JudikaturJustiz4Ob181/07g

4Ob181/07g – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kommerzialrat Martin A*****, vertreten durch Dr. Alexander Klein, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Heinz A*****, vertreten durch Kaan Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in Graz, 2. Irma A*****, vertreten durch Rechtsanwälte Hofstätter Kohlfürst OEG in Graz, 3. Mag. Christian A*****, vertreten durch Aschmann Pfandl, Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, und 4. Dr. Herbert H*****, vertreten durch Dr. Josef Peißl, Rechtsanwalt in Köflach, und der auf Seiten der viertbeklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 624.293,41 EUR sA und Anfechtung einer Willenserklärung (Streitwert 4.000 EUR gemäß § 56 Abs 2 JN), über die Revisionsrekurse der erst-, der zweit- und der viertbeklagten Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der viertbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 30. Juli 2007, GZ 5 R 23/07b-36, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Dezember 2006, GZ 21 Cg 26/06z-26, in seinen Punkten 1. bis 3. ersatzlos behoben und in seinem Punkt 4. aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Den Revisionsrekursen der erst-, der zweit- und der viertbeklagten Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der viertbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

2. Die erst-, die zweit- und die viertbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 3.594,46 EUR (darin 599,08 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Beantwortung zu den Revisionsrekursen der erst-, der zweit- und der viertbeklagten Partei binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die viertbeklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit 2.030,38 EUR (darin 338,40 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Beantwortung zum Revisionsrekurs der Nebenintervenientin binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist der Bruder des Erstbeklagten, der Sohn der Zweitbeklagten und der Onkel des Drittbeklagten. Der viertbeklagte Notar war Errichter eines „Dissolutions- und Übergabsvertrags" vom 9. April 1999. Damit wurde ein Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 19. September 1989 zwischen der Zweitbeklagten und dem Erstbeklagten über deren Hälfteanteil an einer Grazer Liegenschaft aufgehoben und dieser Anteil dem Drittbeklagten übertragen. Die bücherliche Einverleibung dessen Eigentumsrechts erfolgte 2004. Eigentümer des zweiten Hälfteanteils ist der Erstbeklagte. Die Haftpflichtversicherung des Viertbeklagten trat auf dessen Seite dem Verfahren als Nebenintervenientin bei.

Das Klagebegehren war zunächst in Punkt 1. (Punkt 2. betraf den Antrag auf Kostenersatz) auf Folgendes gerichtet:

a) Aufhebung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Klägers im Verhältnis zur Zweitbeklagten vom 21. 6. 1990 wegen Irreführung;

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse des Erst-, der Zweit- und des Viertbeklagten und der Nebenintervenientin sind zulässig; sie sind jedoch nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefasst geltend, der Kläger habe in seinem Schriftsatz vom 8. 11. 2006 das Hauptbegehren gegen den Erstbeklagten, die Zweitbeklagte und den Viertbeklagten fallen gelassen. Die betroffenen Beklagten hätten dieser Klagezurücknahme zugestimmt; sie sei somit wirksam. Damit sei das Prozessrechtsverhältnis des Klägers mit diesen Beklagten beendet.

1.1. Nach § 237 Abs 2 ZPO kann die Zurücknahme der Klage durch einen den Beklagten zuzustellenden Schriftsatz oder durch eine bei der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung erfolgen. Nach Einlangen der Klagebeantwortung ist eine Zurücknahme der Klage ohne Anspruchsverzicht gemäß § 237 Abs 1 ZPO nur mit Zustimmung der Beklagten möglich.

1.2. Die Rechtsprechung legt Prozesshandlungen nach ihrem objektiven Erklärungswert aus (RIS-Justiz RS0017881, RS0037416). Vor diesem Hintergrund muss ein Verzicht auf den mit der Klage verfolgten Anspruch eindeutig erklärt werden (stRsp RIS-Justiz RS0039744).

1.3. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist hier von einer Zurücknahme des Hauptbegehrens gegen den Erstbeklagten, die Zweitbeklagte und den Viertbeklagten auszugehen. Das Urteilsbegehren laut Klage hatte - neben Eventualbegehren auf Zahlung und Feststellung - bestimmte Hauptbegehren gegen alle Beklagten enthalten.

Im umfangreichen Schriftsatz vom 8. 11. 2006 formulierte der Kläger das Urteilsbegehren neu. Es handelte sich dabei um eine wohlbedachte Prozesshandlung, die nicht spontan in einer Verhandlung, sondern in Vorbereitung einer solchen gesetzt wurde. Danach hielt der Kläger nur das Herausgabebegehren gegen den Drittbeklagten als Hauptbegehren aufrecht („1. primär"), während er die anderen Begehren ausdrücklich nur mehr eventualiter geltend machte.

Nach dem Aufbau dieses Schriftsatzes und seinem Inhalt auf Grund unmissverständlicher Erklärungen ist nicht zweifelhaft, dass die ursprünglichen Hauptbegehren, soweit sie sich gegen den Erstbeklagten, die Zweitbeklagte und den Viertbeklagten gerichtet hatten, fallengelassen wurden, und der Kläger insoweit eine Klagszurücknahme ohne Anspruchsverzicht erklärte.

