JudikaturJustiz1Ob599/81

1Ob599/81 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Mai 1981

Kopf

SZ 54/82

Spruch

Die Bürgschaftsschuld verjährt ohne Rücksicht auf die für die Hauptschuld geltende Verjährung in dreißig Jahren und erlischt nur bei tatsächlicher früherer Verjährung der Hauptschuld mit dieser; eine Unterbrechung der Verjährung gegen den Hauptschuldner muß der Bürge innerhalb der dreißigjährigen Verjährungsfrist gegen sich gelten lassen

OGH 20. Mai 1981, 1 Ob 599/81 (OLG Graz 4 R 3/81; KG Leoben 9 Cg 233/80)

Text

Die beklagte Partei übernahm mit Bürgschaftserklärung vom 18. Oktober 1972 die Verpflichtung, bis zu einem Betrag von 80 000 S allen auf Grund der Bestimmungen des Zollgesetzes entstehenden Abgabenschulden der Firma Fritz M GesmbH aus Wareneinfuhren gemäß § 1357 ABGB als Bürge und Zahler beizutreten. Mit Schreiben vom 24. August 1973 machte die beklagte Partei von dem in der Bürgschaftserklärung vorbehaltenen Recht, die Haftungsübernahme aufzukundigen, Gebrauch. Dadurch blieb jedoch die Bürgschaftshaftung für jene Verpflichtungen unberührt, die auf Einfuhren zurückzuführen waren, die von der Firma Fritz M GesmbH bis zum Tage des Wirksamwerdens der Kündigung getätigt worden waren. Laut Bescheid des Zollamtes Graz vom 31. Oktober 1974 schuldete die Firma Fritz M GesmbH uneinbringliche Abgaben in der Höhe von 188 935 S, die aus der Abrechnung des Eingangsvormerkverkehrs beim Zollamt Leoben stammten. Über das Vermögen der Firma Fritz M GesmbH wurde am 28. April 1976 zu S 17/76 des Kreisgerichtes Leoben der Konkurs eröffnet; in diesem Verfahren wurde die von der klagenden Partei auf Grund des Rückstandsausweises des Zollamtes Graz vom 14. Mai 1976 angemeldete Forderung von 188 935 S in der zweiten Klasse der Konkursgläubiger in voller Höhe festgestellt. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1979 forderte das Zollamt Graz die beklagte Partei erstmals auf, auf Grund ihrer Bürgschaftserklärung den Betrag von 80 000 S zu bezahlen.

