JudikaturJustiz2Ob196/06x

2Ob196/06x – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gottfried Karl T*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen die beklagten Parteien

1. G***** KG, *****, und 2. Mag. Peter P*****, beide vertreten durch Dr. Heinz Neuner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.675 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2006, GZ 60 R 182/05b-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 23. September 2005, GZ 10

C 1641/04b-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen betreibt die erstbeklagte Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte ist, eine Tennisanlage in Wien. Die Herrengarderobe ist mit Kästchen ausgestattet, die mit Hilfe von Jetons benützt werden können. Für die Jetons sind 50 Cent einzusetzen. Der Zugang zu der Garderobe ist jedermann möglich; eine Überwachung des Garderobebereiches durch Personal oder Kameras findet nicht statt. Der Kläger besucht seit dem Jahr 2002 die Anlage der erstbeklagten Partei durchschnittlich einmal im Monat, um dort Tennis zu spielen.

Auch am 26. 3. 2004 hatte er gemeinsam mit seinem Tennispartner einen Tennisplatz reserviert. Nach seinem Eintreffen deponierte er seine Kleidung und seine neue, EUR 9.300,-- teure Armbanduhr in einem der Garderobekästchen. Während des Spieles wurde das Kästchen aufgebrochen und die Uhr gestohlen. Der Täter blieb unbekannt. Die Vorinstanzen wiesen das auf den Ersatz der Hälfte des Schadens gerichtete Begehren des Klägers ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zu Fragen der Obhut bzw Obsorge bei der Verwahrung von Gegenständen in Garderobekästchen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Eine solche wird auch dadurch nicht begründet, dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde (RIS-Justiz RS0107773). Aber auch in der Revision werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan. Der Verwahrungsvertrag setzt die im beiderseitigen Einverständnis erfolgte Übergabe und Übernahme einer Sache in die Obsorge voraus. Die Hauptpflicht des Verwahrers ist demnach die Obsorge für die anvertraute Sache. Sie ist nicht bloße Überlassung eines Raumes, sondern Obhut. Die Pflicht zur Obsorge muss aus der Vereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu entnehmen sein. Fehlt die Übernahme der Obsorge, so liegt kein Verwahrungsvertrag vor. Der Verwahrungsvertrag kann entgeltlich oder unentgeltlich abgeschlossen werden, wobei Unentgeltlichkeit der Verwahrung aber vielfach gegen eine schlüssige Obsorgezusage spricht (vgl 3 Ob 274/98k = RZ 2000/10 mwN; RIS-Justiz RS0019368, RS0020776).

Vom konkludenten Abschluss eines Verwahrungsvertrages ist auszugehen,

wenn bei Überlegung aller Umstände unter Bedachtnahme auf

Verkehrssitte und redliche Gewohnheit ein beiderseitiges

Einverständnis betreffend die Übergabe und Übernahme einer Sache in

Obsorge angenommen werden kann (SZ 52/70 = EvBl 1980/1; Binder in

Schwimann, ABGB3 IV § 957 Rz 32), etwa wenn die Inanspruchnahme einer

zur Verfügung gestellten Garderobe wegen des Erfordernisses,

Kleidungsstücke abzulegen, unvermeidlich ist (vgl SZ 41/14; SZ 49/37

= EvBl 1976/213; SZ 52/70; Schubert in Rummel, ABGB3 § 957 Rz 3). In

der Rechtsprechung ist des weiteren anerkannt, dass sich eine

Verwahrungspflicht als Nebenpflicht eines anderen Vertrages ergeben

kann (Binder aaO Rz 5), insbesondere die Pflicht zur sorgfältigen

Verwahrung der den Gegenstand der eigenen rechtsgeschäftlichen

Leistung bildenden fremden Sache (2 Ob 101/99p = ZVR 2000/26; 8 Ob

35/04m = ZVR 2005/58; 7 Ob 278/05s; RIS-Justiz RS0008963) oder der

von einem Kunden abgelegten Kleidung, die in einem

Dienstleistungsbetrieb zur Aufbewahrung übernommen wird (SZ 49/37; SZ

52/70; Schubert aaO Rz 3; Binder aaO Rz 25). Tragender Gesichtspunkt

für die Annahme des schlüssigen Zustandekommens eines

Verwahrungsvertrages bzw der Obsorge als Nebenverpflichtung zu einem

anderen Vertrag ist jeweils die Verkehrssitte bzw die ergänzende

Vertragsauslegung (SZ 49/37; SZ 52/70; Schubert aaO Rz 3; Binder aaO

Rz 32).

