JudikaturJustiz4Ob2351/96f

4Ob2351/96f – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nicole Yasmin A*****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten - Jugendhilfe, *****, als Sachwalter gemäß § 213 ABGB, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Mehmet Ali A*****, vertreten durch den Abwesenheitskurator Mag.Andreas S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 18.September 1996, GZ 10 R 350/96i-41, womit der Rekurs des durch den Abwesenheitskurator vertretenen Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 21.August 1996, GZ 1 P 1068/95v-38, als unzulässig zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die mj. Nicole Yasmin A***** entstammt der Ehe der türkischen Staatsbürger Yildiz A***** und Mehmet Ali A*****, zwischen denen in der Türkei ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Schon vor der Geburt des Kindes erklärte die Mutter vor dem Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten, daß sie das Kind zur Adoption freigebe.

Mit Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 12.5.1995 wurde den Eltern gemäß § 176 ABGB vorläufig die Obsorge über die Minderjährige entzogen; der Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten, Jugendhilfe, wurde gemäß § 213 ABGB zum Sachwalter für die Minderjährige bestellt (ON 5).

Die Mutter erklärte sich am 24.Juli 1996 ausdrücklich mit einer Inkognitoadoption einverstanden und verzichtete gemäß § 259 AußStrG auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses (ON 36). Der Vater - welcher am 6.Juni 1995 vor dem Amt für Jugend und Familie 12. Bezirk erklärt hatte, er sei grundsätzlich bereit, einer Inkognitoadoption der Minderjährigen zuzustimmen, werde die endgültige Zustimmung aber erst dann abgeben, wenn es ganz sicher ist, daß die Mutter der Scheidung zustimmt und die Scheidung letztlich auch erfolgt (ON 10) - konnte trotz mehrmaliger Ladung und einer versuchten Vorführung nicht zu Gericht gebracht werden, damit er zur Zustimmung und zu einem Verzicht im Sinne des § 259 AußStrG befragt werde. Das Bezirkspolizeikommissariat Meidling teilte am 29.Februar 1996 mit, daß sich der Vater seit Wochen nicht mehr in W***** aufhalte; sein nunmehriger Aufenthaltsort habe aber nicht in Erfahrung gebracht werden können (ON 26).

Das Erstgericht bestellte hierauf mit Beschluß vom 13.März 1996 Mag.Andreas S*****gemäß § 276 ABGB zum Abwesenheitskurator für den Vater (ON 28).

Der Abwesenheitskurator sprach sich gegen die beabsichtigte Inkognitoadoption aus. Diese Adoption sei im Hinblick auf das Personalstatut der Minderjährigen als türkische Staatsangehörige nicht zulässig. Nach türkischem Recht werde im Scheidungsverfahren zwischen den Eltern über die Obsorge des Kindes entschieden. Solange ein Scheidungsprozeß zwischen den Eltern anhängig sei, könne eine Adoption nicht durchgeführt werden (ON 33).

Mit Beschluß vom 21.August 1996 bewilligte das Erstgericht die Inkognitoadoption der Minderjährigen. Nach § 26 IPRG seien die Voraussetzungen der Annahme nach dem Personalstatut jedes Annehmenden, die Wirkungen der Annahme durch Ehegatten nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe geltenden Statut zu beurteilen. In jedem Falle sei hier demach österreichisches Recht anzuwenden. Lediglich Zustimmungsrechte des Kindes oder Dritter seien nach dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Nach § 181 Abs 1 Z 1 ABGB dürfe die Bewilligung nur erteilt werden, wenn die Eltern des minderjährigen Wahlkindes zustimmen. Die Zustimmung der Mutter liege vor, der Vater sei seit mehr als sechs Monaten unbekannten Aufenthaltes. Die Voraussetzungen für den Entfall seines Zustimmungsrechtes (§ 181 Abs 1 ABGB) lägen somit vor. Im übrigen enthalte auch Art 254 a des türkischen Bürgerlichen Gesetzbuches vom 17. Februar 1926 eine Regelung, wonach die Zustimmung der Mutter oder des Vaters dann nicht erforderlich sei, wenn er/sie längere Zeit unbekannten Aufenthaltes oder abwesend sei. Das treffe auf den Vater zu, so daß auch nach türkischem Recht seine Einwilligung nicht erforderlich sei. Die Bewilligung der Annahme liege im Interesse des Kindeswohles.