Die klagende Partei, die Republik Österreich, begehrte mit der am 23. Juni 1980 eingebrachten Klage Zahlung der verbürgten Abgabeschuld von 80 000 S. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete Verjährung ein. Die fünfjährige Verjährungsfrist der erst am 31. Oktober 1974 fällig gewordenen Abgaben sei gemäß §§ 182 ZollG, 238 Abs. 1 BAO am 31. Dezember 1979 abgelaufen. Die zur Unterbrechung der Verjährung gegen den Hauptschuldner unternommenen Maßnahmen seien gegen den Bürgen und Zahler nicht wirksam.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Forderung der klagenden Partei stamme zumindest mit einem 80 000 S übersteigenden Betrag aus der Zeit des aufrechten Bestandes der Bürgschaft. Da eine Bürgschaft auch für künftige und bedingte Verbindlichkeiten übernommen werden könne, bewirke die von der beklagten Partei abgegebene Bürgschaftserklärung auch die Haftung für jene Abgabenverbindlichkeiten der Firma Fritz M GesmbH, die sich auf Vormerkabfertigungen während des aufrechten Bestandes der Bürgschaft bezogen. Der Einrede der Verjährung komme jedoch Berechtigung zu, da die Bürgschaftsschuld mit der kürzeren Verjährung der Hauptschuld erlösche. Die Verjährungsfrist für die Hauptschuld betrage gemäß §§ 182 ZollG, 238 Abs. 1 BAO fünf Jahre. Sie beginne nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe zur Zahlung fällig geworden sei. Die Verjährungsfrist habe daher mit 31. Dezember 1979 geendet. Das Schreiben des Zollamtes Graz vom 25. Oktober 1979 habe den Lauf der Verjährungsfrist nicht zu unterbrechen vermocht. Hiezu hätte es gemäß § 1497 ABGB eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Anerkenntnisses oder der Einbringung der Klage bedurft. Durch die Feststellung der Forderung im Konkursverfahren sei zwar die laufende Verjährung der Hauptschuld unterbrochen worden, doch wirke diese Unterbrechung nur gegen den Hauptschuldner und nicht auch gegen den Bürgen. Die am 23. Juni 1980 eingebrachte Klage sei daher erst nach der Verjährung der Forderung gegen den Bürgen erhoben worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Die beklagte Partei habe sich zwar nicht den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung unterworfen. Aus der Abhängigkeit (Akzessorietät) der Bürgschaft, die auch für die Haftung des Bürgen und Zahlers nach § 1357 ABGB gelte, folge jedoch, daß sich der Bürge nicht für mehr verbürgen könne, als der Hauptschuldner leisten müsse, sodaß die Bürgschaft mit der Verbindlichkeit des Hauptschuldners ende und der Bürge für die Erfüllung der Hauptschuld in gleicher Art einzustehen habe wie der Hauptschuldner. Es sei zwar richtig, daß die Bürgschaftsschuld mit der kürzeren Verjährung der Hauptschuld erlösche. Im vorliegenden Fall habe aber die klagende Partei durch die Anmeldung ihrer Forderung im Konkurs die Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner bewirkt, sodaß die Hauptschuld nach wie vor zu Recht bestehe. Die Frage, ob die Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner auch gegen den Bürgen Wirkungen zeitigen könne, stelle sich in diesem Falle gar nicht, da die Hauptschuld innerhalb der für sie geltenden kürzeren Verjährungsfrist von fünf Jahren nicht verjährt sei. Die Verpflichtung der beklagten Partei aus der gegebenen Bürgschaft verjähre erst nach 30 Jahren. Selbst wenn aber gegenüber dem Bürgen von der kürzeren, den Bestimmungen der BAO entsprechenden Verjährungsfrist auszugehen wäre, hätte er nach dem Akzessorietätsprinzip in gleicher Art wie der Hauptschuldner einzustehen. Das würde bedeuten, daß die Bestimmungen der BAO auch auf den Bürgen anzuwenden wären. Gemäß § 238 Abs. 2 BAO werde aber die Verjährung fälliger Abgaben auch durch eine Mahnung unterbrochen. Da das Mahnschreiben der klagenden Partei der Bürgin am 25. Oktober 1979 zugekommen sei, sei hiedurch auch die Verjährungsfrist der Bürgin unterbrochen worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Gesetz enthält keine Sonderbestimmungen über die Verjährung der Bürgschaftsschuld als solche. Da die Eingehung einer Bürgschaft nicht zu den "Geschäften des täglichen Lebens" gehört, findet die besondere Verjährungszeit des § 1486 ABGB keine Anwendung. Für Bürgschaftsschulden als solche gilt vielmehr die allgemeine Verjährungszeit von dreißig Jahren (§§ 1478, 1479 ABGB). Da aber die Verbindlichkeit des Bürgen verhältnismäßig mit der Verbindlichkeit des Schuldners aufhört (§ 1363 ABGB), erlischt die Bürgschaft, wenn sie zur Sicherung einer der kurzfristigen Verjährung unterliegenden Forderung eingegangen worden ist, mit der Verjährung der Hauptschuld (SZ 15/6; Klang in seinem Kommentar[2] VI, 621; 5 Ob 647/77).

Der Bürge kann sich also auf die gegenüber dem Hauptschuldner abgelaufene Verjährung berufen (Ehrenzweig[2] II/1, 121), auch wenn die Verjährung ihm selbst gegenüber noch nicht eingetreten ist (Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI, 241). Kommt es durch Klageführung gegen den Hauptschuldner (oder aus anderen Gründen) zur einer Unterbrechung der für den Hauptschuldner geltenden kürzeren Verjährungsfrist, kann der Bürge nicht einwenden, daß auch ihm diese kürzere Verjährungsfrist zustehe und die gegen den Hauptschuldner erfolgte Unterbrechung dieser Verjährungsfrist ihm gegenüber unwirksam sei. Letzteres wäre nur der Fall, wenn für Hauptschuld und Bürgschaft stets eine gemeinsame Verjährungsfrist gälte; dann hätte der Grundsatz zur Anwendung zu kommen, daß die Unterbrechung der Verjährung nur zwischen jenen Personen wirkt, zwischen denen der die Unterbrechung begrundende Tatbestand gesetzt worden ist (ZVR 1960/205; 1 Ob 759/78 u. a.; Klang in seinem Kommentar[2] VI, 658). Für die Bürgschaftsschuld als solche gilt aber die allfällige kürzere Verjährungsfrist der Hauptschuld nicht. Nur der Grundsatz der Akzessorietät bewirkt, daß sich der Bürge auf die vor der Verjährung der Bürgschaftsschuld bereits tatsächlich eingetretene Verjährung der einer besonderen Verjährungszeit unterliegenden Hauptschuld berufen kann. Tritt diese aber wegen einer Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht ein, so ist damit noch keine Erweiterung oder Erschwerung der Haftung des Bürgen verbunden, da diese grundsätzlich, soweit nichts anderes zulässigerweise (§ 1502 ABGB) vereinbart wurde, bis zum Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist aufrecht bleibt.