Der Kläger teilt in seinen Revisionsausführungen im Wesentlichen die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach die Übergabe des Jetons und die Zuweisung eines bestimmten Garderobekästchens an ihn als konkludente Übernahme einer Verwahrungsnebenpflicht (zum Vertrag auf entgeltliche Überlassung eines Tennisplatzes) durch die erstbeklagte Partei zu qualifizieren sei. Die Frage, ob die übernommene Verwahrungspflicht auch die wertvolle Armbanduhr des Klägers umfasste, betrifft daher die Auslegung einer konkreten Vereinbarung im Einzelfall und wirft keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl RIS-Justiz RS0044298).

Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist dem Berufungsgericht dabei nicht unterlaufen. Bereits in der Entscheidung EvBl 1971/17 wurde die Ausdehnung des über ein Kleidungsstück stillschweigend abgeschlossenen Verwahrungsvertrages (auch) auf die angesteckte wertvolle Brosche mit der Begründung verneint, dass von einem diesbezüglichen Vertragswillen des Verwahrers wegen dessen mangelnder Kenntnis von der übergebenen Sache (der Brosche) nicht auszugehen sei (vgl auch EvBl 1977/264). Unter diesem Aspekt wurde in der Entscheidung EvBl 1980/110 auch die Einbeziehung einer wertvollen Brieftasche in den über ein Kleidungsstück zustandegekommenen Verwahrungsvertrag abgelehnt. Der Verwahrer habe nach der Verkehrssitte nicht damit rechnen müssen, dass sich in dem in Verwahrung gegebenen Kleidungsstück ein derart überdurchschnittlich wertvoller Gebrauchsgegenstand befand. Er habe vielmehr davon ausgehen können, dass jeder mit seinen Werten verbundene Eigentümer diesen Gegenstand an sich nehmen oder den Verwahrer auf ihn besonders hinweisen würde (in diesem Sinne auch SZ 19/233; SZ 37/151; 1 Ob 503/92 = SZ 65/20 mwN; RIS-Justiz RS0019349; Schubert aaO Rz 3; Binder aaO § 958 Rz 17; Griß in KBB, § 958 Rz 4). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die erstbeklagte Partei habe nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger in seinem Garderobekästchen eine Uhr im Wert von EUR 9.300,-- aufbewahrt, weshalb ihre Haftung wegen eines Verstoßes gegen ihre Verwahrerpflicht ausgeschlossen sei, hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur.

Dazu kommt, dass dem Kläger auf Grund seiner regelmäßigen Besuche in der Tennisanlage die Art der Verwahrung von Kleidung und Wertgegenständen geläufig sein musste. In solchen Fällen scheidet aber die Haftung des Verwahrers nach verbreiteter Ansicht selbst für vom Verwahrungsvertrag umfasste Gegenstände aus, wenn der Hinterleger gegen die Art der Verwahrung nicht Einspruch erhebt (3 Ob 234/02m mwN; RIS-Justiz RS0018960; Schubert aaO § 964 Rz 2; Griß aaO § 964 Rz 2).

Die Revisionsbehauptung, dass sich die Haftung der beklagten Parteien jedenfalls „aus der analog anwendbaren Bestimmung des § 970 ABGB" ergebe, ist nicht weiter begründet und zeigt daher ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Schließlich können die in der Revision angestellten Erwägungen zur (von den Vorinstanzen ohnehin nicht angenommenen) Wirksamkeit des Haftungsausschlusses in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der erstbeklagten Partei und zu den nach Ansicht des Klägers gebotenen, jedoch unterlassenen Sicherheitsvorkehrungen mangels Entscheidungserheblichkeit auf sich beruhen.

Da es der Lösung von Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.

Rechtssätze
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