762 [T4]).

3. Der Revisionswerber legt in seiner Revision auch keine anderen Rechtsfragen dar, die eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs iSd § 502 Abs 1 ZPO rechtfertigen könnten (vgl. RIS Justiz RS0042392).

Der Revisionswerber rügt zwar, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung Feststellungen zugrunde gelegt habe, die das Erstgericht gar nicht getroffen habe. Die vom Berufungsgericht „gefundenen“ und „konstruierten“ sachlichen Gründe für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses habe die Beklagte nicht unter Beweis gestellt und ergäben sich daher auch nicht aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Der tatsächlich festgestellte Sachverhalt lasse vielmehr offen, ob hinter der Ablehnung nicht andere unsachliche Überlegungen stünden.

Mit dieser Behauptung, das Berufungsgericht sei von einem urteilsfremden Sachverhalt ausgegangen, rügt der Revisionswerber zumindest implizit Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (vgl RIS Justiz RS0043026), die aber nicht vorliegt. Wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung detailliert aufzeigt, hat sie im Verfahren vor dem Erstgericht ein entsprechendes Vorbringen zum Pachtzweck und dessen Verwirklichung erstattet. Das Erstgericht hat dazu von diesem Vorbringen gedeckt Feststellungen getroffen. Das Berufungsgericht wiederum hat diese Feststellungen in seiner rechtlichen Beurteilung zwar in einen Gesamtzusammenhang gebracht und zusammenfassend dargestellt, dabei aber auf die konkreten Feststellungen ausdrücklich und ausreichend deutlich Bezug genommen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts basieren daher auf dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt, den das Berufungsgericht mit den daraus gezogenen Schlüssen auch nicht verlassen hat.

Mit seinen weiteren Ausführungen zu den angeblich „wahren“ Gründen für die Verweigerung der Zustimmung wendet sich der Revisionswerber in Wahrheit gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht Tatsacheninstanz, und Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RIS Justiz RS0042903 [T1, T2, T10]; RS0069246 [T1, T2]).

4. Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nicht zulässig und zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers nicht hingewiesen; die Kosten dafür hat sie daher selbst zu tragen (RIS Justiz RS0035962; RS0035979).

Rechtssätze
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