Das Gericht zweiter Instanz wies den vom Abwesenheitskurator gegen diesen Beschluß namens des ehelichen Vaters erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei das mit einem zu Unrecht bestellten Abwesenheitskurator durchgeführte Verfahren nichtig. Bei unberechtigter Bestellung eines Kurators seien seine Bestellung und auch die an ihn bewirkten Zustellungen nichtig; in einem solchen Falle stehe dem Kurator auch kein Rekursrecht zu. Der vom LGZ Wien in EFSlg 76.370 vertretenen Meinung, daß einem Abwesenheitskurator, dessen Bestellung nicht bekämpft werde, das Rekursrecht unvorgreiflich der Entscheidung zustehe, ob seine Bestellung rechtmäßig erfolgt ist, werde nicht gefolgt.

Tatsächlich sei hier der Kurator nicht zu Recht bestellt worden. Zwar schade es nicht, daß die Bestellung von Amts wegen erfolgt ist, sie sei aber insoweit unzulässig, als dem Kurator anstelle des Vaters die Wahrnehmung der Zustimmungsrechte des § 181 Abs 1 ABGB bzw Art 254 a des türkischen BGB übertragen wurden. Die Bestellung eines Abwesenheitskurators im Sinne des § 276 ABGB zur Geltendmachung höchstpersönlicher Rechte eines Abwesenden sei nicht zulässig. Das Zustimmungsrecht zur Adoption sei zweifellos ein solches höchstpersönliches Recht, das auch nicht auf eine andere Person übergehen könne. Mit Recht habe daher das Erstgericht die Stellungnahme des Abwesenheitskurators unbeachtet gelassen.

Im Hinblick darauf, daß bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 276 ABGB und 116 ZPO nicht nur ein Zustellkurator, sondern auch ein Abwesenheitskurator bestellt werden könne, bleibe zu prüfen, ob die Bestellung des Abwesenheitskurators zum Zwecke der Zustellung der Entscheidung über die Bewilligung der Adoption rechtmäßig war. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe ein Abwesenheitskurator nur dann bestellt werden, wenn erfolglos versucht wurde, den Aufenthaltsort des Abwesenden zu ermitteln. Dazu seien zwar keine umfangreichen Erhebungen erforderlich, eine Kuratorbestellung komme aber erst dann in Frage, wenn Personen, die in einem Naheverhältnis zum Abwesenden stehen und bei denen Kenntnis über den Aufenthaltsort angenommen werden kann, über diesen nichts aussagen können. Die ergebnislose Anfrage an das Zentralmeldeamt und den Hauptverband der Sozialversicherungsträger reichten für eine Bestellung des Abwesenheitskurators nicht aus. Dazu komme noch, daß das Gericht für Personen nur dann einen Kurator zu bestellen hat, wenn die Zustellung nur durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könnte, wenn also nicht gemäß § 8 ZustG vorzugehen ist. Im vorliegenden Fall habe sich das Erstgericht mit negativen Auskünften des Zentralmeldeamtes und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger begnügt und keine weiteren Erhebungen gepflogen. Überdies habe der Vater nach der Aktenlage Kenntnis vom Verfahren gehabt. Sämtliche Ladungen seien ihm zwar durch Hinterlegung zugestellt worden, die Sendungen seien aber nicht als nicht behoben an das Rechtshilfegericht zurückgestellt worden. Im übrigen ergebe sich aus der Niederschrift mit dem Vater vom 6.Juni 1995, daß ihm das Adoptionsverfahren bekannt war. Er wäre daher gemäß § 8 Abs 1 ZustG verpflichtet gewesen, einen Wechsel der Abgabestelle dem Gericht bekanntzugeben. Da er dies nicht getan hat, hätte das Erstgericht grundsätzlich mit einer Zustellung gemäß § 8 Abs 2 ZustG vorzugehen gehabt, sofern man nicht die Ansicht vertrete, eine Zustellung des Bewilligungsbeschlusses betreffend die Inkognitoatoption an einen mehr als sechs Monate Abwesenden sei deshalb nicht erforderlich, weil § 181 Abs 2 ABGB über den Entfall des Zustimmungsrechtes analog auch auf den Entfall der Verzichtserklärung des § 259 AußStrG anwendbar ist. In jedem Falle habe es aber nicht der Bestellung eines Kurators bedurft, weil das Erstgericht entweder nach § 8 Abs 2 ZustG vorzugehen und daher eine Hinterlegung ohne Zustellversuch anzuordnen oder aber von einer Zustellung des Bewilligungsbeschlusses in analoger Anwendung des § 181 Abs 2 ABGB und des Art 254 a des türkischen BGB überhaupt abzusehen gehabt hätte.