Der gegenteiligen Ansicht, die der OGH in den nicht veröffentlichten Entscheidungen 5 Ob 647/77 und 7 Ob 161/72 vertreten hat, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. In diesen Entscheidungen wurde ausgesprochen, daß die Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner für den Bürgen rechtlich irrelevant sei, da sie eine Erweiterung der Haftung des Bürgen mit sich brächte, diese aber die Zustimmung des Bürgen zur Voraussetzung habe. So wurde in der Entscheidung 7 Ob 161/72 die für die Hauptschuld geltende zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG auch als gegenüber dem Bürgen, gegen den keine zur Unterbrechung der Verjährung führende Hereinbringungsmaßnahme getroffen worden sei als abgelaufen angesehen. Die genannten Entscheidungen beriefen sich auf Ohmeyer - Klang, wonach die Unterbrechung der Verjährung der Hauptschuld gegen den Bürgen nicht wirke (a.a.O., 241; ebenso 243). Was damit gemeint war, ergibt sich aber aus den von Ohmeyer - Klang a.a.O., 241 unter FN 10 angeführten Belegstellen des älteren Schrifttums. Stubenrauch (Kommentar[8] II, 761 und dort FN 2) führt aus, "daß für jede der beiden Forderungen des Gläubigers (nämlich einerseits gegen den Hauptschuldner, andererseits gegen den Bürgen) eine besondere Verjährung läuft und daß daher eine Hemmung oder Unterbrechung des Laufes der einen Verjährung auf die andere an und für sich noch keinen Einfluß übt."

Er könne daher der Ansicht Ellingers nicht beipflichten, wenn dieser behaupte, "daß die vor Ablauf der Verjährungsfrist eingetretene Unterbrechung (der für die Forderung gegen den Hauptschuldner laufenden Verjährung) für den Bürgen eine längere Haftung begrunde, indem seine Haftung sich auf die ganze Verjährungszeit der Forderung erstrecke und daher die Verjährung wieder neu zu laufen beginnt."

Auch Mayr (Lehrbuch II, 105 f.) unterscheidet deutlich zwischen dem akzessorischen Erlöschungsgrund der Verjährung der Hauptschuld und dem selbständigen Erlöschungsgrund der Verjährung der Bürgschaftsforderung und merkt zu letzterem (FN 9) an, daß die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung der Hauptschuld die Verjährung der Bürgschaftsschuld unberührt läßt. Und Hasenöhrl (Lehrbuch[2] II, 280) verweist darauf, daß für die Forderung gegen den Hauptschuldner und für die Forderungen aus der Bürgschaft besondere Verjährungen laufen.

Besonders deutlich ergibt sich die wahre Auffassung Ohmeyer - Klangs bzw. Klangs daraus, daß sie offensichtlich der Entscheidung SZ 15/6 zustimmen, zitieren sie sie doch als Belegstelle zweimal (241 FN 8; 621 FN 9). Diese Entscheidung läßt jedoch keinen Zweifel darüber, daß die Verjährungsfrist für eine Bürgschaftsschuld 30 Jahre beträgt, auch wenn für die verbürgte Schuld eine kürzere Verjährungszeit, im konkreten Fall die dreijährige für "Geschäfte des täglichen Lebens" nach § 1486 ABGB, gilt. Diese Auffassung wurde damit begrundet, daß zwar ein Mensch, der im Erwerbsleben steht, vielleicht täglich einen Kauf abschließen, aber wohl kaum regelmäßig Bürgschaften übernehmen wird. Nur die tatsächliche Verjährung der Hauptschuld bewirkt daher gemäß § 1363 ABGB auch das Erlöschen der Bürgschaftsschuld. Es wurde daher eine Ergänzung des Verfahrens dahin angeordnet, ob die Hauptforderung verjährt ist. Es besteht kein Anlaß, von der überzeugend begrundeten Entscheidung SZ 15/6 und den ihr sodann offensichtlich folgenden (und später nur mißverstandenen) Lehrmeinungen abzugehen.

Im vorliegenden Fall ist die fünfjährige Verjährungsfrist für die den abgabenrechtlichen Vorschriften unterliegende Hauptschuld nicht abgelaufen, weil durch ihre Anmeldung im Konkurse des Hauptschuldners am 28. April 1976 die Unterbrechung der Verjährung eintrat (§ 9 Abs. 1 KO). Damit kann sich die Bürgin nicht auf eine gegenüber dem Hauptschuldner abgelaufene Verjährung berufen; ihre der dreißigjährigen Verjährung unterliegende Bürgschaftsschuld besteht aber aufrecht. Es ist dann ohne Belang, daß die abgabenrechtlichen Verjährungsvorschriften (§ 238 Abs. 1 und 2 BAO) im bürgerlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen nicht anwendbar sind.

Rechtssätze
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