1.4. Den Schriftsatz vom 8. 11. 2006 hatte der Kläger in der folgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. 11. 2006 vorgetragen. Daraufhin erklärten der Erstbeklagte, die Zweitbeklagte und der Viertbeklagte sogleich der Klagszurücknahme zuzustimmen. Damit wurde aber die Zurücknahme der Hauptbegehren gegen diese Beklagten wirksam. Der nachfolgende Beschluss des Erstgerichts entfaltete insofern nur mehr deklarative Wirkung (RIS-Justiz RS0039652; Lovrek in Fasching/Konecny² III § 237 ZPO Rz 29 mwN).

1.5. Der Beschluss des Erstgerichts, die Klagszurücknahme und die Zustimmung der Beklagten hiezu zur Kenntnis zu nehmen sowie das Verfahren für beendet zu erklären, ist indes anfechtbar (6 Ob 106/01h; RIS-Justiz RS0039796; Lovrek aaO; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO³ § 238 Rz 7). Daraus folgt, dass die Streitanhängigkeit eines zurückgenommenen Begehrens erst mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses auf Beendigung des Verfahrens beseitigt wird (Mayr in Fasching/Konecny² III § 232 ZPO Rz 9 mwN; vgl ferner Lovrek aaO); deshalb war hier die die zurückgenommenen Hauptbegehren gegen den Erstbeklagten, die Zweitbeklagte und den Viertbeklagten betreffende Streitanhängigkeit im Zeitpunkt der neuerlichen Klagsänderung in der Verhandlung vom 15. 11. 2006 noch aufrecht.

1.6. Überdies waren die für den Fall der Abweisung des nur noch gegen den Drittbeklagten gerichteten Herausgabe- und Einwilligungsbegehrens formulierten Eventualbegehren zwar unzulässig (1 Ob 201/05y; RIS-Justiz RS0037606), mangels einer dazu ergangenen Entscheidung des Erstgerichts aber noch Verfahrensgegenstand, sodass auch insoweit das Prozessrechtsverhältnis des Klägers mit dem Erstbeklagten, der Zweitbeklagten und dem Viertbeklagten im Zeitpunkt der Klageänderung am 15. 11. 2006 durch die Formulierung neuer Hauptbegehren gegen diese Beklagten noch nicht beendet war (vgl zur Frage der Streitanhängigkeit Mayr in Fasching/Konecny² III § 233 ZPO Rz 15). Somit erweist sich die Ansicht der Rechtsmittelwerber, das Prozessrechtsverhältnis des Klägers mit dem Erstbeklagten, der Zweitbeklagten und dem Viertbeklagten sei bereits mit deren Zustimmung zur Klagszurücknahme in der Verhandlung vom 15. 11. 2006 beendet worden, als unzutreffend. Die Rechtsmittel, in denen die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts angestrebt wird, müssen daher erfolglos bleiben.

2. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klärung der Frage nach einer Beendigung des Verfahrens gegen den Erstbeklagten, die Zweitbeklagte und den Viertbeklagten erfolgte in einem selbstständigen Zwischenstreit; in diesem unterlagen die Rechtsmittelwerber. Der Viertbeklagte hat auch die Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses seiner Streithelferin zu ersetzen (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 41 ZPO Rz 12). Als Kostenbemessungsgrundlage ist vom letzten Stand des Klagebegehrens auszugehen. Einerseits wurde das ursprüngliche Klagebegehren gegen den Erstbeklagten, die Zweitbeklagte und den Viertbeklagten in der Verhandlung vom 15. 11. 2006, wie aus den Erwägungen unter 1.3. und 1.4. folgt, wirksam zurückgenommen, andererseits mangelt es an einem Ausspruch über die allfällige Unzulässigkeit der dem Begehren nach seinem letzten Stand zugrundeliegenden Klagsänderung, wird doch über die Frage deren Zulässigkeit erst im fortgesetzten Verfahren abzusprechen sein.

Für die Beantwortung des Rechtsmittels des Erstbeklagten, der Zweitbeklagten und des Viertbeklagten dient ein Betrag von 628.292,41 EUR (624.292,41 EUR als Summe der Zahlungsbegehren gegen den Erstbeklagten [265.337,18 EUR] und die Zweitbeklagte [358.955,23 EUR] zuzüglich 4.000 EUR nach § 56 Abs 2 JN für das Anfechtungsbegehren) als Berechnungsgrundlage. Der gegen den Viertbeklagten geltend gemachte Anspruch von 138.403,86 EUR ist zur Bemessungsgrundlage nicht hinzuzurechnen, weil der Viertbeklagte lediglich als Solidarschuldner eines Teilbetrags der auch gegen die anderen Beklagten erhobenen Zahlungsbegehren in Anspruch genommen wird. Als Bemessungsgrundlage für den Ersatz der Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses der Nebenintervenientin ist der gegen den Viertbeklagten begehrte Betrag von 138.403,86 EUR heranzuziehen. Die auf diesen Grundlagen errechneten Kostenersatzbeträge ergeben sich aus dem Spruch dieser Entscheidung.

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