Der vom Abwesenheitskurator erhobene Rekurs sei daher mangels Rechtsmittellegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des durch den Abwesenheitskurator vertretenen ehelichen Vaters ist berechtigt.

Das Erstgericht hat Mag.Andreas S***** zum Abwesenheitskurator bestellt. Dieser Beschluß wurde von niemandem mit Rechtsmittel bekämpft und auch nicht von Amts wegen - etwa im Zuge einer Nichtigerklärung - beseitigt. Solange dieser Beschluß aufrecht ist, kann daher die Befugnis des Abwesenheitskurators, für den von ihm zu vertretenden Vater einzuschreiten, nicht verneint werden.

Die gegenteilige Rechtsansicht des Rekursgerichtes - das sich hiebei auf Entscheidungen des LGZ Wien beruft, die zum Zustellkurator ergangen sind (EFSlg 49.751; 55.418; 58.205; 64.525; 67.322; 70.229;

73.400) - kann demnach nicht geteilt werden; sie steht auch in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes:

Der Oberste Gerichtshof vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß das mit einem zu Unrecht bestellten Kurator abgewickelte Verfahren nichtig ist (GlUNF 3707; AnwZ 1934, 212; SZ 27/102; JBl 1980, 267; MietSlg 35.758; MietSlg 37.737 ua) hat aber in vielen Fällen (vgl nur SZ 27/102; JBl 1980, 267) diese Nichtigkeit aus Anlaß des vom Kurator erhobenen Rechtsmittels wahrgenommen und die Entscheidungen der Vorinstanzen sowie das gesamte Verfahren ab der Zustellung an den Kurator (JBl 1980, 267) oder ab der Bestellung des Kurators (SZ 27/102) als nichtig aufgehoben. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, daß er das Rechtsmittel des Kurators als zulässig angesehen hat, kann doch ein Nichtigkeitsgrund nur auf Grund eines zulässigen Rechtsmittels wahrgenommen werden (SZ 38/27; EFSlg 52.211 uva; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 477).

Aus diesem Grund war dem Revisionsrekurs Folge zu geben, der angefochtene Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs ohne Heranziehung des verfehlten Zurückweisungsgrundes aufzutragen.

Da der Oberste Gerichtshof - im übrigen auch im Sinne des Rechtsmittelantrages - nicht in der Sache selbst zu entscheiden hat, ist auf die weitere im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob der Verzicht auf die Bekanntgabe des Namens der Adoptierenden (§ 259 AußStrG) als höchstpersönliches Recht anzusehen ist, worauf § 181 Abs 2 ABGB oder eine inhaltsgleiche türkische Bestimmung analog anzuwenden wäre, nicht einzugehen.

Rechtssätze
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